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Schnee

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26.08.2002
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Schnee

SIEBEN
Maria überlegte, den Brief hier zurückzulassen. Brief? Sie warf einen Blick auf das Papier, das sie in der Hand hielt; kaum eine halbe Seite, drei Sätze, das war ihre letzte Mitteilung. Drei Sätze, an niemanden gerichtet.
Niemand ist mir eingefallen.
VIERZEHN
So endet es. Von Anfang bis Ende. Von hier nach dort.
Und das war unvorstellbar.
EINUNDZWANZIG
Niemand sieht mich, weil es niemanden gibt. Auch das hab ich nicht für möglich gehalten.
VIERUNDZWANZIG
Der Fahrstuhl öffnete sich, sie ging die wenigen Schritte zur Tür, die aufs Dach hinausführte. Sie ging nicht gleich hinaus, sondern blickte kurz zurück; der Fahrstuhl war noch da.
Mein letzter Begleiter; einer, der nichts hört und sieht. Der meinen blauen Lieblingsmantel nicht sieht, den ich als letzten trage, shocking blue.
Die Kälte traf ihr Gesicht. Sie zog den Reißverschluss hoch.
Dann schritt sie zur Brüstung; sie sah die beleuchteten Fenster im Gebäude gegenüber, Lichterketten.
So ist das, hier stehe ich. Und es ist schon vorbei.
Zweiundsiebzig Weihnachten.
Und ich bin der einzige Gast. Das dritte Mal ohne dich.
Sie dachte an ihn; an seine am Ende gebeugte Gestalt, an die tiefen Furchen um seine Augen. Jetzt war es eine Welt ohne ihn. Ganz, ganz ohne ihn, denn Erinnerungen zählten nicht.
Es ist nicht schwer, es ist leicht.
Sie erinnerte sich. An die Orte, die Tage.
Ich denk zurück an viele Gesichter.
Sie weinte.
Dann zerriss sie den Brief. Die Papierfetzen zerstreuten sich auf dem Boden.
Am Himmel seh ich tausend Lichter.
Sie machte sich daran, auf die Brüstung zu klettern.
Und eins nach dem anderen wird gelöscht.
Zögerte.
Nur noch ein Meter. Ein langer Weg hierher, aber jetzt nur noch ein Meter.

Sie hörte hinter sich ein Geräusch; sie erschrak, nahm das rechte Knie von der Mauer, langsam, wandte sich um. Eine Gestalt stand hinter ihr, nicht weit entfernt, groß, still. Als ob sie sich eben noch bewegt hätte. Wie bei diesem Spiel, Ochs am Berg.
Maria zitterte. “Wolfgang?”, fragte sie.
Schweigen.
“Bist du es?”
Der Mann trat einen Schritt auf sie zu und schüttelte den Kopf. “Nein. Nein – ich heiße nicht Wolfgang.”
Er trug einen langen schwarzen Lodenmantel; hatte graues, schütteres Haar. Sein Gesicht erinnerte trotz der Falten an ein Kindergesicht, große Augen.
Er deutete auf die Brüstung.
“Du willst springen?”, fragte er.
“Nein”, sagte sie. “Ich … will allein sein.”
“In Ordnung”, sagte er.
Maria schwieg. Sie zwang sich zu einem Lächeln, als sie bemerkte, dass er nicht ging. “Ich schaue mir hier nur … die Stadt … von oben an.”
“In Ordnung”, sagte er. “Aber ich … glaube das nicht.”
“Und wenn ich es wollte? Was dann? Wenn ich einen Grund habe, wenn …”
Er hob die Hände. “Nein, ich …”
Sie fragte laut: “Warum nicht? Warum nicht?”
Er zögerte.
“Vielleicht”, sagte er schließlich. “Weil … es auch morgen noch geht?”
“Sind Sie mir gefolgt?”, fragte sie.
Er zögerte erneut. “Ja. Ja, das bin ich.”
“Wozu?”
Das schien er nicht zu wissen. Überlegte, bis er sagte: “Es … ist kalt. Könnten wir nicht … irgendwo einen Kaffee zusammen trinken … in der Nähe? Ich laufe schon lang herum und schau mir die Häuser an und … die Bäume … die Leute ...”
Er schwieg, betrachtete seine Stiefel.
Sie steckte die Hände in die Taschen des Mantels.
Weil es auch morgen geht.
Was macht das schon, ein Tag.

Beide stehen ohne Bewegung, den Atem wie Nebel im Gesicht.
“Gut”, sagt sie schließlich.
Sie setzen sich in Bewegung, gehen hinein. Fahren schweigend nach unten, betreten schweigend den Gehweg; festgetretener Schnee unter ihren Schritten.
Ein Café, nur drei Blocks entfernt.
Sie nickt.
Bei einem Abfalleimer bleibt er stehen, greift in die Seitentasche seines Mantels und zieht ein Stück Papier heraus, das er zerknüllt und hineinwirft.
Sie blickt nach oben in den Nachthimmel; es hat wieder begonnen zu schneien.

