Was ist neu

Schutzengel

Video-Version
Video-Version
Mitglied
Beitritt
02.11.2020
Beiträge
10
Zuletzt bearbeitet:

Schutzengel

Ich habe keine Angst. Ich weiß, dass ich überleben werde. Bisher habe ich es immer geschafft. Zwölf Mal konnte ich dem Tod schon ein Schnippchen schlagen. Und auch dieses Mal werde ich ihm entkommen. Diese Wichser haben mich an die Gleise gekettet und in nicht einmal zwei Minuten wird der Zug kommen. Wegen läppischen sechstausend Euro, die ich ihnen schulde. Da hatte ich auch schon größere Probleme in meinem Leben gehabt.
Ein Moment der Panik, aber ich beruhige mich wieder, denn ich weiß, dass sie kommt. Mein Schutzengel. Sie kommt immer. Es dauert nur noch einen Augenblick, nur ein paar Sekunden, dann wird sie da sein. Hoffe ich …
Ich sehe etwas im Augenwinkel und drehe den Kopf in die Richtung. Mein Herz macht einen Satz. Da kommt sie; so blass, als könnte ein Windhauch sie verwehen. Ich werde überleben. Heute werde ich nicht sterben, heute nicht.
Jedes Mal, wenn sie gekommen ist, um mich zu retten, bin ich sprachlos gewesen, aber dieses Mal will ich endlich verstehen, verstehen, warum ich so ein Glück habe, warum sie mich immer wieder rettet. Sie kommt zu mir und löst meine Ketten ohne sie zu berühren. Ich stehe auf, reibe mir die Gelenke. Ihr Gesicht ist ausdruckslos. Für einige Momente schaut sie mich an, dann dreht sie sich wieder und geht davon.
»Warte!«, rufe ich ihr zu.
Sie wendet sich zu mir und sieht mich an. Eine unterschwellige Irritation liegt in ihrem Gesicht. Als hätte ich etwas getan, was sich nicht gehört, was ich nicht hätte tun sollen.
Ich steige über das Geländer, da der Zug herannaht und ich ihr so näher bin. Sie ist so blass, es ist fast, als wäre sie durchsichtig. Ich will sie berühren, aber sie ist noch zu weit weg.
»Kannst du sprechen?«, frage ich sie.
»Ja«, sagt sie mit einer fremdartigen Stimme. Ich höre sie zum ersten Mal.
»Warum hilfst du mir?«
»Dieser Tod ist nicht schlimm genug.«

 

Hallo Weltenbruch,

so schnell schon der zweite Text? Na, da bin ich ja mal gespannt.

Dafür, dass sich hier ein potenzielles Sterben der unschönen Art anbahnt (no pun intended) liest sich das Ganze sehr sachlich. Es fehlt mir auch zu viel Kontext, um wirklich in der Szene sein zu können. Wer ist der Prot und was treibt er, damit er so oft mit dem Tod in Berührung kommt? Und wer ist dieser Schutzengel? Was ist ihre Motivation? Beides fehlt völlig und wäre für das Textverständnis und die Immersion mMn essenziell.

Diese Wichser haben mich an die Gleise gekettet und in nicht einmal zwei Minuten wird der Zug kommen. Wegen läppischen sechstausend Euro, die ich ihnen schulde.
Läppisch ist das nicht, und je nachdem, mit wem man sich da anlegt, landet man schnell auf Gleisen. Oder man schwimmt für sehr lange Zeit mit den Fischen. Dein Prot hat schon eine arg lockere Haltung. Vor allem in einer solchen Situation. Und wer sind überhaupt seine Widersacher?

Dann wendet sie sich wieder ab, geht weiter und ich wünsche mir, ich läge noch auf den Gleisen.
Bei aller Liebe, nein, ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich das tatsächlich wünscht. So, wie er rüberkommt, lacht er sich eher ins Fäustchen und freut sich schon auf die nächste Todesangst. Wobei er ja gar keine Angst mehr hat, schreibst du ja schon im ersten Satz. Macht den letzten Satz nur noch weniger nachvollziehbar. Und die Unbekannte hat ihn ja schon öfter gerettet und erst jetzt fällt ihm ein, dass er sie ja mal ansprechen könnte? Nee, das kauf ich dem Prot nicht ab.

Also das ist mir alles zu rudimentär. Du schreibst unter Vincents Hauptgewinn, dass du immer skizzenhaft schreibst. Nun, dass kann man machen, aber mit einer Skizze schafft man es nie in eine Galerie. Es sei denn, man wäre schon berühmt.

Einen angenehmen Start in die Woche

 

Hallo @Weltenbruch !
Mir hat deine wirklich sehr kurze Geschichte eigentlich recht gut gefallen. Vor allem natürlich das überraschende Ende. Ich finde aber, dass die Geschichte ruhig noch ein wenig länger und ein wenig besser ausgeschmückt sein könnte. Damit meine ich, dass du den Charakter die Gefühle des Protagonisten noch mehr beschreiben solltest. Das alles ist meiner Menung nach in der Geschichte ein wenig "blass" geblieben.

Dann wendet sie sich wieder ab, geht weiter und ich wünsche mir, ich läge noch auf den Gleisen.
@Steppenläufer hat bereits gesagt, dass er/sie das dem Protagonisten nicht abkauft, und ich kann ihm/ihr da leider nur zustimmen. Ich würde zum Schluss vielleicht eher versuchen, den Schock des Protagonisten in Worte zu fassen. Er war ja am Anfang ziemlich siegessicher und überzeugt davon, dass sein Schutzengel ihn immer retten würde. Dann aber erfährt er, dass sie dies nur tut, weil auf ihn eine noch viel schrecklicherer Tod wartet. Ich würde eher vermuten, dass der Protagonist erst einmal ziemlich perplex ist.
Zwölf Mal konnte ich dem Tod schon ein Schnippchen schlagen. Und auch dieses Mal werde ich dem Tod entkommen.
Du hast da zweimal das Wort "Tod". Ich denke, es reicht, wenn du im zweiten Satz einfach nur "ihm" schreibst.

Insgesamt kann ich also sagen, du bist auf dem richtigen Weg. Deine Idee war gut; und auch deine Rechtschreibung und Grammatik sind - so ganz nebenbei erwähnt - einwandfrei (was ja auch nicht selbstverständlich ist). Allerdings hätte ich es gut gefunden, wenn du der Idee ein wenig mehr Raum gegeben hättest, um sich zu entfalten, d.h. die Geschichte vielleicht etwas ausführlicher geschrieben hättest.
Liebe Grüße,
Goldfunke

 

Hallo @Weltenbruch

Deine Geschichte hat mich vor allem im ersten Abschnitt etwas an Bukowski erinnert, was mir persönlich gefällt. Die vielen kurzen, aufeinanderfolgenden Sätze können natürlich auch einen Sinn haben bzw. etwas deutlicher ausdrücken. Hier finde ich es oft passend, man kann einfache Gedankengänge eines unkomplizierten Protagonisten erkennen, der nicht so viel Tiefe hat. Keine Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen, sondern sich auf andere zu verlassen, und eher leicht durch sein Leben zu gehen, wird auch gut deutlich und ist auch irgendwie zeitgemäß. Man kann mit deinem gewählten Extrem also sehr wohl provozieren, ich behaupte aber mal, dass sich mehr Menschen mit alltäglicheren Situationen identifizieren können, wenn das Provozieren überhaupt deine Absicht war ;)

Im Mittelteil geht dann alles ganz schnell und die Befreiung deines Protagonisten kommt mir zu plötzlich. Grundlegend können da noch mehr Details rein, zum Beispiel die Uhrzeit. In der Nacht wirkt alles dramatischer und unheimlicher, was sich ja auch wieder auf den Leser auswirkt. Wie in einem oberen Kommentar schon erwähnt wurde, ist es immer gut, wenn man sich als Leser in der Szene wiederfindet. Das klappt hier nicht so gut, das ist aber auch eine schwierige Hürde beim Schreiben. Du bist aber auf dem richtigen Weg.

Für jemanden wie mich, der auf Interpretationen steht, hat der Text einige gute Stellen, wie etwa, dass der Schutzengel so blass wäre und eine fremdartige Stimme hat. Das ganze, eher negative, wird natürlich durch ihren letzten Satz noch verstärkt.

Dann wendet sie sich wieder ab, geht weiter und ich wünsche mir, ich läge noch auf den Gleisen.
Deinen letzten Satz finde ich nicht so gut, da er dem vorigen Satz, der überraschenden Wende, ein wenig die Bühne stiehlt. Er kann daher nicht gut auf den Leser wirken und so auch schlechter Emotionen bei ihm wecken, Emotionen beim Leser sind ja nie verkehrt ;)


Liebe Grüße,
Mattis

 

Hallo @Weltenbruch,
deine Geschichte hat mich abgeholt. Ich konnte mir alle Sequenzen sehr bildhaft vorstellen. Den den letzten Satz würde ich ebenfalls eher weglassen, um die Erkenntnis über das Wesen des Engels noch stärker wirken zu lassen. Könntest du dir vorstellen, anstelle von "nicht schlimm genug" "nicht qualvoll genug" zu schreiben? Nur ein Gefühl einer Nichtexpertin. Bin gespannt auf weitere Texte von dir.
Viele Grüße
Margarete

 

Danke für das ganze Feedback! Ich pack mal nicht überall ein at rein, will die Leute nicht unnötig benachrichtigen.

Steppenläufer: Man hätte die Geschichte auf jeden Fall auch größer und breiter erzählen können, da stimme ich dir zu - aber das ist wohl bei allen meinen Geschichten so. Ich werd den letzten Satz streichen, stimme da dem Feedback zu!

Goldfunke: Dankeschön, werde den letzten Satz streichen, glaube das hat am meisten Kraft.

Mattis: Man hätte den Mittelteil auf jeden Fall vergrößern können und ich stimme auch bzgl. des letzten Satzes zu. Ich werde ihn streichen.

Margarete: Qualvoll ginge auf jeden Fall, aber es entspricht nicht so meinem Stil, aber danke für die Idee!

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom