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Sayonara
Sayonara
Etwas abseits eines Flugplatzes. Felix saß auf einer Bank und beobachtete Cessnas, Pipers, Beechcrafts und deren Starts und Landungen. Als Schüler hatte er, gar nicht weit von dort, wo er jetzt saß, ein Praktikum bei einem Flugzeugbauer gemacht. Und seitdem zog es ihn immer wieder hierher.
Seit Stunden saß er auf dieser Bank. Beobachtete und rauchte. Nickte den Spaziergängern zu, die hin und wieder an ihm vorbei schlenderten, und ließ sich die Sonne aufs Haupt scheinen. Und er malte sich aus, wohin er fliegen würde, wenn er denn fliegen könnte.
Nach Rom würde er fliegen und am Piazza del Campidoglio einen Espresso trinken. Das Kolosseum würde er sich anschauen. Bei Nacht. Nur bei Nacht.
Dann würde er weiterfliegen.
Nach Barcelona. Wo er den Montjuic besteigen und den herrlichen Blick auf die Stadt genießen würde. Bevor er der Sagrada Familia einen Besuch abstatten und über die Rambla de Santa Mònica flanieren würde.
Dann würde er weiterfliegen.
Nach Paris. Wo er eine Bootsfahrt auf der Seine machen und vor dem Élysée-Palast und unter dem Triumphbogen und auf dem Eifelturm in bewunderndes Schweigen ausbrechen würde.
Dann würde er weiterfliegen.
Nach Hause. Wo er seinen Freunden und der Familie Fotos zeigen würde. Und er würde Anekdoten zum Besten geben können, die so noch nie jemand zum Besten gegeben hatte.
Aber ach, er konnte ja nicht fliegen.
Da setzte sich ein kleiner, blonder Junge neben ihn. Schweigend. Erst. Dann zeigte er auf eine landende Piaggio und sagte:
„Ich werde Pilot.“
Felix lachte und antwortete:
„Das wollte ich auch, als ich so alt war wie du jetzt.“
„Und bist Du’s geworden?“
„Nein.“
„Wieso nicht?“
„Hm, keine Ahnung. Hat sich nie ergeben.“
„Ich werde auf jeden Fall Pilot! Und dann kaufe ich mir ein Flugzeug und fliege um die ganze Welt.“
„Das hört sich gut an. Vielleicht kannst du mich ja dann mitnehmen.“
„Nee, ich glaub nicht.“
„Was? Wieso denn nicht?“
„Na, ich kenn dich doch gar nicht.“
„Das stimmt natürlich.“
„Aber vielleicht schick ich dir ne Postkarte.“
„Versprochen?“
„Jap.“
„Hand drauf?“
„Hand drauf.“
Sie gaben sich die Hand. Als eine Stimme neben ihnen losschrillte.
„Max! Ja, glaub ich’s denn? Kannst du mir mal erzählen, was du da machst?“
„Mama?“
„Ja, richtig, deine Mutter. Also, kommst du jetzt hier her, oder wie seh ich das? – Sofort!“
„Ich muss gehen.“
„Hat mich gefreut, Max.“
„Tschüss.“
„Mach’s gut.“
Max hüpfte von der Bank und rannte los. Felix blickte ihm nach. Sah Max’ Mutter. Sie hielt die Arme verschränkt und verlagerte ihr Gewicht von einem Bein aufs andere. Immer hin und her.
Er lächelte ihr zu.
Sie verdrehte die Augen, schnappte sich die Hand ihres Sohnes und zerrte ihn hinter sich her in Richtung Parkplatz. Der kleine Junge schaute sich noch einmal um. Ängstlich. Fragend. Felix streckte ihm einen Daumen entgegen. Max lächelte. Befreite sich aus dem Griff seiner Mutter, breitete die Arme aus und flog los.
Ein paar Minuten später saß Felix in seinem Wagen und war auf dem Weg nach Hause. Im Radio spielten sie die Pogues. Er trat aufs Gas und schloss die Augen. Nach New York würde er fliegen. Nach Rio, Moskau, Peking. Nach London, Sydney, Kapstadt. Tokio. Nach Dublin. Aber ach...