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Schönes Bambino-Wochende

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19.01.2006
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Schönes Bambino-Wochende

Der Sonntagmorgen ist ein schöner Morgen. Besonders, wenn um halb acht das erste Fußballspiel des Bambino-Turniers beginnt und das eigene Kind mitmacht.

Drei Minuten vor Spielbeginn rannte ich mit meinem kleinen Fußballer die Treppe hinunter und verließ das Haus. Mit einem lauten Knall krachte die Haustür ins Schloss, dass die Spatzen von der Dachrinne stürzten und unser 93-jähriger Mitbewohner aus dem Bett fiel.
Auch ich erschrak. Aber nicht wegen des Knalls sondern wegen der vereisten Autoscheiben. Ich hatte abends den Wagen in der Einfahrt stehen lassen, statt ihn in der Garage zu parken. Ich wollte morgens schneller wegkommen.

Und nun stand ich da und musste Eis kratzen. Die Kratzspuren auf der Autoscheibe erinnerten mich an die Spuren schwarzer Turnschuhsohlen auf Hallenparkett. Nach dem letzten Spiel verbot der Hallenwart derartiges Schuhwerk und deshalb sollte mein Schätzchen seine hellen Sportschuhe am Freitag aus dem Kindergarten mitnehmen.
"Sag mal, hast du die eigentlich die Schuhe aus dem Kindergarten mitgebracht?", fragte ich meinen Ballkünstler.
"Nein. Die hängen noch an meinem Haken", antwortete er unschuldig.
"Wie schön!", erwiderte ich gelassen. Aber nur, weil Nachbar Schulze gerade mit einer Tüte Brötchen vorbeischlenderte und mir einen schönen guten Morgen wünschte. In Wirklichkeit könnte ich platzen - und zwar vom Scheitel über den Bauchnabel bis hinunter zum großen Zeh und ich hoffe sehnlichst, dass der Bengel in den nächsten fünf Minuten den Schnabel hält, damit ich vor Schulze und seinem Weizenmehlgebäck die Haltung wahre.

In solchen Momenten überlege ich, der Kirche beizutreten und Gott gefällig nach der Bibel zu leben. In der steht nämlich, dass man am siebten Tage ruhen soll und das ist eine ausgesprochen gute Idee, wenn man von Montag bis Sonntag alleine zwei schulpflichtige Kinder umsorgt. Aber es nutzte nichts. Die Sache war nun angerührt und verlangte nach Vollendung. Ich befreite ringsherum die Scheiben vom Eis und schleuderte den Kratzer in den Fußraum der Beifahrerseite. Dort schepperte er gegen die Pfandflaschen, die sich seit zwei Wochen gegen ihre Rückgabe wehren.
"Du setzt dich schon mal ins Auto", befahl ich dem bibbernden Fußballzwerg neben mir. Dann hastete ich zurück ins Haus, in den Keller hinab, um im Altkleiderbeutel nach einem Paar kaputt gepflegten Turnschuhen zu suchen.
"Schön guten Morgen!", äffte ich Schulze nach. Der hat gut reden. Während er sein Frühstücksei schlürft und seiner Frau vorwirft, sie hätte kein Gefühl für Dreiminuteneier, suche ich mit den Kellerasseln nach weißsohligen Turnschuhen. Und wofür? Damit Oma und Opa wieder prahlen, wie viele Tore ihr Enkel schießt und wie oft der arme Kerl am Knie verletzt wurde. Prinzipiell habe ich ja nichts dagegen. Aber muss das am Sonntagmorgen sein?

