Hallo kira!
Zwar schon etwas spät, trotzdem noch nachträglich alles Gute zum Geburtstag! 
Ich finde die Geschichte schon recht gelungen, bis auf ein paar Kleinigkeiten, die aber großteils schon genannt wurden. Deinen letzten Kommentaren entnehme ich, daß Du zum Überarbeiten nur noch einen kleinen Anstoß brauchst, also versuch ich es mal, vielleicht hab ich ja eine wirksame Medizin dabei. 
Eigentlich mag ich diesen Ausdruck ebenfalls nicht, habe aber auch schnell gesehen, daß die Geschichte ihn wegen der Doppeldeutigkeit braucht.
Mehr aber als der Ausdruck selbst hat mich gestört, daß es, mit Ausnahme des vorletzten Absatzes, danach immer mit »und« weitergeht. Das käme meiner Meinung nach besser, wenn Du ein bisschen variieren würdest, z. B. »Schnee fällt leise auf den geborstenen Teer vor dem Clubraum« oder »Leise fallender Schnee legt wieder und wieder eine weiche Schicht aus Müdigkeit …«.
der Klang einer Spieldose zupft ein Lied aus meinen Erinnerungen.
Hat mir auch sehr gut gefallen, dieses Bild. Die Probleme, die sim damit hat, hatte ich nicht, kann sie aber nachvollziehen. Eventuell könntest Du noch sowas dazuschreiben wie »in mein Bewußtsein« oder »vor mein inneres Auge«.
Es ist das Lied eines Mädchens, das weinend vor dem Vater steht. Es ist acht Jahre alt - oder fünfzehn. Und wieder hat es nicht genügt.
„Du hast mich enttäuscht“, sagt der Vater. „Ich kann dir nicht mehr vertrauen.“
Einerseits würde ich sie ein bisschen jünger machen, da es unwahrscheinlich ist, daß der Vater erst als sie acht war, begonnen hat, unzufrieden zu sein. Andererseits finde ich, daß die Aussage des Vaters zu sehr danach klingt, daß sie tatsächlich etwas Schlimmes gemacht hat, wodurch er ihr nun »nicht mehr« vertrauen kann. Also, als hätte sie etwas gestohlen oder so. Besonders dieses »nicht
mehr vertrauen« macht den Eindruck, als wäre da vorher Vertrauen gewesen – das würde aber nicht passen, wenn Du das aufzeigen willst, was ich glaube, daß Du zeigen willst.
Meiner Meinung nach willst Du zeigen, wie sich das in der Kindheit Erlernte das ganze Leben lang immer wieder wiederholt, bzw. man selbst aus einem unterbewußten Trieb heraus immer wieder diese Wiederholungen inszeniert. In diesem Fall eben das Gefühl, nicht zu genügen, nicht geliebt zu werden. Dazu braucht es aber keine speziellen Taten, solche Eltern finden ihre Gründe, nicht zufrieden zu sein, auch ohne, daß sie wirklich einen Grund hätten (wenn man will, findet man immer etwas auszusetzen). Und das ist auch kein spezielles Frauenschicksal, wie mache das zu lesen scheinen, das gibt es bei Männern ganz genauso, und es gibt viele verschiedene Wege, wie sich das später äußern kann. Eine/r macht aus dem selben Grund Karriere, versucht, irgendwann doch endlich den Ansprüchen der Eltern zu genügen, ihnen zu beweisen, daß er/sie doch etwas kann, ein/e andere/r resigniert und gibt die in ihn/sie gesetzen Erwartungen an die eigenen Kinder weiter, in der Hoffnung, daß die nun endlich die Eltern/Großeltern zufriedenstellen und dadurch auch auf ihn/sie ein bisschen von dem Glanz fällt, wenn er denn fällt.
Deine Protagonistin aber geht den Weg, für sich selbst immer wieder dieses Gefühl zu wiederholen, nicht zu genügen, nicht wirklich geliebt zu werden, weil es das Gefühl ist, das sie kennt, in dem sie zuhause ist – wo man sich auskennt, da muß man keine Angst vor etwas Unbekanntem haben. Das funktioniert unbewußt; ohne es zu wollen, schafft man sich immer wieder Situationen, in denen man das vertraute Gefühl aus der Kindheit wiederfindet, auch wenn es noch so negativ war/ist.
Ein Mensch, der als Kind Liebe erfahren hat, wird sich immer mit Menschen umgeben, die ihn ehrlich mögen, und er wird sofort merken, wenn ihm jemand falsch kommt, weil es nicht das vertraute Gefühl wäre. Wurde einem aber etwas Falsches als Liebe verkauft, sucht man sich auch immer wieder die falschen Menschen, die einem etwas als Liebe oder Zuneigung verkaufen, was gar keine ist. Deine Protagonistin hat auch nie echte Liebe erfahren, deshalb findet sie sie nicht, und es ist fraglich, ob sie nach dem Ende einen anderen Weg finden wird. Das Wegwerfen des Ringes allein wird sie nicht heilen, da muß sie schon ein Stück tiefer in sich gehen (in dieser Richtung wäre es interessant gewesen, noch weiterlesen zu können).
Aber zurück zu der Aussage des Vaters – wie wäre es zum Beispiel mit: »“Ich bin enttäuscht von dir“, sagt der Vater. „Du bist wirklich zu nichts nütze.“«
»Die nächsten Tage geht er stumm durch ihr Leben. Wortlos wie der Schnee, der draußen aus dem dunklen Himmel gleitet.«
– Da Du hier zweimal ungefähr das Gleiche sagst (stumm = wortlos), würde ich es in einen Satz zusammenfassen, z. B.: »Die nächsten Tage geht er so stumm durch ihr Leben, wie der Schnee draußen aus dem dunklen Himmel gleitet.« Oder wie wäre es mit »Die nächsten Tage ziehen wortlos vorüber wie der Schnee, der …«?
‚Meine Große’ nennt er die Schwester und überträgt ihr Verantwortung für den kleinen Bruder, der liebevoll im Arm gehalten wird.
Den Satz könntest Du eigentlich auch streichen, da weder Bruder noch Schwester im weiteren Verlauf vorkommen und für die Protagonistin entscheidend ist, wie sie selbst behandelt wird. Natürlich verschärft das die Situation noch zusätzlich, aber ich würde das eher durch ein weiteres Beispiel mit dem Vater machen. Der Satz wirft nämlich auch Fragen auf, die nicht beantwortet werden, z. B.: Ist die Schwester, die »meine Große« genannt wird, älter oder jünger als die Protagonistin? Und: Wurden die Mädchen, als sie klein waren, auch so liebevoll im Arm gehalten? Auch in Bezug auf den Vater stellt sich die Frage: Behandelt er nur die Protagonistin so schlecht, und wenn ja, warum nur sie? Diese Fragen würden sich nicht stellen, wäre der Satz nicht da. Dann wäre der Vater eben einfach so, wie er sich der Protagonistin gegenüber verhält, und fertig.

Stattdessen könntest Du ja vielleicht noch ein anderes Beispiel einfügen, etwa einen Blick auf die Mutter und wie sie die Protagonistin behandelt, oder wie die Mutter vom Vater behandelt wird und vielleicht auch so manches ohne sich zu wehren hinnimmt (prägendes Vorbild).
Schnee fällt leise und schmilzt auf geborstenem Teer vor dem Clubraum in der verlassenen Kaserne zu einem grauen Brei.
Kann ich mir nur schwer vorstellen, wie sich schmelzender Schnee mit Öl zu einem grauen Brei vermischt. Wenn Schnee schmilzt, wird er zu Wasser. Wasser und Öl ergeben aber meines Wissen nach keinen grauen Brei, auch nicht, wenn das auf geborstenem Teer geschieht (der mischt sich ja nicht ins ölige Wasser). Meiner Meinung nach müßte das bunt schimmernde, nasse Flecken ergeben, oder nicht?

Ich weiß natürlich, wie schmutziger Schnee aussieht, aber der ist dann noch nicht geschmolzen und auch nicht gerade erst gefallen.
»Die Reifen von schweren Motorrädern und Öl, das aus verschlissenen Motoren tropft, haben ihm seine Reinheit genommen.«
– So, wie Du das im Satz davor beschreibst, fallen die Schneeflocken vom Himmel und schmelzen auf dem Teer. Wann hatten da die Reifen Gelegenheit, dem Schnee seine Reinheit zu nehmen?
Sie würgt ihr Elternhaus aus sich heraus und füllt die Hohlräume mit Alkohol, Wut und Vergessen.
Der Satz gefällt mir richtig gut, sodaß ich ihn fast nicht kritisieren will, trotzdem ist da aber etwas, was mich stört: Das Herauswürgen des Elternhauses klingt mir zu heilend. Es klingt so, als hätte sie ihr Elternhaus nun hinter sich gelassen, aber das hat sie in Wirklichkeit während der ganzen Geschichte nicht, und ob sie es noch tun wird, steht in den Sternen. Sie selbst glaubt vielleicht, daß sie es hinter sich gelassen hat, aber daß dem nicht so ist, zeigst Du ja mit der Geschichte. Solange sie alles wiederholt, hat sie ihr Elternhaus nicht hinter sich gelassen, sondern steht immer noch unter dessen Einfluß. Ich sehe es eher so, daß sie versucht, die Erinnerungen zu ertränken.
»Schnee fällt leise und legt wieder und wieder eine weiche Schicht aus Müdigkeit auf die Scheiben des Geschäftswagens, mit dem das junge Fräulein vom Mitternachtsbuffet nach Hause fährt.«
– Der Geschäftswagen wurde ja schon kritisiert – vielleicht wurde sie ja von ihrem Chef oder dem Abteilungsleiter mit einem Geschäftswagen nach Hause gefahren?
– »das junge Fräulein« – *g* was für ein Machobegriff, sowas verwendest Du? Ich bin entsetzt. ;-) – Wie wärs mit einem Namen für die Protagonistin?
„Sie haben sich ganz schön gemacht im letzten Jahr“, hat der Abteilungsleiter eben noch mit anerkennendem Blick in ihren Ausschnitt gesagt. „Sie werden mich doch morgen früh nicht hängen lassen, oder?“
Hier erhält sie zwar ausnahmsweise Lob, aber sie hat noch nicht genug getan, um es sich wirklich zu verdienen. Sie sagt nicht nein, denn sie ist gewöhnt, daß nie jemand zufrieden ist und sie immer mehr tun muß, der Anerkennung hinterherlaufen muß und sie doch nie ganz erreicht.
»um danach als einzige zurückzukehren«
– als Einzige
»‚Stillen ist das Beste für Ihr Kind!’ auf jeder Packung Folgemilch.«
– irgendwie fehlt da das Verb, Vorschlag: »‚Stillen ist das Beste für ihr Kind!’, (er)mahnt jede Packung Folgemilch.«
Über Wochen hinweg fährt sie trotzig ohne Sicherheitsgurt, dann hat sie soziales Leben auf den Knien in der Krabbelgruppe, im Wartezimmer des Kinderarztes gefunden.
Das wurde ja auch schon von den anderen genannt, und ich denke, es wirkt aufgrund der zeitlichen Hintereinanderreihung unklar. Denn so, wie Du es schreibst, ist erst das Kind da, dann vergehen Wochen, in denen sie ohne Sicherheitsgurt fährt – und erst dann geht sie einmal zum Kinderarzt? Was ist mit den sozialen Kontakten bei der Geburtsvorbereitung? Könnte es nicht so sein, daß sie die leichten Selbstmordgedanken (oder wie auch immer man das mit dem Sicherheitsgurt bezeichnen will) bereits hat, als sie erfährt, daß sie schwanger ist, dann vom sozialen Leben erfaßt wird, vielleicht dadurch in ihre Mutter
rolle findet? Das Herumtragen und die Folgemilch würde ich dann auch erst danach schreiben – es würde dann meiner Meinung nach deutlicher als jetzt zeigen, daß sie ihrer Rolle wieder nicht ganz entsprechen kann.
Den fehlenden Glanz ihn ihren Augen bemerkt keiner und auch sie selbst gibt nur den kurzen Nächten die Schuld.
Sehr schön ausgedrückt. Niemand sieht genau hin, alles oberflächlich. Und sie selbst redet sich Scheingründe ein, statt die wahren Gründe zu sehen.
Die Frau wickelt Vergangenheit aus Zeitungspapier, das sie vor dem Zerbrechen schützen soll.
