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Schlagfrequenz 350/Min.

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25.03.2007
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Schlagfrequenz 350/Min.

Mit leichtem Druck presste Toshio den Becher gegen die Schankvorrichtung, bis er sich bis zum oberen Rand mit heißem Grünen Tee gefüllt hatte. Direkt vor seiner Nase liefen die Sushis auf dem Band vorbei. Er nahm sich einen Teller mit zwei Calamaren und rührte etwas Wasabi in die rechts vor ihm stehende Soja-Sauce ein. Mit geschickten Fingern schnitten zwei Köche hinter der hölzernen Theke großzügige Fischportionen zurecht, formten einhändig den milchig wirkenden Reis, umrollten beide Zutaten mit Seealgen, schoben sie dann flink zwischen die anderen Teller auf das Band. Von draußen zog nach jedem Öffnen der Tür und dem Eintreten neuer Gäste schwüle Luft in die voll klimatisierte Bar ein. Obwohl es erst kurz nach 11.00 Uhr war, saßen bereits rund 20, überwiegend männliche, Personen auf den eckigen Hockern vor den bunten Gerichten. Sie schauten abwechselnd mal stumm auf die fixen Bewegungen der Köche, mal verstohlen auf den Hintern der einzigen weiblichen Bedienung.

Das Display seines Handys blitzte auf. Die Tastensperre gelöst rief er mit einem kaum bemerkbaren, aber Nervosität verratendem Zucken im Gesicht die Nachricht auf. Sobald er fertig gegessen hatte, würde er auf die Straße gehen, um mindestens drei Zigaretten hintereinander zu rauchen. Das einzig Lobenswerte an den chinesischen Sushi-Bars im Ausland, dachte er missmutig, war, dass man in ihnen, vor und nach und, wenn man wollte, auch während des Essens seiner Nikotinsucht nachkommen konnte. Dafür war der Fisch meist miserabel. Und die Bedienungen sowieso.

“Ihre Auktion war erfolgreich” stand in dem matt Orange leuchtendem Monitor seines Handys. “Das Höchstgebot für den von Ihnen verkauften Artikel FR25389 liegt bei 1247,00 Dollar“. Bingo. Er ließ das Handy in sich zusammen schnappen und legte es zurück auf die Theke. Mit dem Gewinn hatte er die letzten beiden Auslandsflüge wieder wettgemacht. Heute morgen, am Flughafen in Narita, fiel ihm bei der Gepäckabholung ein, dass er noch vier Tempelstatuen aus Myanmar in die Vereinigten Staaten zu verschicken hatte. Danach müsste er weitere Auktionen für die kommenden elf Tage vorbereiten. Besonders die vergoldeten Becher, die er letzten Monat aus Peru mitgebracht hatte, würden sicherlich ordentliche Preise erzielen.

Toshio rieb sich die Augen. Zum ersten Mal nach langer, langer Zeit spürte er, dass sich der Jetlag am heutigen Tage nicht einfach so beiseite schieben lassen würde. Ein Schlafdefizit von geschätzten vier bis fünf Stunden war ihm in den letzten drei Jahrzehnten ein konstanter Begleiter im Alltag geworden. Ernsthafte Schwierigkeiten aufgrund der ständig zu überbrückenden Zeitdifferenzen hatte er dennoch bis zum heutigen Tage nicht mehr gehabt. Trotz seines Alters- im Februar war er 59 geworden, wenn auch die meisten Leute ihn in der Regel auf höchstens 45 Jahre schätzen, was definitiv an seiner kleinen, quirligen Erscheinung lag- trotz dieses energetischen Körpers, fühlte er sich an diesem Vormittag wie gerädert, übermüdet und unkonzentriert. Was war los mit ihm? Anders als bei 95 Prozent der Menschheit hatten ihn Stress und Schlafmangel nicht etwa altern lassen. Vielmehr war es so, dass das tägliche Herausfordern des Körpers, das ständige „über das Limit gehen“, ihn jung gehalten hatte. Toshio fühlte sich gelangweilt, uninspiriert und kraftlos, wenn er sich ausruhte. Dagegen liebte er die verwirrenden Wahrnehmungsveränderungen, die der Schlafentzug in frühen Morgenstunden nach dem Wechsel in eine andere Zeitzone in seinem Kopf provozieren konnte. Es eröffnete sich in diesen Momenten eine Parallelwelt, für die er keine Erklärungen, nur Fragen und Ungewissheit, vorfand. Die Deja-Vu-Erlebnisse, das vermeintliche Erkennen fremder Personen an nie zuvor besuchten Orten- wie konnte sich ein Mensch dieser faszinierenden Erlebnisse durch acht Stunden regelmäßigen Schlafes berauben? Selbst das beständige Vorhofflimmern seines Herzens schreckte ihn nicht mehr.

Er unterdrückte ein Gähnen. Seit seinem 19. Lebensjahr war er durch die Welt gereist. An jedem möglichen und unmöglichen Plätzchen des Planeten gewesen. In Europa, 1957, auf der iberischen Halbinsel, mit galizischen Marineoffizieren und überzeugten Franco-Getreuen in Benidorm. In Persien, 1968, nach einem verheerenden Erdbeben im Nordosten des Irans. Ein Jahrzehnt später, kurz vor Einmarsch der sowjetischen Truppen im Dezember, durchstreifte er zusammen mit einem belgischen Geologen den Westen Afghanistans (der Belgier kam zwei Monate später bei einer Minenexplosion ums Leben). 1994 machte er sich auf den Weg nach Georgien, wo er zeitweilig fast dem Alkohol verfiel.

Und Afrika. Unzählige Male hatte er nach Bürgerkriegen und Hungerkatastrophen das meist unerschlossene, schwer zugängliche Hinterland der Menschheitswiege durchquert: den Tschad, Burundi, Burkina Faso, den Kongo und Angola, sowie er auch die Ostküste von Eritrea bis runter nach Mozambique -Anfang der Achtziger- regelrecht abgegrast hatte.

Besonders erfolgreich war er allerdings immer nur in Asien gewesen. Die Errichtung der Marco Diktatur auf den Philippinen 1972 läutete seine Hochzeit ein. Die kambodschanischen Khmer Rouge führten ihn anschließend Mitte der 70er Jahre für 100 US-Dollar einen Tag lang durch Angkor (nach wie vor eine seiner bevorzugten Geschäftsadressen). Kurz darauf verbrachte er drei Wochen in Ost-Timor, erlebte in Oecussi die indonesische Invasion, geriet das erste Mal für ein paar Tage in Gefangenschaft. Und natürlich Myanmar, Laos, Vietnam. Die Gunst der Stunde bei bürgerkriegsähnlichen Konflikten tat sich immer auf, es war nicht einmal schwer sie zu erkennen. Man musste nur rasch vor Ort sein, und klug die nächsten Schritte setzen. Geändert hatten sich im Laufe der Zeit nur die Vertriebswege der später zu verkaufenden Ware. Tim Berners-Lee würde er wegen der Erfindung des World Wide Webs gerne mal auf einen Sake einladen.

Über die Theke blickte er die beiden Köche an. Sie waren sicherlich nie aus Japan heraus gekommen. Vermutlich nicht einmal aus Tokio. Wenn Toshio eines an seinen Landsleuten hasste, dann war es ihr gottverdammter Protektionismus. Ihre nach außen geschlossene Gesellschaft, die den Menschen schon in frühster Kindheit die Freude am Experimentieren mit den Möglichkeiten des Lebens nahm. Schon als kleiner Junge hatte er festgestellt, wie man ihn an Grenzen binden wollte, seinen Tagesablauf bis in die letzten Winkel hinein reglementierte. Erst durch den Tod der Mutter, die bei einem Autounfall gestorben war, und der unwiderruflichen Lossagung von der starren, harten Hand des Vaters als Jugendlicher, fand er Raum zur persönlichen Entfaltung. Ein Aufbrechen, welches durch die erste Überseereise nach Amerika erst richtig begann.

Damals, im Hafen von San Francisco angekommen, fühlte er unruhiges Adrenalin in seinen Adern schwimmen, sowie eine unerträgliche Neugier auf das unbekannte Land in sich aufsteigen. Ein Gefühl, welches, gepaart mit einem hohen Grad an zweifelnder Anspannung und überbrodelnder Vorfreude, ihn bis zum heutigen Tage durch die Welt begleitete. In Deutschland hatte man einen Begriff für diesen Zustand der Erregung erfunden: Reisefieber. Sollte sich eines Tages dieser emotionale Zustand beim Betreten einer von ihm noch unerschlossenen Region nicht mehr einstellen, er würde sofort die Koffer packen und abreisen. Aber er glaubte diesen Moment noch in ferner Zukunft zu wissen. Tokio würde sich bis auf weiteres mit Kurzbesuchen seiner Person begnügen müssen.

