Was ist neu

Schnee, Blut, Holz

Mitglied
Beitritt
21.06.2005
Beiträge
291
Zuletzt bearbeitet:
Anmerkungen zum Text

Stark gekürzt und überarbeitet - 2. Chance :)

Schnee, Blut, Holz

Ich begann mein Eheleben in der tiefschwarzen Stunde vor dem Morgengrauen, zitternd vor Kälte. So hatte es mein Gemahl verlangt. Und meine Eltern hatten genickt. So wie sie nur genickt hatten, als mein Mann sie mit dem Brautgeld in einem Leinensack vor den Toren der Burg wegschickte – mein Vater mit unnahbarem Gesicht, meine Mutter mit roten, feuchten Augen.

Nun fielen die eisenbewehrten Tore hinter mir zu und setzten krachend einen Schlusspunkt hinter mein bisheriges Leben. Ich schluckte trocken. Ich würde lernen müssen, diesen Ort zu lieben. Welche Wahl hatte ich denn?

Obwohl Fackeln Pfützen aus Licht in den Burghof warfen und Musikanten an mehreren hohen Feuern spielten, wirkten die Menschen, die rundum tanzten, seltsam freudlos. Die Schatten zwischen den Feuern und Fackeln lagen wie unüberwindbare Gräben zwischen den Tänzern. Nur mein Gemahl und ich schritten gleichermaßen durch Licht und Dunkelheit.

Schon bald führte mein Mann mich fort von diesem schalen Fest und hin zu seiner Wohnstatt. Hinter dem schwarzen Portal des Wohnhauses herrschte Stille. Außer uns wohnte dort nur seine Tochter, eine blasse, junge Frau, die ich nach der Zeremonie nicht mehr gesehen hatte.

„Mach dir keine Sorgen, meine Liebe. Sie schläft tief und fest, und der Morgen graut schon bald“, sagte mein Mann. Ich war dankbar für diese Worte, denn angesichts der Hochzeitsnacht fühlte ich mich schüchtern und befangen. Mein Mann war stattlich, gutaussehend, aber beinahe zwanzig Jahre älter als ich, und seine Schläfen begannen sich silbern zu färben. Und während ich unerfahren war, hatte er bereits mehrere Ehen hinter sich: Ich war bereits seine dritte Gemahlin. Die Erste, die Mutter seiner Tochter, hatte das Kindbett nicht überlebt, die Zweite war an der Schwindsucht gestorben.

Jetzt führte er mich zu seiner Schlafkammer, hob mich über die Türschwelle, drehte sich dann nochmals um, wie um in die Stille in den Fluren zu lauschen. Verlegen setzte ich mich aufs Bett. Das Blut rauschte in meinen Ohren, und meine Kehle war zu eng für meinen heißen Atem. Mein Mann lächelte, setzte sich zu mir und streichelte mir sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dann hauchte er die Kerze aus.

Am nächsten Tag hängten die Diener unser Laken aus dem Fenster. Der Blutfleck auf dem Laken war weithin sichtbar. Mehr Blut, als ich erwartet hatte, doch der Schmerz war harmlos gewesen. Trotzdem schämte ich mich ein wenig, dass mein Mann meine Entjungferung so schamlos zur Schau stellte.
Am Frühstückstisch sah er zufrieden aus.

Ich sah mich nach seiner – unserer – Tochter um. Gestern bei der Hochzeit hatte sie mich mit einer Mischung aus distanziertem Interesse und Mitleid angesehen. Angesichts ihrer kühlen Anmut stolperte ich über meine Kleider ebenso wie über meine Worte. Meine verworrenen Sätze waren an ihrer steinernen Mine abgeperlt, meine nach ihr ausgestreckten Hände hatte sie ignoriert. Aber sie war jetzt meine Tochter, und ich wollte keine schlechte Stiefmutter sein. Also fasste ich mir ein Herz und fragte meinen Mann nach ihr. „Wird sie uns zum Frühstück nicht Gesellschaft leisten?“ Ein lautes Scheppern entband ihn von einer Antwort: Einer Dienerin war ein Teller aus der Hand gefallen. Hektisch bückte sie sich nach den Scherben, ein Schleier aus blondem Haar vor dem geröteten Gesicht. So ungelenk stellte sich das arme Mädchen in ihrer Verlegenheit an, dass sie sich an den Scherben schnitt. Blut tropfte auf den Boden und sammelte sich dort zu einer kleinen Pfütze. Mein Mann tätschelte meine Hand und versicherte mir mit gelassener Stimme, dass die Abwesenheit seiner Tochter nichts Ungewöhnliches sei.

Zu meiner Scham war ich erleichtert, dass sie meinem Hochzeitsfrühstück nicht beiwohnen würde. Dankbar wies ich die Dienerin an, einen Teller mit Frühstück für meine Stieftochter bereitzumachen und zu ihr zu bringen. Die Magd sah mich flehend, beinahe verzweifelt an. „Herrin, ich …“ Sie verstummte. Mein Gesicht wurde heiß. Reichte es nicht, dass meine Stieftochter mich abweisend behandelte? Würde selbst die Magd sich mir widersetzen, mich bloßstellen? Doch mein Mann lächelte gequält und nickte der Dienerin zu. „Mach, was deine Herrin verlangt“, sagte er streng. “Meine Tochter wird sich stärken wollen nach dem Trubel der letzten Nacht.“ Und die Dienerin gehorchte, die verletzte Hand an ihren Körper gepresst. Tränen liefen über ihr Gesicht.

Später, es dämmerte bereits, kam mein Mann in mein Gemach. Er hatte ein Brautgeschenk für mich dabei – einen silberverzierten Spiegel aus blankem Kupfer, so groß wie er selbst. Er ließ ihn von zwei Knechten so aufstellen, dass er die Tür zu meinen Gemächern reflektierte. Der Rahmen des Spiegels war kunstvoll gefertigt: Blumen, Sterne und seltsame Tiere verflossen ineinander und machten mich ganz schwindelig im Kopf. Ich bedankte mich herzlich. Der Spiegel musste ein Vermögen wert sein. „Sieh nur zu, dass er immer auf die Tür zeigt“, sagte er. „So kann er dir etwas über jeden verraten, der bei dir ein und aus geht.“ Die Mine meines Mannes sah dabei so düster aus, dass mir bang ums Herz wurde. Ich hob das Kinn und schob das Unbehagen energisch zur Seite. Was für eine alberne Gans ich war! Ich würde mein neues Leben lieben lernen. Also sagte ich meinem Mann, dass der Spiegel mir zeigte, dass mein Ehemann stattlich war und wir ein schönes Paar, und dass er mich küssen könne, wenn er wolle. Mein Mann blieb noch ein Weilchen.

Ehe er mich später wieder verließ, mahnte er mich noch, niemals jemanden über die Kammerschwelle zu bitten, wenn er nicht dabei sei. Ich versprach es, und erneut ließen mich seine Worte und mehr noch sein bedeutungsschwangerer Blick frösteln. Und wieder musste ich mich zur Ordnung rufen, dieses Gefühl streng zur Seite schieben. Ich würde mir keine Angst einjagen lassen. Dieses neue Leben war meinWeg heraus aus der Armut meines elterlichen Haushaltes, und ich würde es nach meinem Willen formen!

Ich setzte mich an ein Fenster und blickte in die letzten Strahlen der untergehenden Sonne. Wie herrlich rot sie hinter den Bergen versank! Eine ganze Kette aus weichen Hängen mit schroffen, karstigen Felsenkronen zog sich über den Horizont. Ich versuchte mir die Namen ihrer sieben Gipfel ins Gedächtnis zu rufen. Hinter diesen Bergen lebten Wilde. Kleinwüchsige, hässliche, bärtige Leute, sagte man, mit einem Hang zu schwarzer Magie. Mir schauderte wohlig, während der Himmel sich schwarz färbte und die ersten Sterne aufblinkten.

Ein kalter Wind fuhr aus der Dunkelheit in meine Kammer. Gerade wollte ich die Fensterläden schließen, als ich eine schlanke Gestalt unten im Hof über die Mauer schauen sah. Das musste meine Stieftochter sein. Ich beschloss, die Gelegenheit beim Schopf zu packen und vor dem Abendbrot ein paar freundliche Worte mit ihr zu wechseln. Und ich hatte Glück: Als ich unten im Hof ankam, stand sie noch immer da, im Schein der eben angezündeten Fackeln. Ich trat zu ihr. Sie war von einer strengen, edlen Schönheit, die mir einen eifersüchtigen Stich versetzte: Ihr ebenholzschwarzes Haar fiel wie ein glänzender Wasserfall bis zu ihren sanft geschwungenen Hüften hinab. Ihre Stirn und Wangen schimmerten wie frischgefallener Schnee, und ihre vollen Lippen waren rot behaucht auf ihrer mondhellen Haut. „Wie schön du bist!“ platzte es aus mir heraus. Ihre Augen funkelten amüsiert. „Danke für das Frühstück, Stiefmutter“ sagte sie. Ihre Zunge flitzte kurz rot und glänzend über ihre prallen Lippen. Der Anblick ließ meinen Atem stocken, und wie bei meiner Hochzeit purzelten meine Worte ungelenk übereinander. „Das … gerne, natürlich“, druckste ich schließlich. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht wie ein Schatten über den Mond. Sie sah mich so unverwandt an, dass ich errötete. Verlegen suchte ich nach weiteren Worten, doch ihr Blick hatte sich abgewandt. Sie sah hinauf auf das Laken, das noch immer aus dem Hochzeitsgemach hing. Sie sog scharf die Luft ein, als wäre ihr ein Duft in die Nase gestiegen. Dann biss sie sich sanft auf die Lippen, zwinkerte mir zu, und ging zum Haus zurück.

Fröstelnd folgte ich ihr ins Haus und zur Halle, in der bereits das Abendessen serviert wurde. Ich setze mich zu meinem Mann. Eine mir noch unbekannte Magd servierte das Essen. „Das Mädchen vom Frühstück kommt heute wohl nicht wieder?“ Niemand antwortete mir. Mein Mann wich meinem Blick aus. „Ich meine das arme Mädchen, das sich verletzt hat?“ versuchte ich es nochmal. Meine Stieftochter kam mir unerwartet zu Hilfe: „Gute Magd, weißt du, was mit dem Mädchen geschehen ist? Nimmst du nun ihren Platz ein?“ fragte sie das Mädchen lächelnd, ihre Augen groß und schwarz wie die Nacht. Die Magd wich meinem Blick aus, der Kiefer trotzig gereckt. Ihre Knöchel waren weiß um den Henkel der Karaffe, aus der sie meiner Stieftochter einen Becher mit Rotwein befüllte. Doch ehe sie antworten konnte, winkte mein Mann das Thema ungeduldig ab und warf mir einen tadelnden Blick zu. Der Wein war schwarz und ölig im Licht der Kerzen. Ich war froh, dass die Dienerin es versäumte, mir einen Becher anzubieten.

Einige Wochen strichen ins Land, in denen ich mich langsam in meiner neuen Rolle einfand. Mein Mann kam regelmäßig in meine Kammer, und ich begann seine Besuche zu genießen. Er erzählte mir viel, war liebevoll in seinen Pflichten. Nur über seine Tochter sprach er nie. Ich selbst sah meine Stieftochter selten, nur dann und wann zum Abendessen. Sie aß wenig und trank viel von ihrem öligen, dunklen Wein, den sie nie jemand anderem anbot. Ich selbst wurde nervös, wenn ich sie traf, und konnte mein klopfendes Herz kaum wieder unter Kontrolle bringen, wenn sie mich musterte. Wie konnte ein so schönes Mädchen solch bange Gefühle in mir auslösen? Ich sagte mir, dass ich mich einfach nicht reif genug fühlte, ihre Stiefmutter zu sein. Denn ohne Frage war sie sehr viel weltgewandter als ich.

