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Schocker

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13.02.2003
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Schocker

Bill befand sich mitten in seiner Dreharbeit, als der Schocker nach ihm rief, ihn aufforderte, sich einen Haken vom Härteofen zu packen und ihm damit zu folgen.
Der Schocker und Bill benutzten den Lastenaufzug, da der Alte schwer zu Fuß war. Unterwegs quatschten sie nur wenig. Dafür fehlte dem Schocker die nötige Luft, da er scheinbar zu der Sorte Rauchern gehörte, die die Meinung vertraten, dass man so oder so kaputt ginge, mit oder ohne den blauen Dunst, den er genüsslich durch die wenigen Zähne blies, die ihm noch verblieben waren.
Er war ein untersetzter Mann mit kurzen Hals und einem runden Bierbauch. Seine Bartstoppeln, die wild wuchsen, machten sein Gesicht nicht gerade ansehnlicher und seine silbergrauen Augen waren kalt und ausdruckslos.
Bill wusste nicht, ob es an seinem Aussehen lag, der ihn den Spitznamen Schocker eingebracht hatte. Doch obwohl der Alte so ein brummiger und zeitweise ein ziemlich unfreundlicher Mann war, mochte Bill ihn komischerweise, obwohl ihm in diesem Moment gerade bewusst wurde, dass er seinen richtigen Namen gar nicht kannte.
Unten angekommen stieß der Schocker die Aufzugstüre auf, überließ es Bill, sie wieder zu schließen, wobei der Alte keinen Gedanken daran verschwendete, auf den Jungen zu warten, sondern bestrebt seinem Ziel entgegen schritt.
Noch vor der Gittertüre kramte er seinen Schlüsselbund aus der Hosentasche und führte den Passenden ins Schloß.
„Die Notbeleuchtung ist immer an. Wenn du mehr Licht brauchst, findest du den Schalter links in der Ecke.“
Der Schocker ging auf die Ecke zu, auf die er deutete und schaltete das übrige Licht ein, das nach mehreren Flackern den Raum erhellte.
Die Regale waren in U-Form entlang der Wände aufgebaut und ein weiteres stand in der Mitte des Raumes, so dass man mit einem kleinen Gabelstapler gerade noch zwischenher fahren konnte.
Der Schocker bewegte sich auf eines dieser Regale an der Wand zu, ging vor einem in die Hocke und wies den Jungen mit einem Blick an, dasselbe zu tun.
So ging Bill neben ihn in die gleiche Stellung und schaute hinter das Regal auf die Stelle, wo die in Pappe eingewickelte Eisenplatte hinter einem am Boden verlaufenden Träger sich hochkant verkeilt hatte.
Beide versuchten nun die Haken unter die Plastikschlaufen zu schlagen, mit denen die Pappe festgezurrt war. Nach einigen Versuchen steckten die Haken fest, doch die Platte stand in einem so ungünstigen Winkel zur Wand, so dass sie, so sehr sich auch die Beiden bemühten, auch unter dem größten Kraftaufwand nicht frei zu bekommen war.
„Nichts zu machen“, sagte der Alte, sichtlich erschöpft von den Versuchen, da die Schweißperlen ihm schon übers ganze Gesicht liefen und sich an seinem Kinn sammelten. Mit einem Stofftaschentuch trocknete er sich wiederholte Male, doch hatte es den Anschein, dass je intensiver er sich bemühte, trocken zu wischen, umso mehr Wasser aus seinen Poren schoss.
Er wischte, keuchte und hustete, mit geöffneten Mund und gerollter Zunge und die Lunge gab eine ganz gehörige Portion Schleim frei, den er schmatzend wieder nach unten beförderte, bevor er sich wieder Bill zuwandte.
„Hilft alles nichts“, sagte er mit dünnem Atem, „wir müssen das Regal etwas nach vorne ziehen. Dazu brauchen wir die Ketten von oben“, beendete er seinen Satz und es war klar, wer dazu auserkoren war, diese zu holen.
So machte Bill sich auf und besorgte die Ketten, die sie nach seiner Rückkehr in den Keller um einen Pfosten des Regals legten und deren Enden an den Gabelstapler hingen.
Der Schocker zog sich auf den kleinen Elektrostapler, wischte noch mal trocken und trat anschließend aufs Gaspedal.
Der Stapler setzte mit einem Ruck nach vorne und wurde beim Erreichen des Kettenendes unsanft zurückgehalten, wobei er seitlich zu kippen drohte, da die Lenkrolle, die hinten mittig saß, nicht in der Lage war, den Stapler zu stabilisieren. Der Schocker reagierte jedoch augenblicklich, indem er geschickt sein Gewicht verlagerte und somit den Bock wieder zum sicheren Stehen brachte.
Voller Stolz über sein geglücktes Manöver lächelte er. Unglaublich, dachte Bill. Der Schocker lächelte! Und das war noch untertrieben, denn das Lachen schwappte aus ihm, wie Wein aus einem vollen, schunkelnden Fass.
Und Bill, sichtlich von dieser Freude überrascht, konnte nicht anders, als ins Gelächter mit einzustimmen. Dieser gemeinsame Freudenausbruch schien das kalte Eis zwischen ihnen endgültig gebrochen zu haben.

