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schwarz ist schön

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08.11.2004
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schwarz ist schön

Sie ging also fort von zuhause.
Man hatte sie aufgegeben. Es waren die Lehrer, die Eltern. Dabei war sie doch gar nicht so anders. Sie war bleich, zugegeben. Ein Verbrechen? Nein. Sie war dünn, fuchtelte beim Reden viel mit den Händen herum. Auch das scheint nicht schlimm. Aber was war denn nun anders an ihr?
Sie trug gerne schwarz.
Ihr bleiches, zartes Gesicht war ein solcher Kontrast zu ihrer Kleidung und ihrem Haar. Alles war so schwarz. Sie trug stets einen langen Schal, schwarz, um auch nur jeden winzigen Farbton ihrer Haut zu verbergen.
Sprach jemand sie auf ihren „Tick“ an, wurde sie wütend. Ballte ihre dürre Faust, schlug auf einen Tisch. Oder etwas, was gerade da war.
Ihre Eltern konnten sie nicht mehr verstehen. Was war denn nur mit ihr los? Sicher wollte sie mehr Beachtung. Dies entnahmen ihre Eltern jedenfalls einem Buch zur Kindererziehung.
Eines Tages las sie das Buch. Erst spät begriff sie, was das Problem war.
Man hatte ein Problem mit ihr.
Sie trug nun einmal schwarz. Zudem war sie auch ziemlich verschlossen. Aber irgendwelche okkulten Symbole trug sie nicht bei sich. Ihre Eltern fanden jedenfalls keine.
Nur ihre Großmutter fand den „Tick“ der Enkelin nicht schlimm. Es war weder Problem, noch Phase. Sie war doch noch so jung. Da denkt man ja schließlich nicht daran, was gewisse Dinge bedeuten können. Deshalb war die Großmutter stets erreichbar. Die Tür stand offen, jeder Zeit.
Auf der Beerdigung erschien das arme Mädchen nicht.
Da war sie schon fort.
Es war Sommer. Sie war allein. Die Trauer mit ihr. Sie ging einfach. Immer weiter. Irgendwann war sie so weit weg, dass sie nicht mehr umkehren konnte, wollte. Dort war ja eh niemand. Vor allem die Eltern fehlten.
Und Schule? Sie hatte sich an diesem Ort noch nie wohlgefühlt. Die Lehrer blickten sie komisch an, die Schüler sowieso. Dabei sagte sie ja kein Wort. Sie war zu eingeschüchtert. Später war sie dann nur noch gelangweilt.
Und so schritt sie einen der vielen Wege eines Parks hinunter. Es war schwül. Das Gras war braun und tot. Die Blätter grün und jung. Ihr war heiß, so heiß. Der Schal war unerträglich. Genau wie die Schuhe, die Füße, das bloße Gehen.
Sie ging schweigend zu einer blauen Parkbank. Zumindest war sie einmal blau gestrichen worden. Die Farbe war schon fast abgeblättert.
Sie setzte sich.
Dort saß sie. Stunde um Stunde. Sah die Menschen an wie sie alle an ihr vorbeizogen. Keiner blickte sie an.
Kinder kicherten. Ein verliebtes Paar spazierte nicht weit von ihr. Sie sahen alle so glücklich aus. Und sie? Weshalb war sie hier? Ging es ihr denn so schlecht? Ging es denn nicht jedem einmal schlecht? Sicher doch. Doch hatte doch auch jeder dann jemand anderen, zu dem er gehen konnte. Jemand, an dem man festhalten konnte. Sie hatte so jemanden nicht.
Und so blieb sie dort sitzen, auf der Bank.
Ein Mann setzte sich neben sie. Er verzog keine Miene. Er trug zwei volle Taschen mit sich. Bekleidet war er mit Hut und Mantel.
Er schien auf jemanden zu warten. Auf wen? Vielleicht wollte er sich mit einer Frau treffen. Vielleicht kannte er sich hier nicht aus. Er wirkte ein wenig merkwürdig. Er hatte einen leeren Blick, empfand sie.
Traurig war dafür kein Ausdruck mehr.
Sie saßen lange dort, zu zweit.
Gerne hätte sie ihn etwas gefragt. Wollte wissen, wie er hieße. Was er hier machte. Dinge, die man Menschen fragte, wenn man sich kennen lernen wollte.
Es dämmerte.
Die Leute verschwanden langsam in den Weggabelungen. Der Mann war immer noch da.
Wollte er wohlmöglich etwas von ihr? Sie ertappte sich, wie sie fantasierte. Das geschah oft. Auch in der Schule. Wunderliches sagte sie manchmal. Wunderlich für die anderen normalen Schüler. Für Lehrer, Eltern. Sie wusste noch, dass das Fantasieren aber ihre Großmutter herzlich amüsierte.
Regen.
Und der Mann saß da. Neben ihr. Er begann zu schluchzen.
Was sollte sie jetzt nur tun? Weggehen? Besser still sitzen bleiben und den Mann ignorieren. Auch wenn sie für andere sonderbar schien, war sie doch nicht herzlos.
Sie fing an sich mit dem Mann zu unterhalten. Er sagte allerdings nicht viel.
Nur: „Es sind meine Kinder.“
Und: „Schwarz ist übrigens meine Lieblingsfarbe.“
Nachdem es dies sagte, ging er.
Was war nur mit seinen Kindern? Waren sie weg oder sogar tot?
Muss das Leben wertlos erscheinen, wenn einem die Kinder genommen werden.
Sie war so arrogant. Saß da, badete sich im Selbstmitleid. Dabei ging es doch anderen Menschen nicht minder schlecht. Und diese Menschen verlieren auch ihre Großmütter, ihre Kinder.
Sie beschloss aufzustehen und zurückzugehen.
Es war mittlerweile dunkel geworden. Sie musste aus dem Park heraus und zur nächsten
U-Bahn Station. Alleine würde sie nicht mehr im Dunkeln spazieren gehen wollen.
An der Station angekommen, wartete sie auf den nächsten Zug nach Hause. Sie musste fast schmunzeln, dass sie so weit gegangen war. Aber sie hatte nun eine Einsicht. So schlecht war ihr im Leben doch gar nicht. Vielleicht würde sie mehr wagen. Zumindest dachte sie daran. Wie viel ein Tod doch etwas ändern konnte, erkannte sie.
Der Zug näherte sich der Station. Man konnte ihn schon hören. Sie trat zu den Gleisen, schaute aber nicht hinunter. Höhenangst hatte sie nicht. Aber in einer dunklen U-Bahn Station erscheint einem, vor allem ihr, vieles unheimlich.
Der Zug war nun ganz nah, fast schon angekommen.
Im Moment des Erscheinens drehte sie sich um. Nur Kurz. Für einen Augenblick. Sie sah dicht hinter sich den Mann von der Parkbank. Sie erschrak fürchterlich.
Drehte sich schnell wieder um, ergriff beherzt die Tür des Zugs. Freute sich auf Zuhause, fast jedenfalls.


Mit seinen Händen ergriff er sie dann. War ihr gefolgt.

Der Zug kam nach Plan an und fuhr nach Plan weiter. Ohne sie.

Schwarz ist schön.

 

Ich habe einfach mal versucht von meinem alten Stil ein wenig wegzukommen.

Nur so viel:
- alle möglichen Wortwiederholungen sind reinste Absicht und erfüllen ihren Zweck.
- die Einschübe mit anderer Zeitform sind ebenfalls Absicht
- Sprachstil, Wortwahl und die Bruch-Sätze sind Absicht und sind Mittel der wechelnden Erzählhaltung

Ich möchte wirklich gerne wissen, ob ich meinem alten Stil doch treu bleiben sollte.
Darum bitte ich um verschiedene Meinungen.

 

Hallo anubis 737,

deinen "alten" Stil kenne ich nicht, aber natürlich hast du mir ja gerade was über deine Erzählweise verraten. Und die hat mir gefallen, die Perspektive, die bruchstückhaften Sätze, ich fand´s hier passend.

Tja, und jetzt kritisiere ich genau die Dinge, von denen du erwähnst, dass sie Absicht sind. Dennoch sind sie mir aufgefallen, ob Absicht oder nicht: Zum einen einige Füllwörter, die ich als zuviel empfand, hier z.B.:

Sie ging also fort von zuhause.
Auch einige Wortwiederholungen fand ich zuviel.
Dann haben die Zeitenwechsel haben aus meiner Sicht keinen Sinn gehabt, hier z.B.:
Auch das scheint nicht schlimm.
Noch ein paar Kleinigkeiten:
Er verzog keine Mine.
Miene
Er trug zwei volle Taschen mit sich. Bekleidet mit Hut und Mantel.
Die Taschen waren bekleidet? ;)
Er hatte einen leeren Blich, empfand sie.
Blick

Das Ende war auch nicht mein Ding. Es kam so plötzlich, so unvorbereitet, und ich weiß ehrlich gesagt nicht, was du dem Leser mit ihm sagen wolltest. Zugegeben, er ist ein Überraschungseffekt, und in den Sätzen vorher hattest du mich eher auf die Fährte "Selbstmord" gelockt.

