Was ist neu

Schattenspiele

Beitritt
17.03.2020
Beiträge
49
Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:
Anmerkungen zum Text

Da ich es für wichtige halte, zu Werken auch die Umstände des Schreibens zu kennen, wie zum Beispiel in der Philosophie und zum Teil auch in der Musik üblich, werde ich ein kleines Nachwort beifügen, das bei Interesse gelesen werden kann.

Kurzes Nachwort:
Dies war der erste Text, den ich jemals zu Ende geschrieben hatte. Ich hatte die Geschichte in einer Nacht in einem Rutsch abgetippt und mich dann nicht weiter damit beschäftigt. Vor etwa zwei Wochen, habe ich die Datei dann, nach vier Jahren, wieder ausgegraben und den Text an vielen Stellen überarbeiten, um den Stil zu verbessern und ihn verständlicher werden zu lassen.
Der Text wurde in einer recht aufwühlenden Zeit meines Lebens geschrieben und sollte einfach nur Emotionen und Gedanken festhalten. Dabei habe ich versucht Elemente aus Horror, Mystik und Philosophie zu vereinen. Das primäre Ziel war es tatsächlich nicht, zu provozieren, denn eigentlich wollte ich diesen Text nie veröffentlichen. Es war eher als eine Art Selbstdarstellung gedacht. Wobei ich gleichzeitig versucht habe, stilistische Mittel, die ich mit Schreibsamples geübt hatte in eine kurze, zusammenhängende Geschichte zu packen.

Schattenspiele

Es war ein Ende. Es war der Tag nach seinem Geburtstag. Der Tag, an dem er eigentlich aus einem komatösen Schlaf aufwachen sollte, um sich dann einen Liter Wasser in die brennende, von Alkohol ausgetrocknete Kehle zu schütten.


Doch er war immer noch wach. Saß die ganze Nacht unter dem klaren Sternenhimmel am Feuer und blickte in die Schattenspiele auf dem Gebüsch direkt vor dem Wald. Es war hypnotisierend. Ein Balsam für eine zerstörte Seele, die nur durch Masken und Träumen vor der Vernichtung gerettet werden konnte. Die Seele kann man sich nicht aussuchen. Sie ist es, was du bist. Du bist die Seele.


Gedankenfetzen spannten sich vor seinen leeren Augen und zerrissen in einem stummen Feuerwerk in kleine Stücke bedeutungsloser Bildern von vergangenen Tagen.


Diese Tage. Diese Tage! Er konnte sich nicht mehr zurückhalten. Alles was er bis zu diesen Tagen empfunden hatte, erschien ihm dann, damals, als plötzlich Sonne durch die Wolken aus Melancholie und unentdeckten Depressionen schien, absolut bedeutungslos. Es waren die Tage des inneren Friedens und dem Willen etwas zu verändern. Er baute eine tiefe Gleichgültigkeit auf für die kleinen Belanglosigkeiten, während er mit allem was ihm zur Verfügung stand für eine Verbesserung seiner Umgebung kämpfte. Eine wunderbare Zeit.
Mit seinem Messer schnitt er tiefe Wunden in seine Fingerkuppen. Er sah zu wie das Blut in langen Rinnsalen über seine Handfläche die Unterarme herunterfloss und dabei langsam gerann. Das Licht des Feuers schien von hinten flackernd durch die gespreizten Finger und gab ihm das Gefühl, an einem wichtigen religiösen Ritual teilzunehmen.
Schmerzen krochen wallend vom Rückenmark in den Hinterkopf. Es war ein süßliches Stechen. Er genoss es ein wenig, während seine Augen immer noch leer vor sich hin starrten. Er konnte sich nicht der Erkenntnis bemächtigen, dass dies alles sinnlos wäre. Er wusste, wie dieser Gedanke auszusehen hatte und wie er sich anfühlen sollte. Aber festhalten konnte er ihn nicht, als würde man sich ein Auto vorstellen,das man mal gefahren ist, aber niemals besitzen wird.


All diese Fetzen von vergessenen Tagen, die er langsam mit den Fingern aus der nassen, cremigen Erde schürfte. Wie die Erde seine stumpfen Fingerkuppen verklebte und Platz machte für die Wahrheit. Ich bin es. Ich bin er. Ich bin die Reise, die ich nie vollenden werde.
Er nahm einen Stück Holz, eines von denen, die eigentlich für das Feuer gedacht waren. Es würde einen würdigeren Dienst erweisen. Während er es vor sich stellte, dachte er an den Nagel auf der hölzernen Bank und das Beil zu seiner Rechten im klammen Gras. Sein Geist zwang ihn dazu, Luft zwischen seinen Zähnen zum Himmel hinaus zu blasen. Er fokussierte sich auf die Genugtuung, die kommen würde und hoffte, diese auch wirklich zu erfahren. Die linke Hand lag mit ihrer bleichen Fläche nach oben auf dem Klotz, während er genüsslich den Nagel mit seiner Rechten durch die sie trieb. Das Blut kroch aus der Wunde und bildete einen roten, glitzernden See. Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er nahm das Beil und trieb den Stahl bis zum Anschlag durch sein Fleisch in das Holz.


Der Arm zitterte während er an sie dachte. Wie er ihre Wange mit eben dieser Hand berührte. Wie sich die feinen Haare in ihrem Nacken aufstellten und sie sich ihm hingab. Wie ihre Lippen sich verzogen und ihn an sich saugten. Wie alles um ihn herum blass wurde in dem Strudel aus Lust und Kummer, aus Leidenschaft und Mitgefühl. Wie es alles verschwand.


Und dann als die Zeit des Abschieds kam. Unverhofft und unbarmherzig, hat er es hingenommen. Er hat nicht geweint oder geschrien. Er hat es einfach hingenommen. So wie er jetzt die Schmerzen einfach hinnahm.


Er drehte das Beil in seiner Rechten, um die Schneide zu sehen; Wie das Feuer auf ihr tanzte. Er wird sie entweihen müssen. Er hieb zu und trennte sich den Zeige- und Mittelfinger ab. Er unterdrückte den Schrei … wie er es immer tat und blickte die Brocken Fleisch und Knochen an, wie sie im Gras lagen und nur er konnte erahnen, was sie schon alles erfühlt hatten in ihrem Leben.


Er lehnte sich zurück und blickte in den Himmel. Den schwarzen Himmel und dachte an die schwarzen Tage die nach ihr kamen. All die Angst und die Unsicherheit. Nichtmal aufwachen konnte er damals richtig. Immer in dem Denken gefangen, dass irgendwas aus den hellen Tagen zurückkommt. Immer wie in Trance und immer in der Gefühlslosigkeit. Die Gefühle waren da, dachte er sich jetzt. So wie meine Finger da sind, nur eben nicht mehr mit mir verbunden. Getrennt vom Leben. Von meinem Leben.
Er blickte auf seine verstümmelte Hand, wie sie leicht zitterte, immer noch angenagelt an das Holz. Nein, du musst frei sein. Er klemmte das Holz zwischen seine Füße und zog an der Hand. Der Schmerz war unbeschreiblich … schön. Die Haut riss und bildete Wellen um seine Knöchel. Dann waren seine übrigen Finger wieder befreit.


Das Kunstwerk war verkrüppelt und unvollkommen. Es war echt.


Er stand auf und ging auf die Schattenspiele zu. Wie die hellen Zungen über die Gebüsche und Stämme schwangen und sie in eine Welt der Schamanen und Hexen verwandelte. Er würde heute Nacht in ihren Reihen stehen. Würde mit ihnen gemeinsam die Unendlichkeit feiern. Er stand vor den Gebüschen, stand im Licht und fühlte sich lebendig. Er spürte seine Hand pochen, spürte einen Nebel von Gefühlen, wo noch vor wenigen Sekunden seine Finger gewesen sind.
Er blickte die Stümpfe an und sah alles. Den Schmerz, er konnte ihn anstarren. Er gab sich dem Schmerz hin, untersuchte ihn, verdiente ihn. Während er sich umdrehte und zum Feuer zurückging, sah er seine Freunde - oh ihr treuen Menschen. Wie sie in ihren Zelten lagen und ihren Rausch ausschliefen. So wie er es tun sollte. Aber nicht wollte.


Er sah weit zurück wie er jeden einzelnen von ihnen kennengelernt hatte. Vor den guten Tagen und während den guten Tagen, ein paar auch, die besten von ihnen, nach diesen Tagen. Er konnte ihre Gesichter sehen und ihre Freude. Ihre Missachtung und ihre Toleranz.


Ich kann sehen.
Er stand vor dem Feuer und blickte in die Flammen. Er griff nach einem Ast, der zur Hälfte angebrannt war. Er sah die Glut und das flackern der blauen und gelben Flammen. Er schwang den Ast in der Luft hin und her und gab sich dem Gefühl der Leere hin. Beging die heidnischen Wege von früher. Streifte auf deren Kultur. Ich bin alt. Zu alt … geworden.


Er setzte sich wieder an seinen alten Platz. Vor ihm lag der Holzklotz mit dem Nagel, überzogen mit einem roten Film. Die beiden Finger. Das Beil. Er sah sich die Heiligtümer an, die er erschaffen hatte. Er sah sie wie sie waren. Er sah zu viel von dieser Welt.
Er dreht den Ast in seiner Hand und trieb ihn mit der glühenden Spitze voran in sein linkes Auge. Der Augapfel schmorte zusammen und schmolz dahin. Klebrige Flüssigkeit quoll aus ihrer Höhle und lief über seine Backe. Er konnte nicht mehr sehen. War auf einem Auge blind, wahrhaftig blind. Eine Schwärze erschien, durchbrochen von kurzen Einschüben von Bildern, die sein Gehirn erschuf, um die Störung zu überdecken.


Es waren keine richtigen Schmerzen, doch da lag nicht das Augenmerk. Er hatte etwas zerstört … an sich selbst. Das nie Ruhe fand. Das immer arbeitete und ihm die ganze Welt offenlegte. Es sollte Ruhe finden. Nach allem, was ihm dieses Auge geleistet hatte. All die vergangenen Momente und die schönen Anblicke. Ob das Gesicht eine wunderschönen, brünetten Frau auf dem Bahnsteig, kurz bevor der Zug einfuhr, der sie weit weg bringen würde von ihm; Oder der Anblick des Gebirges, als er damals noch mit seinem Vater auf Reisen gewesen war, als er noch nicht wusste, was das Leben ihm bringen würde. All das werde ich nie mehr so sehen, wie ich es gesehen hatte. Mein Auge war genauso gealtert wie auch meine Haut gealtert ist.
Er warf den Stock in das Feuer und blickte mit seinem verbliebenen Auge hinter her. Eine gewisse Freude kam in ihm auf. Sie erfasste ihn wie der erste Wind eines Sommergewitters bevor der kühlende Regen den Boden trifft.


Etwas brannte in ihm. Die brennende Freude auf das, was kommen wird. Er sah den Stock im Feuer schmoren und vergehen und er sah wie all sein Kummer verging. Wie er hinwegwehte von ihm, aus seinem Körper, vom Wind zu den Schattenspielen auf den Büschen getragen und dann hinauf in den schwarzen Himmel. Er sah wie alle Last von ihm ging und verschwand.


Doch halten konnte er dieses Gefühl nicht, das wusste er. Man musste solche Gefühle festnageln, wie eine Hand an ein Holz. Man musste die Verbindung kappen zu den alten Gewohnheiten, wie die Finger zu einer Hand und man musste sich beibringen nicht zurück zusehen, musste blind werden für die anderen Wahrheiten, die man ergründen könnte. Musste das aufgeben, was man als gewöhnlich ansah. Aufgeben.


Er stand auf. Er blickte über die Wiese zwischen dem Feuer und den Büschen. Er drehte sich um und ging auf eines der Autos zu, das da hinter den Zelten stand. Es war sein eigenes. Die Tür öffnete sich wie eine Pforte zu der nächsten Welt die er begehen wollte. Er holte einen Kanister hinter dem Fahrersitz hervor. Ein schwerer, metallener Kanister. Er war halb gefüllt und schwankte bedrohlich in seiner Hand, während er wieder zu dem Feuer stolperte.