Zusammen ließen sie sich wieder auf die Knie herab und tatsächlich: Das Regal war zwar nicht viel gekommen, aber es reichte aus, um die Eisenplatte nun mit den Haken aus ihrer Lage zu befreien.
Nach getaner Arbeit verblieben der Schocker und Bill noch eine Weile in der Hocke, wobei sie sich zufrieden anschauten.
Der Schocker war schwer aus der Puste und hustete heftig und bedrohlich. Bill machte sich nun ernstlich Sorgen, dass er ihm hier unten abschmierte.
Bill dachte, dass jetzt der Zeitpunkt seines Ablebens gekommen war.
In Gedanken sah er sich schon dabei, wie er wie wild auf seinen Brustkorb einschlug, um ihn wieder zu beleben. Doch just in diesen Moment erholte er sich von seinen Hustenanfall und als ob er diese kurze Wiedergenesung feierlich besiegeln wolle, zog er sein silbernes Zigarettenetui aus der Hemdstasche, klappte es auf und nahm sich eine seiner selbstgestopften Kippen heraus. Er steckte sich die Zigarette zwischen seine krustigen, alten Lippen und zündete sie sich an.
„Du rauchst wohl nicht?“ fragte er Bill, wobei seine silbergrauen Augen ihn gründlich musterten.
„Nein“, erwiderte Bill.
„Tja, dann bist du wohl schlauer, als ich es bin“, sagte der Schocker.
Bill sah ihn nur an, wie er an seiner Zigarette sog, dabei nach Luft japste, gleichzeitig einen Brocken hoch hustete, wobei seine Lungen einen tiefen, keuchenden, schmutzigen Ton erzeugten, und antwortete nicht.
Stattdessen packte er die Ketten auf den Stapler und schloss beim Verlassen des Lagers die Kellertüre ab, während der Schocker den Stapler in den Lastenaufzug fuhr.
„Komm endlich“, befahl der Schocker, der nun von plötzlicher Ungeduld gepackt, aus dem Aufzug zu Bill rüber sah.
Bill hatte kaum die Aufzugstüren geschlossen, als sie sich auch schon in Bewegung setzten.
Doch zu Bills Verwunderung fuhr der Aufzug nicht nach oben und seine Verwunderung steigerte sich schnell in panische Furcht, denn eigentlich befanden sie sich schon ganz unten.
Bill wollte den Schocker schon fragen, was dies alles zu bedeuten hätte, doch der Schocker schien genauso erschüttert und jegliche Versuche seinerseits den Aufzug wieder zum Stillstand zu bringen oder gar zur Rückkehr zu bewegen, schlugen fehl.
In Bills Herz schlich eine grauenvolle Furcht, die ihn die Luft abzuschnüren drohte, je tiefer der Aufzug in die Erde hinabfuhr.
Diese Furcht schob nun rücksichtslos den Schocker beiseite und Bills Finger klammerten sich um den Notkippschalter, den er panisch auf und ab betätigte, jedoch ohne den gewünschten Erfolg verbuchen zu können.
Die technischen Möglichkeiten, den Aufzug zu stoppen, waren demnach schnell ausgeschöpft. Das Einzige, was den beiden blieb, war abzuwarten und sich zu fragen, wie lange ihre Fahrt wohl noch andauerte und vor allen Dingen wo diese ungewollte Reise endete.
Und gerade als Bill dachte, die Pforten zur Unterwelt überschritten zu haben und jegliche Hoffnung im Begriff war, dahinzusiechen, legte der Aufzug einen abrupten Halt ein.
Einige Sekunden lang geschah nichts weiter, als mit einem Mal, begleitet von einem hydraulischen Zischen, die Türen auseinander glitten.
„Wo zum Geier sind wir hier gelandet?“ fragte Bill, doch die Art wie der Schocker ihn ansah, verriet, dass er darauf keine zufrieden stellende Antwort erhalten würde.
Vor ihnen eröffnete sich ein mit Marmorplatten gefliester Gang, der in eine endlose ägyptische Finsternis hineinführte.
Bill spürte schon innerlich dieses Widerstreben, diesen Flur entlang zu gehen und machte sich sofort wieder an den verschiedenen Knöpfen und Schaltern zu schaffen, doch der Aufzug rührte sich nicht mehr von Stelle und auch sonst schien niemand auf den ausgelösten Notruf zu reagieren, wenn er denn ausgelöst worden war.
So blieben ihnen nur zwei Möglichkeiten, denn letztendlich blieb einem immer die Wahl zwischen zwei Entscheidungen, die richtige zu treffen.
Für den Schocker und Bill hieß es nunmehr entweder im Aufzugskorb zu verharren, auf eventuelle Rettungsaktionen hoffend oder selber aktiv zu werden. Doch das würde wiederum bedeuten, herauszufinden, was sie am Ende dieses Ganges erwartete.
Mit schweren Schritten tapsten sie schließlich in die Dunkelheit hinaus.
Man konnte kaum die sprichwörtliche Hand vor Augen erkennen und das einzige, was sie hörten, war das Echo, welches ihre Schuhe auf dem Marmorboden erzeugten.
Sie wussten nicht, wie viele Meter sie dieser Gang schon in diesen Bau hineingeführt hatte, als sie auf eine Eisenwand stießen, die genauso breit wie der Gang selbst war und sich ihnen nun unüberwindlich in den Weg stellte.
Das Metall der Wand war zu einem Spiegel poliert, auf dessen Oberfläche kein Öffnungsmechanismus, geschweige denn ein popliger Türknauf zu erkennen war.
Die kleine Flamme der Hoffnung, die sich in Bills Herz entzündet hatte, wurde von der scheinbaren Ausweglosigkeit ihrer Situation erstickt.
Bill spürte, wie Tränen in seine Augen stiegen und voller Verzweiflung begann er auf die Wand einzuhämmern.
„Das gibt es doch nicht. Das kann doch nicht wahr sein. Es muss doch einen Weg hier raus geben“, schrie er die Wand an.
Doch als gerade eine Träne über Bills Wange kullerte, begann sich das Material der Wand zu verflüssigen. Bill, dessen Sicht durch die Tränen verschwommen war, entging diese Tatsache und wurde somit beim nächsten Fausthieb, den er der Wand versetzen wollte, in sie hineingesogen.
Bill spürte wie sogleich eine ungeheure Gravitation an seinen Körper zerrte, der schließlich in seine einzelnen Atome zerfiel. Das war der Moment, in dem Bill auch sein Bewusstsein verlor.
Als Bill das Bewusstsein wiedererlangte, wusste er nicht, wie viel Zeit seitdem vergangen war, oder wo er sich jetzt gerade befand. Aber er war froh, dass sein Körper wieder scheinbar an einem Stück war, auch wenn gerade eine unerklärbare Kälte sich in und auf ihm ausbreitete.
Als Bill versuchte, sich aufzurichten, stellte er nicht nur erschrocken fest, dass er festgeschnallt war, sondern gleichzeitig erkannte er auch den Grund für die Kälte.
Er lag nackt auf einer metallenen Bahre, um seine Knöchel, Oberschenkel, Taille und um seine Stirn legten sich lederne Manschetten, die ebenso seine Hände daran hinderten, irgendeine Bewegung auszuführen.
Entsetzt stellte er fest, dass man auch irgendwas in seine Augen gesteckt hatte, um seine Augenlider aufgeschlagen zu halten.
Über seinen Kopf war eine Apparatur angebracht, die in regelmäßigen Abständen eine grünliche Lösung in seine Augen träufelte.
Bill rollte die Augen in alle Richtungen, um sich einen Überblick seiner Lage zu verschaffen, doch der Radius seines Gesichtsfeldes war verständlicherweise sehr begrenzt.
Doch war es gerade genug, um Bill einen weiteren tiefen Schrecken zu versetzen, denn es erfasste ein silbernes Tablett, auf dem sich die verschiedensten chirurgischen Instrumente formierten.
Doch damit nicht genug, denn als Bills Blick sich auf die hintere Wand jenseits des Tabletts fokussierte, erkannte er eine Art Paternoster, in dem sich Reagenzgläser in den unterschiedlichsten Größen sammelten, in denen verschiedene bekannte und unbekannte Organe menschlicher und unmenschlicher Natur in einer gelben Flüssigkeit schwammen.
Dieser Anblick hätte normalerweise ausgereicht, um aus Bills Kehle ein Schrei entweichen zu lassen, doch war dies das nächste, was ihn schockierte.
Seine Stimmbänder schienen gelähmt und Bill war außerstande auch nur einen Ton von sich zu geben.
Aber noch etwas fiel Bill auf. Es war kaum merklich, aber der ganze Raum schien in Bewegung zu sein und ein unerklärliches Gefühl der Schwerelosigkeit wirkte auf seinen Gleichgewichtsinn ein, sodass ihm schwindelte.
Ihm blieb jedoch keine Zeit, sich weiter darüber den Kopf zu zerbrechen, denn ein weiteres ungutes Gefühl beschlich Bill.
Das Gefühl, dass jemand im Raum war und ihn beobachtete, auch wenn er selbst diese Person aufgrund seiner misslichen Lage nicht ausfindig machen konnte.
Bill versuchte es trotzdem seine Augen auf unnatürliche Weise zu rollen, als sein Herz sekundenlang aussetzte, weil plötzlich ein Schatten sich über ihn legte.
Der Schreck wich Verblüffung und Verblüffung wich Erleichterung, als das Gesicht der Gestalt die Konturen des Schockers annahm.
Gleich einen Stummen, den man die Zunge aus dem Rachen gerissen hatte, forderte Bill in Rahmen seiner Möglichkeiten den Schocker auf, ihn zu befreien, wobei sich seine gesamte Muskulatur anspannte und gegen die angelegten Manschetten ankämpfte.
Die Aussicht auf schnelle Befreiung hatte Bills Urteilsvermögen getrübt.
Zu spät kam der Argwohn, das Misstrauen. Zu spät stieg in ihm die Frage auf, warum der Schocker nicht genauso wie er gefesselt auf einer metallenen Bahre neben ihn lag. Und warum zögerte er immer noch, ihn loszumachen? Sah er denn nicht, was mit ihm geschehen war?
Der Schocker erkannte an Bills Mimenspiel, dass dieser begonnen hatte, sich genau diese Fragen zu stellen und zu durchdenken.
Also gab er ihm eine Antwort, vielmehr schickte er sie.
Die Stimme des Schockers ertönte in Bills Kopf.
„Ist okay, Kleiner. Alles in Ordnung. Desto weniger Du dich wehrst, umso schneller kommst Du wieder nach Hause.“
Mit diesen Worten entfernte sich der Schocker wieder von der Bahre und seine Bewegungen waren auf einmal nicht mehr so schwerfällig, wie sie es … wie lange zuvor? Stunden, Tage oder doch schon Monate? Da wurde Bill bewusst, dass er kein Zeitgefühl mehr besaß.
Wie viele schreckliche Erkenntnisse würden sich noch anhäufen?
Indes und scheinbar unbemerkt hatte eine weitere Gestalt den Raum betreten, die, als sie in Bills Sichtfeld kam, ihm den Rest gab.
Im Vergleich mit dem Schocker hatte dieses Wesen rein äußerlich betrachtet nichts Menschliches mehr an sich. Und hätte man es beschreiben wollen, dann wäre wohl der Vergleich mit einer Mischung aus Echse und einer Forellenart dem am Nächsten gekommen.
„Was hast Du uns diesmal mitgebracht, El-Dor?“ fragte das Wesen den Schocker in einer Sprache, die Bill nicht verstand, da sie sich aus verschiedenen Grunz- und Schnalzgeräuschen zusammenstellte.
„Das ist das, was ich auf die Schnelle auftreiben konnte, antwortete der Schocker, der sogleich seine Antwort bedauerte, als er den unzufriedenen Ausdruck auf dem Gesicht seines Vorgesetzten las.
„Nichtraucher“, fügte er schnell mit fester Stimme hinzu, in der Hoffnung die Geisel auf diese Weise aufzuwerten.
Das Wesen näherte sich Bills Bahre und seine Fischaugen wanderten über den festgeschnallten Körper.
Der Anblick dieses Wesens lähmte Bill und versetzte ihn in einem Schockzustand, aus dem er alles weitere wie losgelöst von seinem Körper durchlebte.
Der Schocker ließ ein menschliches Räuspern erkennen, bevor er in seiner Sprache fortfuhr.
„Ist mein Ausreisegesuch angenommen worden?“
„Darüber ist noch nicht entschieden. Wir brauchen noch einige Proben, müssen noch diverse Studien durchführen, bevor die Jagd beginnen kann.“
„Wie lange noch, mein Führer, wenn ich fragen darf?“
„Zwei, vielleicht noch drei Zyklen.“
