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Schöpfmärchen

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13.04.2020
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Anmerkungen zum Text

Den Namen ‚Am Schöpfwerk’ trägt heute eine städtische Mietskaserne in Wien. Es ist multikulturell bewohnt, was seinem schlechten Ruf keinen Abbruch tat. Ich arbeite seit sechs Jahren da und bin der Meinung, dass das mit dem Ruf Quatsch ist. Wer mit offenen Augen durch das Schöpfwerk geht, erkennt, dass es immer noch ein bisschen märchenhaft ist.

Schöpfmärchen

Es waren einmal vor langer Zeit in der Hauptstadt eines Kaiserreiches zwei alte, große und sehr, sehr starke Pferde, Mathilde und Kuno. Sie hätten schwerste Lasten ziehen können, doch ihr Besitzer, eine reicher Grundherr, wollte lieber, dass sie ein Schöpfwerk betrieben. Dieses war ein Hebewerk, das Wasser aus mehreren Brunnen und einem kleinen Bach in die flachen Teiche eines Eiswerks fließen ließ. Dafür musste ein Rad mit Wasserschaufeln den ganzen Tag bewegt werden. Dieses war die Aufgabe der Pferde. Sie wurden abwechselnd für eine Stunde vor das Rad gespannt und drehten dieses, indem sie im Kreis gingen.

Zwei Kinder, die Geschwister Johanna und Franz, brachten die Pferde jeden Morgen zum Schöpfwerk. Sie spannten eines vor das Rad und gingen mit dem anderen in einen Unterstand. Die Arbeit der Schöpfpferde musste nämlich im Winter getan werden. Nur dann konnte das Wasser im Eiswerk gefrieren. Ein Kind wartete mit dem Pferd im Unterstand und das andere blieb in einem kleinen Häuschen in der Nähe des großen Rades. Jede Stunde wechselten sie und zwar fünfmal, sodass das Werk am Tag zehn Stunden arbeitete. Man brauchte das Eis, um Lebensmittel zu kühlen. Es wurde zu Blöcken zersägt, die in sogenannte Eiskeller kamen. Dadurch gab es auch im Frühling und im Sommer immer genug davon. Allerdings war es sehr teuer. Der Grundherr verlangte nämlich einen hohen Preis. Viele Leute konnten sich das Eis nicht leisten. So auch die Eltern von Johanna und Franz. Sie lebten in einem winzigen, armseligen Häuschen auf den Feldern vor der Stadt. Die Kinder bekamen für ihre Arbeit vom Grundherrn einen Groschen am Tag. Er selbst verdiente mit dem Eis tausende von Gulden. Die Eltern der Kinder waren über deren Lohn sehr froh. Sie konnten damit ein bisschen mehr Essen kaufen. Manchmal zwei Eier oder ein wenig Milch. Ein anderes Mal ein Stück Wurst oder Käse. Deshalb mussten Johanna und Franz jeden Tag mit den Pferden hinaus in die Kälte.

Den beiden machte das aber nichts aus. Sie liebten Mathilde und Kuno, und die Pferde liebten die Kinder. Im Unterstand und im Häuschen war es nicht besonders kalt, und Johanna und Franz brachten immer eine Beschäftigung mit. Sie kam nie ohne ein Buch, und er hatte immer eine Schnitzarbeit dabei. Wenn sie nach zehn Arbeitsstunden heim gingen, erzählte sie ihm, was sie gelesen hatte, und er zeigte ihr seine Schnitzerei. Jeden Abend brachten sie Mathilde und Kuno zum großen Stall des Grundherren. Von dessen Knecht erhielten sie ihren Lohn für den Tag. Danach wurde es immer lustig, denn Mathilde und Kuno, die bei den Kindern den ganzen Tag sanft und friedlich waren, ärgerten immer den Knecht. Er hatte ihnen einmal mit der Peitsche gedroht und war gleich darauf im Misthaufen gelandet. Seither hatte er Angst vor Mathilde und Kuno, die ihm nicht verziehen. Auf ihrem Heimweg hörten die Kinder die verzweifelte Stimme des Knechts: „Na, wirst du wohl rein gehen in den Stall! Ganz bitte, ich muß die Tür schließen! Danke, liebe Mathilde! Ah, ich könnte sie..... Nein, nein, nein! Warum bist du heraußen? Du warst doch schon drin im Stall, also bitte, hinein mit dir! Kuno, was machst du? Nein, nein, das ist nicht dein Stall... Kuno! Kuno! Nein! Ahhhh!“