Es war sein letzter Gang, seine Beine waren schwer und sein Herz gesplittert. Sein Wille war gefasst und ungeblendet. Befreit von Kummer und Schmerz.
Er stand vor dem Feuer. Aufrecht. Stolz. Gebrochen. Er öffnete das Gefäß und kippte sich kaltes Benzin über sein Haupt. Es lief in Bächen über seine Wangen und seine Schultern, saugte sich in seine Kleidung und kroch in seine Schuhe. Er ließ den Kanister fallen; Wie er auf den Boden schlug und hohl scheppernd in das Spektakel einstimmte.


Er blickte ein letztes mal auf die flackernden Lichter in den Büschen, auf die Schattenspiele und das Chaos der Realität. Er blickte in seine Zukunft und sah die Dinge die er sich erhoffte. Er lächelte ein wenig und genoss den Augenblick. Den Augenblick des Endes. Der letzte große Schmerz, um seine Seele zu befreien.
Der ließ sich nach vorne fallen und landete im Feuer, das ihn sofort entzündete und seine Haut auffraß. Seine Sinne verschmorte. Seinen Geist verbrannte. Er lachte leise während der letzte Rest aus ihm blies und er dorthin kehrte, wo er begonnen hatte. Am Anfang.

 

Hallo @murphy_does_his_best

erstmal willkommen im Forum.

Ich finde du hast schöne Formulierungen und erzeugst tolle Bilder in deinem Text. Für mich persönlich sind da aber zu viele schöne Formulierungen. Du redest für mich zu viel um den heißen Brei, was es für mich schwer macht am Ball zu bleiben. Mir wird bei dem Text sehr viel erzählt und zu wenig gezeigt. Im Text wird vieles schon ausformuliert, worüber sich der Leser womöglich gerne selbst Gedanken machen würde.
Mir kommt die Handlung zu kurz und das Erzählen drum herum zu lang vor.
Im Grunde ist da jemand, der sich selbst die Finger amputiert, das Auge aussticht und dann verbrennt. Weshalb er sich, bevor er stirbt, noch derartige Qualen antut, ist mir nicht klar geworden. Vor Allem muss das doch ein riesiger Schmerz sein, wenn man sich etwas in das Auge sticht. Der scheint das hingegen einfach so hinzunehmen.

Ein Balsam für eine zerstörte Seele, die nur durch Masken und Träumen vor der Vernichtung gerettet werden konnte
Damit kann ich zum Beispiel nicht viel anfangen. An sich hört es sich ja schön an, aber es wird mir eben einfach erzählt. Das der Protagonist nicht ganz auf der Spur ist, will ich dadurch erfahren, was er tut und nicht dadurch, was mir der Erzähler erzählt.
Gedankenfetzen spannten sich vor seinen leeren Augen und zerrissen in einem stummen Feuerwerk in kleine Stücke bedeutungsloser Bildern von vergangenen Tagen.
Ähnlich hier. Letztlich schön geschrieben. Aber der Satz ist echt lange und sagt mir nur, dass er Gedanken hat. Ich hadere an solchen Ausschweifungen, weil ich jedes Mal kurz innehalten muss, was du eigentlich meist. Das stört den Lesefluss, meiner Meinung nach.
langsam gerann
Das hört sich für mich so an, als würde das Blut beim fließen bereits gerinnen. Dauert das nicht ein klein wenig länger?
süßliches Stechen
darunter kann ich mir nichts vorstellen. Was ist ein süßliches Stechen?
Es lief in Bächen über seine Wangen und seine Schultern, saugte sich in seine Kleidung und kroch in seine Schuhe.
Der Satz gefällt mir.
Der ließ sich nach vorne fallen und landete im Feuer, das ihn sofort entzündete und seine Haut auffraß. Seine Sinne verschmorte. Seinen Geist verbrannte. Er lachte leise während der letzte Rest aus ihm blies und er dorthin kehrte, wo er begonnen hatte. Am Anfang.
Der Teil gefällt mir an sich auch.