„Drei Zyklen? Aber mein Führer, ich habe meine Familie jetzt schon seit zwei Zyklen nicht mehr gesehen und außerdem …“
Aus El-Dors Stimme war zutiefst Bestürzung rauszuhören.
„Ich halte das auf diesen Planeten nicht mehr aus. - Hat man denn meinen letzten Bericht nicht gelesen?“
„Doch, hat man.“
„Und“
„Irrelevant.“
„Was soll das heißen - irrelevant?“
„Das soll heißen, dass man dich auf der Erde noch braucht.“
„Aber ich kann nicht mehr. Schau, wie dieser Körper in nur so kurzer Zeit zerfällt. Dieser Planet tötet mich. Der Sauerstoffgehalt in der Luft ist unerträglich.“
„Dafür hast Du doch die Oxidzigaretten, die das ausgleichen.“
„Ach diese Dinger taugen doch zu nichts. Ich bekomm nur noch mehr Hustenanfälle dadurch.“
„Es ist doch nicht unsere erste Kolonie, die wir aufbauen. Du weißt, alles braucht seine Zeit. Unsere Leute arbeiten dran, besetzen schon die wichtigsten Positionen. Dein Fehler ist es, dass Du immer nur das siehst, was nicht ist, statt dich auf die Erfolge zu konzentrieren. Schau, die Regenwälder sind am Schwinden, gleichzeitig sind die Atmosphärenwandler installiert worden, die Ozonschicht beginnt sich schon aufzulösen. Die Lebensmittel werden genetisch angepasst. Die Meere werden in wenigen Zyklen die gewünschte Viskosität und den notwendigen Alkaligehalt erreicht haben. Die Pole schmelzen … sag mir, was willst Du noch?“
„Warum noch warten? Was können diese einfältigen Menschen uns schon entgegensetzen? Lasst uns endlich losschlagen!“
„An solch einen Übermut sind schon andere Rassen zugrunde gegangen.“
„Werden wir uns hier etwa genauso lange aufhalten wie auf Makron?“
„Makron. Das ist 15 Zyklen her. Seitdem haben sich unsere Methoden verbessert und das weißt Du. Und jetzt Schluss damit. Dein Gesuch ist abgelehnt, dabei bleibt es. - Wir haben schließlich einen Gast, den wir uns noch widmen müssen.“
Mit diesen Worten wandten sich der Schocker und das Echsenwesen sich wieder Bill zu.
Die kühle dreigliedrige Hand des Echsenwesens strich über Bills nackten Körper runter zu den Genitalien.
„Vielleicht hast Du uns ja doch ein gutes Exemplar beschafft, El-Dor. - Machen wir uns an die Arbeit.“
Bill wurde eine Art Narkosemittel gespritzt, das zwar jegliches Schmerzempfinden ausschaltete, ihn gleichzeitig aber bei vollem Bewusstsein hielt. Das stieß natürlich an Bills emotionale Grenzen, besonders als das Echsenwesen zu einem Laserskalpell griff, um ihn damit den Brustkorb und die Bauchdecke zu öffnen.
Der Schocker und das Echsenwesen machten sich daran, Bill einige Organe zu entnehmen, von denen sie einige später wieder einsetzten, andere aber grundsätzlich austauschten.
Bills Augen rollten nach unten, wo er auf seinen offen gelegten Torso blickte. Obwohl das Schmerzempfinden ganz ausgeschaltet war, hätte er doch liebend gerne los geschrieen. Aber auch dies ging ja nicht.
Nach einem mehrstündigen Eingriff wurde Bill wieder zusammengeflickt und begleitet von einem aufmunternden Klaps des Chefchirurgs, ertönte wieder eine Stimme in Bills Kopf.
„Es war mir ein Vergnügen, ihre Bekanntschaft gemacht zu haben, Sir.
Es wird Sie freuen, zu hören, dass wir ihnen noch ein kleines Implantat eingesetzt haben. Eine Art Gütesiegel, das aber auch eine spätere Identifikation erleichtert. Manche Jäger sind so grausam.“
Und mit diesen Worten explodierte in Bills Kopf ein grelles, weißes Licht, das in zerebrale Regionen eindrang, um dort gewisse Informationen abzuspeichern, um sie ins Langzeitgedächtnis zu übernehmen. Zusammen mit diesen neuen Informationen zog Bills gesamtes Leben an seinem inneren Auge ab. Doch genauso plötzlich riss dieser Informationsfluss wieder ab und Bill verspürte nur, wie ein Ruck durch seinen Körper ging.

Dieser Ruck rührte von der plötzlichen Aufwärtsbewegung des Lastenaufzugs und Bill durchfuhr dabei ein Gefühl, als er ob er aus einen tiefen Schlaf erwacht wäre. Und in gewisser Weise war es ja auch so.
Im ersten Moment noch völlig irritiert, ohne genau sagen zu können, was an dieser Situation nicht stimmte, kreisten seine Gedanken um ein undefinierbares Etwas, das für einen Augenblick zum Fassen nah erschien, doch gerade, als er dachte, er hätte des Rätsels Lösung, entfernte es sich endgültig aus den Bereichen seines Verständnisses.
Als der Lastenaufzug stoppte, war es die Stimme des Schockers, die ihn wieder ganz in diese Welt zurückholte.
„Ist mit Dir alles in Ordnung? Du bist auf einmal so blass um die Nase.“
Bills Blick haftete am Schocker. Irgendwas in ihm ließ ihn spüren, dass der Schocker der Grund für seine plötzliche innere Unruhe war, aber er konnte sich einfach das Wieso nicht erklären.
Der Schocker sah Bill noch einmal kurz an und mit einem Lächeln, das seine Lippen umspielte, drückte er die Aufzugstüre auf und schlurfte hinaus. Bill sah dem Schocker nach. Nochmals versuchte er angestrengt, den Grund seiner Unruhe zu erfassen, doch Nebelschwaden hüllten sein Erinnerungsvermögen ein, während er beobachtete, wie der Schocker den Stapler parkte und zu seiner Werkbank schlappte, wo er sich gegen die Arbeitsplatte lehnte und sich den nächsten Glimmstängel anzündete.

 

Hallo Robert

Fangen wir erstmal ganz konkret mit einigen Textstellenkommentaren an:

als der Schocker nach ihm rief, ihn aufforderte, sich einen Haken vom Härteofen zu packen und ihm damit zu folgen.
Mit wörtlicher Rede kann man das eleganter darstellen.

einen vollen schunkelten Fass
einem vollen, schunkelnden Fass

Und gerade als er dachte ... sich eine seiner selbstgestopften Kippen heraus.
Da würde ich drei oder vier Sätze draus machen. Auf Wortwdh achten!

„Komm nun endlich“, befahl der Schocker
Ohne "nun" liest's sich besser

steigerte sich schnell in panische Furcht
Panik halte ich führ übertrieben, nur weil Bill sich nicht gut mit den Konstruktionsplänen des Hauses auskennt :)

n eine endlose ägyptische Finsternis
Wie hab ich mir denn das vorzustelle?

den ausgelösten Notruf zu reagieren, wenn er denn ausgelöst wurde.
ausgelöst worden war

, denn letztendlich blieb einem immer die Wahl zwischen zwei Entscheidungen, die richtige zu treffen.
hohler Phrasensatz

denn ein popliger Türknauf zu erkennen war.
:lol:

Es muss doch einen Weg hier raus geben
Den Fahrstuhlschacht hoch? Da sind meistens irgendwelche Sprossen oder Seile drin ;)

Doch als gerade eine Träne ... wollte, in sie hineingesogen.
Schon wieder so ein Mördersatz. Wortwdh: Doch

Bill spürte wie sogleich eine ungeheure Gravitation an seinen Körper zerrte, der schließlich in seine einzelnen Atome zerfiel.
Und was passiert vorher mit seinen makroskopischen Bestandteilen wie den Organen. Hat er keine Schmerzen? Außerdem ist dieser Zugang ziemlich "Stargate-like"

Doch damit nicht genug, ... in einer gelben Flüssigkeit schwammen
Zerlegen! Übrigens ist ein Paternoster ein offener Fahrstuhl. Ich bin mir nicht sicher, ob du das weißt. Wo ist eigentlich der Schocker? Hab schon lange nichts mehr von ihm gelesen ;)

, als sein Herz sekundenlang aussetzte, als plötzlich ein Schatten sich über ihn legte.
Wortwdh: als

Gleich einen Stummen, den man die Zunge aus dem Rachen gerissen hatte, forderte Bill in Rahmen seiner Möglichkeiten den Schocker auf
Wörtliche Rede erscheint mir eindringlicher an dieser Stelle.

antwortete der Schocker, der sogleich seine Antwort bedauerte, als er den unzufriedenen Ausdruck auf dem Gesicht seines Vorgesetzten las.
Perspektivenwechsel! Vorher war alles aus Bills Sicht herausgeschrieben.

Der Schocker ließ ein menschliches Räuspern erkennen, bevor er in seiner Sprache fortfuhr.
Sprechen die anders als Bill? Sollte klarer werden. Aber immer auf die Perspektive achten

Es ist doch nicht unsere erste Kolonisation, die wir aufbauen.
Kolonie. Kolonisation ist der Vorgang, mit dem man den Aufbau einer Kolonie beschreibt :klugscheiß:

Die kühle dreigliedrige Hand des Echsenwesens
Klischee-Alarm !!!

Das stieß natürlich an Bills emotionale Grenzen, besonders als das Echsenwesen zu einem Laserskalpell griff, um ihn damit den Brustkorb und die Bauchdecke zu öffnen.
Tja, sowas kann schon echt nevtötend sein *grins* Im Ernst: Der Satz wirkt etwas zu lakonisch im Verhältnis zum ansonsten unlakonischen Text

Zum Stil im Allgemeinen:
Der Text liest sich gar nicht schlecht. Bis auf die oberen Anmerkungen ist mir nichts Störendes weiter aufgefallen. Mag aber auch dran liegen, dass ich in der Hinsicht eher unkritisch bin.
Eins vielleicht doch: Du solltest auf die Häufige Wiederholung gewisser Konjunktionen und anderer Wörter achten: Doch, als, gerade.

Ganz besonders negativ ist mir die überproportionale Häufung des Namens "der Schocker" aufgefallen. Finde da mehr Synomyme zu und scheue dich nicht, auch mal das Pronomen "er" zu verwenden.

Die Idee:
Mann wird von Arbeitskollegen entführt (dieses Mal zur Abwechslung nicht in ein Raumschiff sondern in ein geheimes unterirdisches Labor). Ansonsten altbekannt: Kolonisationsvorbereitungen, Experimente, Gedächtnisauslöschung. Alles reichlich abgegriffene Motive.
Einzig die Idee mit den Jägern mochte mir in diesem Zusammenhang gefallen. Aber die hast du bis auf das Identifizierungs-Implantat nicht weiter ausgebaut. An deiner Stelle würde ich den ganzen Krempel vorher weschmeißen und mich darum kümmern. Mir leuchtet sowieso nicht der Zusammenhang zwischen Jagd und Kolonie ein? Brauchst du mir jetzt nicht erklären. Schreibs lieber in die Geschichte.

Aufbau:
Die Einführungsepisode mit dem Regal und dem Gabelstapler ist nicht nur einfach zu lang, sondern total überflüssig. Würde ich komplette streichen zugunsten der Jagdidee.
Kürzen würde ich auch die Fahrstuhlszene. Und eigentlich auch den Dialog im Labor. :D Okay, ich würde die gesamte Geschichte umschreiben.
Am Ende geschieht ein krasser Perspektivenwechsel, der mir nicht ganz einleuchtet. Stelle wie bisher alles aus Sicht Bills dar und die Szene wird interessanter, wenn auch schwieriger zu schreiben.
Im übrigen fand ich die Idee mit der Jagd, wie gesagt, gut, aber am Ende schmälich missachtet. Wie wäre es, wenn schon mal ein erster Jäger auf Bill angesetzt wird.

Fazit:
Nichts wirklich großes, diese Geschichte, aber auch nicht wirklich schlecht (auch wenn bisheriger Kommentar anders klingt ;) ). Du brauchst dich wegen ihr nicht zu verstecken. Sprachlich zeigst mEn genug Talent, dass man sich auf weitere Geschichten von dir freuen kann. Als Einstieg ist dieser Text allemal gut genug.

Ich weiß, es kritisiert sich immer leichter, als es zu schreiben. Aber hier im Forum bist du unter Gleichgesinnten, die beide Seiten kennen :)

lg
Hagen

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Hagen,

danke für deine ehrliche Meinung zu meiner Story.
Habe die Rechtschreibung verbessert und auch die eine oder andere Wortwiederholung
behoben.
Noch zwei Dinge:
Eine ägyptische Finsternis ist laut Wörterbuch ein Sinnbild eines undurchdringlichen Dunkels. Hintergrund davon ist eine der zehn göttlichen Plagen zu Mose Zeiten.
Paternoster ist natürlich, wie Du sagst, ein offener Fahrstuhl. Die Bezeichnung ist aber auch durchaus in der Industrie gängig, gemeint sind dann Umlaufregale.

Ah, noch eins.
Der Schocker spricht tatsächlich eine eigene Sprache. Wird aber zwei Sätze vorher erklärt.
Und es handelt sich nicht um ein unterirdisches Labor, aber auch das geht aus dem Text hervor. Kurz zwar, kann somit schnell überlesen werden, aber der Hinweis ist vorhanden.
Und ich weiß gar nicht, warum sich alle an Perspektivwechsel stören. Ich finde es cool, wenn sich die Story um verschiedene Angelpunkte dreht.
Klar, ich weiß, nicht üblich. Aber ich experimentier gerne rum.

Liebe Grüße
Robert Short

 

ägyptische Finsternis ist laut Wörterbuch ein Sinnbild eines undurchdringlichen Dunkels
Interessant. Mir kam dieser unerwartete Bezug auf Ägypten im ersten Moment komisch vor.

in der Industrie gängig, gemeint sind dann Umlaufregale.
Das wusste ich nicht. Dann passt's wohl :)

Und es handelt sich nicht um ein unterirdisches Labor
Gut, ja, der Zugang ist unterirdisch. Ich hab noch mal geguckt, find aber nicht auf die Schnelle die Stelle ( :) ), wo du erklärst, um was für eine Art Labor es sich handelt.

Und ich weiß gar nicht, warum sich alle an Perspektivwechsel stören
Natürlich geht sowas auch, und manche Geschichten schreiben auch eine Darstellung aus verschiedenen Sichten zwingend vor (diese hier allederdings nicht). In deinem Text kommt dieser Wechsel allerdings viel zu sprunghaft, unmotiviert und ungleichmäßig und ist auch nicht konsequent durchgezogen. Das macht dann einen stilistisch unsauberen Eindruck. Und daran hab ich mich gestört :)

Aber schön, wenn du was mit der Kritik anfangen konntest.

grüße
Hagen

 

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