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Schlechter Mensch?

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22.08.2007
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Schlechter Mensch?

Ich bin kein schlechter Mensch.
Ich selbst halte mich für rechtschaffen und habe eine leise Ahnung, dass Vater Staat in diesem Punkt mit mir einer Meinung ist. Ich trenne meinen Müll, parke nur an erlaubten Plätzen und bringe die ausgeliehenen Bücher rechtzeitig in die Bibliothek zurück. Selbstverständlich würde es mir niemals einfallen, schwarz zu fahren oder beim Einkaufen etwas unbemerkt und unbezahlt an der Kasse vorbeizuschmuggeln. Wenn wir schon beim Thema Einkaufen sind: Ich ernähre mich sehr gesund, mit viel Gemüse und kaum Alkohol. Rauchen zählt nicht zu meinen wenigen Lastern, da es für mich und die Menschen in meiner Umgebung schädlich ist.
Meine Bekannten bezeichnen mich als freundlich und hilfsbereit, weil ich alten Damen über die Straße helfe und bei Umzügen gerne den Lastenträger spiele. Den Lärmpegel in meiner Wohnung halte ich dezent, obwohl ich mir die eine oder andere Feier mit meinen Freunden nicht verbiete.
Wenn ich vor dem Spiegel stehe, fällt mir ein weiterer Grund meiner Beliebtheit auf. Ich gelte als gut aussehend: sanftmütige Augen und feine Gesichtszüge. Aber meine Anziehungskraft nutze ich nie bewusst aus, weder beruflich noch privat. Ich möchte als Mensch geschätzt werden - denn ich bin kein schlechter.
Hielt er etwa mich für einen schlechten Menschen? Das kann ich mir nur schwer vorstellen. Gerne würde ich wissen, was er denkt, doch im Anbetracht der Öffnung in seinem Schädel werde ich es wohl nie erfahren. Keine Angst ist in seinem Gesicht, nur Erstaunen. Die Art von Überraschung, wenn man plötzlich Besuch von einem Freund bekommt. Wir waren auch Freunde. In der Blutlache um seinen Körper kann ich mein Spiegelbild ebenso deutlich sehen. Wenn es das Gesicht eines Menschen ist, dann keines schlechten.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Reggy,

Du beschreibst das Bild des netten und ordentlichen Menschen von nebenan, dessen kleinbürgerliche Seele wir nicht kennen, der sich vor sich selbst rechtfertigen muss. Ob er bis gerade ein sogenannter „guter“ Mensch war, wissen wir nicht, in jedem Fall hält er sich für keinen schlechten Menschen. Und dann muss ein Abgrund sich aufgetan haben, denn der Mensch, der bis gerade als kein schlechter Mensch bezeichnet wurde, ist zum Schlächter geworden, ohne dass wir ein Motiv erkennen können.

Der Alptraum vom netten Nachbarn drückt sich im erstaunten Gesicht des Erschlagenen aus. Es wirkt wie eine Warnung vor einem jeden Nächsten, dem man eh nur vors Gehirn schauen kann.

Eine gefällig erzählte böse Geschichte, die sich dann aber im Kopf des Lesers abspielt.

Gruß

Friedrichard

 

Ja, das war im Großen und Ganzen das, was ich ausdrücken wollte.
"Gut" und "Schlecht" mal anders definiert.
Danke für deinen Kommentar!
GLG
Reggy

 

Hi Reggy

Schlechter Mensch?

Ich bin kein schlechter Mensch.

In diesem Zusammenhang würde ich statt (.) lieber ein (!) reinbasteln - wirkt irgendwie besser. ;)

Die Idee ist nicht neu aber gut und stilistisch sauber umgesetzt - kann man nicht meckern. Aber auch auf die Gefahr das ich mich jetzt wieder unbeliebt mache, kann ich hier kein Experiment erkennen. Würde für mich eher in die Rubrik Sonstige oder mit ein bisschen wohlwollen vllt in Gesellschaft (liebe Gesellschaftmods bitte tötet mich nicht :D) passen.

Was mich persönlich ein ganz kleines bisschen Stört, ist, dass du aufhörst wo die eigentliche Geschichte beginnt. Denn als neugieriger Leser würde ich schon gerne erfahren, was der Nachbar getan oder nicht getan hat um ermordet zu werden <-- dann könntest du es auch unter Spannung posten (:sealed: nicht hauen, auwa, auwa ... :D)

Lg, Ph:gelb:nix

 

Lieber Phönix (mein Lieblings-Fantasytier übrigens! ;)), zunächst einmal vielen Dank für deinen Kommentar. Deine Vorschläge bezüglich der Einordnung dieses Textes und auch für eine Fortsetzung fand ich sehr vernünftig. Für mich persönlich war dieser Text aber gerade deshalb ein Experiment, weil er kein richtiges Ende und auch keinen Anfang hat. Es ging mir eigentlich nur darum, "schlechter Mensch" anders zu definieren, zu schockieren, eine Spannung zu erzeugen. Und damit, dass ich keine genaue Begründung, keine Story liefere, wollte ich zeigen: Das kann jedem passieren, das gibt es, haltet die Augen offen! Hoffe, meine Intention war nicht zu verquer.
GLG
Reggy

 

Hallo Reggy.

Grundsätzlich ist das eine schöne Idee und an sich auch nahezu perfekt ausgearbeitet.

Was mich stört (aber das ist wohl genau der Experimentcharakter hierbei) ist, dass mir durch den Überraschungseffekt das Bild des "schlechten" Menschen (welches du ja vorher brilliant gezeichnet hast) komplett entgleitet und ich mir am Schluss der Geschichte keinerlei Reim darauf machen kann, wer oder was diese Person ist. D. h., ich habe nunmehr so viele Fragen, dass ich dann ziemlich unbefriedigt meinen Feierabend verbringen muss ;)

Bis auf das Ende also (das ist nocheinmal zu betonen) ist die Idee sowie die Umsetzung mMn schön frisch und einwandfrei gelungen.

BTW: Ich habe noch einen kleinen Tippfehler gefunden

..., doch in Anbetracht der Öffnung in seinem Schädel ... .

Impulse

 

Hallo Leute,

was Impulse stört ist, dass das offene Ende den Feierabend verderbe durch die unbeantworteten Fragen, welche die Geschichte aufwirft. Aber ein offenes Ende gilt durchaus als Kriterium der Kurzgeschichte, ohne dass die Form Experiment ist.

Für den Fall, dass Mord und/oder Totschlag als Experiment angesehen werden hier ein Selbstzitat „Totschlag, gleich wie verpackt, als Experiment… ist ’ne interessante Vorstellung. Muss man ja nicht gleich als Testreihe wagen.“ (#5 vom 15. 7. d. J. zu meiner Einsatzgeschichte).

Vielleicht war die Form der Kurzgeschichte in ihren Anfangszeiten –

also zu Zeiten Borcherts und Bölls so etwas wie ein Experiment, heute ist sie’s nicht mehr. Da geht dann Reggy’s (Reggies?) Meinung „für mich persönlich war dieser Text aber gerade deshalb ein Experiment, weil er kein richtiges Ende und auch keinen Anfang hat“ fehl. Die eigentliche Geschichte spielt sich im Kopf des Lesers ab.

Und wer will bezweifeln, dass der Autor nicht zugleich Leser ist?

Nix für ungut

friedel

 

Ich war mir sehr unsicher mit dieser "Kurzgeschichte".
Was ich rüberbringen wollte, war: Das ist kein Anfang, kein Ende. Nur Wahnsinn. Vielen Dank für die Inspiration!

 

Schöne Story, aber kein Experiment.
Verschoben nach "Sonstige".

 

Ich bin kein schlechter Mensch.

hallo du

deine geschichte hat mir gut gefallen, nur verstehe ich die figur darin nicht so gut. ist das ein wenig ein schwarzweiss-maler? ich meine was heisst heutzutage schon guter-mensch/schlechter-mensch? da muss es doch auch was dazwischen geben... :)

 

Aber denkst du, ein Mensch, der seinen Nachbarn abschlachtet und sich dennoch für keinen schlechten hält, erkennt die Grautöne? ;-)

 

Hallo Reggy,

mir hat deine Geschichte leider nicht gefallen. Die Pointe hat natürlich geknallt, aber für meine Geschmack viel zu sehr. Das war die Holzhammermethode vom Feinsten.

Der Stil ist ziemlich knapp, was aber hier gut passt. Doch wie gesagt, dass Ende hat mir überhaupt nicht gefallen. Ich finde, wenn man nichts über seine Beweggründe weiß, kann man das überhaupt nicht beurteilen, ob er ein guter oder schlechter Mensch ist. Vllt hat er ja eine Serienmörder im letzten Moment davon abgehalten, seinen nächsten Mord zu begehen. In der Geschichte steckt meiner Ansicht nach wesentlich mehr Konfliktpotenzial. Viel interesanter wäre mMn die Frage, ist ein guter/schlechter Mensch, wenn man weiß, was er getan hat...

lg und frohe Weihnachten
neukerchemer

 

Danke dir und sorry, dass ich erst jetzt antworte.
Naja, dieser Text war ja auch mehr ein Experiment (bin immer noch nicht so ganz mit seiner Verschiebung einverstanden), ich erhebe auch keinen Anspruch, dass er vom Feinsten ist. Ich wollte nur einen kurzen Gedankengang darstellen und ließ die Details absichtlich dahingestellt.
danke für deinen Kommentar!
GLG
Reggy

 

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