Dann kam der Tag, an dem ein Stallmädchen verschwand. Sie war auf dem regennassen Kopfsteinpflaster gestürzt, und hatte sich eine blutende Platzwunde zugezogen. Sie wollte sich zu Bett begeben. Am nächsten Tag war ihre Kammer leer.

An diesem Abend wartete ich lange vergeblich auf meinen Mann, und ich konnte nicht schlafen. Als ich kurz vor Mitternacht endlich ein Klopfen an meiner Kammertür vernahm, war ich erleichtert – mein Mann würde meine Ängste sicher vertreiben können! Doch als ich die Tür öffnete, stand nicht mein Gemahl vor mir, sondern seine Tochter.

„Stiefmutter“ sagte sie, und ich war gefangen vom Rot ihrer Lippen, ihren rabenschwarzen Haaren, die in sanften Wellen um ihr weißes Gesicht wogten. So anmutig war sie, dass ich am liebsten ihre schlanke Taille umfasst und sie an mich gedrückt hätte. Ich verschränkte meine plötzlich schweißfeuchten Hände vor meinem Bauch. Meine Stieftochter folgte der Bewegung meiner Hände mit einem amüsierten Blick. Mir schoss das Blut den Hals hinauf in die Wangen.

Sie holte einen Krug Wein hinter ihrem Rücken hervor. „Wollen wir nicht auf unsere Verwandtschaft trinken, du und ich … Mutter?“ Mein Puls schlug schneller und dröhnte in meinen Ohren. Törichte Gans, dachte ich einmal wieder, sie ist deine Tochter vor dem Herrn, das ist ein Friedensangebot, es gibt keinen Grund für all diese Aufregung. Aber mein Körper war weit klüger als ich: meine Kehle war wie zusammengeschnürt, und ein Teil von mir wollte wegrennen vor dieser jungen Frau mit den glühenden Augen.

Aber ich würde nicht die böse Stiefmutter sein! Mein Leben würde nicht überschattet werden von diesem seltsamen, unheimlichen Mädchen! Ich ballte die Hände zu Fäusten, atmete tief aus, öffnete den Mund, um sie hereinzubitten, und warf dabei einen schnellen Blick in meine Kammer – brannte das Feuer noch, würde es behaglich sein?

Da sah ich aus den Augenwinkeln meinen neuen Spiegel, darin mich selbst, die Türöffnung – und sonst nichts. Ich fuhr herum zu meiner Besucherin. Sie stand da wie zuvor: ein verführerisches Lächeln auf den roten Lippen, das Gesicht hell leuchtend in der Dunkelheit des Flurs, die Haare ein tanzender schwarzer Schatten. Verwirrt sah ich zurück zum Spiegel: Nur mein eigenes Gesicht blickte mir entgegen.

Ein Schauer strich mir mit seinen kalten Fingern über den Rücken. „Du bist so wunderschön“, flüsterte ich in meiner Verwirrung, „aber der Spiegel sagt, du bist nicht hier!“
Das Gesicht meiner Stieftochter veränderte sich kaum merklich. Ihre Schönheit wurde härter, raubtierhaft. Die Anmut eines majestätischen Wolfs, oder eines Falken im Angriff. Ihre Augen bohrten sich in meine. Ihre Lippen entblößten scharfe Reißzähne. Mit aller Kraft stieß ich die Tür zu meiner Kammer zu. Atemlos sank ich zu Boden.

Draußen hörte ich meine Stieftochter lachen, lachen, bis ihre Stimme in den Gängen verhallt war. Mein Blick fiel auf den Spiegel, der kühl und still hinter mir stand. Ich stand auf und betrachtete mich darin. Aber was für ein Wesen, welche höllische Gestalt, hatte kein Spiegelbild? Ich berührte den Spiegel mit meinen Fingerspitzen, fuhr die seltsamen Muster und Formen auf seinem Rahmen nach. „Du seltsamer Spiegel, stehst an der Wand und siehst ihre unendliche Schönheit nicht?“ Mir war klar, dass ich noch immer plapperte wie ein verschrecktes Kind. Endlich begann ich zu weinen. Ich wusste sehr genau, welche Ungeheuer kein Spiegelbild erzeugten. Oh, ich törichte, törichte Gans. Mit aller Gewalt hatte ich nicht verstehen wollen, weggedrängt, was ich seit dem ersten Treffen mit meiner Stieftochter wusste. Als ob ich die Gefahr bannen könnte, wenn ich sie nur leugnete.

Kaum, dass am Morgen der Hahn krähte, lief ich zur Kammer meines Mannes. Ich klopfte heftig an. Schaudernd sah ich dem Blut zu, wie es über meine geballten Fäuste lief und auf den Boden tropfte.

Mein Mann öffnete die Tür – ich hatte erwartet, dass er verschlafen aussehen würde. Stattdessen stand er angekleidet und müde, aber wach in der Tür. Er musterte mich mit blutunterlaufenen Augen. Sein fahriger Blick glitt über mein Gesicht, über meinen Hals. Sah auf meine Hände und das Blut, das an ihnen heruntertropfte. „Mädchen“, seufzte er dann, und er sah erleichtert aus. Er bat mich über die Schwelle und dirigierte mich in einen der hohen Sessel am Feuer. Er selbst blieb stehen, eine Schattengestalt vor dem Kamin. So sehr ich ihn hatte zur Rede stellen wollen, so wenig wollten mir nun die Worte über die Lippen kommen, die mich die ganze Nacht gemartert hatten. Was sollte ich sagen: Ob er wusste, was seine Tochter war? Natürlich wusste er es. „Der Spiegel wird dich warnen“, hatte er zu mir gesagt. Ich schwieg und starrte auf meine blutenden Knöchel.

Schließlich erlöste mein Mann mich. Er sprach, ohne sich vom Feuer abzuwenden. „Ich dachte, du wüsstest es, als ich dich geheiratet habe. Ich dachte, deine Eltern hätten es dir gesagt.“

Ich fuhr auf: „Meine Eltern wussten davon? Dass hier im Haus ein Monster sein Unwesen treibt?“ Dieser Schock saß tiefer als alles, was bisher geschehen war. Mein Mann antwortete nicht. Natürlich hatten sie es gewusst. Deshalb hatte meine Mutter geweint, als wir uns nach der Zeremonie verabschiedet hatten. Und deshalb hatte sie mir geraten, nur das erfreuliche im Auge zu behalten, um nur ja nicht zu bemerken, was hier lauerte. „Sie dachte, Unwissenheit würde mich schützen“, hauchte ich, erschlagen von dieser Erkenntnis. Ich schluckte und rieb wütend eine Träne aus meinem Gesicht. Mein Mann sah endlich auf. „Ich habe ihnen gesagt, ich würde dich vor allem Unbill schützen, und das werde ich auch. Wenn du tust, was ich dir sage, wird dir nichts geschehen. Lass niemanden über die Schwelle, den du nicht im Spiegel geprüft hast. Verlasse deine Kammer nicht nach Sonnenuntergang, wenn du ohne mich bist. Dann kann dir nichts geschehen. Sie wird dir nichts weiter tun.“ Ich war wütend, aber ich war auch erleichtert: Endlich konnte ich, nein, zwang ich mich, klar zu sehen.

„Sie ist ein Vampir, deine Tochter. Sie muss sterben, ehe sie mit ihrer Schönheit noch weitere Opfer einwickelt und umbringt.“

Mein Mann ließ den Kopf hängen. Ich stand auf und sah auf meinen Mann herunter. Zum Ersten Mal erlaubte ich mir, sein Alter wirklich wahrzunehmen – die Krähenfüße um seine Augen und die Sorgenfalten auf seiner hohen Stirn, das Grau in seinen Bartstoppeln, die Wangen, die zu hängen begannen. Er war kaum jünger als mein Vater. Und er war hilfloser, als ich es je von einem erwachsenen Mann angenommen hätte. Ich betrachtete ihn mit einer Mischung aus Mitleid, Verachtung und einer knospenden Gewissheit: Er konnte diesem Ungeheuer, seiner Tochter, nicht Herr werden. Er hatte sie geschaffen, und sie war alles, was ihm von seiner geliebten ersten Ehefrau geblieben war. Er war ein gebrochener Mann, und er wollte und konnte nicht tun, was getan werden musste. Aber ich, ich konnte das. Ich konnte mein Leben nun tatsächlich selbst formen. Ich musste nicht länger verdrängen, was mir Angst machte. Ich war nicht länger ein verschüchtertes junges Mädchen, sondern eine Ehefrau, und eine Burgherrin, und ich konnte meinen schwächlichen, alternden Mann, unseren Haushalt und die Menschen unten in der Stadt schützen.

Ich strich meinem Mann eine Haarsträhne aus dem Gesicht, wie er es getan hatte in unserer Hochzeitsnacht. Ich würde tun, was nötig war, damit dieses Monster, weiß wie Schnee, rot wie Blut und schwarz wie Ebenholz, kein Unheil mehr anrichten konnte. Und der Name meiner blutrünstigen Tochter nicht mehr als ein Schrecken, den man kleinen Kindern einjagte, damit sie artig waren. „Das Schneewittchen“, würden alte Ammen sagen, „kommt dich holen, wenn du nachts Unbekannte über die Schwelle bittest“. Und alle wüssten, dass ich sie vor dem Blutsauger gerettet hatte.

Ich wandte mich von meinen Gram gebeugten Mann ab und ließ den Jäger rufen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @ardandwen

Ich sitz selbst gerade an einer Art Märchen und finde es verdammt schwer, sowas zu schreiben. Deshalb wollte ich mal sehen, wie andere das machen und hab in deine Geschichte reingeschnuppert. Also ich finde, dass da leider noch einige Schnitzer drin sind: Vor allem über ungelenke Formulierungen und diverse Wortwiederholungen bin ich gestolpert, zwischendurch hast Du auch Sätze drin, die für mich keinerlei Sinn ergeben. Ich habe Dir unten mal ein paar Stellen aufgelistet, die mir beim ersten Lesen direkt aufgefallen sind. Selbstverständlich ist vieles davon auch Ansichtssache und Du musst natürlich nix davon übernehmen. Was ich gut fand, ist, wie Du die Burg und das Burgleben beschrieben hast, da könnte ruhig noch etwas mehr kommen, so im Stile vom Anfang, den ich recht bildhaft wahrnehme. Also das Setting fand ich cool.

Vor mir lag das seltsam flache Abbild eines rauschenden Fests:
Ich verstehe nicht genau, was Du mit 'flachem Abbild' meinst, weil die Szenenbeschreibung danach nehme ich als dreidimensional wahr ;) Soll das 'flach' bedeuten, die Szenerie sieht aus wie fotografiert oder so?

Hinter dem schwarzen Portal des Wohnhauses herrschte kühle Stille. Die Schwärze der Nacht wurde von der Kerze in der Hand meines Mannes kaum zurückgedrängt.

Niemand begleitete uns ins Innere. Nur seine Tochter, eine blasse, junge Frau, mit Haar wie eine samtige Nacht, hatte sich bereits in ihre Räume im unteren Geschoss des Hauses zurückgezogen.

Hier sind mir diese Wortwiederholungen aufgefallen.

Und während ich unerfahren war, war er bewandert in den Geheimnissen der Ehe: Ich war bereits seine dritte Ehefrau. Die erste war im Kindbett gestorben, die zweite an der Schwindsucht.
Hier stutzte ich. Also die Ehe mit der ersten Frau ergibt doch keinerlei Sinn, wenn diese im Kindbett gestorben ist. Oder hat er tatsächlich ein Baby/Kind geheiratet? Ausserdem liest sich das nicht schön, mit den vielen Vergangenheitsformen von 'sein' und auch das 'war KOMMA war', ich habe da jetzt nicht direkt einen Vorschlag, aber vielleicht magst Du ja nochmal schauen und ein bisschen umbauen.

Das Blut rauschte in meinen Ohren, und meine Kehle war zu eng für den heißen Atem, den ich hervorzupressen vermochte.
Der Satz ist irgendwie schief. Ich würde vorschlagen: den ich hervorzupressen versuchte oder den ich hervorpresste, das wäre imo besser, aber selbst dann liest es sich für meinen Geschmack noch nicht komplett rund. Ich würd mir das noch mal genauer anschauen.

sah er mich einen Moment irritiert an. Doch in diesem Moment fiel einer Dienerin klirrend ein Teller aus der Hand.
Wieder eine Wortwiederholung.

Doch vorerst sah ich eine Gelegenheit gekommen, meine Aufgabe als neue Hausherrin wahr:
wahrzunehmen

Sie sah mich mit einem flehenden Blick an, den ich nicht verstand. Auch unsere wirkten unruhig und wandten den Blick von mir ab.
Wieso versteht sie den flehenden Blick nicht? Also ich denke, die Magd fleht um einen Verband bzw. um die Hilfe eines Arztes o.ä., oder vielleicht auch darum, den Raum verlassen zu dürfen, weil sie sich schämt? So schwer ist dieser Blick nicht zu deuten, denke ich. Den zweiten Satz finde ich sehr ungelenk, wegen 'auch unsere wirkten unruhig'. Was denn? Unsere Augen? Unsere Blicke? Ich denke, Du wolltest wohl das dritte Mal 'Blick' vermeiden, denn es steht ja da schon 2x nacheinander.

einen silberverzierten Spiegel aus blankem Kupfer
Korinthenkackerei: Wenn er silberverziehrt ist, dann besteht er nicht aus blankem Kupfer, sondern eben auch aus Silber, oder verstehe ich da was falsch?

so dass er die filigran geschnitzte Tür zu meinen Gemächern reflektierte
Ich denke, Du meinst, dass die Tür filigrane Schnitzereien aufweist, also im Holz der Tür, nicht das die gesamte Tür geschnitzt ist, oder?

Dann errötete ich – würde er mich nicht schamlos finden?
Finde ich etwas komisch, das sie immer noch so denkt, schliesslich haben sie in der Nacht zuvor den ersten Beischlaf vollzogen und alle haben es mitbekommen. Klar, ich weiss jetzt nicht, wie das früher so Brauch war, aber fand das nicht plausibel nach den vorherigen Geschehnissen.

Doch einmal, kurz nach meiner Verlobung, hatte er mir etwas sagen wollen, über mein neues zuhause oder meinen Gemahl. Er hatte besorgt gewirkt. Aber ich hatte abgewunken.
Ja, da scheint was nicht in Ordnung zu sein, wenn der Jäger sie warnen wollte ... Das ist gutes Foreshadowing, weil ich frag mich direkt, was der Jäger ihr denn mitteilen wollte, aber meiner Meinung nach wäre das besser gelöst in einer kurzen Szene nach der Verlobung, das würde stärker wirken, so wie hier ist es einfach so als Info reingeschoben.

Gerade wollte ich die Fensterläden schließen, als ich eine schlanke Gestalt unten im Hof ebenfalls über die Mauer schauen sah.
Wieso 'ebenfalls'? Wer blickt denn da noch über die Mauer? Die Prota ja sicher nicht, die steht oben am Fenster und schliesst die Läden.

Ihre Zunge flickte kurz rot und glänzend über ihre prallen Lippen.
Verstehe was Du meinst, aber das Wort 'flicken' kenne ich nur im Zusammenhang mit etwas reparieren, ausbessern etc.

„Ich wurde erst abends hungrig. Aber dann war es ausgesprochen erfrischend, Stiefmutter.“
Brot kann erfrischend sein? Wusste ich bisher nicht. Für mich ist z.B. ein Glas kaltes Wasser erfrischend, aber kein Brot :D

„Ich meine das arme Mädchen, die sich verletzt hat?“
das arme Mädchen, dass sich verletzt hat

Meine Stieftochter kam mir unerwartet zu Hilfe: „Gute Magd, weißt du nicht, was mit dem Mädchen geschehen ist? Oder nimmst du nun ihren Platz ein?“ fragte sie das Mädchen lächelnd, die Augen groß und schwarz wie die Nacht vor den Fenstern.
Wessen Augen sind gross und schwarz wie die Nacht? Nicht die der Stieftochter, sondern die der Magd, oder? So liest es sich aber, als wären es die der Stieftochter.

Ihre Knöchel waren weiß um den Henkel die Karaffe, aus der sie meiner Stieftochter einen Becher mit Rotwein befüllte.
die Karaffe -> der Karaffe

Ja, ich bin jetzt noch nicht ganz in der Hälfte und ich komme leider nicht so recht in die Geschichte rein. Das liegt vor allem am etwas holperigen Stil und auch den Geschehnissen, die eher schleppend vorankommen und micht nicht recht zu packen wissen. Ich hör an der Stelle mal auf mit den Detailkommentaren, sonst ufert's noch aus. Also ich seh da schon Potential, bei dem Text, aber meiner Meinung nach müsstest Du da schneller eine Handlung in Gang bringen, die mich als Leser stärker an den Text fesselt, ich merk ja bisher schon, dass da irgendein düsteres Geheimnis lauert, das es zu entdecken gilt, aber mir ist das, so wie es momentan da steht, etwas zu ausgewalzt bzw. es geschieht zu wenig, was mich mitnimmt, mich abholt. Ich würde versuchen, das von Anfang an noch geheimnisvoller oder gruseliger und unheimlicher anzulegen, so dass man sich als Leser vielleicht stärker fragt, was genau denn da vor sich geht. Den Anfang fand ich ziemlich gut, da war ich schnell drin, aber leider flachte die Story dann auch schnell wieder ab und stellte sich für mich als sehr zäh heraus. Meine Vorkommentatorin hat die Geschichte ja ganz anders gesehen, also lass dich von meiner Kritik nicht entmutigen. Ich hoffe, meine Anmerkungen bringen Dir was und ich wünsche Dir weiterhin viel Spass beim Schreiben und Kommentieren!

So long,
d-m

 

Hallo @deserted-monkey,

und danke erstmal für deine ausführliche Beschäftigung mit zumindest dem 1. Teil meiner Geschichte :)

Ich habe die meisten deiner Anmerkungen gleich überarbeitet. (siehe Text ;) )
Denn zum einen hast du recht, und zum anderen ärgert es mich natürlich, wenn die "clevere" Auflösung meiner Geschichte gar nicht zum Zuge kommt, weil Leser schon vorher abbrechen.
Dementsprechend würde ich mich wahnsinnig freuen wenn du , ganz ohne detailreiches, zeitaufwändiges Feedback, den Rest überfliegen könntest - nur weil mich interessiert, ob sich einige deiner Fragen dadurch erledigt hätten. Und wenn du keinen Bock hast, versteh ich das auch :)

Vielleicht zwei Sachen:

Hier stutzte ich. Also die Ehe mit der ersten Frau ergibt doch keinerlei Sinn, wenn diese im Kindbett gestorben ist. Oder hat er tatsächlich ein Baby/Kind geheiratet? Ausserdem liest sich das nicht schön, mit den vielen Vergangenheitsformen von 'sein' und auch das 'war KOMMA war', ich habe da jetzt nicht direkt einen Vorschlag, aber vielleicht magst Du ja nochmal schauen und ein bisschen umbauen.
Ein Kindbett ist natürlich kein Kinderbett. Sondern ein eigentlich recht geläufiger Begriff für das Wochenbett, also die Zeit nach einer Geburt, und sterben tut dann dementsprechend darin die Mutter, nicht das Kind.

inde ich etwas komisch, das sie immer noch so denkt, schliesslich haben sie in der Nacht zuvor den ersten Beischlaf vollzogen und alle haben es mitbekommen. Klar, ich weiss jetzt nicht, wie das früher so Brauch war, aber fand das nicht plausibel nach den vorherigen Geschehnissen.
Selbst als Ehefrau noch für schamlos gehalten zu werden, wenn man seinen Mann begehrt .. da müssen wir keine 200 Jahre zurückblicken :) Und die Prota ist ja eben sehr sehr jung und unerfahren - ich denke einen Tag nach ihrer Entjungferung kann sie schon noch schüchtern sein.


Ansonsten habe ich, wie gesagt, das Meiste bereinigt, übernommen und umformuliert, was du an Feedback hattest - danke dafür nochmal! Ich bin ganz kaputt wie viele Artikelfehler da drin waren - wie unangenehm.

Entmutigen tut's mich nicht, eher anspornen, so hab ich das hier schon immer gehandhabt.

Beste Grüße,
Ardandwen

 

Liebe @Elbenkönigin

vielen lieben Dank dir für dein Feedback!
Ich habe mich sehr gefreut, dass dir die Geschichte zugesagt hat und sogar etwas Grusel hervorrufen konnte.

Danke auch für deinen Kommentar zum Thema "Warum zum Teufel ist das Mädel ein Vampir". Das hab ich nochmal nachgeschärft und der Mutter die "Schuld" gegeben - sie hat in ihrer Verzweiflung und in der Hoffnung, ihre Tochter retten zu können zu dunklen Ritualen gegriffen, die sie in ihren seltsamen Büchern gefunden hat. Ich hoffe das kommt jetzt besser heraus.

Ja, die Geschichte von der Blutgräfin kenne ich - grausige Sache! Ich hatte sie nicht im Kopf als ich diese Geschichte geschrieben habe, aber klar, bietet sich an.

Zum Thema Roman - ja vielleicht. Es kommt ja theoretisch noch einiges im Schneewittchen-Märchen, und ich bin ein bisserl gebietzelt :D Aber ich fürchte mir fehlt das Sitzfleisch.

Danke nochmal und beste Grüße,

Ardandwen

 

Hallo @ardandwen

So wie ich es verstanden habe, hast Du die Schneewittchen-Geschichte aus der Sicht der hier nicht bösen Stiefmutter geschrieben. Ausserdem ist Schneewittchen ein Vampir. Eine originelle Idee und interessante Geschichte, die ich gerne gelesen habe.

Den ersten Teil, wie sie sich in ihrem neuen Leben auf der Burg zurechtfindet, sich in ihre Rolle als Ehefrau, Vorsteherin eines grossen Haushaltes und Mutter einlebt, war für mich teilweise ein wenig zu ausführlich und deshalb langatmig beschrieben. Ich würde Dir empfehlen, diesen Teil ein wenig zu kürzen, damit er dynamischer wird.

Den Teil mit der Erzählung des Ehemannes finde ich hingegen gelungen. Von diesem Moment an hat mich die Geschichte richtig gepackt. Die Mutter, die schwarzmagische Praktiken anwendet, damit ihre Tochter überlebt und Schneewittchen, die sich vom Blut der Amme ernährt. Und dann das Bild der Gebärenden im Schnee. Schön gruselige Bilder.

„Das Schneewittchen“, würden alte Ammen sagen, „kommt dich holen, wenn du nachts Unbekannte über die Schwelle bittest“. Und alle wüssten, dass ich sie vor dem Blutsauger gerettet hatte.
...sehr gut!

Nun interessiert mich natürlich, wie die Geschichte weitergeht. Tötet der Jäger Schneewittchen oder findet sie den Weg zu den sieben Zwergen und lebt dort als Untote weiter?:)

Ich finde, die Geschichte hat viel Potential, sie ist, aus meiner Sicht noch ein wenig holperig. Aber das ist nur meine Meinung. Ich habe die Geschichte gerne gelesen.

Viele Grüsse
Aida Selina

 

Liebe @Aida Selina,

danke für dein Feedback und deine Tipps!
Und wie schön, dass du die Geschichte gerne gelesen hast udn sie dich stellenweise sogar
richtig packen konnte.

Ich habe mich auch direkt daran gesetzt und nochmal gestrafft oben - tatsächlich war ich mir lange nicht sicher, ob das mehr wird als eine Kurzgeschichte, und da hab ich mir im ersten Teil für eine Kurzgeschichte schlicht zu viel Zeit gelassen :)

Danke dir also nochmal und auf Bald,
beste Grüße,
Ardandwen

Liebe @Elbenkönigin

danke fürs nochmalige Reinschauen - das ist mir wirklich was Wert, wenn jemand nach Feedback unn Überarbeitung nochmal schaut!
Und ui was für ein Kompliment! Danke! Noch hab ich nichts von Christina Henry gelesen, aber das werde ich dann jetzt wohl nachholen müssen :D

Beste Grüße und auf Bald,
Ardandwen

 

Hallo @ardandwen,

ich wollte, nachdem du bei meiner Geschichte so einen netten Kommentar hinterlassen hast, natürlich auch mal bei dir reinschauen :) Ich muss dazusagen, dass ich die anderen Kommentare nur überflogen habe. Es mag also sein, dass sich manches doppelt.

Grundsätzlich ist mein Kommentar wohl ein wenig kritisch geraten. Das bedeutet aber nicht, dass ich deine Geschichte nicht mochte! Grundsätzlich hab ich immer ein Faible für Vampirstorys :) Ich denke aber, dass da noch eine ganze Menge Potenzial drinsteckt!
Insgesamt finde ich, dass du einen viel, viel stärkeren Fokus auf das Innenleben deiner Protagonistin legen müsstest. Ihre Ängste und Befürchtungen beschreiben. Und zwar nicht mal in erster Linie im Angesicht der unmittelbaren Bedrohung, sondern in Anbetracht dessen, dass sie als sehr junge Frau an einen deutlich älteren Mann verheiratet wird, in fremder Umgebung leben muss, niemanden kennt, sich unwohl fühlt, Konflikte mit Mann und seiner Tochter hat, sich fragt, warum ihr das ihre Eltern angetan haben, Wut entwickelt usw.
Und dann ist da noch ein Vampir. So würde ich es aufbauen. Da könntest du wirklich was draus machen. So aber verpufft die gute, gruselige Stimmung, die du ja schon auch aufbaust, für mich an vielen Stellen, weil mich die Protagonistin emotional nicht erreicht. Vlt. wird bei meinen Anmerkungen noch klarer, was ich meine. Insgesamt aber wie immer: Es sind nur Vorschläge und auch nur meine Sicht auf den Text.

Auf jeden Fall danke für den Text
Viele Grüße Habentus


Ich betrat die Burg meines neu angetrauten Mannes das erste Mal in der tiefschwarzen Stunde vor dem Morgengrauen, zitternd vor Kälte. Geheiratet hatten wir um Mitternacht, das hatte mein Gemahl verlangt.
Würde ich streichen. Das entzerrt den ersten Satz. Außerdem erwähnst du ja in den folgenden Sätzen, worum es geht. Evtt. müsstest du dann den folgenden Satz noch ein wenig umstellen. Dem ersten Satz tut die Streichung aber m.M.n. gut.

Die eisenbewehrten Tore der Burg fielen mit einem dumpfen Donner hinter mir zu.
Finde diese Formulierung ein wenig überholt. Vlt. fällt dir etwas besseres ein?

Hinter dem schwarzen Portal des Wohnhauses herrschte kühle Stille.
Was ist kühle Stille? Würde ich ggf. auch anders formulieren?

mit Haar wie eine samtige Nacht
Was ist samtige Nacht. Auch hier stört mich ein wenig das Bild. Ich bekomme es nicht ganz zusammen. Es mag aber auch einfach Geschmackssache sein.

Die Erste, die Mutter seiner Tochter, hatte das Kindbett nicht überlebt, die zweite an der Schwindsucht.
Felht hier ein Wort? (...) die zweite starb an der (...)
und streichelte mir sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dann hauchte er die Kerze aus.
Das finde ich eine gute Stelle. Damit schaffst du Atmosphäre und es fügt sich in das Thema Licht und Schatten ein, dass du vorher aufgemacht hast. Cool!

Ist sie nicht hungrig?“, fragte ich.
Also allerspätestens hier wird klar, worauf es hinausläuft. Ich bin mir nicht sicher, wie schlimm oder eben nicht schlimm ich das finde.

Unsere Gäste sahen seltsam betreten zu Boden.
Würde ich streichen. Denn was bedeutet das?
Diese Entscheidung, fühlte ich, war einer neuen Hausherrin würdig:
Finde den Satz ein wenig kompliziert formuliert. Leider fällt mir keine ALternative ein :/
„Mach, was deine Herrin verlangt“, sagte er streng, “meine Tochter wird sich stärken wollen nach dem Trubel der letzten Nacht.“ Und die Dienerin gehorchte, die verletzte Hand an ihren Körper gepresst. Tränen liefen über ihr Gesicht.
Hier kam ich ins Grübeln: Es scheint ja, dass alle Beteiligten (ihre Eltern, die Hausangestellten) Bescheid wissen außer ihr? Warum ist das so? Ihr junges Alter alleine kann das ja nicht erklären. Mir kommt es unpassend vor, dass sie so gar nicht weiß, was vor sich geht. Das alleine wäre nicht schlimm, wenn sie wenigstens etwas ahnen würde. Wenn du darstellen würdest, dass sie alles seltsam findet, sich fragt, was mit der Tochter ist, warum sich alle seltsam verhalten usw. Das müsstest du aber noch deutlicher hervorheben, finde ich. Ansonsten wirkt es schwer nachvollziehbar, warum alle auf die Ereignisse in deiner Welt reagieren, außer deiner Protagonistin.

„So kann er dir etwas über jeden verraten, der bei dir ein und aus geht.“ Als ob ich den schweren Spiegel hätte bewegen können, selbst wenn ich wollte! Ich sagte ihm,
Würde ich streichen. Ist ja unerheblich, oder?

Ein Lächeln zuckte um meine Lippen, halb belustigt, halb stolz. War er schon jetzt so eifersüchtig? Ich setzte mich an ein Fenster und blickte verträumt in die untergehende Abendsonne. Wie herrlich rot sie hinter den Bergen versank!
Hier wieder so eine Stelle. Für den Leser ist mittlerweile völlig offensichtlich, worum es geht. Warum aber nicht für die Protagonistin. Warum fragt sie denn nicht wenigstens mal nach? Warum spricht sie es nicht an? Mir erscheint die Naivität (es muss wohl etwas mit der Eifersucht meines Gemahls zu tun haben) nicht schlüssig bzw. glaubhaft.

Auch hierher hatte er nicht kommen wollen. „Dieser Ort ist verflucht!“ hatte er gemurmelt, als er mit uns zur Hochzeit reiste. „Ich habe grausiges gehört …“ Doch ich hatte abgewunken.
Wortwiederholung.
(...) habe Grausiges gehört
„Wie schön du bist!“ platzte es aus mir heraus. Ich hörte selbst, wie hilflos kindlich meine Stimme klang. Ihre Augen funkelten amüsiert.
Würde ich streichen. Das it ja durch das überhastete Herausplatzen eigentlich klar. Auch der amüsierte Blick. Finde, dann wirkt es stimmiger. Generell finde ich, könntest du im gesamten Text noch mal durchgehen und an vielen Stellen ein wenig streichen. Dann könnte es straffer wirken und vielleicht sogar die kühle Wirkung verstärken. Aber auch hier: Nur ein Vorschlag und ggf. einfach eine Geschmacksfrage.
Sie aß wenig und trank viel von ihrem öligen, dunklen Wein, den sie nie jemand anderem anbot.
Ich finde, du machst es an einige Stellen einfach zu offensichtlich. Ich finde, du könntest deutlich subtiler arbeiten, dann würde sich die Wirkung verstärken. Ich weiß, einfacher gesagt als getan, aber hier ist es mir stark aufgefallen.
Ich selbst war hin- und hergerissen zwischen Bewunderung für ihre Schönheit und einem seltsamen Schaudern, das ihr Anblick in mir auslöste.
Du erwähnst ihr Schaudern es aber zeig es uns doch. Dann würden solche STellen besser funktionieren. Was lässt sie schaudern? Wie äußert sich das? Was macht das dann mit ihren Gedanken? Hegt sie vlt. ja doch einen leisen Verdacht ...

Ein Schauer tanzte mir mit seinen kalten Fingern über den Rücken. „Du bist so wunderschön“, flüsterte ich in meiner Verwirrung, „aber der Spiegel sagt, du bist nicht hier!“
Das Gesicht meiner Stieftochter veränderte sich kaum merklich. Ihre Schönheit wurde härter, raubtierhaft. Die Schönheit eines majestätischen Wolfs, oder eines Falken im Angriff. Ihre Augen bohrten sich in meine. Ihre Lippen entblößten scharfe Reißzähne. Mit aller Kraft stieß ich die Tür zu meiner Kammer zu. Atemlos sank ich zu Boden.
Das ist ja jetzt eine essenzielle Szene. Das Wesen offenbart sich. Denn och finde, dass dieses Szene noch nicht so wirklich eine Wirkung entfaltet. Und das liegt, glaube ich, am Aufbau vorher. Es bringt nicht so wirklich eine Dramatik mit. Weil es zum Beispiel gar nicht so wirklich einen Konflikt zwischen Protagonistin und Tochter gab (ich habe oben davon gesprochen).
Mein Blick fiel auf den Spiegel, der kühl und still hinter mir stand.
Warum denn kühl?
Der Spiegel hatte mich gerettet, da war ich sicher, indem er mir das Spiegelbild meiner Stieftochter nicht gezeigt hatte.
Den Satz könntest du getrost streichen.
Ich wusste jetzt, womit ich es zu tun hatte: mit einem Vampir, einem Blutsauger.
Aha, also sind Vampire sowohl in deiner Welt als auch deiner Protagonistin ein Begriff. Das ist meiner Meinung nach ein Problem. Denn wenn Vampire nicht bekannt gewesen wären, wäre das ein Argument für die Unwissenheit deiner Protagonistin gewesen. So aber gibt es eigentlich keinen Grund mehr, warum sie sich vorher so unbedarft verhalten hat.

Sein fahriger Blick glitt über mein Gesicht, blieben kurz an meinem Hals hängen. Sahen auf meine
Da stimmt etwas nicht. Sein (..) Blick (...) , blieb (...). Sah. Generell umständlich.
Vorschlag: Er betrachtete mein Gesicht. Dabei huschte sein Blick über meinen Hals. oder so ähnlich. Dir fällt bestimmt was ein.

Ich fuhr auf: „Meine Eltern wussten davon? Dass hier im Haus ein Vampir sein Unwesen treibt?“ Dieser Schock saß tiefer als alles, was bisher geschehen war. Mein Mann antwortete nicht. Natürlich hatten sie es gewusst. Deshalb hatte meine Mutter geweint, als wir uns nach der Zeremonie verabschiedet hatten. Und deshalb hatte sie mir geraten, nur das erfreuliche im Auge zu behalten, um nur ja nicht zu bemerken, was hier lauerte. Als ob Unwissenheit mich hätte schützen können.
Nun, auch diese Stelle wirkt leider meiner Meinung nach nicht, weil es keine Fallhöhe gibt, weil die Konflikte der Protagonistin nicht thematisiert wurden. Warum haben ihre Eltern sie denn überhaupt verschachert? Was hat das mit ihr und der Beziehung zu ihren Eltern gemacht? Alles Potenzial, wie ich finde!
Er hielt einen Moment inne, und stand auf und legte meinen Arm um seine breiten Schultern.
Sie legt ihren Arm um seine Schultern, oder? Dann fehlt ein Wort. Außerdem: Es kommt in der Geschichte nicht wirklich rüber, wie sich die Beziehung der beiden entwickelt. Also ich stelle mir eine junge Frau vor, die an einen deutlich älteren Mann verheiratet wird, in fremder (lebensfeindlicher, mindestens aber unagenehmen) Umgebung leben muss. Wie steht sie denn zu diesem Mann. Doch wahrscheinlich zumindest mal distanziert und erst mal auf Abstand. Da müsste sich ja erst mal eine Beziehung entwickeln. Das fehlt aber im Text. Und deswegen kann ich mich leider nicht so richtig darauf einlassen und finde dann zB. an dieser Stelle seltsam, dass sie ihn tröstet. Nachdem sie zu allem Überfluss ja gerade auch noch beinahe ausgesaugt worden ist!

Mein Mann verstummte. Ich stand auf und sah auf meinen Mann herunter. Zum Ersten Mal nahm ich sein Alter wirklich wahr
No way! Ich habe es ja oben schon geschrieben, dass mir fehlt, wie sich deine Protagonistin in der Situation (neuer Ort, fremder, älterer Mann usw.) fühlt. Das aber, nehme ich ihr einfach nicht ab.
Er war kaum jünger als mein Vater.
Eben! Das fällt auch vorher schon auf.
Ich betrachtete ihn mit einer Mischung aus Mitleid und einem knospendem Stolz:
Aber ich, ich konnte das. Ich war nicht länger ein verschüchtertes junges Mädchen, sondern eine Ehefrau, und eine Burgherrin, und ich konnte meinen Mann, unseren Haushalt und die Menschen unten in der Stadt schützen.
Wo kommt denn jetzt dieser Stolz her? Oder besser gesagt: Ich könnte ihn nachvollziehen, wenn mich vorher im Text eine Charakterentwicklung eines jungen, schüchternen Mädchens hin zu einer starken, selbstbewussten Frau (die sich dem Schrecken entgegenstellt) erlebt hätte. Das fehlt aber deswegen passt auch dieser Satz in meinen Augen nicht.

Ich verließ meinen gebeugten Mann und ließ den Jäger rufen.
Den letzten Satz finde ich dann wieder, wie schon den Teil mit der Kerze, ziemlich gut.

 

Lieber @Habentus,

vielen Dank für deine wirklich ausführliche und konstruktive Bewertung meines Texts, das hat mir sehr geholfen.:thumbsup:

Tatsächlich hatte ich eigentlich genau diese Charakterentwicklung vor Augen, die die Stiefmutter durchlaufen sollte, dann aber beim Kürzen genau diese Dinge entfernt - dazu stehe ich auch noch, die waren nämlich nicht gut gemacht :D

Ich habe mich sofort ans Werk gemacht und versucht, das klarer herauszuarbeiten.

In meiner Vorstellung ist sie vielleicht etwas naiv, aber hauptsächlich WILL sie es nicht wissen.
Ihre Eltern haben sie verschachert ( simpel für Geld, ist nun drin) und sie muss sich mit ihrem neuen Leben arrangieren, sie hat da keine Wahl, und sie weigert sich, sich einzugestehen dass da was im Argen liegt auf dieser Burg und mit dieser Familie.
Erst als sie es nicht mehr leugnen kann, bemüht sie sich, mit der Situation umzugehen - und redet sich nun selbst ein, dass sie diejenige ist, die alle retten wird, denn so kann sie wieder positives aus ihren neuen Lebensumständen ziehen.

Wenn du Lust & Zeit hast, freue ich mich über Feedback, ob das nun besser geklappt hat :)

Nur bei einer Sache war ich zurückhaltend:

Also allerspätestens hier wird klar, worauf es hinausläuft. Ich bin mir nicht sicher, wie schlimm oder eben nicht schlimm ich das finde.
DU hast das in der Tat sofort gespannt, was da los ist - zumindest den Vampirteil. (Schneewittchen auch schon?) Anderen Lesern war das scheinbar noch völlig unklar, die waren ganz verwirrt was da bloss los sein kann. Und so hab ich die Hinweise jetzt erstmal dringelassen :)

Danke dir nochmal und auf bald,

Ardandwen

 
Zuletzt bearbeitet:

Wenn du Lust & Zeit hast, freue ich mich über Feedback, ob das nun besser geklappt hat
Hallo @ardandwen :)
Gerne kann ich versuchen, dir erneut ein Feedback zu geben. Insgesamt gibt es noch zwei Punkte, die mich an deinem Text ein wenig stören. Zum einen die Länge zum anderen die Schwerpunktsetzung. Ich finde, dass es Stellen gibt (Anmerkungen), die du deutlich streichen könntest. Zum anderen wiederum gibt es Stellen (insbesondere bei deiner Protagonistin), da bräuchte es dringend mehr. Ich würde also durch den Text gehen und alle Stellen zusammenstreichen, die nur Beschreibungen sind oder nichts zur Entwicklung deiner Protagonistin beisteuern. Gleichzeitig würde ich das Innenleben viel stärker ausbauen. Ich habe mal ein paar Anmerkungen gemacht. Sind aber alles nur Vorschläge und entspricht nur meiner Meinung.

Viele Grüße und einen schönen Sonntag!
Habentus

so hatter er es verlangt. Und meine Eltern hatten nur genickt. So wie sie nur genickt hatten, als mein Mann sie weggeschickt hatte.
Dopplung.

und setzten krachend ein Schlusspunkt hinter mein altes Leben
Müsste es nicht heißen: einen Schlusspunkt?

Ich lächelte, um nicht zu weinen. Tränen kamen nicht in Frage. Ich würde diesen Ort lieben lernen.
Finde, wenn du hier sparsamer vorgehst, wirkt es deutlich stärker. Habe hier zwei Vorschläge, die meiner Meinung nach beide stärker wirken.
1. Vorschlag: Ich lächelte, um nicht zu weinen. Ich würde diesen Ort lieben lernen.
2. Vorschlag: Ich lächelte. Ich würde diesen Ort lieben lernen.

Die Schatten zwischen den Feuern und Fackeln lagen wie tiefe Gräben zwischen den Tänzern. Niemand wagte sich aus seiner Lichtinsel heraus. Nur mein Gemahl und ich schritten gleichermaßen durch Licht und Dunkelheit.
Auch hier würde ich streichen. Denn im nächsten Satz wird es deutlich genug.

hatte er bereits mehrere Ehen hinter sich: Ich war bereits seine dritte Gemahlin.
Dopplung

Die Erste, die Mutter seiner Tochter, hatte das Kindbett nicht überlebt, die Zweite war an der Schwindsucht gestorben.

Trotzdem schämte ich mich ein wenig, dass mein Mann meine ENtjungerfung so schamlos zur Schau stellte.
Finde, dass es disen Satz nicht braucht. Würde ich streichen.

Ich hatte gehofft, in ihr eine Verbündete, vielleicht eine Freundin zu finden. Es war mein Wunsch, die Menschen hier zu meiner Familie zu machen.
Doch schon gestern bei der Hochzeit hatte sie mich mit einer Mischung aus kühlem Interesse und Mitleid angesehen, die mich eingeschüchtert zurückließ. Und so war ich nicht überrascht, dass sie nicht zum Frühstück erschienen war.
Diese beiden Stellen zeigen ganz deutlich die Probleme auf die ich noch immer mit deinem Text habe. Zum einen: Zeig doch den Lesern, wie die Protagonistin versucht, in der Tochter eine Verbündete zu finden, anstatt nur von dem Versuch zu berichten. Also ganz konkret. Zum anderen: Formulier es doch nicht so aus, sondern überlass es doch den Lesern herauszufiltern, warum sie dieses oder jenes tut. Ich würde nicht explizit ausformulieren, dass es ihr Wunsch ist, sich mit der Tochter anzufreunden oder Nähe aufzubauen. Das würde ich versuchen, durch explizite Handlungen aufzuzeigen. Den Lesern würde ich dann so weit einen Vertrauensvorschuss zugestehen, selbst zu entdecken, was die Intention dabei ist.

Denn was sonst könnte er meinen?
Braucht es nicht diesen Satz. Und ich würde es außerdem umstellen: Denn was könnte er sonst meinen?

er war herum gekommen in der Welt und würde mehr über die Kleinen wissen.
die Kleinen passt hier irgendwie nicht so recht. Würde da eine andere Beschreibung nutzen.

Doch ich hatte abgewunken. Gerüchte waren meiner Aufmerksamkeit nicht würdig. Und ich konnte kein schlechtes Gerede brauchen, konnte schlicht nicht ängstlich in mein neues Leben aufbrechen. Denn sonst wäre ich noch vor der Hochzeit weggelaufen.
Ich finde auch das hier ist wieder so eine Stelle wie bereits weiter oben beschrieben. Statt die Tatsache an sich zu beschreiben, lass uns an den konkreten Versuchen deiner Protagonistin teilhaben, wie sie versucht, es sich schön zu reden oder zu verdrängen. Das wäre spannend.

Ich selbst wurde nervös, wenn ich sie traf, und konnte mein klopfendes Herz kaum wieder unter Kontrolle bringen, wenn sie mich musterte. Wie konnte ein so schönes Mädchen solch bange Gefühle in mir auslösen? Ich sagte mir, dass ich mich einfach nicht reif genug fühlte, ihre Stiefmutter zu sein. Denn ohne Frage war sie sehr viel weltgewandter als ich.
Wieder: Konkreter werden. Teilhaben lassen. Nicht bloß beschreiben. Wie äußert sich ihre Nervosität? Was für bange Gefühle. In welcher Situation? Wie reagiert die Tochter?

Ein Schauer tanzte mir mit seinen kalten Fingern über den Rücken. „Du bist so wunderschön“, flüsterte ich in meiner Verwirrung, „aber der Spiegel sagt, du bist nicht hier!“
Finde ich eine coole Stelle. Aber die Formulierung passt noch nicht so ganz. Ansonsten eine gute Stelle im Text!

Oh, ich törichte, törichte Gans. Mit aller Gewalt hatte ich nicht verstehen wollen, weggedrängt, was ich seit dem ersten Treffen mit meiner Stieftochter wusste. Als ob ich die Gefahr bannen könnte, wenn ich sie nur leugnete.
Hmm, auch hier. Zu schnell, zu wenig ausformuliert, wie sich der Gedankengang entwickelt.

„Ich kannte meine erste Frau seit Kindertagen, und ich liebte sie, solange ich sie kannte. Als ich die Erlaubnis erhielt, um ihre Hand anzuhalten, war ich der glücklichste Mann der Welt. Wir heirateten im Sommer, und im Herbst erwartete sie ein Kind. Sie war wundervoll. Schön, heiter, willensstark. Abergläubisch, aber auf die Art, die die besten Geschichten zu erzählen weiß. Sie kannte unzählige Sprachen und Mythen, und behauptete von sich selbst, dass sie ein Talent für Zauberei hatte – eine kleine Albernheit, die sie mir noch liebenswürdiger machte. In ihrer Schwangerschaft liebte sie es, warm eingepackt am Fenster zu sitzen und auf die Wälder hinauszusehen, in die schneebedeckte Stille. „Unsere Tochter wird diesem Winterwald gleichen“, sagte sie dann gerne. „Mit Haut, so weiß der Schnee dort draußen, und ihr Haar so schwarz wie die dunklen Stämme unter der Schneedecke.“ Doch als die Schwangerschaft fortschritt, wurde meine geliebte Frau immer schwächer.“ Mein Mann verstummte und starrte mit trübem Blick ins Feuer. Als er weitersprach, die Stimme rau vor Schmerz. "Sie wurde so schwach, dass ich sie zum Fenster tragen musste, wenn sie hinaussehen wollte. Ich machte mir Sorgen, aber sie sagte, dass das nur eine vorübergehende Schwäche war. Die Hebamme, und später die Ärzte, sagten mir etwas anderes. Sie würde die Geburt nicht überleben. Und das Kind würde mit ihr sterben. Ich war verzweifelt, ich tobte, wenn ich nicht bei ihr war, und ich wich kaum von ihrer Seite. Sie aber vertiefte sich in ihren Büchern, las und rezitierte Passagen in Sprachen, die ich nicht verstand. Als die Wehen begannen, bat sie mich, sie in den Wald zu bringen. Die Ärzte zuckten nur mit den Schultern – wo sie starb, tat nichts zur Sache. Und so trug ich meine geliebte Frau allein hinunter in den Schnee, an den Waldrand. Sie hatte begonnen zu bluten. „Du darfst sie nicht mit mir sterben lassen“, hauchte sie mir zwischen geplagten Krämpfen ins Ohr. „Sie muss leben, hörst du, und ich werde sie nähren. Du musst tun, was ich dir sage.“ Und zwischen ihren atemlosen, krampfenden Wehen sprach sie Worte, die ich nicht verstand. Blut floss in Strömen in den weißen Schnee, und mit einem letzten verzweifelten Schrei presste sie unsere Tochter hervor. Ehe ich, blind vor Tränen, sie hochheben konnte, nahm meine Frau sie in den Arm. „Nimm von dem blutgetränkten Schnee, Gemahl, nimm und leg ihn in ihren Mund“ befahl sie mir. Ich war mir sicher, dass sie im Delirium sprach, und wollte ihr das Kind aus den Armen nehmen. Es hatte noch keinen Laut von sich gegeben und ich wollte nichts mehr als das kleine Gesicht sehen. Doch meine Frau packte mich mit erstaunlicher Kraft. „Tu, was ich dir sage, und unsere Tochter wird leben!“ In meiner Verzweiflung und in dem Glauben, dass ich meiner sterbenden Frau einen letzten, irren Wunsch erfüllte, damit sie leichter gehen konnte, tat ich was sie gesagt hatte. Ich legte einen kleinen Klumpen roten Schnees in den winzigen Mund, und Tränen liefen über mein Gesicht und froren dort fest. Das Kind zeigte kein Lebenszeichen. Ich legte es zurück an die Brust meiner Frau. Sie sah es mit inbrünstiger Liebe an – wieder flüsterte sie mir unbekannte Worte, und zeichnete aus Blut ein Zeichen auf die Stirn des Kindes. Dann sank sie zurück in meine Arme. Sie lächelte mich noch einmal an. „Weiß wie der Schnee, schwarz wie Ebenholz, und rot wie Blut“, hauchte sie. Dann lag sie still. Das Kind hatte keinen Laut von sich gegeben, und seine Augen waren verschlossen. Ich war irr vor Schmerz und Trauer. Meine Diener fanden mich mit meiner Frau und meiner Tochter im Schnee, wo ich noch immer beide an mich drückte, obwohl beide still und blass und kalt lagen – beide waren gestorben, wie die Ärzte es gesagt hatten. Ich legte meine Frau und meine Tochter selbst in unsere Familiengruft. Der Priester wachte mit mir in der Nacht, und wir beteten. Kurz vor dem Morgengrauen ging der Priester und wurde abgelöst durch die Totenfrau, um die Leichen für die Beerdigung zu waschen und zu richten. Als sie das Leintuch um den Kinderkörper wand und mit Nadel und Faden verschloss, musste ich mich wegdrehen, um nicht an meiner Trauer zu ersticken. Und so sah ich nicht, was geschah. Ich hörte nur, wie die Totenfrau scharf den Atem einsog, und das Geräusch der Nadel, die auf den Boden fiel. Sie musste sich gestochen haben. Als ich mich ihr zuwandte, hatte sie das kleine Bündel an die Brust gehoben. Ihr Kopf hing schlaff zur Seite, die grauen Haare wirr um ihren Kopf, der Blick war leer, aber sie stand aufrecht, meine Tochter an sich gepresst. Und wider aller meiner Hoffnung bewegte das Kind ihre kleinen Fäuste. Mein Herz stockte vor Freude und Angst – doch wie schnell wandelten sich meine Gefühle in Schock, als ich sah, dass der kleine Mund des Kindes fest auf der Haut der Totenfrau saß. Ein Rinnsal Blut kroch über die entblößte Brust der alten Frau und färbte ihr graues Gewand rot. Die Frau starb nicht – der Appetit meiner Tochter war noch gering. Schon nach wenigen Momenten war sie eingeschlafen. Die Totenfrau stand noch immer aufrecht und doch bewusstlos. Vorsichtig legte ich sie neben meine Frau, meine Tochter auf der ihrer faltigen, warmen Brust. Ich verweigerte meinem Haushalt den Eintritt in die Gruft und wachte bei meiner toten Frau, meiner untoten Tochter und ihrer Amme. Erst als es wieder dunkel wurde, nahm ich Amme und Kind mit ins Wohnhaus, und sagte allen, die Kleine lebte.
Und diesen langen, langen Teil würde ich komplett streichen. Denn es spielt (zumindest meinem Empfinden nach) überhaupt keine Rolle, warum die Tochter ein Vampir ist. Lass es doch einfach als eine unhinterfragbare Tatsache im Text stehen. Und statt dieser langen Erklärung baue lieber die Stellen aus, wo sich das Innenleben deiner Protagonistin abzeichnen könnte. Das ist meiner Meinung nach wesentlich spannender und würde deinem Text eine tiefere Atmosphäre und eine nachvollziehbare Protagonistin geben. Denn es interessiert mich nicht, wie der Vampir entstanden ist oder wie es dem Vater damit geht. Ich möchte wissen, wie es deiner Protagonistin geht und wie sie sich entwickelt!

Mein Mann verstummte. Ich stand auf und sah auf meinen Mann herunter. Zum Ersten Mal erlaubte ich mir, sein Alter wirklich wahrzunehmen – die Krähenfüße um seine Augen und die Sorgenfalten auf seiner hohen Stirn, das Grau in seinen Bartstoppeln, die Wangen, die zu hängen begannen. Er war kaum jünger als mein Vater. Und er war hilfloser, als ich es je von einem erwachsenen Mann angenommen hätte. Ich betrachtete ihn mit einer Mischung aus Mitleid und einer knospenden Gewissheit:
Hier verschenkst du meiner Meinung nach Potenzial. Wäre es nicht spannender, wenn deine Protagonistin hier beginnt, ihren Mann zu verachten, sich über ihn erhebt und das Ruder (den Jäger schickt) in die Hand nimmt?

 

Hallo Leser und Leserinnen :)

ich weiss, man soll nicht einfach Geschichten wieder nach oben pushen - ich habe mir hier aber tatsächlich einiges an Zeit genommen und stark gekürzt und geschärft und hoffe, es erbarmt sich nochmal jemand, mir zu sagen ob das nun besser ist :) Sonst lern ich ja nix.

An alle, die schon kommentiert haben, nochmal herzlichen Dank, das hat sehr geholfen! Und ich hoffe ihr nehmt mir den "push" net böse!

Danke und LG
Ardandwen

 

Hallo ardandwen!

Ich kenne die ursprüngliche Fassung deiner Geschichte zwar nicht, habe aber die überarbeitete Version gelesen, und finde sie sehr gelungen!
Ich finde, du hast einen runden, sauberen Ausdruckstil und ein gutes Erzähltempo. Die Grundidee, Schneewittchen einen Blutsauger sein zu lassen, finde ich interessant; welche Gedankengänge dich dazu wohl bewegt haben? Du erzählst es aber so, dass doch alles passend wirkt :thumbsup: Dass es um Schneewittchen geht, habe ich mir schon beim Titel gedacht, dass sie aber ein Vampir ist, habe ich erst nach und nach kapiert, von daher ist dir die Überraschung bei mir gelungen. Ich hab mich dann nur gefragt, wie sie zu einem Vampir geworden ist, bis ich die Kommentare zu deiner vorherigen Version überflogen habe. Scheinbar hattest du ursprünglich ein Ritual beschrieben, dass den Vampirismus erklärt hat. Bin mir nicht sicher, aber ich denke, das Ritual rauszuschmeißen war eine gute Idee. So hält sich das Mysterium länger.
Auf ein paar Punkte will ich dann doch näher eingehen:

Am nächsten Tag hängten die Diener unser Laken aus dem Fenster. Der Blutfleck auf dem Laken war weithin sichtbar.
Hat das auch was mit dem Vampir zu tun, von wegen Blut und so? Oder will der König wirklich nur damit protzen, dass er seine Frau entjungfert hat? Im ersten Fall verstünde ich den Zusammenhang nicht ganz, im zweiten Fall fände ich das vom König etwas out of character- Er wirkt sonst recht erwachsen und gesetzt.

Die Erste, die Mutter seiner Tochter, hatte das Kindbett nicht überlebt, die Zweite war an der Schwindsucht gestorben.
Ist mir erst beim zweiten Lesen aufgefallen: Ist die Schwindsucht ein Hinweis darauf, dass Schneewittchen seine erste Stiefmutter ausgesaugt hat? Wenn ja: Gutes Easter Egg ;)

Angesichts ihrer kühlen Anmut stolperte ich über meine Kleider ebenso wie über meine Worte.
Gefällt mir, die Formulierung :-)

Ein kalter Wind fuhr aus der Dunkelheit durch das kleine Fenster in meine Kammer.
Das klingt für mich widersprüchlich: Kurz davor und danach schreibst du vom Sonnenuntergang, aber in diesem Satz zwischendrin schreibst du von Dunkelheit- dabei müsste es zu diesem Zeitpunkt doch noch ziemlich hell sein (außer, dicke Wolken bedecken den Himmel, aber dann würde man auch vom Sonnenuntergang nicht viel sehen). Und wenn es noch ein paar Sonnenstrahlen gibt, wäre es für den Vampir dann nicht extrem ungesund, sich draußen rumzutreiben? Oder versteckt sich Schneewittchen im Schatten? Oder funktionieren Vampire in deiner Geschichte anders?

Draußen hörte ich meine Stieftochter lachen, lachen, bis ihre Stimme in den Gängen verhallt war.
Worüber amüsiert sie sich so? Dass sie enttarnt wurde? Oder dass sie ihrer Stiefmutter einen Schrecken eingejagt hat? Kann ich nicht ganz nachvollziehen und hat etwas übertrieben auf mich gewirkt.

Ich verließ meinen gebeugten Mann und ließ den Jäger rufen.
Gefällt mir an sich gut, der Schlusssatz. Nur was meinst du mit gebeugt? Dass er ein gebrochener Mann ist? Klingt eher, als würdest du seine momentane Körperhaltung beschreiben, was glaube nicht deine Absicht war.

Schreibfehler habe ich nur wenige entdeckt, nämlich die hier:

Sie war von einer strengen, edlen Schönheit, die mir einen eifersüchtigen Stich versetzte: ihr ebenholzschwarzes Haar fiel wie ein glänzender Wasserfall bis zu ihren sanft geschwungenen Hüften hinab.
Sie stand da wie zuvor: ein verführerisches Lächeln auf den roten Lippen, das Gesicht hell leuchtend in der Dunkelheit des Flurs, die Haare ein tanzender schwarzer Schatten.
Du hast in beiden Passagen einen Doppelpunkt, nach dem du jeweils klein weiterschreibst. Da in beiden Fällen aber ein vollständiger Satz folgt, müsste es mE mit einem Großbuchstaben weitergehen.

Der Anblick liess meinen Atem bewundernd stocken,
ließ

„Ich meine das arme Mädchen, das sich verletzt hat?“ KOMMA versuchte ich es nochmal.

ich war gefangen vom rot ihrer Lippen,
Hier ein Substantiv, also groß geschrieben.

Und deshalb hatte sie mir geraten, nur das erfreuliche im Auge zu behalten
Auch ein Substantiv, weil das Erfreuliche.

Ich schon auf deine nächste Geschichte gespannt! :)

VG
M.D.

 

Hallo @MorningDew,

vielen Dank für deinen Kommentar - jetzt habe ich das Gefühl, dass die Überarbeitung geglückt ist :)

Deine Kommentare nehme ich auf und in den Text, vielen Dank für dein Feedback!

Beste Grüße,
Ardandwen

 

ich weiss, man soll nicht einfach Geschichten wieder nach oben pushen - ich habe mir hier aber tatsächlich einiges an Zeit genommen und stark gekürzt und geschärft und hoffe, es erbarmt sich nochmal jemand
nd ich hoffe ihr nehmt mir den "push" net böse

Nur hierzu kurz, um dich zu beruhigen. Habe das hier immer als legitim wahrgenommen, machen auch einige, habe ich auch schon gemacht. Dabei geht es ja nicht eigentlich ums 'Hochpushen', sondern um die Frage, ob die Überabeitung funktioniert oder nicht. Das Forum ist ja (auch, nicht nur) eine Textwerkstatt, wo es eben auch um Textarbeit darum geht. Wollte dir also nur rückmelden, dass du damit, glaube ich, nie was falsch machst, wenn du nach gründlicher Überarbeitung noch mal eine Nachricht dalässt, in der du das kundtust und um gezieltes Feedback fragst. Völlig legitim.

 

Hallo @ardandwen

Ich hatte deine Geschichte ja schon vor geraumer Zeit und noch in ihrer ursprünglichen Version angefangen zu lesen. War damals eher nicht so angetan von ihr bzw. ich habe sie damals nicht fertiggelesen, weil mMn da noch zu viel Balast vorhanden war und mich das auch stilistisch nicht abgeholt hatte. Da wollte ich jetzt mal schauen, was Du alles verändert hast und ob sich die Story für mich nun runder liest :-) Es folgen meine Eindrücke. Ich werde hauptsächlich einige Stellen rauszitieren, weil ich denke, hie und da könntest Du noch etwas an der Sprache feilen. Ansonsten konnte ich die Story jetzt gut und an einem Stück durchlesen, Du hast ja, soweit ich das sehe, doch einiges gekürzt und ich finde das nun ein runderes Leseerlebnis.

So wie sie nur genickt hatten, als mein Mann sie mit dem meinem Brautgeld in einem Leinensack vor den Toren der Burg wegschickte
Zwei Dinge sind mir hier aufgefallen: Brauchst Du das 'nur'? Ich denke, es ist lediglich Füllwort und könnte raus. Dann die Formulierung 'mit dem meinem Brautgeld', das 'dem' würde ich auch rausnehmen, es liest sich für mich holperig, auch wenn ich glaube, Du möchtest hier so einen altertümlichen Märchenstil damit erwecken. Aber das ziehst Du ja dann im Text nicht ganz konsequent durch, finde ich, deshalb würde ich das hier glätten.

Nun fielen diese eisenbewehrten Tore hinter mir zu und setzten krachend ein Schlusspunkt hinter mein bisheriges Leben.
Nur eine Kleinigkeit: Die eisenbewehrten Tore kommen hier zum ersten Mal vor, deshalb würde ich 'die eisenbewehrten Tore' schreiben und nicht 'diese'. Ansonsten gefällt mir der Satz sehr gut.

Ich würde diesen Ort lieben lernen.
Sie fühlt sich ja eher unwohl, die Tore haben sich hinter ihr geschlossen und ihr altes Leben ist passé. Klar, sie ist freiwillig dort, will nun ihr neues Leben mit ihrem frisch angetrauten Gemahl in Angriff nehmen, aber mir klingt das etwas zu harmlos für ihre Situation, vielleicht wäre was in diese Richtung besser: Ich würde lernen müssen, diesen Ort zu lieben. Denn es ist ja schon eine Art Zwang, nun ihr Leben auf der Burg zu verbringen, ihre Familie dafür zurückzulassen, weil die scheinbar tieferen Ranges sind und nicht wirklich Zutritt zur Burg haben (ihr Gemahl schickt die Eltern vor den Toren mit dem Brautgeld weg).

Obwohl Fackeln Pfützen aus Licht in den Burghof warfen und Musikanten an mehreren hohen Feuern spielten, wirkten die Menschen, die rundum tanzten, seltsam freudlos.
Hier finde ich die Kombi aus Schilderungen zu den Lichtverhältnissen auf dem Burghof und dem Tanzen der Menschen nicht ganz rund, es liest sich beinahe so, als gäbe es sonst in dieser Welt des Nachts nicht viel Licht, also als wären die Fackeln und Feuer etwas, dass die Menschen begeistern müsste. Ich denke aber, auch die Ärmeren, die ausserhalb der Burg leben, können in oder vor ihren Hütten Feuer machen, oder? Kann auch sein, dass Du das genauso haben möchtest, ich wollte es dennoch anmerken, dass mir das aufgefallen ist.

Außer uns wohnte dort nur seine Tochter, eine blasse, elegante junge Frau, die ich nach der Zeremonie nicht mehr gesehen hatte.
Es liest sich nicht schlecht, aber drei Adjektive hintereinander finde ich etwas too much, vielleicht könnte man den Satz etwas aufdröseln oder anderweitig rüberbringen, wie alt oder jung die Tochter ist. Oder auch ganz weglassen hier, es wird später schon ungefähr klar, wie alt seine Tochter ist.

„Mach dir keine Sorgen, meine Liebe. Sie schläft tief und fest, und der Morgen graut schon bald“[KOMMA] sagte mein Mann.
Nach der direkten Rede müsste ein Komma hin. Hast Du auch andernorts noch im Text drin, würde da nochmal durchgehen und die Geschichte danach abklappern.

Jetzt führte er mich zu seiner Schlafkammer, hob mich über die Türschwelle, und drehte sich dann nochmals um, wie um in die Stille in den Fluren vor der Kammer zu lauschen.
Geschmackssache mit dem 'und', ich würde es rausnehmen. 'vor der Kammer' könntest Du streichen, damit der Satzteil weniger holperig ist, denn es ist klar, dass die Flure vor oder eben ausserhalb der Kammer liegen, wo sollten die sonst sein? ;-)

Das Blut rauschte in meinen Ohren, und meine Kehle war zu eng für meinen heißen Atem.
Würde ich zwei Sätze draus machen. 'Meine Kehle war zu eng für meinen heissen Atem' finde ich eine schöne Formulierung!

Aber sie war jetzt meine Tochter, und ich wollte keine schlechte Stiefmutter zu sein.
Da ist ein 'zu' zuviel.

„Mach, was deine Herrin verlangt“, sagte er streng,[PUNKT anstelle KOMMA]meine Tochter wird sich stärken wollen nach dem Trubel der letzten Nacht.“
Danach Grossschreibung. "Meine Tochter [...] Ich glaube, auch diesen Fehler hast Du noch mehrmals drin, würde dem ebenfalls nachgehen und verbessern, wo nötig.

Ich hob das Kinn und schob ich das Unbehagen energisch zur Seite.
Einmal 'ich' streichen.

Ich versprach es, und erneut ließen mich seine Worte und mehr noch sein bedeutungsschwangerer Blick Frösteln.
'frösteln' müsste kleingeschrieben werden, wird hier ja nicht als Nomen verwendet.

Und wieder musste ich mich zur Ordnung rufen, dieses ungute Gefühl zur Seite zu schieben.
Mmmh, ungutes Gefühl gefällt mir nicht recht, ist so unspezifisch, es wird aber eigentlich auch so klar, wie sie sich fühlt, ich würde deshalb 'ungut' einfach streichen. Das 'zu' könnte gestrichen werden. Würde den Satz etwas eleganter machen, weil Du hast da schon zweimal 'zur'.

Dieses neue Leben war mein
Weg heraus aus der Armut meines elterlichen Haushaltes, und ich würde es nach meinem Willen formen!
Pingelig: Zeilenumbruch nach 'mein' entfernen.

Eine ganze Kette aus weichen Hängen mit schroffen, karstigen Felsenkronen zog sich über den Horizont.
Ich verstehe, dass Du hier einen Kontrast zwischen den weichen Hängen und den schroffen Felskronen schaffen möchtest, aber ich kann mir unter 'weichen Hängen' so gar nichts vorstellen. Was ist damit gemeint? Sind die sanft abfallend oder so? Würde das irgendwie anders formulieren.

Man sagte, hinter diesen Bergen lebten Wilde. Kleinwüchsige, hässliche Leute, sagte man, mit einem Hang zu schwarzer Magie.
Die Wiederholung liest sich eher unschön und ich finde, das braucht es gar nicht.

Ein kalter Wind fuhr aus der Dunkelheit durch das kleine Fenster in meine Kammer.
Ein eher ungelenker Satz, mMn, er enthält Info, die es nicht braucht. Könntest Du vereinfachen, in dem Du schreibst: Ein kalter Wind fuhr durch das Fenster in meine Kammer. Würde sich schöner lesen.

Sie war von einer strengen, edlen Schönheit, die mir einen eifersüchtigen Stich versetzte: ihr ebenholzschwarzes Haar fiel wie ein glänzender Wasserfall bis zu ihren sanft geschwungenen Hüften hinab.
Nach Doppelpunkt mit Grossschreibung weiterfahren, wenn ein ganzer Satz darauf folgt, was hier der Fall ist.

Der Anblick liess meinen Atem bewundernd stocken
Liest sich holperig. 'bewundernd' könntest Du streichen, ich denke, es wird auch ohne das Wort klar, warum ihr hier kurz der Atem stockt.

und wie bei meiner Hochzeit purzelten die Worte, die ich sagen wollte, ungelenk übereinander.
Auch hier ein etwas ungelenk ( ;) ) formulierter Satz. Vielleicht: und wie bei der Hochzeit purzelten meine Worte ungelenk übereinander.

Sie war auf dem regennassen Kopfsteinpflaster gestürzt, und hatte sich eine blutende Platzwunde zugezogen.
Ich denke, da braucht es kein Komma.

ich war gefangen vom rot ihrer Lippen, ihren rabenschwarzen Haaren, die in sanften Wellen um ihr weißes Gesicht lagen.
Nur ein kleiner Vorschlag an der Stelle: ich war gefangen vom Rot ihrer Lippen und ihrem rabenschwarzen Haar, das in sanften Wellen ihr weißes Gesicht umspielte. Vielleicht ist 'umspielte' auch nicht so das Wahre, aber Wellen liegen um ihr Gesicht, nee, das klingt seltsam, weil Wellen nicht liegen, die sind ja in Bewegung.

die Haare ein tanzender schwarzer Schatten. Verwirrt sah ich zurück zum Spiegel: Nur mein eigenes Gesicht blickte mir entgegen.

Ein Schauer tanzte mir mit seinen kalten Fingern über den Rücken.

Zweimal 'tanzen' nacheinander, ich würde eines davon ersetzen.

Mit aller Kraft stieß ich die Tür zu meiner Kammer zu.
Streichen, denn es ist klar, welche Tür sie zu stösst.

Ich klopfte heftig an, so heftig, dass meine Knöchel zu bluten begannen.
Mmmh, ist das nicht etwas übertrieben? Ihr Gemahl öffnet ja dann relativ rasch die Tür. Wieso schlägt sie sich hier die Knöchel blutig? Also da muss man ja schon ziemlich hart gegenhämmern, dass sowas passiert ... Und nicht nur kurz, sondern fortdauernd. Fand ich etwas over the top.

Stattdessen stand er hellwach in der Tür. Er musterte mich mit blutunterlaufenen Augen. Sein fahriger Blick
Hier beisst sich das 'hellwach' mit 'blutunterlaufenen Augen' und 'fahrigem Blick'. Das klingt eher nach einer durchzechten Nacht und nicht nach einem hellwachen Gemahl ;-) Naja, ist einfach mein Empfinden an der Stelle, vielleicht habe ich einfach was nicht kapiert.

Mein Mann ließ den Kopf hängen. Ich stand auf und sah auf meinen Mann herunter.
Die Wiederholung von 'mein Mann' finde ich nicht so dolle. Im zweiten Satz würde es ausreichen zu schreiben: Ich stand auf und sah auf ihn herunter.

„Das Schneewittchen“, würden alte Ammen sagen, „kommt dich holen, wenn du nachts Unbekannte über die Schwelle bitten“.
bitten = bittest. Dann noch den Punkt verschieben, vor die Schlusszeichen.

Ich verließ meinen gebeugten Mann und ließ den Jäger rufen.
Auch diese Wortwiederholung würde ich vermeiden, liest sich nicht so schön.

Ja, soweit mal von mir. Habe die Geschichte gerne gelesen und denke, deine umfangreiche Überarbeitung hat ihr sehr gutgetan.

Viele Grüsse,
d-m

 

Hallo@ardandwen


Als ich eine Überbearbeitung meines Märchens hochladen wollte, habe ich deinem entdeckt. Eine schöne Idee, aus einem Opfer ein Monster zu machen. Ich habe deine Geschichte in einem Zug gelesen. Ergo sie ist gut erzählt. Wie ich sehe, hast du schon vieles korrigiert, was mich dazu veranlasst, dir meine Eindrücke zu schildern.

ich weiss, man soll nicht einfach Geschichten wieder nach oben pushen - ich habe mir hier aber tatsächlich einiges an Zeit genommen und stark gekürzt und geschärft und hoffe, es erbarmt sich nochmal jemand, mir zu sagen ob das nun besser ist
Ich kenne die vom Webmaster (der Großmeister sei gepriesen) Spielregeln nicht, und wenn sie nicht geheim gehalten werden, weiß ich nicht, wo sie zu finden sind. Deine "Offenlegung der Ergebnisse" erscheint mir nicht nur "legitim", wie @Carlo Zwei meint, sondern ist sogar eine Höflichkeit gegenüber denjenigen, die dir ihre Zeit geschenkt haben, um dir zu helfen. Ich stelle mit Bedauern fest, dass solche Vorgehensweise zwar nicht verboten ist, aber nicht durch die Verwendung eines Präfixes gefördert wird. Gibt es eine größere Befriedigung für einen Kommentator als die, dass seine Bemerkungen verstanden und aufgegriffen wurden?

Zu deinem Titel. Wie man von einem Passwort sagt, dass es schwach ist, scheint mir auch dein Titel „schwach“ zu sein. Etwas wie " Das Mädchen mit kohlschwarzen Haaren und mondhellen Haut“ oder „Die blutrünstige Tochter" oder „Die böse Stiefmutter“, um nur ein paar Wörter aus deinem Text zu übernehmen, wäre vielleicht geeigneter.

Zu deinem Tag: "Märchen". MMn. Unangemessen. Märchen sind zwar meistens grausame Geschichten aber nicht Horrorgeschichten. Viele Märchen, beschreiben zwar eine Grausamkeit im strengsten Sinne, eine Grausamkeit, die in ihrer etymologischen Bedeutung zu verstehen ist: "crudelis", "der das Blut fließen lässt“. Der Unterschied zu einer Kurzgeschichte besteht jedoch darin, dass der Leser durch drei Worte von Anfang an weiß, worum es geht: "Es war einmal". Dieser Anfang erfordert eine Außenperspektive.

Zum Inhalt. Das gewählte Thema, die Wiederbelebung eines bekannten Märchens, ergibt nie eine gute Horrorgeschichte, da die Verkettung der Ereignisse vorhersehbar ist, ganz gleich, welche Tricks du einsetzt.

Zum Stil.

Die Mine meines Mannes sah dabei so düster aus, dass mir bang ums Herz wurde. Ich hob das Kinn und schob das Unbehagen energisch zur Seite. Was für eine alberne Gans ich war! Ich würde mein neues Leben lieben lernen. Also sagte ich meinem Mann, dass der Spiegel mir zeigte, dass mein Ehemann stattlich war und wir ein schönes Paar, und dass er mich küssen könne, wenn er wolle. Mein Mann blieb noch ein Weilchen.
Darauf haben schon andere hingewiesen. Viele Wiederholungen. „Mein Mann” (31x). Er ist dein Gatte, der König, der Vater des Kindes und es gibt Pronomen.

Sonst finde ich dein Stil modern, leicht zu lesen, aber ich würde manchmal eine andere Wortwahl treffen.

Dann biss sie sich sanft auf die Lippen, zwinkerte mir zu, und ging zum Haus zurück.
Eine Königin lebt in einer Burg, Pfalz, Schloss, usw.

Thema Länge. Mit der Länge ist es wie mit der Außentemperatur. Es gibt die objektive, messbare Wortmenge, die nichts bedeutet (außer für den Verleger), und die Länge, die der/die Leser/in empfindet. In diesem Sinne kam mir deine Kurzgeschichte etwas zu lang vor. Ich teile die Überlegungen von @Habentus: ein bisschen mehr zeigen, könnte das Text in diesem Sinn kürzen.

Kommen wir zur Pointe. I like it. Very much.

Ich hoffe, du kannst mit diesen Hinweisen etwas anfangen und ich würde mich freuen, wenn du mir sagen könntest, was du in meinem "Wie Gott es wollte" ändern würdest, denn Autoren dieser Art Märchen sind unter den WK selten.

Danke für deine schöne KG. Ich habe sie gern gelesen und
Hab Freude am Schreiben!

Liebe Grüße aus Baden
Eraclito

 

Hallo @deserted-monkey,

danke, dass du dir die Zeit genommen und die Mühe gemacht hast, zu kommentieren - dass du das diesmal gemacht hast und nicht abbrechen musstest, sehe ich schon als Erfolg an :)
Deine Kommentare habe ich übernommen - vielen lieben Dank dafür!

LG Ardandwen

Hallo @Eraclito,

auch dir vielen Dank! Es freut mich, dass dir die Geschichte im Großen und Ganzen gefallen hat, und auch für die konstruktive Kritik!

Der Titel: Well, ja, du hast natürlich Recht. Titel für Geschichten sind mein Endgegner. Ich werde ihn nun nicht mehr ändern, weil ich den Lesern hier kein altes Pferd im neuen Fell anbieten will, aber duly noted, und ich mache mir dazu für mich Gedanken.

Der Tag "Märchen": Naja, es ist eine Interpretation eines Märchens, da meine ich passt das - vielleicht fasse ich aber Märchen auch nicht eng genug? Meines Erachtens muss ein Märchen nicht mit der beliebten Formel beginnen, sondern besteht aus bestimmten, märchenhaften Elementen. Aber ich verstehe deinen Einwand.

Eine Horrorgeschichte sollte es aber nie sein, und ich glaube auch, der Tag wäre falsch gesetzt.

Ganz vielen Dank, Eraclito, und ich werde natürlich auch in dein Märchen hineinlesen.

Danke und LG
Ardandwen

 

Später, es dämmerte bereits, kam mein Mann in mein Gemach.

Warum, so magstu Dich fragen,

liebe @ardandwen,

wählt der jetzt diesen Satz zur Einleitung -

und ich will es Dear allsogleich verraten: nicht so sehr, dass Du bei dem „Gemahl“ nun wieder auf die heutige Reduktion desselben auf den (Ehe-)Mann zurückgreifst (- warum eigentlich? -,) als wegen der Wahl des uralten Begriffs des „Gemach'“, das genau das bedeutet, was im Adverb „gemach“ schon drinsteckt: alhochdeutsch „gimah“ (- das h ist bis in Lutherszeiten hinein weniger ein Dehnungs-h, als der Reibelaut, den wir heute mit dem „ch“ verbinden -) „passend, geeignet, bequem“ um in den Jahrhunderten zu dem uns bekannten Trio „bequem, ruhig, langsam“ zu werden („Gemach“ ist also kein Raum der Eile ... Gedanken über die Gemahle sollte man dem engeren Umkreis überlassen ...).

Das „Gemach“ ist also passend zu/m „Gemahl“ der zu erwartende Raum ...

Nur so am Rande,
da hastu schon bei mir ein’ Stein im Brett,

ardanwen,

weil Du alte Bezeichnungen nutzt (was ich sehr schön finde, les ich doch alteErzählungen gern im Original und habe schon öfter – wo ich keinen Dialekt kenne – Mittelhochdeutsch benutzt – wobei die Hoch- und Schriftsprache etwas wesentlich anderes ist als die Vielzahl von Dia- und Soziolekten, zu denen sich wiederum individuelle Abweichungen ergeben.

Aber nach dem Lob folgt nun eine vllt. dümmliche Frage – warum der Konjunktiv

Ich würde lernen müssen, diesen Ort zu lieben.
wenn doch das schlichtere Futur von „werden“ zunächst mal ohne Zweifel besteht (beim Konj. II schwingen immer Zweifel mit und – da musstu jetzt durch – es ist eine Art Wahrscheinlichkeitsrechnung zwischen den Werten „0“ und „1“ mit dem Zwischenwert „0,5“ des sowohl als auch – kann sein, muss aber nicht … (mancher schrickt zusammen, wenn bissken Mathematik in Geschichten auftaucht, dabei kommt die Erzählung wie die ersten Schriftzeichen von der „Zahl“ wenn bei Inventuren unserer Vorfahren vor allem die Anzahl des Viehs durch besondere Striche „festgehalten“ wurde ...

Ähnliches solltestu hier überdenken, wenn es heißt

Zu meiner Scham war ich erleichtert, dass sie meinem Hochzeitsfrühstück nicht beiwohnen würde.
womit Du die Erleichterung zumindest ankratzt ...

Ich war bereits seine dritte Gemahlin. Die Erste, die Mutter seiner Tochter, hatte das Kindbett nicht überlebt, die Zweite war an der Schwindsucht gestorben.
Besser „Die erste …“ und … die zweite“, denn die Nummerierung bildet nur Attribute/Adjektive der drei Frauen. Ein Attribut/Adjektiv wird doch nicht zum Substantiv geadelt, weil das ursprünglich zugehörige Wort abhanden kommt ...

Trotzdem schämte ich mich ein wenig, dass mein Mann meine Entjungferung so schamlos zur Schau stellte.

Entjungferung

warum so derb – schon die erste Silbe bedeutet „Gefahr“ und „Gewalt“.
Als „geadelt“ durch den frz. Hof (seit Louis dem viertelvorzwölften kennt man doch Deflorierung auch westlich des Rheines ...)

Mein Mann tätschelte meine Hand und versicherte mir mit gelassener Stimme, dass die Abwesenheit seiner Tochter nichts Ungewöhnliches sei.
Warum nun der Konj. I, der im Gegensatz zu Konj. II aus Protokollen und Niederschriften entstammt und der indirekten Rede „Wahrhaftigkeit“ unterstellt. Das „dass“ am Anfang des Satzes lässt gefahrlos – aber ein-eindeutig – den Indikativ zu – der das Märchen in der mir bekannten Form eigentlich regiert … Abweichungen wie Wunder können dem Ganzen keinen Schaden antun …, finde ich gleichwohl.

Zum Ersten Mal erlaubte ich mir, sein Alter wirklich wahrzunehmen – ….
Warum die Großschreibung?, fragt zuletzt der

Friedel,

der noch ein schönes Wochenende wünscht!,

& vor allem -

der Deine Geschichte sehr gerne gelesen hat

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom