Schattenspiele
Schattenspiele
Einsam sitze ich in der Kälte eines weißen Raumes, dieses weißen Raumes hier, in dem ich immer sitze, der mich nie gehen lässt, aus dem ich nie versuchte zu entfliehen, der schon immer mein Zuhause war und immer meine Heimat sein wird, der mein einziger Ort ist auf dieser großen Welt, durch die ich doch so viel gereist bin, von der ich jeden Platz, jede Wiese und jeden Wald kenne, als wäre es mein eigener, als hätte ich mein ganzes Leben dort verbracht. Ich sitze in diesem Raum, weiß und leer, sicher und kühl, einsam und hell, ein paradiesisches Gefängnis, aus dem jede Flucht unmöglich ist, da der eigene Wille sie geschickt zu verhindern weiß, aus dem eine Flucht aber auch nicht nötig ist, da es keinen Platz, keine Wiese, keinen Wald auf dieser Welt gibt, wo man freier wäre als hier, wo meine Seele gehalten wird. Hier sitze ich, den starren Blick auf die Wände gerichtet, die vier weißen Wände, die mich kalt umschließen und mich vor der Außenwelt schützen, die mir durch ihren hellen Schimmer den Blick auf die Schönheit der Natur und des Lebens verwehren und mich so vor dem grausamen Antlitz der Wirklichkeit bewahren, dass sich in der Freiheit verbreitet. Ich betrachte diese Wände und verfolge das Licht, das durch die Mauern scheint, versuche dem Lauf der Sonne zu folgen, der sich leicht an den Wänden abzeichnend einmal am Tag, wenn es denn Tage waren und nicht Stunden oder Jahre, um den Raum bewegt und mir immer von einer anderen Seite aus entgegen strahlt. Lächelnd beobachte ich dieses Spiel, mir der Nutzlosigkeit und Unsinnigkeit meines Tuns durchaus bewusst, trotzdem von einer tiefen inneren Vernunft geleitet daran festhaltend und meinen Kopf einschläfernd langsam mit dem Schein drehend, bis ich ihn trotz allem Bemühen und aller Anstrengung auch kein kleines Stück mehr bewegen kann und nun, da ich es nicht wage mich zu erheben und meinen Körper zu bewegen. langsam mit den Augen folgen muss, sie immer mehr zum Rand treiben muss, bis das schwache Leuchten schließlich aus den Augenwinkeln verschwindet. Nun ist der Moment gekommen, in dem mir meine Hilflosigkeit, Wehrlosigkeit und völlige Unfähigkeit ins Bewusstsein kommt, in dem ich in meiner Einsamkeit bemerke, dass ich auf mich alleine gestellt und im Stich gelassen bin. Das Selbe geht mir nun durch den Kopf, wie schon die tausend Mal zuvor. Sollte ich aufstehen? Sollte ich mich aus meiner Sicherheit erheben und meinen Körper soweit drehen, dass ich den Schein wieder eine Weile verfolgen konnte? Sollte ich das daraus entstehende Risiko eingehen, mein Gefängnis zu zerstören, mich der Umwelt freizugeben, den Schein zu verlieren, der mir mein ganzes Leben Sicherheit gegeben und meinen Blick geleitet hatte?
Wie auch jedes andere Mal entscheide ich mich dagegen. Meinen ganzen Mut zusammennehmend reiße ich meinen Kopf herum. Als hinge mein Leben davon ab suche ich mit meinen Augen den Lichtschein und finde ihn auch in Sekundenbruchteilen, wie jedes Mal im Eck des Raumes. Trotzdem habe ich wie immer nicht verhindern können, dass ich den Schatten gesehen habe. Der Schatten, der stillschweigend hinter mir sitzt, immer so weit wie möglich vom Lichtschein entfernt und nur darauf wartend, mich anfallen zu können, wie ein Raubtier über mich herzufallen und sich in meinen Geist zu graben, für einen kurzen Moment nur, für den Bruchteil einer Sekunde, aber ohne eine Chance für mich zur Gegenwehr.
So beginnt das Spiel von Neuem.