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Sankt Nikolaus
Sankt Nikolaus (er hiess wirklich so) war kein sehr reicher Mann, er war eher arm. Auch war er nicht sehr gross, sondern ziemlich klein. Um genau zu sein war er einen Meter und siebzig Zentimeter gross, also halt schon ziemlich na ja. Das war einer der Gründe, warum er oft bei Frauen aneckte. An diesem Abend war er mit Brigitte Kraus verabredet. Sie war Kassiererin im Dorfladen, und darum war sie so gut wie jedem im Dorf bekannt.
Sankt sass mit Brigitte im „Edlen Wellensittich“, einem ziemlich noblen Restaurant im Zentrum des Dörfchens. Er hatte sie auf ein teures Essen und einen edlen Wein eingeladen, und so sassen die Zwei sich nun gegenüber an einem Zweiertisch und plauderten über verschiedene Dinge, über die Leute vom Land eben so redeten. Wetter, die Ernte, Skandale und Gerüchte und noch viel mehr. Gesprächsstoff war also mehr als genug vorhanden, doch Sankt wartete auf den richtigen Moment, um Brigitte seine Liebe zu gestehen. Sankt hatte dasselbe bestellt wie Brigitte, und sagte danach ganz überrascht „Nanu, wir haben dasselbe bestellt! Menschenskind, wir haben ja so viel gemeinsam!“ Das sollte ein erster Annäherungsversuch sein, und tatsächlich erwiderte Brigitte ihn mit einem Lächeln.
Sankt war den Umgang mit Menschen nicht gewohnt, da er schon als Kind viel gehänselt und ausgestossen geworden war. Er hatte nie gelernt, mit Menschen richtig zu kommunizieren, und war dadurch psychisch sehr instabil. Enttäuschungen konnten in ihm regelrecht Welten zusammenstürzen lassen, oft reagierte er auf Misserfolge, in welcher Hinsicht auch immer, mit starken Aggressionen.
Bereits beim Bestellen des Essens merkte Sankt, dass der heutige Abend wohl nicht so verlaufen würde wie er es sich gewünscht hatte. Trotzdem wollte er sein Bestes geben und Brigitte erobern.
Inzwischen war es kurz vor elf Uhr, als die beiden fertig gespeist hatten und nun noch an den Weingläsern saugten. „Du, Brigitte“, sagte Sankt endlich. „Ich muss dir was sagen.“
„Und was denn, Sankt?“, wollte Brigitte wissen.
„Ich liebe dich. Du mich auch?“, schoss es aus Sankt heraus. Er wollte es eigentlich langsam angehen, doch als das Ventil in ihm nun endlich mal einen Spalt offen war, sprudelten seine ganzen Gefühle auf einmal heraus.
„Nein, eigentlich nicht. Bist schon in Ordnung, und das Essen war auch gut, aber mehr ist da nicht zwischen uns, ok? Sowieso bin ich müde und muss gehen. Danke fürs Essen, machs gut!“, sagte Brigitte trocken. Dann stand sie auf, nahm ihre Handtasche und verliess aufgebracht das Lokal.
Sankt nahm ihr Weinglas und schnupperte daran. „Ach, ich glaube, ich kann noch ihren warmen Lippenstift auf dem Glas riechen...“, dachte er. „Brigitte...“
Dann trank er den restlichen Wein aus ihrem Glas und bezahlte das Essen. Nach einigen Minuten stand er schliesslich auf und ging nach Hause. So hatten schon viele Abende für ihn geendet.
Zuhause sah er sich noch „Die purpurnen Flüsse“ auf DVD an und ging dann ins Bett. Er träumte von Brigitte...
Ende