Kuno wieherte und die Kinder kicherten.
„Wahrscheinlich liegt er wieder im Misthaufen“, meinte Franz.

An einem besonders kalten Abend war der Grundherr dabei, als Johanna und Franz ihren Lohn bekamen. Er war ein großer Mann mit einer lauten Stimme.
„Häh, ihr beiden! Kommt mal her zu mir!“, rief er den Kindern zu.
„Ab morgen arbeitet jedes Pferd eine Stunde länger, verstanden? Sagt es euren Eltern! Wenn es ihnen nicht passt, dann suche ich mir eben andere Pferdehüter. Geht jetzt und morgen seid ihr eine Stunde früher da! Ich brauche mehr Wasser im Eiswerk. Mehr Wasser heißt mehr Eis, und das heißt mehr Geld – für mich! Ha, ha!.“
An den Knecht gewandt sprach er: „Und du kommst mir auch eine Stunde früher!“
Der Knecht verbeugte sich tief und sagte: „Ja, mein Herr! Natürlich, mein Herr! Sehr gern, mein Herr!“

Die Eltern von Johanna und Franz waren einverstanden und so gingen die Kinder am nächsten Morgen eine Stunde früher zum Stall. Über Nacht war es noch kälter geworden. Auf dem Weg zum Schöpfwerk gingen die Kinder ganz nah bei den Pferden, um sich zu wärmen. Den Pferden machte die Kälte nichts aus. Mühelos drehten sie das Rad des Schöpfwerks. Den Kindern aber war kalt. Im Unterstand beim wartenden Pferd war es nicht so schlimm, aber im Häuschen am Schöpfwerk froren sie erbärmlich. Besonders Franz, der sehr klein und dünn war, litt schwer. Es war ihm unmöglich zu schnitzen und auch Johanna konnte nicht lesen. Am dritten Tag der Kälte kam Johanna mit Kuno, um Franz und Mathilde abzulösen. Es war der dritte Wechsel, und die Kinder waren bereits durchfroren und müde.

Auf dem Weg vom Unterstand zum Schöpfwerk, konnte man dieses schon von weitem erkennen. Als Johanna sah, dass Mathilde nicht vor das Rad gespannt war, begann sie zu laufen. Sie erreichte das Werk und schaute sich verzweifelt um. Franz und Mathilde waren nirgends zu sehen.
„Franz, wo bist du?“, rief sie laut, bekam aber keine Antwort. Sie wollte sich schon auf die Suche machen, da bemerkte sie, dass Kuno schon am Rad stand und sie anschaute.
„Spann mich ein und geh ins Häuschen!“ schien sein Blick zu sagen. Der Grundherr fiel ihr ein: „Niemals dürft ihr ein Pferd allein lassen!“ hatte er ihnen mit seiner lauten Stimme befohlen. Zögerlich spannte sie Kuno ein und dieser schnaubte sanft, ganz so, als ob er sagen wollte: „Gut gemacht!“
Johanna ging in das Häuschen und wartete dort, tief besorgt. Als sie endlich die Schritte schwerer Hufe auf dem gefrorenen Boden hörte, sprang sie heraus und rief: „Wo bist du gewesen, Franz?“
Doch ihr Bruder grinste nur unter seiner Wollhaube hervor, winkte und ging mit Mathilde in Richtung Unterstand. Das Pferd wieherte zweimal in die kalte Winterluft, und es klang wie frohes Lachen.

An diesem Abend war der Grundherr wieder beim Stall, was Johanna beunruhigte. War er etwa dahinter gekommmen, dass Franz und Mathilde sich vom Schöpfwerk entfernt hatten? Nein! Er schaute sogar freundlich drein, zum ersten Mal seit die Kinder ihn kannten.
„Sehr brav wart ihr!“, sagte er, „so viel Wasser ist noch nie an einem Tag ins Eiswerk geflossen. Ihr sollt eine Belohnung bekommen!“ Er griff in die Tasche und gab jedem Kind, zu deren großer Verwunderung, zwei Groschen. Draußen wieherten Mathilde und Kuno, die wieder einmal den Knecht ärgerten.
„Wo bist du gewesen?“, fragte Johanna ihren Bruder später, daheim in der Stube. Doch der grinste nur und sagte: „Frag morgen den Kuno.“

Als Johanna Kuno am nächsten Tag zum dritten Mal einspannen wollte, ging dieser vom Rad weg.
„Wo willst du hin?“, rief das Mädchen, woraufhin Kuno schnaubte und bei einem Schneehaufen stehen blieb. Mit einer Kopfbewegung bedeutete er Johanna aufzusteigen. Sie kletterte hoch und ergriff seine zottelige Mähne.
„Na, los!“, sagte sie und Kuno setzte sich in Bewegung. Trotz der Kälte fror Johanna nicht, denn der Körper des Pferdes wärmte sie.
Kuno begann, langsam zu laufen. Sie überquerten ein gefrorenes Feld und näherten sich einem Hügel. Durch einen kleinen Wald gelangten sie hinauf. Johanna schaute hinunter und lachte glücklich. Zu ihren Füßen lag die Hauptstadt des Kaiserreiches. Sie konnte den großen Dom sehen und viele Häuser. Über allem schwebte rußiger Rauch aus tausenden Schloten. Kuno ging den Hügel hinab, bis sie zu einer dichten Hecke kamen. Er schnaubte und zwängte sich durch die Äste. Hinter der Hecke lag ein riesiger Garten.

Der Garten war menschenleer. In ihm befand sich ein weiterer Hügel, den Kuno sogleich hinauf ging. Ganz oben stand ein seltsames Gebäude. Es hatte riesige Fenster und war reich verziehrt aber ganz offensichtlich unbewohnt. Auf der anderen Seite fiel der Hügel steil ab, und ganz unten befand sich ein riesiges gelbes Schloss.
„Dort wohnt der Kaiser!“, sagte Johanna leise voll Freude, und Kuno wackelte mit seinen Ohren, was soviel wie „Ja, stimmt!“ bedeutete.
„Reiten wir hinunter!“ flüsterte das Mädchen, doch Kuno schüttelte heftig den Kopf.
„Na, gut!“ sagte sie. Der Ausflug hatte ihre Erwartungen ohnehin schon bei weitem übertroffen. Sie schaute zum Schloss hinunter und sah, wie plötzlich in einem einzigen der vielen Fenster das Licht anging.
„Ob das wohl der Kaiser ist?“ dachte Johanna, während Kuno sich langsam umdrehte und den Rückweg in Angriff nahm.

Sie kamen zu spät zurück. Franz hatte Mathilde schon eingespannt und sie bewegte das Schöpfwerk mit spielerischer Leichtigkeit. Der Bub stand vor dem Häuschen und winkte, als seine Schwester und Kuno an ihm vorbei gingen.
„Wo wart ihr?“ fragte er. Kuno wieherte leise zur Antwort, während Johanna nur lachte. Von nun an machte jeden Tag eines der Kinder eine Stunde lang einen Ausflug. Viele wichtige Orte der Stadt lernten sie kennen: Die Märkte, den großen Fluss, Fabriken und das Opernhaus. Das große kaiserliche Schloss und zwei kleine kaiserliche Schlösser, die Kaserne der kaiserlichen Armee und ein Ziegelwerk, dessen Arbeiterinnen und Arbeiter so arm waren, dass der Kaiser davon gar nichts wissen wollte. Sie merkten sich alles, was sie sahen genau und besprachen es abends in der Stube ihres Elternhauses. Die fehlende Arbeitszeit fiel nicht auf, denn Mathilde und Kuno drehten das Rad einfach ein wenig schneller. Niemand ahnte, wie stark sie wirklich waren.

Der Grundherr war mit der Arbeit der Kinder so zufrieden, dass er ihnen mehrmals den doppelten Lohn gab und sie sehr lobte. Dies allerdings ärgerte den Knecht, der nicht nur böse, sondern auch neidisch war. Da er seit der Änderung der Arbeitszeit zu Mittag zwei Stunden frei hatte, wurde ihm langweilig, und er verfiel auf die Idee, die Kinder zu beobachten. Sich hinter einem Schneehaufen verbergend, schaute er ihnen zu. Ein böses und neidisches Herz hüpfte in seiner Brust, als er sah, wie Johanna und Kuno das Schöpfwerk – unerlaubter Weise – verließen.
„Ha!“, dachte der Knecht, „das sage ich sogleich meinem Herrn. Diesmal werde ich eine Belohnung bekommen und nicht diese, diese - Kinder.“

An diesem Abend wartete der Grundherr mit finsterer Miene auf Johanna und Franz. Im Hintergrund verzehrte sich der Knecht vor Schadenfreude.
„Ihr habt eure Pflicht verletzt!“, donnerte der Grundherr, „ihr habt euren Arbeitsplatz verlassen. Aus meinen Augen, und lasst euch hier nie wieder blicken!“
„Aber es war doch immer genug Wasser im Eiswerk, Herr Grundherr. Das haben Sie doch selbst gesagt“, meinte Johanna.
Daraufhin bekam der Grundherr ein tiefrotes Gesicht und brüllte: „Ich brauchte keine pflichtvergessenen Nichtsnutze! Sofort verschwindet ihr, oder ich hetzte den Hund auf euch!“
„Ich hole gleich den Hund!“, machte sich der Knecht erbötig, aber Franz sagte leise: „Wir gehen ja schon! Komm Schwester!“

Als die Kinder fort waren sagte der Grundherr: „Knecht!“
„Ja, mein Herr!“
„Äh... unterbrich mich nicht! Jetzt habe ich vergessen, was ich sagen wollte! Was war es nur?“
„Vielleicht, dass wir jetzt neue Pferdehüter brauchen?“, fragte der Knecht und gackerte hämisch.
„Unterbrich mich....“, begann der Grundherr, bemerkte dann aber, dass der Knecht recht hatte.
„Du hast recht, äh... Knecht!“, sagte er und wunderte sich über den Reim.
„Soll ich vielleicht welche suchen?“, fragte der Knecht, aber der Grundherr erwiderte: „Nein, das mache ich selbst! Du gehst morgen mit den Pferden zum Schöpfwerk. Nimm den Stallburschen mit. Du weißt, kein Pferd darf jemals alleine bleiben!“
Das schadenfrohe Grinsen gerfor auf dem Gesicht des Knechts, denn er hasste den Stallburschen. Dieser war seiner Meinung nach nämlich dumm wie Bohnenstroh und außerdem roch er stark nach Stall.
„Ja, mein Herr! Natürlich, mein Herrn!“, sagte der Knecht und verbeugte sich tief, jedoch ohne zu grinsen.

Auch am nächsten Morgen grinste der Knecht nicht. Dafür grinste der Stallbursche, der froh war, endlich einmal einen Tag aus dem Stall raus zu dürfen. Es machte ihm nicht einmal etwas aus, dass der Knecht seine schlechte Laune an ihm ausließ.
„Mein Gott, du riechst entsetzlich nach Stall!“, rief der Knecht.
„Das könnte damit zu tun haben, dass ich Stallbursche bin“, antwortete der strohdumme Stallbursche, woraufhin Mathilde und Kuno leise wieherten und dem Knecht nichts mehr einfiel. Aber auch wenn ihm etwas eingefallen wäre, hätte er es nicht sagen können, denn er klapperte laut mit den Zähnen.
„Wenn man nahe an den Pferden geht, ist einem nicht kalt“, sagte der strohdumme Stallbursche zu Mathilde und diese nickte heftig und schnaubte. Kuno schnaubte nicht sondern legte die Ohren an und sein finsterer Blick traf den Knecht.
„Klapp, klapp!“, machten dessen Zähne noch einmal, dann stand Kuno neben ihm und er spürte die Wärme, des riesigen Pferdes.
„D-d-d-d-anke!“, sagte der Knecht leise.
„Brrrrr!“, lautete Kunos Antwort.

Wenig später erreichten sie das Schöpfwerk.
„So, wer fängt an?“, fragte der Knecht. Die Pferde aber rührten sich nicht.
„Stallbursche! Spann eines ein! Mir ist gleich welches!“, rief der Knecht.
„Das ist leider ganz und gar unmöglich“, antwortete der strohdumme Stallbursche.
„Was soll das heißen?“ verlangte der Knecht zu wissen.
Strohdumm wie er war antwortete der Bursche:“ Das heißt, es ist nicht herbeiführbar, oder, wie man auch sagen könnte, unerreichbar. Auch die Bezeichnung ‚nicht machbar’ wäre angebracht, kurz - es geht nicht.“
Der Knecht machte mehrmals die Augen auf und zu, holte tief Luft und fragte dann ganz leise: „Und warum geht es nicht?“
„Die Pferde wollen nicht“, antwortete der strohdumme Stallbursche.
„Aha!“ sagte der Knecht, „und da kann man nichts machen?“
Der Stallbursche schüttelte nur den Kopf, und es war ganz still am Schöpfwerk.

„Ja dann, ja dann....“, begann der Knecht, „dann muss ich zum Grundherrn gehen und ihm alles erzählen.“ Er schaute zu den Pferden, die ihm keine Beachtung schenkten und dann zum Stallburschen. Dieser grinste noch breiter und sagte: „Nicht notwendig. Da kommt er schon, der Herr Grundherr.“

Man konnte ihn schon hören: „...kein frisches Wasser im ganzen Werk! Da wird kein Eis! Warum wird nicht geschöpft? Ich brauche Wasser, viel Wasser, und zwar jetzt gleich! Aber es kommt kein Wasser. Das heißt, das Schöpfwerk steht still! Wie kann das sein? Ich bauche Wasser, ich brauche Eis, das ich verkaufen kann, an alle die zahlen können. KEIN WASSER, KEIN EIS, KEIN GELD FÜR MICH! WAS IST HIER LOS? WARUM STEHT DAS SCHÖPFWERK STILL, KNECHT, WARUM?“

In der Kälte war der Atem des Grundherrn zu Dampf geworden, der ihn, als er stehen blieb einhüllte. Aus dem Nebel zischte es: „Warum wird nicht geschöpft am Schöpfwerk?“
Der Knecht stand zusammengekrümmt vor der Nebelwolke, in der sich der Grundherrn befand und sagte mit schwacher Stimme: „Der Stallbursche meint, die Pferde wollen nicht.“
„WOLLEN NICHT? WAS HEISST, WOLLEN NICHT?“ donnerte es aus dem Nebel.
„Das heißt, Mathilde und Kuno stehen der Anweisung, sich einspannen zu lassen, ablehnend gegenüber, mit anderen Worten, sie hegen ein Vorbehalt gegen die Ausführung der Anordung. Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung als Stallbursche kann ich sagen, dass dies seinen guten Grund haben wird....“
„HALT DIE SCHNAUZE!“ Der Nebel teilte sich und der Grundherr entstieg ihm. Er packte den Stallburschen am Kragen und schleuderte ihn zu Boden.
„DIE MÜSSEN NICHT WOLLEN. ES GENÜGT, DASS ICH WILL!“ röhrte der Grundherr und entrollte eine lange Peitsche. Er ließ sie einmal über den Pferden durch die Luft knallen und rief: „Los ihr Gäule, ans Rad! Ich werde euch lehren!“
„Davon würde ich dringend abraten...“, riet der Stallbursche und erhielt dafür einen kräftigen Tritt. Der Grundherr stürmte auf die Pferde zu, die Peitsche zum Schlag erhoben. Doch plötzlich fühlte er ein Hindernis. Es umklammerte seinen rechten Fuß.
„Nein, Herr! Bitte nicht die Peitsche!“, jammerte der Knecht, doch er konnte sich nicht festhalten und blieb im Schnee liegen.

Mathilde und Kuno hatten den Grundherrn bisher nicht beachtet. Als seine Peitsche durch die Luft zischte und knallte, wackelte Kuno mit einem Ohr und Mathilde schaute zu dem Schneehaufen, hinter dem sich der Knecht verborgen hatte, als er die Kinder beobachtete. Wieder zischte die Peitsche, diesmal über den Köpfen der Pferde und der Grundherr brüllte: „ANS RAD, IHR GÄULE. ICH WERDE EUCH LEHREN!“
Er entschied sich dafür, Mathilde zuerst zu belehren. Mit seinem mächtigen Arm schwang er die Peitsche in ihre Richtung.
Ein Laut, „BRRRRRR! WIHIHIIIII!“ entrang sich Mathildes Brust. Sie bäumte sich auf in den kalten Winterhimmel über dem Schöpfwerk, und ihre Vorderhufe schlugen in die Luft wie mächtige Schmiedehämmer. Die Peitsche des Grundherren traf ihren Hals und wickelte sich um eines ihrer Vorderbeine. Im Nu hatte Mathilde ihm die Peitsche entrissen, und er stand mit schreckgeweiteten Augen, unfähig zu fliehen. Immer näher kamen ihm die riesigen Hufe.
„NEIN!“, brüllte der Grundherr.
„Lauft weg, Herr!“, kreischte der Knecht.
„Zu spät!“, sagte der Stallbursche, und alle drei schlossen die Augen. Deshalb konnten sie nicht sehen, wer „Sei bitte wieder lieb, Mathilde, ja?“ sagte.

Der Stallbursche öffnete die Augen als erster und begann sofort wieder zu grinsen, denn er sah, dass Mathilde ganz ruhig bei zwei dünnen Kindern stand, die ihren Hals streichelten.
„Mir ist das zu aufregend hier heraußen. Ich bleibe ab jetzt immer im Stall“, sagte er zu Kuno, der daraufhin belustigt wieherte und mit einer Kopfbewegung dorthin wies, wo der Knecht, den Grundherrn stützte, der auf die Knie gesunken war. Der Stallbursche zuckte mit den Schultern und Kuno schnaubte leise.
„Herr, so sagt doch was! Ist Euch nicht wohl? Das grässlich Pferd ist fort. Ihr könnt ganz ruhig sein! Bitte, kommt zu Euch!“ greinte der Knecht, doch der Grundherr starrte ins Leere und rührte sich nicht. Es war vollkommen still am Schöpfwerk.

**

Auf den Knecht gestützt erreichte der Grundherr den Stall. Vorsichtig schauten sie sich um.
„Kein Sorge, sie sind nicht mehr da“, sagte der Stallbursche, der schon vorgegangen war.
Der Grundherr glotzte ihn an und krächzte: "Und wo sind sie?"
„Das weiß niemand genau. Sie werden wohl dort sein, wo sie niemand mit einer Peitsche schlagen will. Aber ich bin ja nur ein Stallbursche. Ach ja, ich gehe jetzt auch. Was soll ich noch hier?"
Erstaunt schauten ihm der Grundherr und sein Knecht nach.
„Herr!“
„Was?“
„Der ist gar nicht strohdumm, der Stallbursche!“
„Nein?“
„Nein!"
Der Grundherr machte ein paar unsichere Schritte und rief: „Hääh, warte..."

 

Hallo Rob,

herzlichen Dank für deine Tipps. Mal sehen, ob ich mein altes Märchen nochmals aufmachen kann.

Gruß

lerner

 

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