Der Text im Gesamten war aus oben genannten Gründen nicht so mein Fall. Aber hey, ist nur meine Meinung. Ich hoffe du kannst was damit anfangen.

Man liest sich!
Gruß aufdemWeg

 

Hallo @aufdemWeg,

vielen Dank für die Kritik.
Dass der Text überladen ist, habe ich nicht in dem Umfang wahrgenommen. Aber das ist ein guter Hinweis. Ich war damals und bin teilweise immernoch der Meinung, dass eine gute Erzählung von starken Bildern und starker Sprache lebt. Wenn ich mich richtig erinnere, hatte ich kurz vorher Die Strafkolonie gelesen. Die Geschichte habe ich vor ein paar Jahren abgetippt und ich würde sie in dieser Art auch nicht mehr schreiben. Es hatte mich nur einfach interessiert, wie sie ankommt und wo Verbesserungspotenzial vorhanden ist.

Ein Kritikpunkt von dir ist ja, dass man öfter innehalten muss und einen Satz vielleicht mehrmals lesen muss. An sich gebe ich dir Recht, das unterbricht den Lesefluss erheblich. Das kommt wohl aus meinem Bedürfniss auch ein wenig Philosophie in meine Texte zu bauen und dem Leser die Möglichkeit zu geben, seine eigene Interpretation zu finden. Jedenfalls an manchen Stellen. Ich baue solche Stellen auch immernoch in meine Geschichten. Aber ich kann verstehen, dass das wahrscheinlich von vielen nicht gerne gesehen wird.

Auch der Punkt, dass ich dem Leser kaum Freiraum für die eigene Fantasie lasse hilft erheblich. Ich war bis jetzt der Meinung, dass ich sogar noch viel weg lasse.

Aber alles in allem nochmals Danke.

Gruß
Murph

 

Hi Murphy! Willkommen im Forum! :)

Puh, dein armer Protagonist hat definitiv zu viel getrunken. Ich glaub, er war schon immer ein Schwärmer, ein Träumer, wahrscheinlich ein Künstler.

Das Kunstwerk war verkrüppelt und unvollkommen. Es war echt.
Der Satz spricht auf jeden Fall dafür. ;) Aber durch den Alkohol und die Geburtstagsfeier, die wohl einen bedeutenden Meilenstein in seinem Leben darstellt (wie alt wird er eigentlich?), kommt sein Kopf ja mal so richtig in Wallung. Das ist für den Leser in dieser Intensität tatsächlich etwas anstrengend, da er jeden Satz erst mal in Gedanken, Rückblick oder Realität zuordnen muss. Aber denk dir nix, ich kenn das Problem. Hab selbst auch ne Geschichte hier veröffentlicht, die ich vor knapp acht Jahren geschrieben habe, und die klingt auch recht hochgestochen und üppig formuliert. Ich vermute mal, du bist ebenfalls großer Fan der Literatur der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert? :Pfeif:

Fügt er sich all diese Schmerzen eigentlich nur zu, weil ihm dadurch, dass ihn seine Freundin verlassen hat, sein Leben plötzlich komplett sinnlos vorkommt?

Der Arm zitterte während er an sie dachte. Wie er ihre Wange mit eben dieser Hand berührte. Wie sich die feinen Haare in ihrem Nacken aufstellten und sie sich ihm hingab. Wie ihre Lippen sich verzogen und ihn an sich saugten. Wie alles um ihn herum blass wurde in dem Strudel aus Lust und Kummer, aus Leidenschaft und Mitgefühl. Wie es alles verschwand.