 

Hallo @FlicFlac,

auch bei deinem Text will ich noch kurz vorbeischauen. Ich habe gerade noch deinen Kommentar zur Geschichte "Zozo" gelesen und dass diese sehr detaillierte Form nicht deine ist. Und mit Blick auf deine Geschichte muss man sagen, dass du hier wirklich in ganz anderen Gefilden unterwegs bist. Von Ausschmückung kann hier keine Rede sein, der Text ist geradezu spartanisch :)

Ich kenne deine Texte ja schon. Sie sind meistens sehr genau ausgearbeitet, durchdacht und pointiert; und zielen nicht selten sogar auf den Bühnenvortrag ab!? Meistens hat das für mich gut funktioniert, vor allem bei den humoristischen Texten, die ja auf Pointen, Tempo und Verkürzung angewiesen sind.

Hier funktioniert es für mich leider überhaupt nicht. Ich hab den Anfang fünf mal gelesen und komme überhaupt nicht rein in den Text. Das ist völlig kognitiv – mein Hirn will wegen der formalen Brüche kein Szenario formen, bei dem ich der "Oma" an ihrer Seite durch die Handlung folgen kann.

Ich habe den Text darum wirklich als Außenstehender gelesen, was natürlich hier sehr problematisch ist, weil er ja von einer hochdramatischen Situation erzählen will. Das muss ja misslingen, wenn man da distanziert und nüchtern draufschaut. Ein wenig wie bei einer Zeitungsnotiz: "Gestern Personenschaden zwischen Montabaur und Limburg". Da ist man dann noch eher mitleidig bei den Bahn-Passagieren als bei der betroffenen Person, weil sie so abstrakt bleibt.

Für mich persönlich würde ich vielleicht sogar die These aufstellen, dass der Text auch in einem gefälligeren Format nicht in dieser Kürze funktionieren würde. Denn er bildet die Gefühle der alten Frau einen meinen Augen überhaupt nicht ab. Wenn man mal die traurigen Stellen raussucht, die Potenzial hätten, Empathie zu erzeugen, dann muss man sagen: Man blickt da auf Hülsen ohne individuelle Noten:

Drei Sätze, an niemanden gerichtet.

Keine Angehörigen, in die man sich hineinversetzen kann.

Zweiundsiebzig Weihnachten.

Gut, eine hohe Zahl. Und weiter?

Sie dachte an ihn; an seine am Ende gebeugte Gestalt, an die tiefen Furchen um seine Augen. Jetzt war es eine Welt ohne ihn. Ganz, ganz ohne ihn, denn Erinnerungen zählten nicht.

Für den Leser gibt es nicht eine schöne Erinnerung.

Sie erinnerte sich. An die Orte, die Tage.

Welche Tage? Welche Orte? Jeder Mensch erinnert sich immer an Tage und Orte – das ist quasi die abstrakte Definition einer Erinnerung.

Dann zerriss sie den Brief. Die Papierfetzen zerstreuten sich auf dem Boden.

Na, und? Wir wissen ja nicht, was drin stand. Lässt mich also kalt.

Wir erfahren also nichts über das, was sie am Leben vermisst. Einzig ihr Mann wird konkret gestreift, aber das ist literally ein Nebensatz und er schildert nur Negatives. Warum sollten wir also mit der Frau mitfühlen? Die Vorstellungskraft und die Empathie der Leser kann in meinen Augen mit dieser Abstraktheit gar nicht zum Leben erweckt werden. Sie hat in den Augen der Leser nichts Konkretes verloren und die Absenz von Dingen erzeugt nun mal keine inneren Bilder beim Lesen.

In meinen Augen müsste ein so kurzer Text also ganz im Gegenteil zu deinem Ansatz hochindividuell und sinnlich arbeiten. Die Frau muss ruck-zuck zu einem Menschen mit Persönlichkeit werden, sodass der Text den Leser mit wenigen Worten voll und plastisch in das frühere Leben der Frau wirft, das jetzt vorbei ist, sodass sie sich so leer fühlt. Dann würde man ihre Lage nachempfinden können. (Ich spreche wie gesagt hier natürlich nur von meiner Meinung und mutmaße einfach, dass es anderen Lesern ähnlich ergeht wie mir.)

Dasselbe gilt für den Mann: Er ist nicht mehr als ein Schemen, mit dem man sich auf Grund der Knappheit und der nüchternen Beschreibungen gar nicht identifizieren kann, in meinen Augen. Er wird völlig blass gezeichnet:

Der Mann trat einen Schritt auf sie zu und schüttelte den Kopf. “Nein. Nein – ich heiße nicht Wolfgang.”
Er trug einen langen schwarzen Lodenmantel; hatte graues, schütteres Haar. Sein Gesicht erinnerte trotz der Falten an ein Kindergesicht, große Augen.

Wie erfahren ein ganz klein wenig über sein Aussehen, aber nichts über seine Art, seine Persönlichkeit oder sein Leben.

Er schwieg, betrachtete seine Stiefel.

Bei einem Abfalleimer bleibt er stehen, greift in die Seitentasche seines Mantels, zieht ein Stück Papier heraus, das er, ohne es anzuschauen, zerknüllt und hineinwirft.

Ein Mann ohne Eigenschaft zerknüllt ein Papier, das darauf hindeutet, dass er sich umbringen wollte. So what? Warum sollte mich das interessieren? Jeden Tag bringen sich eine Menge Leute um, die ich nicht kenne. Das tangiert mich doch Null, so hart das klingt.

Zusammengefasst kann man mein Problem mit dem Text auf eine Frage reduzieren: Warum sollten mich diese beiden Figuren überhaupt interessieren? Es sind für mich Fremde ohne Persönlichkeit.

Sorry, wenn mein Kommentar so kritisch ausfällt! Ich hoffe, du nimmst es mir nicht krumm. Wahrscheinlich polarisiert der Text einfach stark, weil er so experimentell ist. Bei den einen trifft er vielleicht voll ins Schwarze, andere können überhaupt nichts mit ihm anfangen. Dieses Mal bin ich leider bei der zweiten Gruppe.

Natürlich trotzdem viel Erfolg und freundliche Grüße

HK

PS: Wäre auch gespannt, noch mal eine gewöhnlichere Variante der Geschichte zu lesen – aber eine längere, die die beiden Figuren zu Menschen macht, denen man nahekommen kann.

 
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Hallo @H. Kopper,

danke für deine Mühe, ich antworte dir gern, aber kurz darauf. Weil deine negative Kritik auf deiner Erwartungshaltung an Texte zu basieren scheint, ich aber etwas anderes vorhatte, als das, was du erwartest. Deshalb hast du weder recht noch unrecht. Ich stimme dir zu. Das ist aber in etwa so, als sagtest du mir, dass mir der Käsekuchen misslungen ist, nur habe ich Apfelpudding gemacht. Okay, das hinkt ein wenig :)

Hier funktioniert es für mich leider überhaupt nicht. Ich hab den Anfang fünf mal gelesen und komme überhaupt nicht rein in den Text. Das ist völlig kognitiv – mein Hirn will wegen der formalen Brüche kein Szenario formen, bei dem ich der "Oma" an ihrer Seite durch die Handlung folgen kann.
Siehts du, das ist das Erste. Du kommst kognitiv nicht rein, sagst du. Ich sage, das musst du auch nicht. Das ist nicht beabsichtigt. Bei Lyrik ist das ähnlich - das schreibe ich, weil ich noch mal drauf zurückkomme.
Denn er bildet die Gefühle der alten Frau einen meinen Augen überhaupt nicht ab. Wenn man mal die traurigen Stellen raussucht, die Potenzial hätten, Empathie zu erzeugen, dann muss man sagen: Man blickt da auf Hülsen ohne individuelle Noten:
Er bildet die Gefühle der Frau nicht ab, sagst du. Ich sage, ich wollte auch nicht, dass er das tut. Nicht mit der Frau / Figur solltest du dich als Leser im besten Fall identifizieren, sondern mit der Situation.

Daher sind sie und er auch keine konkreten Charaktere, sondern halten den Platz frei für den Leser, wenn er diesen einnehmen will. Indem er sich hineinversetzt, allein zu sein und da hoch zu fahren. Es ist also nicht die Geschichte einer Frau. Es könnte auch umgedreht sein, er fährt hoch und trifft sie.
Das bringt mit sich, dass das nur 'funktioniert', wenn der Leser von Anfang an an dem Thema/ der Situation interessiert ist.
Die Geschichte einer bestimmten Frau -- ist dein Käsekuchen :)
Ich hoffe ich drücke mich verständlich aus.

Ich sehe ja, hier und auch bei Testlesern, gibt es die, die ihn gut finden und die, die nicht.
Und beides kann ich verstehen.

Na, und? Wir wissen ja nicht, was drin stand. Lässt mich also kalt. Wir erfahren also nichts über das, was sie am Leben vermisst. Einzig ihr Mann wird konkret gestreift, aber das ist literally ein Nebensatz und er schildert nur Negatives. Warum sollten wir also mit der Frau mitfühlen?
Es wird nicht gezeigt, was im Brief steht, weil ich auch nicht weiß, was drinsteht. Weil es dem Leser überlassen bleibt, was da drin stehen könnte, seiner Vorstellung; das ist gleichfalls ein Platzhalter. Ebenfalls ein Platzhalter ist der verstorbene Partner. Falls du Leute verloren hast, füllst du womöglich hier deine eigenen Empfindungen ein. Oder du tust es nicht, weil du damit nichts anfangen kannst oder willst.

Die Frau muss ruck-zuck zu einem Menschen mit Persönlichkeit werden, sodass der Text den Leser mit wenigen Worten voll und plastisch in das frühere Leben der Frau wirft, das jetzt vorbei ist, sodass sie sich so leer fühlt. Dann würde man ihre Lage nachempfinden können. (Ich spreche wie gesagt hier natürlich nur von meiner Meinung und mutmaße einfach, dass es anderen Lesern ähnlich ergeht wie mir.)
Nein, sie muss nicht ruck-zuck zu einer Persönlichkeit werden für das, was ich hier ausprobieren wollte. Der Prozess des Katalysierens, dass hier Dinge aus der eigenen Vergangenheit auftauchen könnten, das sollte möglich sein.
Deshalb kam ich oben mit 'Lyrik', die kommt meist ohne konkrete Sachen oder Personen aus, es geht um Gefühle, Bilder, Situationen.
Offen gestanden, das war lange Zeit auch nicht meins, weder beim Lesen noch beim Schreiben -- daher verstehe ich deine Kritik durchaus.
Ich weiß auch, dass es eher wenige sind, die so was mögen.

@Sammis hat einfach nur lapidar und ohne jede Kritik geschrieben: 'Nicht meins.'
Fertig. Nicht ein Änderungsvorschlag, nicht ein Satz Textarbeit oder so was (was er sonst stets macht). Habe ich kapiert. War nicht seins :)

Wie erfahren ein ganz klein wenig über sein Aussehen, aber nichts über seine Art, seine Persönlichkeit oder sein Leben.
;)
Warum sollte mich das interessieren? Jeden Tag bringen sich eine Menge Leute um, die ich nicht kenne. Das tangiert mich doch Null, so hart das klingt.
Die Antwort ist, es sollte nicht und es muss nicht.

Zusammengefasst kann man mein Problem mit dem Text auf eine Frage reduzieren: Warum sollten mich diese beiden Figuren überhaupt interessieren? Es sind für mich Fremde ohne Persönlichkeit.
Ich wiederhole mich, nicht die Personen sollten im Zentrum stehen, sondern die Situation.
Sorry, wenn mein Kommentar so kritisch ausfällt! Ich hoffe, du nimmst es mir nicht krumm. Wahrscheinlich polarisiert der Text einfach stark, weil er so experimentell ist. Bei den einen trifft er vielleicht voll ins Schwarze, andere können überhaupt nichts mit ihm anfangen. Dieses Mal bin ich leider bei der zweiten Gruppe.
Genau. Etwa knapp die Hälfte der Leser, hier und auch in meinem privaten Testleserkreis, fanden den gut, waren berührt davon und sagten, es hätte viele Gedanken und Emotionen in ihnen losgetreten (was in etwa das war, was ich erhoffte).
Die anderen meinten, ich solle doch lieber wieder mein andres Zeug schreiben, mit so was wie 'Schnee' können sie wenig bis nix anfangen. (Mach ich auch wieder).

Wäre auch gespannt, noch mal eine gewöhnlichere Variante der Geschichte zu lesen – aber eine längere, die die beiden Figuren zu Menschen macht, denen man nahekommen kann.
Wenn du im Gegenzug die erste Strophe von Eichendorffs 'Mondnacht' in einen Prosatext umschreibst:

Es war, als hätt der Himmel
Die Erde still geküsst,
Dass sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müsst.

Nicht so ernst gemeint. Just kidding.

Ernster: Das wäre ein anderer Text, wenn ich 'Schnee' so schreiben würde, wie du es vorschlägst. Vielleicht einer, der spannender ist. Logischer, packender.

Ich kenne deine Texte ja schon. Sie sind meistens sehr genau ausgearbeitet, durchdacht und pointiert; und zielen nicht selten sogar auf den Bühnenvortrag ab!? Meistens hat das für mich gut funktioniert, vor allem bei den humoristischen Texten, die ja auf Pointen, Tempo und Verkürzung angewiesen sind.
Danke für das 'ausgearbeitet, durchdacht und pointiert' :)

Und nein, ich nehm dir nix übel. Aus deiner Sicht, von dem her betrachtet, was eine Geschichte (an)bieten sollte, ist alles, was du sagst, verständlich und wahr.


Gruß von Flac

edit oder p.s.: Ist mir eben eingefallen, auch umgekehrt geht es, auch das gibt es: jemand sagte mir nach dem Lesen von 'Schnee', endlich schreibe ich nicht mehr so 'verkopft' und 'rational', sondern 'schön' :lol:

 

Danke für die souveräne Antwort, @FlicFlac!

Ich hatte mir schon gedacht, dass du etwas ganz Spezielles im Sinn hast, konnte mir aber keinen Reim darauf machen. Jetzt bin ich schlauer, wobei ich noch anfügen will, dass ich gerade die Situation auffallend ungewöhnlich fand. In sie konnte ich persönlich mich nur schwerlich reinversetzen, mit dem Dach und der zufälligen Gesellschaft dort oben. Spannend! Zeigt mal wieder, dass jeder Leser anders liest.

Noch einmal freundliche Grüße

HK

 

@Sammis hat einfach nur lapidar und ohne jede Kritik geschrieben: 'Nicht meins.'
Fertig. Nicht ein Änderungsvorschlag, nicht ein Satz Textarbeit oder so was (was er sonst stets macht). Habe ich kapiert. War nicht seins
Ich schieb noch nen Krümel nach: Nicht meins, soll heißen: Kann ich nix mit anfangen. Aber auch: Davon verstehe ich nix.
Und da halte ich es mit den Worten von Nuhr: Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten!

 

@Sammis hat einfach nur lapidar und ohne jede Kritik geschrieben: 'Nicht meins.'
Fertig. Nicht ein Änderungsvorschlag, nicht ein Satz Textarbeit oder so was (was er sonst stets macht). Habe ich kapiert. War nicht seins
Ich schieb noch nen Krümel nach: Nicht meins, soll heißen: Kann ich nix mit anfangen. Aber auch: Davon verstehe ich nix.
Und da halte ich es mit den Worten von Nuhr: Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten!
Und exakt so habe ich dich verstanden :)

 

Hoi @FlicFlac

Hier meine Gedanken zu deiner kleinen Feinen.
Ich mags eigentlich nicht, wenn es nach Suizidtext riecht. Obwohl ich selber auch schon Texte in diese Richtung ... egal.
Ich nehm's vorne weg, deinen mochte ich dann doch; klar, der geht ja auch gut aus, für den Moment jedenfalls. :D

Zuerst war mir nicht klar, für was die Zahlen stehen.

VIERUNDZWANZIG
Der Fahrstuhl öffnete sich, sie ging die wenigen Schritte zur Tür, die aufs Dach hinausführte.
– Pling – VIERUNDZWANZIGster Stock – na jetzt, alles klar! :D

Ich würde dem Öffnen der Türen einen Punkt spendieren.
Der Fahrstuhl öffnete sich. Sie ging ...

Sie ging nicht gleich hinaus, sondern blickte kurz zurück; er war noch da.
Wer? Ja, ja, okay, der Fahrstuhl. Aber auch ich habs nicht gleich beim ersten Mal geschnallt. Wenn man es weiss, jo, dann passt es natürlich. Man liesst alles Weitere im Bezug auf denselben.
Vorschlag: ..., sondern blickte kurz zurück; geschlossene Türen, aber er war noch da.

Maria überlegte, den Brief hier zurückzulassen.
Im Fahrstuhl? Naja, da wird er wenigstens nicht weggeweht. ;)

Die Kälte traf ihr Gesicht. Sie zog den Reißverschluss hoch.
Dann schritt sie zur Brüstung; sie sah die beleuchteten Fenster im Gebäude gegenüber,
Sie, sie und sie – wo man hinschaut. Das dritte könnte man weglassen. Aber ich verbuch's mal unter Stilmittel.

So ist das, hier stehe ich. Und es ist schon vorbei.
Das verstehe ich nicht. Was soll schon vorbei sein? Das Leben? Oder die Absicht, zu springen? Nee, passt irgendwie nichts dergleichen.

Jetzt war es eine Welt ohne ihn. Ganz, ganz ohne ihn, denn Erinnerungen zählten nicht.
Schön formuliert. Liest man ja häufig auf Todesanzeigen: Die Erinnerung bleibt, und so.
Aber der Mensch fehlt nun mal. Punkt.

Es ist nicht schwer, es ist leicht.
Ich glaub, ich in zu doof. Die Gedanken deiner Prota sind mir einfach suspekt. Bezieht sie das auf den letzten Schritt?

Zögerte.
Nur noch ein Meter. Ein langer Weg hierher, aber jetzt nur noch ein Meter.
Ha, endlich einen Gedankengang, den ich kapiere. Und erst noch ein schöner, also im Sinn der Formulierung.

Als ob sie sich eben noch bewegt hätte. Wie bei diesem Spiel, Ochs am Berg.
Schön, dass hier eine Kindheitserinnerung aufflackert. Obwohl es ja der Erzähler bringt.

Maria zitterte. “Wolfgang?”, fragte sie.
Ist natürlich doppeldeutig. Ihre Gedanken sind im Angesicht des Todes nah bei ihrem Mann; Wolfgang könnte aber auch ihr Nachbar sein.

Er deutete auf die Brüstung.
“Du willst springen?”, fragte er.
“Nein”, sagte sie. “Ich … will allein sein.”
“In Ordnung”, sagte er.
Maria schwieg. Sie zwang sich zu einem Lächeln, als sie bemerkte, dass er nicht ging. “Ich schaue mir hier nur … die Stadt … von oben an.”
“In Ordnung”, sagte er. “Aber ich … glaube das nicht.”
Das fand ich wirklich gut getroffen. Sehr authentisch – dieses ha! ertappt, aber nee, is nicht so, wies aussieht und glaub ich nicht
ja, das passt alles.

Er zögerte.
“Vielleicht”, sagte er schließlich. “Weil … es auch morgen noch geht?”
Sehr fein, mag ich! Zumal mir schwant, dass der Mann nicht zufällig auf dem Dach ist. Kommt gut, ich spüre es ...
Das 'noch' könnte man hier weglassen, zumal du deine Prota in Gedanken den Satz ohne 'noch' wiederholen lässt.

Beide stehen ohne Bewegung, den Atem wie Nebel im Gesicht.
Sehr schönes Bild.

Sie setzen sich in Bewegung, gehen hinein. Fahren schweigend nach unten, betreten schweigend den Gehweg; festgetretener Schnee unter ihren Schritten.
Ein Café, nur drei Blocks entfernt.
Sie nickt.
Jedes Wort zwischen ihnen wäre eins zuviel. Es passiert hier sehr viel zwischen den knappen Sätzen, diese stille Übereinkunft. Top!

Bei einem Abfalleimer bleibt er stehen, greift in die Seitentasche seines Mantels, zieht ein Stück Papier heraus, das er, ohne es anzuschauen, zerknüllt und hineinwirft.
Wusste ich's doch. Sehr schön, morgen geht's auch noch, oder nächstes Jahr ...

Sie bemerkt die Schneeflocken, blickt nach oben in den Nachthimmel, es hat wieder begonnen zu schneien.
Redundanz kann reizvoll sein. Hier beim finalen Satz stört sie mich. Aber ich hab jetzt auch kein Gegenrezept.

Ja, lieber FlicFlac, da hast du mich kurz & gut unterhalten.
Mit überraschender Wendung und versöhnlichem End.
Und weil bald Weihnachten, ist das mit Sicherheit der Beginn einer wunderbaren Freundschaft zwischen den beiden.

Viel Erfolg bei der Challenge und liebe Grüsse,
dot

 
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Hallo @dotslash und schönen Dank für deinen Besuch und deine Anmerkungen! Ich komm gleich zu denen:

VIERUNDZWANZIG
Der Fahrstuhl öffnete sich, sie ging die wenigen Schritte zur Tür, die aufs Dach hinausführte.
– Pling – VIERUNDZWANZIGster Stock – na jetzt, alles klar! :D Ich würde dem Öffnen der Türen einen Punkt spendieren.
Eigentlich kommt das Komma nach 'ging'. Bis dahin keine Pause. Ein Punktstrich wär möglich, der Fluss sollte an anderen Stellen unterbrochen sein.
Der Fahrstuhl öffnete sich sie ging, die wenigen Schritte zur Tür die aufs, Dach hinausführte.
Sie ging nicht gleich hinaus, sondern blickte kurz zurück; er war noch da.
Wer? Ja, ja, okay, der Fahrstuhl. Aber auch ich habs nicht gleich beim ersten Mal geschnallt. Wenn man es weiss, jo, dann passt es natürlich. Man liesst alles Weitere im Bezug auf denselben.
Vorschlag: ..., sondern blickte kurz zurück; geschlossene Türen, aber er war noch da.
Die Stelle beschäftigt mich schon lange. Ich tendiere fast dazu, den Fahrstuhl erneut zu nennen. Das mit den geschlossenen Türen gefällt mir nicht. Also:
Sie ging nicht gleich hinaus, sondern blickte kurz zurück; der Fahrstuhl war noch da.
;)
Die Kälte traf ihr Gesicht. Sie zog den Reißverschluss hoch.
Dann schritt sie zur Brüstung; sie sah die beleuchteten Fenster im Gebäude gegenüber,
Sie, sie und sie – wo man hinschaut. Das dritte könnte man weglassen. Aber ich verbuch's mal unter Stilmittel.
Hmm, hab das jetzt öfter laut gelesen. Beim dritten Mal muss das 'sah' betont sein. Könnte man das 'sie' also weglassen, eigentlich. Es stört akustisch allerdings in dem Fall nicht. Ich lasse es erst mal drin.

So ist das, hier stehe ich. Und es ist schon vorbei.
Das verstehe ich nicht. Was soll schon vorbei sein? Das Leben? Oder die Absicht, zu springen? Nee, passt irgendwie nichts dergleichen.
Du sagst es doch: ihr Leben. Es kann ihr ja nur bewusst werden, dass es zuende ist, bevor es zuende ist. Auch wenn das in der Logik nur gedanklich stimmt, es 'vorgreift'. Logisch korrekt müsste es heißen: Und es ist gleich vorbei. Das klingt allerdings nicht bitter-final genug.

Jetzt war es eine Welt ohne ihn. Ganz, ganz ohne ihn, denn Erinnerungen zählten nicht.
Schön formuliert. Liest man ja häufig auf Todesanzeigen: Die Erinnerung bleibt, und so.
Aber der Mensch fehlt nun mal. Punkt.
Genau so habe ichs gedacht.
Punkt.
Es ist nicht schwer, es ist leicht.
Ich glaub, ich in zu doof. Die Gedanken deiner Prota sind mir einfach suspekt. Bezieht sie das auf den letzten Schritt?
Nix doof; es ist, wie du sagst. Ganz leicht ist: klettern, springen, nichts schwierig dran, technisch. 2 Sekunden und es ist geschafft.

Zögerte.
Nur noch ein Meter. Ein langer Weg hierher, aber jetzt nur noch ein Meter.
Ha, endlich einen Gedankengang, den ich kapiere. Und erst noch ein schöner, also im Sinn der Formulierung.
Ja. Der lange Weg, ihr gesamtes Leben. Und es läuft auf diesen letzten Meter hinaus.
Als ob sie sich eben noch bewegt hätte. Wie bei diesem Spiel, Ochs am Berg.
Schön, dass hier eine Kindheitserinnerung aufflackert. Obwohl es ja der Erzähler bringt.
Ja, wichtig ist nur, dass es vorkommt.
es.
Er zögerte.
“Vielleicht”, sagte er schließlich. “Weil … es auch morgen noch geht?”
Sehr fein, mag ich! Zumal mir schwant, dass der Mann nicht zufällig auf dem Dach ist. Kommt gut, ich spüre es ...
Das 'noch' könnte man hier weglassen, zumal du deine Prota in Gedanken den Satz ohne 'noch' wiederholen lässt.
Wegen des 'noch': Tatsächlich, bei ihrer Wiederholung passt das 'noch' nicht mehr, dort stand es zunächst auch, um die Formulierung zu wiederholen, und ich strich es wieder raus. Bei ihm hingegen -- ist allerdings eine knappe Sache -- halte ich die Formulierung mit dem 'noch' für wahrscheinlicher, weil 'üblich'. Deshalb vermutlich auch auf Anhieb verständlicher. Nach langer Erwägung lasse ich es erst mal da stehen.
Bei einem Abfalleimer bleibt er stehen, greift in die Seitentasche seines Mantels, zieht ein Stück Papier heraus, das er, ohne es anzuschauen, zerknüllt und hineinwirft.
Wusste ich's doch. Sehr schön, morgen geht's auch noch, oder nächstes Jahr ...
Den Einschub hatte ich, um die Handlung ein wenig hinauszuzögern; erwähnenswert wäre, wen er es noch einmal anschauen würde. Daher streiche ich das jetzt, auf die 3 Wörter, die kaum Sinn haben, kommt es in der Tat nicht an.

Sie bemerkt die Schneeflocken, blickt nach oben in den Nachthimmel, es hat wieder begonnen zu schneien.
Redundanz kann reizvoll sein. Hier beim finalen Satz stört sie mich. Aber ich hab jetzt auch kein Gegenrezept.
Die Stelle, die mich in den Wahnsinn treibt. Ich glaube, da steht jetzt die 5. Version. Unfasslich, dass ein Satz weit überproportional Zeit verschlingt und dann gibt es immer noch nichts, was gut ist. Und du präsentierst ja auch keinen Vorschlag. Ich habe den gelassen, weil da auch 1 oder 2 Stimmen sagten, es gefalle ihnen, da muss ich ja nicht immer dabei sein. Der Punkt ist, der Schnee steht für was. Warum nicht einfach: Sie blickt nach oben, es hat wieder begonnen zu schneien? Weil es eine Wahrnehmung sein sollte, die sie veranlasst, nach oben zu sehen. Sonst sieht sie zufällig nach oben und sieht, dass es wieder schneit. Die Wahrnehmung will ich, weil sie zeigt, dass sie aus dem Kopf (der Vergangenheit) raus ist und jetzt nach außen orientiert. Vielleicht braucht es das aber auch nicht, weil man sich dazudenken kann, dass sie die Flocken gesehen hat und deshalb nach oben schaut?
Oder: Vielleicht ohne den letzten Teil? Sie bemerkt die Schneeflocken, blickt nach oben in den Nachthimmel? Klingt nicht ...

Also, kurzerhand, ich lösche den ersten Teil und hoffe, dass es nicht zufällig wirkt ;)

Freundlich
Flac

 

Da bin ich also auf einen Gegenbesuch, lieber Flicflac,

ich habe deine Geschichte im Verlauf schon einige Male gelesen, auch mal Kommentare, komme also nicht mehr in dieses unwissende Stadium vom Anfang zurück, wo mir der erste Teil doch sehr unklar erschien. Ich mag den Wechsel aus Handlung und kursiv gedruckten Gedanken. Auch dieses ganz zarte, reduzierte, die einfachen Sätze, die so zeigen, wie sich die Welt für Maria auf ihr Vorhaben verengt hat.
Wenn der Mann dazu kommt, im Dialog, fängt der Text richtig an zu leuchten, finde ich. So zwei einsame Seelen, die sich berühren und ein wenig Halt geben.
Aber vorher ruckelt es für mich hier und da, wirkt irgendwie unpräzise.

SIEBEN
Maria überlegte, den Brief hier zurückzulassen. Brief? Sie warf einen Blick auf das Papier, das sie in der Hand hielt; kaum eine halbe Seite, drei Sätze, das war ihre letzte Mitteilung. Drei Sätze, an niemanden gerichtet.
Niemand ist mir eingefallen.
Ich vermute, du möchtest es mit Absicht etwas geheimnisvoll lassen. Mir würde es besser gefallen, wenn du "Etage sieben" schreiben würdest. Oder "Maria überlegte, den Brief im Aufzug zurückzulassen."
VIERZEHN
So endet es. Von Anfang bis Ende. Von hier nach dort.
Nicht einmal hatte sie versucht, sich das vorzustellen.
Sie meint, dass sie nie gedacht hätte, einmal in diese Situation zu kommen? Irgendwie kommt mir der Satz sperrig vor. Warum hätte sie versuchen sollen, sich das vorzustellen? Aber diese leise Fassungslosigkeit, das es das jetzt schon war, dass ihr Weg sie jetzt hierher geführt hat, das ist gut spürbar.
EINUNDZWANZIG
Niemand sieht mich, weil es niemanden gibt. Auch das hab ich nicht für möglich gehalten.
Niemand im Aufzug? In ihrem Leben? Auf dem Dach? Einsamkeit ist hier ja das Hauptthema, denke ich.
Der Fahrstuhl öffnete sich, sie ging die wenigen Schritte zur Tür, die aufs Dach hinausführte. Sie ging nicht gleich hinaus, sondern blickte kurz zurück; der Fahrstuhl war noch da.
Mein letzter Begleiter; einer, der nichts hört und sieht. Der meinen blauen Lieblingsmantel nicht sieht, den ich als letzten trage, shocking blue.
Schöne Idee mit dem Fahrstuhl als Begleiter. Hatte ich beim ersten Mal nicht verstanden.
So ist das, hier stehe ich. Und es ist schon vorbei.
Zweiundsiebzig Weihnachten.
Und ich bin der einzige Gast. Das dritte Mal ohne dich.
Sie steht auf dem Dach. Ist sie ein Gast?
Sie dachte an ihn; an seine am Ende gebeugte Gestalt, an die tiefen Furchen um seine Augen. Jetzt war es eine Welt ohne ihn. Ganz, ganz ohne ihn, denn Erinnerungen zählten nicht.
So bitter.
Maria zitterte. “Wolfgang?”, fragte sie.
Schweigen.
“Bist du es?”
Der Mann trat einen Schritt auf sie zu und schüttelte den Kopf. “Nein. Nein – ich heiße nicht Wolfgang.”
Ab hier bin ich, wie gesagt, begeistert von dem Text. Dass sie so durch den Wind ist, dass sie hier ihren verstorbenen Mann vermutet. Auch, dass dieser Dialog so stockend ist, mit vielen Pünktchen und Bindestrichen, dass sich da zwei außerhalb von normalen Konventionen befinden, das spiegelt der Dialog gut.
Er deutete auf die Brüstung.
“Du willst springen?”, fragte er.
“Nein”, sagte sie. “Ich … will allein sein.”
“In Ordnung”, sagte er.
Mit ihm hast du da überhaupt eine sehr berührende Figur eingeführt. Einer, der selbst so hautlos und lebensmüde ist, aber die Hand ausstreckt.
“In Ordnung”, sagte er. “Aber ich … glaube das nicht.”
“Und wenn ich es wollte? Was dann? Wenn ich einen Grund habe, wenn …”
Er hob die Hände. “Nein, ich …”
Sie fragte laut: “Warum nicht? Warum nicht?”
Irgendwie auch sehr filmisch. Im zweiten Teil könnte ich jeden Satz zitieren.
Er zögerte erneut. “Ja. Ja, das bin ich.”
“Wozu?”
Das schien er nicht zu wissen. Überlegte, bis er sagte: “Es … ist kalt. Könnten wir nicht … irgendwo einen Kaffee zusammen trinken … in der Nähe? Ich laufe schon lang herum und schau mir die Häuser an und … die Bäume … die Leute ...”
Er schwieg, betrachtete seine Stiefel.
Schön.
Beide stehen ohne Bewegung, den Atem wie Nebel im Gesicht.
“Gut”, sagt sie schließlich.
Sie setzen sich in Bewegung, gehen hinein. Fahren schweigend nach unten, betreten schweigend den Gehweg; festgetretener Schnee unter ihren Schritten.
Ja, es ist ein Verschieben auf ein Morgen, mit der Chance, das darauf ein weiteres Morgen folgt und vielleicht noch eins ...

Im zweiten Teil hattest du mich und ob du den ersten Teil noch klarer gestalten willst das ist natürlich deine Entscheidung. Auf jeden Fall ist das ein berührender Text, ich bin den beiden gerne gefolgt.

Liebe Grüße von Chutney

 

Hallo @Chutney --

vielen Dank für deine wohlwollenden Worte. Es freut mich, dass dich das berühren konnte. Das ist ja sehr unterschiedlich hier gewesen, was auch zu erwarten war.

Wenn der Mann dazu kommt, im Dialog, fängt der Text richtig an zu leuchten, finde ich. So zwei einsame Seelen, die sich berühren und ein wenig Halt geben.
Wow. Das ist ein starkes Kompliment (und eine ungewöhnliche Formulierung) -- zu leuchten -- . Was wichtig war für mich, das sind zwei, die am selben Punkt stehen, aber es ändert was, dass sie sich ein 'Du' geben, dass einer im anderen etwas hervorholen kann, was eben auch noch vorhanden ist.
VIERZEHN
So endet es. Von Anfang bis Ende. Von hier nach dort.
Nicht einmal hatte sie versucht, sich das vorzustellen.
Sie meint, dass sie nie gedacht hätte, einmal in diese Situation zu kommen? Irgendwie kommt mir der Satz sperrig vor. Warum hätte sie versuchen sollen, sich das vorzustellen?
Tatsächlich gefällt mir der auch nicht (mehr). Ja, manchmal macht man sich ja so Gedanken, was wäre, wenn mein Partner nicht mehr da wäre? Ich werde den vereinfachen, weiß noch nicht genau, wie. Danke dir.

EINUNDZWANZIG
Niemand sieht mich, weil es niemanden gibt. Auch das hab ich nicht für möglich gehalten.
Niemand im Aufzug? In ihrem Leben? Auf dem Dach? Einsamkeit ist hier ja das Hauptthema, denke ich.
Das ist so etwas, was ich dem Lesenden überlassen will. Das kann man konkret lesen -- oder etwas Allgemeingültiges darin erkennen.

Maria zitterte. “Wolfgang?”, fragte sie.
Schweigen.
“Bist du es?”
Der Mann trat einen Schritt auf sie zu und schüttelte den Kopf. “Nein. Nein – ich heiße nicht Wolfgang.”
Ab hier bin ich, wie gesagt, begeistert von dem Text. Dass sie so durch den Wind ist, dass sie hier ihren verstorbenen Mann vermutet. Auch, dass dieser Dialog so stockend ist, mit vielen Pünktchen und Bindestrichen, dass sich da zwei außerhalb von normalen Konventionen befinden, das spiegelt der Dialog gut.
Ja, die Sachen im Dialog werden sehr stockend und langsam gesprochen. Ich wollte nicht zu vielen ... machen, aber es eigentlich noch zu wenig. Das ist mit viel Pausen zwischendrin. Da bildet sich das Gesprochene in Zeitlupe.

Er deutete auf die Brüstung.
“Du willst springen?”, fragte er.
“Nein”, sagte sie. “Ich … will allein sein.”
“In Ordnung”, sagte er.
Mit ihm hast du da überhaupt eine sehr berührende Figur eingeführt. Einer, der selbst so hautlos und lebensmüde ist, aber die Hand ausstreckt.
Danke dir!

Gruß von Flac

 

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