Finde ich auch sehr gelungen und vielsagend. Um den Satz beneide ich Dich richtig. Besonders, weil er mir längst hätte einfallen können, so oft hab ich schon meiner Freundin geholfen, ihre vielen Vitrinen leer zu räumen und alles einzupacken, wenn sie wieder mal Möbelrücken wollte. Sie hortet da Dinge, die schon ihre Eltern zurückgelassen haben, und kann gleichzeitig ihre Vergangenheit weder aufarbeiten noch hinter sich lassen. Als ich den Satz las, mußte ich jedenfalls sofort an sie denken, so passend ist er. Natürlich paßt er aber auch zu Deiner Protagonistin. (Ansonsten haben die beiden aber zum Glück nichts gemeinsam. ;-))
»Eingepflanzt und immer wieder ausgegraben.«
– Mit dem »Eingepflanzt« kann ich eher wenig anfangen, finde es nicht sehr passend zur Vergangenheit im Zeitungspapier. Aber vielleicht sehe ich einfach den Wald vor lauter Bäumen nicht.
»„Ich tu das doch in erster Linie für euch“ sagt er«
– euch“, sagt
»Überlässt es ihr, einmal mehr aus dem fremden, leeren Haus das Zuhause zu erschaffen«
– würde eher »ein Zuhause« schreiben
und den Kindern mit mattem Herzen Verlust in Zuversicht zu verwandeln.
Damit belügt sie nicht nur sich selbst, sondern auch die Kinder. Ebenfalls sehr schön in Worte gefaßt.
Nur langsam fließt das Blut noch in den bläulich schimmernden Adern unter der faltigen Haut.
Hm, könnte sie nicht noch etwas jünger sein? Ich würde ihr gern noch ein paar Jahre Leben gönnen, in denen sie noch Zeit hat, zu sich selbst zu finden und auch noch was davon zu haben. So, wie Du sie hier schilderst, ist sie ja mittlerweile mindestens Großmutter, wenn nicht Uroma. Und da Du ja vorhin gerade noch bei den Kindern warst, macht das einen ganz schön großen Sprung in der Geschichte aus. Wenn aber die Kinder mal gerade erwachsen wären, und sie vielleicht vierzig, fünfundvierzig ist, denn sie hat die Kinder wohl eher recht jung bekommen, dann hat sie wohl eher noch keine faltigen Hände. Und der Mann kann ja ruhig auch jung gestorben sein, durch den vielen Streß, wegen dem er nie Zeit für die Familie hatte. ;-)
Am Finger bleibt die Kerbe vieler Jahre als ich den Ring zwischen die welken Kränze in den Schnee werfe.
Fand ich ebenfalls sehr gelungen, besonders die Kerbe. Und um an den oberen Punkt anzuschließen: Auch nach zwanzig oder fünfundzwanzig Jahren hinterläßt so ein Ring eine Kerbe. ;-)
Die Spuren der anderen sind fast nicht mehr zu erkennen.
Ähm, hier war ich mir nicht ganz sicher, ob Du die Trauergäste meinst oder die Spuren der anderen Ringe (dann wäre sie mehrmals verheiratet gewesen). Ich war dann zwar überzeugt, daß Du doch eher die Trauergäste meinst, aber irgendwie fand ich dann die Sache mit den Spuren der anderen Ringe auch nicht schlecht.
Wer darf ich morgen sein?
»darf« finde ich jedenfalls besser als das ursprüngliche »muss«, denn sie empfindet es wohl immer noch als selbstverständlich, eine Rolle zu spielen, statt sie selbst zu sein. Es könnte aber auch heißen »Wer werde ich morgen sein?«, dann würde es noch mehr nach Fremdbestimmung klingen.
Wenn Du aber einen positiven Schluß in Aussicht stellen willst, also den Leser doch hoffen lassen willst, daß sie in Zukunft mehr über sich selbst bestimmt usw., dann könntest Du auch sowas schreiben wie: Und ab morgen suche ich mal mich selbst, oder einfach: Und jetzt behalte ich meine Freiheit.
Hmm, hoffentlich überbewertest Du jetzt meine kritischen Anmerkungen nicht, denn die Geschichte hat mir wirklich gut gefallen. Sind halt nur ein paar Gedanken, die dich zu weiteren Überlegungen anregen sollten. 
Liebe Grüße,
Susi