Warum Kummer? Warum Mitgefühl? War sie von Anfang an nur aus Mitleid mit ihm zusammen? Oder haben sich beide gegenseitig Trost gespendet, weil sie innerlich genauso kaputt war wie er? Du musst das nicht beantworten, das kann auch gerne offen bleiben. Sollte das Zusammensein mit dieser Frau jedoch die Definition gewesen sein für
Diese Tage. Diese Tage! Er konnte sich nicht mehr zurückhalten. Alles was er bis zu diesen Tagen empfunden hatte, erschien ihm dann, damals, als plötzlich Sonne durch die Wolken aus Melancholie und unentdeckten Depressionen schien, absolut bedeutungslos.
, dann müsste das in meinem Empfinden noch über Andeutungen hinausgehen, müsste noch stärker beleuchtet werden. Denn entweder ist die Trennung der zentrale Grund für seine Sinnkrise, oder sie reiht sich ein in eine Mehrzahl von negativen Entwicklungen. Eigentlich ist sein Leben doch - zumindest nach dem, was du mir zeigst - gar nicht so schlecht. Könnte mir schlimmeres vorstellen, als mit Freunden im Wald zu zelten und am Lagerfeuer mit viel Alkohol meinen Geburtstag zu feiern. :anstoss:

Er stand auf und ging auf die Schattenspiele zu. Wie die hellen Zungen über die Gebüsche und Stämme schwangen und sie in eine Welt der Schamanen und Hexen verwandelte. Er würde heute Nacht in ihren Reihen stehen. Würde mit ihnen gemeinsam die Unendlichkeit feiern. Er stand vor den Gebüschen, stand im Licht und fühlte sich lebendig. Er spürte seine Hand pochen, spürte einen Nebel von Gefühlen, wo noch vor wenigen Sekunden seine Finger gewesen sind.
Er blickte die Stümpfe an und sah alles. Den Schmerz, er konnte ihn anstarren. Er gab sich dem Schmerz hin, untersuchte ihn, verdiente ihn. Während er sich umdrehte und zum Feuer zurückging, sah er seine Freunde - oh ihr treuen Menschen. Wie sie in ihren Zelten lagen und ihren Rausch ausschliefen. So wie er es tun sollte. Aber nicht wollte.

Er sah weit zurück wie er jeden einzelnen von ihnen kennengelernt hatte. Vor den guten Tagen und während den guten Tagen, ein paar auch, die besten von ihnen, nach diesen Tagen. Er konnte ihre Gesichter sehen und ihre Freude. Ihre Missachtung und ihre Toleranz.


Die beiden Absätze finde ich richtig gut. Wobei ich das mit der Missachtung nicht verstehe. Und statt Toleranz würde ich vielleicht eher Nachsicht oder Verständnis schreiben, das würde glaub ich als Wort besser passen, aber das nur so am Rande. Ich hatte irgendwie kurzzeitig die Befürchtung, er könnte nicht nur sich selbst, sondern auch seine schlafenden Freunde in ihren Zelten in Brand stecken, quasi um sie ebenfalls zu "befreien". Würdest du ihm das zutrauen?
Zudem hättest du ihn vielleicht noch am Waldrand ein paar Baumstümpfe erblicken lassen können, woraufhin er dann seine eigenen Fingerstümpfe wieder anschaut. Kam mir nur an dieser Stelle spontan als Assoziation. :Pfeif:

Ich fand außerdem den ersten Satz der Geschichte beim ersten Lesen irgendwie ungeschickt. "Es war ein Ende." Warum nicht DAS Ende? Und das Ende wovon? Mit dem Schlusssatz klärt sich das auf. Es wirkt für mich zudem so, als würde der Protagonist - in seiner Wahrnehmung - immer wieder neu geboren. Als wäre das nun eben nicht DAS Ende, sondern nur EIN Ende, nämlich das Ende EINES Lebens. War das so gedacht? Gerade wenn du diese mystische Dimension aufmachst mit der Welt der Schamanen und Hexen, der Unendlichkeit, einem religiösen Ritual und dem heidnischen Weg. In diesem Kontext hat mich das Ausstechen des Auges übrigens auch an Odins Weg zur Weisheit erinnert. Als könne man nur durch Schmerz und Selbstaufgabe Wissen erlangen.

So, das waren jetzt erstmal meine Gedanken zu dieser Geschichte. Bin sehr gespannt, was mich in deinem anderen Text erwartet! :)

Schöne Grüße
PtG

 

Guten Abend @PleasureToGrill

danke, dass du dir die Zeit genommen hast diesen anstrengenden Text zu lesen.

Deine Rezension hat mir Spaß gemacht zu lesen und ich bin wirklich überrascht, dass du dir an manchen Stellen mehr Gedanken zum Text gemacht hast als ich. Das spricht nicht unbedingt für mich, aber auf jeden Fall für dich.

Gleich mal vorweg:

Fügt er sich all diese Schmerzen eigentlich nur zu, weil ihm dadurch, dass ihn seine Freundin verlassen hat, sein Leben plötzlich komplett sinnlos vorkommt?
Ich schätze mal, das ist die Frage die sich alle Leser stellen: Warum tut der das eigentlich.
Leider kann ich diese Frage nicht mehr genau beantworten. Den Text hatte ich vor circa 4 Jahren in einer einzigen Nacht und nicht ganz nüchtern abgetippt. Dann lag die Datei für gut 3,5 Jahre unberührt in einem Ordner und reifte vor sich hin. Eines kann ich aber sicher sagen: Der Text ist es aus einer Gefühlslage heraus entstanden und sollte eher "ansprechende" Bilder zeichnen, anstatt irgendwie logisch zu sein.
Ungefähr so wie Werbeslogans für Inverstmentfonds - sorry konnte ich mir nicht verkneifen ;))

Eigentlich ist sein Leben doch - zumindest nach dem, was du mir zeigst - gar nicht so schlecht. Könnte mir schlimmeres vorstellen, als mit Freunden im Wald zu zelten und am Lagerfeuer mit viel Alkohol meinen Geburtstag zu feiern.
Ich kann dir da nur recht geben. Anscheinend hatte der Protagonist einen Hang zu übertriebener Dramatik.

Warum Kummer? Warum Mitgefühl?
Naja, in jeder Beziehung gibt es Höhen und Tiefen. Man könnte sie sich manchmal sogar zermürbend vorstellen. Aber ich gebe dir recht, die Wortwahl ist weder besonders schön, noch durchdacht.

Die beiden Absätze finde ich richtig gut.
Danke sehr.

Wobei ich das mit der Missachtung nicht verstehe
Freunde sind auch keine starren Gebilde und können einem manchmal das Leben schwerer machen, als seine schlimmsten Feinde. Besonders wenn man selbst ein sehr wechselhaftes Gemüt hat.

Ich fand außerdem den ersten Satz der Geschichte beim ersten Lesen irgendwie ungeschickt. "Es war ein Ende." Warum nicht DAS Ende? Und das Ende wovon? Mit dem Schlusssatz klärt sich das auf. Es wirkt für mich zudem so, als würde der Protagonist - in seiner Wahrnehmung - immer wieder neu geboren. Als wäre das nun eben nicht DAS Ende, sondern nur EIN Ende, nämlich das Ende EINES Lebens. War das so gedacht? Gerade wenn du diese mystische Dimension aufmachst mit der Welt der Schamanen und Hexen, der Unendlichkeit, einem religiösen Ritual und dem heidnischen Weg. In diesem Kontext hat mich das Ausstechen des Auges übrigens auch an Odins Weg zur Weisheit erinnert. Als könne man nur durch Schmerz und Selbstaufgabe Wissen erlangen.
Ja der Text wurde bewusst mysteriös geschrieben. Ich glaube dazu neigen viele in ihren ersten Texten. Die handeln oft vom eigenen Leben und man hat Angst etwas daraus Preis zu geben. Das macht auch vor mir keine Ausnahme. Aber toll, dass du dich sogar mit diesen vagen Aussagen beschäftig hast.

Alles in allem sehr vielen Dank für deine Beiträge. Es hat wirklich gut getan diese zu lesen.
Ich werde auch gleich in deine Rezension zu meinem zweiten Text schauen, aber ob ich es jetzt schaffe darauf zu antworten ist nicht sicher. Ich schwanke in meiner Abendplanung gerade extrem zwischen Bett und Nacht durchmachen. :)

Viele Grüße
Murph

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom