Was ist neu

Schnee über der Stadt

Mitglied
Beitritt
13.11.2006
Beiträge
1
Zuletzt bearbeitet:

Schnee über der Stadt

Dicht fällt der Schnee auf die Stadt herab. Beckmann steht am Fenster, eingemummt in eine Decke, betrachtet die winterliche Straße, lauscht den vor Kälte klirrenden Motoren einzelner Autos und beobachtet zwei Frauen die sich über die verschneiten Bürgersteige flüchten.
Neunzehn Grad unter Null. So kalt ist es nun schon, denkt Beckmann, der das Außenthermometer vor seinem Fenster abliest. Er reibt sich die kalten, alten, rauen Hände und schlürft zum Ofen hin, zerkleinert Papier- und Pappreste, lädt sie zusammen mit Holzspänen in die schwarze Öffnung hinein und entzündet ein Streichholz. Schnell züngeln und tanzen die kleinen Flammen wie treue Kameraden in das Innere des Ofens. So ist das nun, denkt er, so folgt der einen Generation die Nächste. Wir hinterlassen verbrannte Erde und schleichen uns heimlich davon.
Maria geht zum Herd, nimmt den kochenden Tee von der Platte, füllt ihn in die Kanne, gießt sich selber eine Tasse voll ein, trinkt, schmiert derweil Brote für den Tag, packt alles in eine Tasche und zieht Mantel und Schuhe an. An der Tür blickt sie noch einmal zurück, betritt dann eilends die Straße, wo ihr ein scharfer, eisiger Wind entgegenschlägt, sendet einen Blick an der alten Fassade hinauf und bemerkte, wie schon manchmal, die Silhouette eines Mannes in dem Zimmer über dem Ihrigen. Dann zieht sie ihr Tuch enger, wendet ihr Gesicht dem Wind und den Schnee zu und stapft davon.
Der Ofen ist mittlerweile ausgegangen und Beckmann steht noch immer am Fenster und schaut auf die Straße hinab.
„Was nützen mir Erinnerungen? Tag ein Tag aus wollen sie nicht von mir lassen, wiegen schwerer als Kohlen und gebrauchen kann man sie doch nicht. Was taugt das Geschwätz von besseren Zeiten? Einen Scheißdreck waren sie besser und froh sollte man darüber sein, dass sie aus unseren Köpfen verschwinden.“
Beckmann geht wieder zum Ofen, flucht über sein Ungeschick das Feuer ausgehen lassen zu haben, zündet es erneut an und stellt sich wiederum an das Fenster.
„Doch alte Geister jagen mich, rumoren in meinen Eingeweiden, dass mir der Appetit vergeht. Jedes Jahr mehren sie sich in meinem Hirn. Spielen mit mir. Kann sie nicht greifen. Blenden mich einmal mit diesem, mal mit jenem. Närrisch blitzen Fetzten vergangener Jahre wieder auf. Kaum langen dann meine knöchernen Finger nach ihnen, schwinden sie eilends. Welcher Strom treibt sie wohl zurück?“
Maria sitzt am Fenster eines Straßenbahnwaggons, dreht verstohlen ihren Kopf zur Seite und lässt die Scheibe mit ihrem warmen Atem beschlagen.
„Kälte. Im Winter sterben muss schrecklich sein. Auch wenn ich tot bin, ich möchte lieber als Leichnam im Frühling im warmen Grase liegen. Im kalten Schnee erfrieren..."
Maria entdeckt einen Invaliden im Schneegestöber. „Was wird der Ernst wohl gerade machen. Ob er noch an mich denkt, an seine Versprechen?“

 

Hallo ian frisco,

und herzlich willkommen.
Dein Thema ist Einsamkeit, Leben in der Vergangenheit, das heute stattfindet, Erinnerungen. Dabei besteht nur eine lose Verbindung zwischen den beiden Protagonisten. Sie leben im selben Haus. Jeder für sich. Das wird in den übrigen drei Jahreszeiten nicht anders sein, vielleicht leichter zu ertragen.
Vom Ansatz hat mir das gut gefallen, auch wenn es mir ein bisschen zu sehr an der Oberfläche bleibt. Dabei hätte Schnee, wenn er schmilzt, doch die Macht, in die Tiefe zu sickern. Dadurch vermisse ich die gesellschaftliche Relevanz. Es geht ja nur um individuelle Versprechen oder Erinnerungen.
Formuliert ist es manchmal etwas flusig.

und beobachtet zwei Frauen die sich über die verschneiten Bürgersteige flüchten.
flüchten ist kein rückbezogenes Verb, wie etwa "sich anziehen", man flüchtet oder lässt es bleiben, man flüchtet aber nicht sich, höchstens manchmal vor sich selbst.
rauen Hände und schlürft zum Ofen hin
"hin" ist überflüssig, da in "zum" schon enthalten.
Schnell züngeln und tanzen die kleinen Flammen wie treue Kameraden in das Innere des Ofens
im Inneren des Ofens - oder hat er sie außerhalb entfacht? Dann bläst der Wind hoffentlich nicht in die falsche Richtung.
sendet einen Blick an der alten Fassade hinauf
zwar nicht ganz falsch, aber umständlich. sendet einen Blick die alte Fassade ...
und bemerkte, wie schon manchmal, die Silhouette eines Mannes
Tempuswechsel. Wenn die den Blick im Präsens hinaufsendet, bemerkt sie ...
in dem Zimmer über dem Ihrigen
da s ich "ihrigen" auf das Zimmer bezieht, wird es klein geschrieben.

Lieben Gruß, sim

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom