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Schokoeier

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26.03.2006
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Schokoeier

Schokoeier


Wie sie die Tüten aufs Fließband wirft: Scheinbar gleichgültig, nebenbei, als wäre sie gedanklich ganz woanders. Eine Tüte nach der anderen, gefüllte Schokoladeneier, reduziert, da Ostern endlich vorbei ist. Mindestens zwölf Packungen, vielleicht sogar zwanzig. Auf dem schmalen Rücken hängt der leere Rucksack. Da wandert das gleich alles hinein.
Ich stehe weiter hinten in der Schlange, sehe die junge Frau und meine Augen arbeiten sich Schicht für Schicht voran in ihren kantigen, sehnigen Körper in engen Jeans.
Über dem kräftigen Kiefer spannen sich die Muskeln. Sie bereiten sich vor. Liebes Kind, denke ich, was hast du vor, was tust du dir an?
Vor dem schmalen Rücken hängt der leere Magen...
Warum musstest du dich über die Feiertage so zügeln? Wie oft wurde dir die Torte gereicht, wie oft hast du "Nein, danke" gesagt? Und jetzt, da du aus dem Familienkreis zurückgekehrt bist in dein kleines Zimmer, jetzt überkommt es dich?
Meinst du, ich sähe nicht die Abdrücke deiner Zähne an deinen bläulichen Handknöcheln? Und wie du ganz leicht zitterst? Das ist der gierige Wolf, ich weiß, liebes Kind, du gierst doch nach etwas ganz anderem! Du brauchst Wärme! Wer hat dich bloß so verunsichert? Wie du die Augen vor dem Kassierer niederschlägst! Du schämst dich für dein Dasein!
In wievielen Supermärkten wirst du die Osterregale räumen?
Nach Hause rasen wirst du - da bist du sicher! - und die Tüten aufreißen, alles auf eine Haufen werfen, und dann wirst du loslegen: Die Blicke und Kommentare der anderen, Komplimente, Skepsis und fragendes Runzeln der Augenbrauen - alles, was dir begegnet ist, wegfressen; in dem Moment gibt es nichts anderes mehr als die Wucht der Schokolade, und vielleicht passt obendrauf noch das eine oder andere Toastbrot, das stopft sich so gut hinein. Womit wirst du all das hinunterspülen? Mineralwasser, Cola, ein paar Flaschen Bier? Zwanzig Minuten lang nicht denken müssen - ja, das gönne ich dir wohl, aber... liebes Kind ...

Ich weiß auch, was dann kommt. Das mit dem Finger, mit der Hand. In der Klinik kontrollieren die mit einem Blick unter der Tür hindurch, wie herum die Füße der Patientinnen vorm Klo stehen. Hast du sowas schonmal erlebt oder warst du noch nicht in Behandlung?
Ich wünsche dir alles Gute ... Mensch! Möge das Leben freundlicher zu dir werden und du selbst auch!
Sie zurrt ihren Rucksack zu; wie eilig sie es hat! Ob sie mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs ist?

"Steht da und kriegt überhaupt nichts mit!", knurrt jemand hinter mir und stößt mich leicht vorwärts. "Sie haben wohl alle Zeit der Welt!"
"Oh, Entschuldigung", murmele ich, schlucke einmal und lege meinen Bio-Einkauf aufs Fließband.

 

HI!

Ziemlich unsympathisch dein prt, finde ich. Sie sieht ein Mädel, denkt sich ihre halbe Geschichte aus und meint sie zu kennen. Andereseits tun wir das alle oft, man sieht Leute und bildet sich Vorurteile oder macht sich eine Vorstellung davon, wie sie leben. So gesehen ist die Kg ganz gut gelungen, hinterlässt aber, glaube ich, trotzdem keinen bleibenden Eindruck bei mir, sry.

MFG Steeerie

 

Hallo pmaktiub,

mich hat diese kleine alltägliche Momentaufnahme berührt.
Oftmals ertappe ich mich bei ähnlichen Gedanken, wenn ich in der Schlange an der Kasse stehe und denke mir Geschichten zu den Kunden aus.
Sehr gut beobachtet der Gegensatz Maßlosigkeit und Gesundheitsapostel (BIO-Produkte)!
Ob in dem Fall wirklich eine Essstörung vorliegt oder die Eier enfach nur zum halben Preis, weil nach Ostern zu haben sind, ist für mich völlig egal, weil ich mich in deine Gedankenwelt einfühlen konnte. Deine Prot sah eine Störung und hat sie gedeutet.
Hat mir gut gefallen, deine kleine Geschichte.

Ciao,
jurewa

 

Hallo jurewa und steeerie,
ich habe übrigens überlegt, ob der Szene nicht die Beobachtung folgen sollte, dass die junge Frau den Laden verlässt und die Schokoeier an fünfunddreißig draußen wartende Kindergartenkinder verteilt; sie wäre also lediglich eine gestresste Erzieherin auf einem kleinen Ausflug in die Stadt. Nun sagt mir: Ratet Ihr mir zu oder ab? Oder ab und zu? Ich weiß, entscheiden muss ich es selbst, aber Eure Meinung interessiert mich!!
Gruß, pmaktiub

 

Hi,

ich rate dir ab.
In der Schlange stehen und sich was ausdenken, okay. Aber nicht gleich die ganze soziale Schiene!! Ist natürlich sehr positiv, aber dann würde sie anders rüberkommen und deine Prota nicht soviele, ich sag mal UNREGELMÄssIGKEITEN (Abdrücke!) haben.
Also, ich find' die Geschichte so wie sie ist gut, aber entscheiden musst letztendlich du ganz alleine ;-))!

Ciao,
jurewa

 

Hi, pmaktiub

wenn ich mich mal einmischen darf,

dass die junge Frau den Laden verlässt und die Schokoeier an fünfunddreißig draußen wartende Kindergartenkinder verteilt;
genau den Gedanken hätte ich gehabt, wenn ich in der Schlange gestanden und dies beobachtet hätte. So oder so ähnlich.
Warum immer gleich so Vorurteile, wenn man ohnhin keine Ahnung vom Hintergrund hat. Vielleicht hat dein Prot genau dieses Problem selbst, was er der Frau andichten möchte.
Bei mir ist die kleine Geschichte positiv angekommen.

Lieben Gruß
Goldis

 

Hallo pmaktiub,

ich schließe mich den anderen an: Als Momentaufnahme gefällt mir deine kleine Geschichte recht gut. Ich würde auch eher von einem alternativen Ende abraten. Was im Moment an dem Text wirkt, ist - zumindest für mich -, die Unverfrorenheit, mit der deine Prot sich die Geschichte des jungen Mädchens zusammenspinnt, und der Ton, den sie dabei innerlich anschlägt ("Liebes Kind"). Man ist als Leser zwar eher geneigt, anzunehmen, dass sie sich irrt - letztlich finde ich aber die Auflösung, wofür die junge Frau die Schokoeier kauft, nicht weiter wichtig. So, wie sie jetzt da steht, kommt die Geschichte für mich ohne jedes Holzhammerelement aus. Die Erzählweise der Prot mit dem Bioeinkauf spricht ganz für sich. Zeigst du uns dein alternatives Ende, hätte ich das Gefühl, es wäre schon wieder einen Tick moralinsaurer. Ich weiß nicht, ob ich mich gerade verständlich ausdrücke ...
Dieses wilde Fabulieren der Prot gewinnt seine Kraft für mich nicht daraus, ob es letztlich wahr oder unwahr ist, sondern aus sich selbst.

Liebe Grüße,
ciao
Malinche

 

Dankeschön, jetzt werde ich wieder ruhig schlafen und auf weitere verschrobene Fantasien warten. Oder mal wieder was von Euch lesen!

 

Also zu der Erzieherinidee würde ich dir auch abraten. Die Idee bei der KG ist ja, dass sich dein Prot eine Geschichte zu der Kundin vorstellt, ohne sie zu kennen, ich finde, das sollte auch so bleiben. Sprich, der Leser sollte die andere Kundin auch nicht kennen lernen. Dann bleibt das Unbekannte und nicht die Fehleinschätzung Thema.
MFG Steeerie

 

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