Es war ein glücklicher Zufall, dass er mit Entdeckung der Reiselust auch auf seine angeborenen Fähigkeiten als Verkäufer stieß. Die amerikanischen Studienkollegen in San Francisco liebten die wenigen persönlichen Mitbringsel aus Japan, die er im Zimmer des Studentenheimes auf dem Fensterbrett stehen gehabt hatte, und fragten ihn, ob er nicht mehr davon besorgen könne. Bald traf ein erstes Paket voller Zen-Buddhas, geschnitzter Holz-Sumos und Kimonos ein. In 50 Minuten hatte er alles verkauft. Das zweite Paket, welches gegen Ende des dritten Semesters kam, wurde, auch dank einiger Sake-Flaschen, ein noch größerer Erfolg bei den damaligen Heimmitbewohnern.

Von einem ersten Trip in den Norden Mexikos brachte er, kurz vor Abbruch des Studiums, einen halben Koffer voll frischer Ware mit. In jenen Tagen nach der Rückkehr ins herbstlicher werdende San Francisco, entschloss er sich, auf der wachsenden Passion fürs Reisen und Verkaufen eine Lebensgrundlage zu schaffen. Von Bob, seinem damaligen Zimmergenossen im Studentenheim, lieh er sich die paar fehlenden Dollar zum Kauf eines alten Cadillacs, und brach kurze Zeit später auf zu einer Odyssee durch Lateinamerika auf. Da er genügsam lebte, umsichtig die richtigen Menschen, denen er begegnete, mit Witz und Charme zu seinem persönlichen Vorteil einnahm, und die meiste Zeit im Auto schlief, reichten die Ersparnisse zum Erwerben von landes-typischen Kunst- und Kulturgegenständen bis hin zur Bestechung von Grenzbeamten in Honduras. Nach zehn 1/2 Monaten kehrte er für sechs Wochen zurück nach San Francisco, zahlte Bob die Schulden aus und kaufte ein Ticket für die Rückkehr mit dem Schiff nach Japan.

In Asakusa bezog er ein winziges Zimmer zur Untermiete und machte sich an die Planung der nächsten Schritte. Mit dem richtigen Gespür für Profit und zahlungswillige Sammler ausgestattet, verschaffte er sich binnen weniger Wochen Zugang zu den wichtigsten Personen im Antiquitäten An- und Verkauf, lernte von den erfahrenen Augen und Händen der Händler über Echtheit und Fälschung von Statuen, Stoffen und Zeichnungen zu urteilen und seinen Instinkt für den Wert von Kunst weiter zu entwickeln. Einen Lehrmeister fand er in dem bei einheimischen Händlern höchst respektierten Mr. Yimahzu, einem 74-jährigem Mann, dessen kleines, stets unaufgeräumtes Büro in der Nähe des Ueno-Parks als damals wichtigste Schnittstelle zwischen Käufern und Verkäufern fungierte. Zusammen verbrachten sie Stunde über Stunde mit dem Begutachten von importierter Ware, begleitet nur von dem monotonen Rattern der Züge, die über die Brücke der Ueno-Station fuhren.

Der nüchterne Mr. Yimahzu, der- nach ihrem ersten Zusammentreffen in der Nähe des Sanso-ji-Tempels an einem kalten Februartag- auf der Stelle Toshios unbedingten Willen zu disziplinierter Arbeit und seine Risikofreudigkeit registriert hatte, wurde wie ein Ziehvater für ihn. Unter seiner Obhut und durch seine gezielte Förderung, gewann Toshio zunehmend an Ansehen und Respekt in den entsprechenden Kreisen. Denn: er war stets gewillt, auf der Suche nach Antiquitäten sich ein wenig weiter in Gefahr zu begeben, ein Quäntchen weniger ängstlich auf auch ihm unbekannten Terrain zu agieren als die Konkurrenz. Diese Kompromisslosigkeit dankte der Markt, und vor allen Mr. Yimahzu, mit überdurchschnittlichen Provisionen.

Die Reisen, die er zu dieser Zeit bestritt, führten ihn vorrangig durch den asiatischen Raum, erst Mitte der Achtziger begann er intensiv auch Europa und Afrika in die lukrativen Geschäfte mit einzubeziehen. Insbesondere der Osten des europäischen Kontinents nahm sich positiv aus, trotz zweier Rückschläge in Rumänien, wo er selbst Opfer von Fälschungen wurde und eine große Summe an Lei in den Sand setzte. Dafür funktionierte das Schmuggeln der Beutestücke über Land dort reibungsloser. Unzählige Kunstschätze waren ihm in Afrika beim Transport kaputt gegangen, wie auch in Südamerika. Die mit diesen Ländern verglichene bessere Infrastruktur des Ostens ermöglichte nicht nur die Bewegung größerer Waren, sondern gleichzeitig auch eine schnellere Abwickelung des Schmuggelguts Richtung Japan.

Dabei halfen auch die exzellenten Kontakte zu einem sowjetischen Kunst-Professor, der Toshio zu Raubgrabungen in den Süden der Türkei und Syrien begleitet hatte. Dem Professor war es ein leichtes, die behördlichen Genehmigungen für archäologische Ausgrabungen im Nahen Osten zu besorgen. Über zwei Drittel der Kunstschätze, die sie dort fanden (darunter eine fast zwei Meter große, mit Goldschmuck versehen Frauenstatue), wurden verpackt und unter dem Vorwand, „in Sicherheit“ gebracht zu werden, an geheimen Orten mit diversen weiteren Plünderungsartikeln gehortet. Den kleinen und längst nicht so wertvollen Rest übergaben sie den offiziell mitbeteiligten Forschungsabteilungen. Toshio war sich bewusst, dass die Kontakte zu den „legalen“ Hütern von Kunstschätzen, besonders in Japan, außerordentlich wichtig waren für sein Geschäft. Mr. Yihmazu, der während Toshios Aufenthalt in Syrien an einem Herzinfarkt verstorben war, hatte ihm bei ihrem letzen Zusammenkommen offenbart, dass die meisten Museen in Tokio und Kyoto voll waren mit gestohlenen Exponaten. Den Abnehmern, von der Gesellschaft respektierte Leiter der berühmtesten Ausstellungen, ging es mehr um die Vollständigkeit spezifischer Sammlungen, als um die rechtmäßige Beschaffung der einzelnen Raritäten. Hier schloss sich der Kreislauf zu den stets gedeckten Hintermännern.

Anfangs hatte Toshio einige Mühe die Geschäfte Mr. Yhimizus zu übernehmen. Für ein paar Monate schien der Markt regelrecht auseinander zu fallen. Erschwerend kam hinzu, dass er den Anfang des Vakuums, das durch den Tod Yhimizus aufgetreten war, durch seine Abwesenheit vor Ort nicht sofort hatte kompensieren können. Für kurze Zeit kämpfte er auf verlorenem Posten um seine Anteile, gegen die übermächtig erscheinenden Mitbewerber. Zudem versuchte die Mafia stärker als zuvor die Geschäfte in der Antiquitätenszene zu kontrollieren und sorgte für zunehmenden Druck auf die Händler. Durch die steigende Bedeutung des Internets vermochte Toshio jedoch bald seine Ware anonymer zu verbreiten und stand früher als die Konkurrenz mit wieder wachsenden Gewinnen da. Zu dieser Zeit wachte er Woche um Woche morgens um viertel vor fünf auf, nach maximal vier Stunden Schlaf- und rauchte drei Packungen täglich.

Die Angst, die ihn bei gefährlichen Auslandsmissionen bisweilen heimgesucht hatte, ließ sich zwar nicht besiegen, jedoch mit zunehmender Erfahrung kontrollieren. Er war dem Tod einige Male sehr nahe gekommen. Bei drei Gelegenheiten hatte er nur durch Glück sein Leben gerettet. Dennoch zogen ihn der Kitzel, die Unvorhersehbarkeit einiger seiner Begegnungen, nach wie vor in fremde Regionen. Vielleicht, weil er sich auch im Gegenüber wieder fand. Es erging ihm dabei ähnlich wie dem Typ von Soldat, der, einmal in den Krieg gezogen, sich nicht mehr eingliedern kann in die vorschriftsmäßige Starre der Gesellschaft. Die durchlebten Gefahren machten eine einfache Rückkehr in den Alltag ohne Komplikationen schlicht unmöglich. Nur durch erneutes Erfahren von Extremsituationen fühlen sie sich lebendig und Toshio spürte ein ähnliches Verlangen in sich brennen. Wer einmal die eigenen Grenzen verschoben hatte, konnte sich nicht mehr dahinter verstecken. In schwer zugänglichen Orten war er bisweilen auf Menschen getroffen, die mit einer ähnlichen Obsession durch das Leben schritten wie er. Man teilte sich eine Weile den Weg, in dem Wissen, der andere würde bald eine andere Biegung nehmen. Bindungen gab es nur zu den sammelnden Kunden, die die Abenteuer finanzierten. Sonst konnte er einzig auf sich selbst zählen.

Einsamkeit und Unabhängigkeit, bewusst gewählte Isolation zu bestimmten Zeiten. Die dadurch verstärkt auftretende Gefühlskälte trug er im Ansatz schon in der Jugend mit sich herum. Das hatten die Eltern zu verantworten (mehr der Vater als die Mutter). Doch wurde sie lebensnotwendig für das skrupellose Geschäft. Vertrauen schenkte er höchstens den Zahlen auf der Bank. Der innerliche Drang zu Extremen verbot die Einmischung von Emotionen, die mit Nähe behaftet waren. Nein, er fühlte sich nicht als Flüchtender, wie außen stehende Beobachter hätten annehmen können. Dieses Leben hatte er sich ausgesucht, allein bestimmt, dabei den gesellschaftlichen Regeln getrotzt und erfolgreich die Stirn geboten.

Sein Tee war kalt geworden. Die Bedienung stand neben ihm und zählte Toshios leere Teller ab. Ihr Stift notierte ein paar Zahlen auf dem kleinen Schreibblock, den die dünnen Finger der linken Hand hielten. Sie riss das Papier ab und legte es neben seinen Becher. Er zog ein paar Scheine aus der Tasche und erhob sich. Sie hielt ihm die Tür zur Straße hin auf und er spürte bereits die stickige Schwüle des Asphalts seinen Hals emporsteigen. In der Hosentasche kramend zog er draußen zuerst eine halbvolle Packung Zigaretten aus Thailand, anschließend ein schwarzes Feuerzeug mit einem russischen Logo hervor. Den Blick auf eine rapide anwachsende Menschenmenge an einer gegenüber liegenden Ampel gerichtet, versuchte er abzuschätzen, in welcher Richtung die nächste Metrostation liegen mochte. Hastig zog er hintereinander zwei kurze Mal an der Zigarette, dann gliederte er sich raschen Schrittes in den schwitzenden Personenstrom ein. Hinter ihm schloss die Bedienung lautlos die Tür.

 

Hallo Dirk!

Nicht, dass mir dein Schreibstil nicht gefallen würde oder dass die Geschichte mich gelangweilt hätte... Aber am Schluss habe ich mich gefragt: Ja und?
Also... Irgendwie ist nichts passiert, der Prot hat sich im Laufe der Geschichte nicht verändert, nichts ist geschehen. Es war mehr eine Aufzählung der Aktionen seines Lebens. Ein Japaner, der es geschafft hat, sich von dem typischen Zu Hause bleiben zu lösen und die Welt zu bereisen... Ja und weiter? Ich dachte gegen Ende, dass jetzt noch mal ein Rückbezug kommt auf den Jetlag, den er ja zum ersten Mal verspürt, dass sich für ihn nun was ändert, dass er dem Stress nicht mehr standhalten kann, dass er sich vielleicht letztendlich wieder in das Japaner-sein fügt oder an einen Ort geht, der ihm besonders gefallen hat.
So macht er schon fast zwanghaft weiter (wie du auch schreibst), aber es resultiert nichts daraus.
Mir fehlt eine Aussage.

Liebe Grüße,
Loerschgi

 

Hallo Loerschgi,

vielen Dank für Deine Anmerkungen. Mir hat Deine letzte Geschichte auch gefallen und, nein, diesen ominösen Insel-Film, von dem alle reden, habe ich selber nie gesehen... ;-) -

Zu Deiner Kritik: mir geht es gerade darum, die Geschichte offen zu halten, damit der Leser sich seine eigenen Gedanken machen kann, wie eine weitere Entwicklung des Prots aussehen könnte (siehe dazu auch "Mutter Ganga"- ähnliche Offenheit am Schluss). Ich persönlich mag es nicht, wenn der Autor einer Kurzgeschichte (oder Films, oder Musikstück) mir Anfang und Ende vollständig auftischt, und mir als Leser keine Freiräume zugesteht. Zumal der Titel das auch symbolisieren soll: ein schnelles Schlagen des Herzens von 350/Min kommt nahe an einen Herzstillstand. Insofern sind Entwicklungen des Prots in verschiedene Richtungen möglich. Stillstand oder Weitermachen, Schlafen oder Wachen… Du entscheidest.

Grüße! Dirk.

 

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