Wie gesagt: sprachlich aus meiner Sicht gut und stimmig (außer der von mir erwähnten Kleinigkeiten), inhaltlich eher nicht überzeugend für mich.

Liebe Grüße
Juschi

 
Zuletzt bearbeitet:

Juschi,

meinen alten Stil kannst du in "Nachts" lesen.
Ich baue meine Geschichten gerne mit scheinbar überflüssigen Dingen aus. Ist so eine Eigenart von mir. Es gibt da nämlich eine gewissen verzwickte Sprachstruktur darin. ;) Und die Schreibfehler berichtige ich natürlich.
Und mit meinem Ende bin ich selbst noch nicht zufrieden. Ich hatte mir zig Versionen erdacht, doch keine mit dem Thema des Selbstmordes. Das erschien mir zu naheliegend. Vielleicht änder ich das noch. Findest du das Ende denn wirklich überraschend? Schließlich könnten die Worte des Mannes daraufhinweisen, obwohl ich natürlich versuche, den Leser davon zu überzeugen, dass es dem Mann wirklich schlecht geht.
Der Zeitenwechsel zeigt übrigens einen Umbruch in der Erzählhaltung. Der personale Erzähler wird zu einem Berichtenden beim Wechsel in den Präsens. Der Erzähler wirkt also wie eine dritte Person, die dem Leser die Geschichte kommentierend erzählt.
Ich würde wirklich gerne deine Meinung über mein "Nachts" hören. Die ist voller sprachlicher Raffinessen, die ich ja so sehr schätze.

 

Hey Anubis!
Ich fand deine Geschichte nicht spannend oder packend. Kann ja sein, dasss sie das auch nicht sein soll. Ich bin auch ein Fan davon scheinbar unwichtige Details einzubringe, die aber für die Stimmung der Geschichte sehr wichtig sind. Doch den Spagat zwischen Details schildern und trotzdem eine gute Geschichte schreiben ist nicht so einfach, und hier,finde ich, ist es dir nicht so gut gelungen. Es hat bei mir auch nicht so viel Interesse oder Spannung ausgelöst, dass ich mir wirklich Gedanken über das Ende machen wollte. Dabei fängt die Geschichte da erst richtig an, Potenzial zu bekommen, finde ich. Soll Gesellschaftskritik in der Geschichte stecken oder sind das "Details"? (NImm das nicht böse auf) Wenn ja, dann ist sie mir etwas zu lapidar abgehandelt.
Bin auf dein nächstes projekt gespannt.
By
Fee

 
Zuletzt bearbeitet:

Friedvolle Grüße

Die Geschichte überzeugt leider nicht, weder sprachlich, noch inhaltlich.

Die Sprache ist teilwiese sehr umständlich, manchmal sogar sträflich fehlerhaft. So zum Beispiel hier:

Sie ging schweigend zu einer Parkbank. Sie war blau.

Wer war blau, die Parkbank, oder die Protagonistin?

Und den Inhalt würde ich dank des Endes als kryptisch bezeichnen.

Die Intention der Geschichte ist erkenntlich, allein an der Ausarbeitung mangelt es. Ich würde die Geschichte so interpretieren, dass die Protagonistin, eine freie, unabhängige Seele, an ihrer steifen, konservativen, unmenschlichen Umwelt krankt und wegläuft. Doch gerade der Versuch, etwas Menschlichkeit in die Welt zu bringen, wird ihr zum Verhängnis.

Wenn Du die Geschichte noch einmal gründlich überarbeitest, könnte sie wirklich gut werden.

Nur meine Meinung!

Kane

 

Hallo Anubis737,

die Geschichte ist recht gut geworden, wenn mir auch dein alter Stil aus "Nacht" besser gefiel. Allerdings ist der Erzählfluss in "Schwarz ist schön" durchgängig, was ich für wichtig halte.
Hier noch ein paar kleinere Korrekturen:

Sie trug sogar stets einen langen Schaal...
Schal
Die Wörter "sogar" und "stets" hintereinander zu bringen, scheint mir zu viel. Du solltest dich für eines entscheiden.
Erst spät begriff sie, was es bedeuten sollte."
Zu unklar. Vielleicht: "Erst spät begriff sie, wo das Problem lag." Dann ergibt sich aus dem Folgesatz:
Man hatte ein Problem mit ihr.
eine schöne Wortwiederholung, die die Aussage verstärkt.
Der Schaal war unerträglich.
Schal
Ein Mann setzte sich neben ihr.
"Sie" statt "ihr" wäre grammatisch schöner.
So schlecht erging es ihr im Leben doch gar nicht.
Dieser Satz wirkt umständlich. Ich würde ihn ändern in: "So schlecht war es ihr im Leben doch gar nicht ergangen." oder "So schlecht war ihr Leben doch gar nicht."
Wie sehr ein Tod doch etwas ändern konnte, erkannte sie.
"Viel" wäre besser als "sehr".
Sie trat zu den Gleisen. Schaute aber nicht hinunter.
Da der zweite Satz unvollständig ist, fände ich es besser, ihn mit Komma vom ersten zu trennen.
...erscheint einem, vor allem ihr, Vieles unheimlich.
vieles
Wenn das Ende so bleiben soll, müsste es klarer werden, dass sie in den Zug steigen will. Ihre Intention einzusteigen sollte zumindest angedeutet werden. So geht man immer davon aus, dass sie vorhat, Selbstmord zu begehen. Dadurch kommt der letzte Satz
Ohne sie.
nicht richtig zur Geltung.
Ich hoffe, das hilft dir weiter.

Gruß, Saffron.

 

Anna-Fee,

Ich freue mich, dass die Geschichte weder spannend noch packend ist. Von solchen Geschichten bin ich nämlich kein Fan. Ich schreibe lieber triste, scheinbar lapidare, Geschichten mit eingebauter Tragödie. Eine offene Gesellschaftskritik soll meine Kurzgeschichte nicht enthalten. Ich beschreibe lediglich Schicksale. Dem Leser soll auffallen, dass ich nicht offen die Eltern anprangere. Das soll er selbst machen. Man soll sich als Leser von der Erzählhaltung distanzieren, da der Erzähler oft als unbeteiligter Dritte kommentiert. Er könnte beispielsweise an bestimmten Stellen wie ein Ortsansässiger des Heimatsortes des Mädchens klingen, der jemandem davon erzählt.
Wenn man die Geschichte gelesen hat und erkennt, dass man kein Mitleid mit dem armen verschwundenem Mädchen hat, dann ist die Geschichte für mich gelungen. Mein Ende ist ziemlich plötzlich; es hätte fast ein Happy End sein können. Und dann widerfährt dem Mädchen doch noch etwas Furchtbares. Und der Leser? Der ist davon nicht gerührt. Nicht einmal der Leser schafft es mit dem Mädchen Mitleid zuhaben und kann deshalb selbst nicht verurteilen.
Es ist unterschwellige Kritik.

Brother Kane,

Im Umstand liegt die Einfachheit. ;)

Saffron,

Vielen Dank. Das waren viele nützliche Ideen. Ich fand sie alle wirklich sehr gut. Deshalb habe ich auch versucht sie umzusetzen. Wie gesagt, versucht.

 

Anubis737,

vielen Dank, dass du meine Anmerkungen so großzügig berücksichtigt hast. Allerdings würde ich den Satz

Man hatte ein Problem mit ihr.
noch in den Absatz vorher einfügen und erst danach einen neuen Absatz beginnen.
Zum Ende:
Drehte sich schnell wieder um...
Normalerweise gefällt mir dein abgehakter Stil. Hier aber finde ich, müsste man das Pronomen "sie" schon noch nennen, da eine Handlung von vorher fortgeführt wird.
Mit seinen Händen ergriff er sie dann. War ihr gefolgt.
Das Wort "dann" würde ich streichen.
Der Satz "War ihr gefolgt." kommt hier zu spät. Wenn überhaupt sollte er weiter oben stehen.
Der letzte Teil:
Der Zug kam nach Plan an und fuhr nach Plan weiter. Ohne sie. Schwarz ist schön.
gefällt mir wirklich gut, sollte so bleiben.

Gruß, Saffron.

 

Saffron,

es tut mir Leid, dass ich mich nun erst melde (überlege mir schon seit Tagen eine neue Geschichte nach altem Stil und hatte diese hier wohl außer Acht gelassen).

Ich werde deine Vorschläge natürlich wieder beherzigen.

Vielen Dank.

 

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