Endlich fand ich ein Paar Schuhe. Das Leder war in den Tretfalten geplatzt, vorne würden die Zehen etwas frische Luft bekommen und am linken Schuh war die Sohle locker. Mit Sicherheit würden diese Treter die Blicke einiger Mütter auf sich ziehen und mich dafür mit vorgehaltener Hand kreuzigen. Das können sie in unserer Gegend ganz gut. Aber, Herr Gott, was sollte ich denn machen.
Ich schnappe die Latschen, haste die Treppe hoch, zur Haustür hinaus, rummms, hechte ins Auto, starte den Motor, legen den Rückwärtsgang ein, drehe mich um. Wo ist der Junge?
"Mike? Wieso sitzt du nicht im Auto?"
"Wie denn?", klappert er mit den Zähnen, "Die Tür ist doch zu."
"Hach, hat sich denn alles gegen uns verschworen?" Ich öffnete die Hintertür, schmiss mein Kind in die Sitzschale, schnallte es an, Tür zu und ab ging's. "Hoffentlich bauen wir nicht noch einen Unfall", murmle ich vor mich hin. Obwohl mir an dieser Stelle ein klitzekleiner Blechschaden ganz willkommen wäre. Dort und zu diesem Zeitpunkt gleich beim Verlassen der Einfahrt. Ich hätte einen Grund, der familiären Verpflichtung in der Großkotzhalle fernzubleiben. Aber gerade, wenn man sich einen Verkehrstrottel herbeiwünscht kommt keiner. Vermutlich schliefen sie noch bei irgendeiner Braut, der sie abends nach der Disko ernste Absichten schworen, um sie anschließen zu vernaschen.

"Apropo Unfall. Mike hast du die Knieschützer vorhin in die Tasche gepackt, wie ich's dir gesagt habe?" Keine Antwort. Ich sah in den Rückspiegel. Mein Junior gab sich in höchster Konzentration der Popelei hin und versuchte sich durch Fingerschnippen seiner nasalen Artefakte zu entledigen. "Du Ferkel!", rief ich. Worauf er sich erschreckte und zu plärren begann. Krampfhaft versuchte ich bei Tempo siebzig eine Packung Papiertaschentücher zu öffnen. Es gelang mir unter materiellen Verlusten. Ich hatte ein Verkehrsschild gestreift und ein Huhn tranchiert. Wenigstens aber war nun der Sekretabfluss meines Kindes hygienisch geregelt.

"Was ist jetzt mit den Knieschützern?", hake ich nach. "Hast du sie eingepackt?"
"Äh, weiß nicht."
"Na prima!", meckere ich. "Du rennst heute wie ein Lump herum und ich muss mich deinetwegen bis auf die Knochen schämen" Dann knurrte mein Magen. Zum Frühstücken war die Zeit an diesem schönen Morgen zu knapp. Aber ich hatte wenigstens Brote geschmiert und Tee eingepackt.
"Wo ist eigentlich die kleine Tasche mit unseren Broten?"
"Die lag auf dem Autodach, als du die Scheiben abgekratzt hast", klärte mich mein Genie auf. Den darauf folgenden Fluch möchte ich hier nicht wiederholen.

Exakt 7 Uhr 47 bogen wir auf dem Parkplatz der Großsporthalle. Zu spät. Das erste Turnierspiel lief bereits. Das war von draußen nicht zu überhören. Noch schlimmer: die eigene Mannschaft bestritt das erste Spiel.
"Los rein jetzt. Die haben schon angefangen."
Hastig steige ich aus, öffne meinem Krümel die Tür und er steht da mit leeren Händen.
"Wo ist die Sporttasche?", frage ich. Der kleine Teufel zuckt die Schultern: "Weiß nicht."
In diesem Moment schien um mich herum die Szene einzufrieren. Ich weigerte mich zu hören, zu sehen, zu atmen und zu denken. Das war auch gut so, denn der Trainer und die pünktlichen Mütter hatten wenig tröstliche Worte für mich übrig als ich ihnen erklärte, ich müßte noch einmal nach Hause fahren, um die Sportsachen zu holen. Sportsachen, die aus einem Paar Wegwerfschuhen bestanden. Ich schämte mich wie ein Klassenlehrer, dem die Schüler am Ende des Unterrichts sagten, er hätte die ganze Zeit mit offenem Hosenstall vor ihnen gestanden.

Nachdem mein Kleiner einige Dutzend Mal die Latschen beim Schießen in die Luft gewirbelt hatte, nahm ihn der Trainer vom Platz und mir wurde mit beiläufigen Äußerungen am Spielfeldrand verklickert, dass ich am schlechten Abschneiden der Mannschaft schuld war. Sie hatten sieben Spiele zu Null verloren. Ein schöner Sonntagmorgen und nächste Woche stehe ich gerne wieder um 7 Uhr auf - und lege mich gleich wieder hin, weil mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unser Auto kaputt ist.

 

Hallo querkopf,

habe mich über deine Geschichte sehr amüsiert. Sie ist so schön locker vom Hocker geschrieben. Konnte mir die Situation unheimlich gut vorstellen. Vor allem haben mir manche Vergleiche sehr gut gefallen.

Aber trotz allem sind mir noch ein paar Flüchtigkeitsfehler aufgefallen.

"Nein. Die hängen noch an meinem Haken.", antwortete er unschuldig.
Punkt nach Haken muss weg

... und ich hoffe sehnlichst, das der Bengel in den nächsten fünf Minuten den Schnabel hält, ...
..., dass der ....

Dort schepperte er gegen die Pfandflasche, die sich seit zwei Wochen gegen ihre Rückgabe wehren.
Pfandflaschen (Mehrzahl)

"Hoffentlich bauen wir nicht noch einen Unfall.", murmle ich vor mich hin.
auch hier Punkt nach "Unfall" weg

..., der sie abends nach der Disko ernste Absichten schworen, um sie anschließen zu vernaschen.
anschließend

Ich hatte ein Verkehrsschild gestreift und ein Huhn tranchiert.
Das Huhn missfällt mir persönich hier. Ist aber Geschmacksache.

ich muss mich deinetwegen bis auf die Knochen schämen. Dann knurrte mein Magen.
Anführungsstriche nach schämen

"Die lag auf dem Autodach, als du die Scheiben abgekratzt hast.", klärte mich mein Genie auf.
auch hier Punkt nach "Hast" weg lassen

Den darauf folgenden Fluch möchte ich hier nicht erwähnen.
hier würde ich statt "erwähnen" "wiederholen" nehmen, denn erwähnt hast du ja, dass du geflucht hast.

Eine Frage zum Schluss noch: kann sich die ganze Szene eigentlich in drei Minuten abgespielt haben? Du schreibst nämlich gleich zu Beginn:

Drei Minuten vor Spielbeginn rannte ich mit ...
Und als sie ankamen, das erste Mal ankamen, da hatte das Spiel noch nicht begonnen, oder durfte der Filius nur an einem der Spiele teilnehmen, das später stattfand?

Zusammenfassend eine amüsante Episode aus dem Leben eines Vaters, oder sogar aus deinem Leben?

Viele Grüße und ein Schmunzeln von
bambu

 

Fehler korrigiert

Hallo Bambu, für so viel Korrekturarbeit vielen vielen Dank. Ich habe die Fehler allesamt ausgemerzt und hoffe, dass der Lesefluss nun nicht mehr gestört ist.

Die Geschichte ist tatsächlich der Realität entnommen. Als allein erziehender Papa mit zwei lebhaften Jungs erlebe ich so einiges. Wenn es Menschen wie dich unterhält und zum Schmunzeln bringt, freue ich mich natürlich doppelt.

 

Hallo querkopf,

eine schöne Unterhaltungsgeschichte. Der locker-ironische Stil passt gut zum Geschehen.
Gelungen finde ich auch die Beschreibung des `sozialen Über-Ichs´ in Form der perfekten Mütter, die (zumindest) nach außen hin alles im Griff haben.
Dem Kleinen scheint der ganze Aufwand nicht besonders wichtig zu sein, vielleicht sollte man Konsequenzen aus dieser Tatsache und dem Spielbeginn mitten in der Nacht ziehen …


„Aber gerade, wenn man sich einen Verkehrstrottel herbeiwünscht kommt keiner. Vermutlich schliefen sie noch bei irgendeiner Braut, der sie abends nach der Disko ernste Absichten schworen, um sie anschließen zu vernaschen“

Hier verrennt sich deine Protagonisten - man sieht, wie die Anspannung alle politische Korrektheit neutralisiert (sehr menschlich).

L G,

tschüß Woltochinon

 

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