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Schwarzes Schaf

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08.12.2005
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Schwarzes Schaf

für alle, die zwischen den Zeilen lesen​
Jonathan ließ die Kamera seines Auftraggebers sinken. Das würde wohl reichen. Er zog sich die Sturmhaube vom Kopf und stellte seinen Aktenkoffer direkt vor das Fenster. Seine Schritte hallten dumpf durch den großen, staubigen Raum der zu einem leer stehenden Bürogebäude gehörte und hörten erst an der Tür wieder auf.
„Selten sowas komisches gehabt...“, nuschelte er, während er die Tür schloss, in die Tasche griff und seinen Tabak zutage förderte. Irgendwie war heute ein komischer Tag. Sein Handy hatte heute morgen den Geist aufgegeben und sein Auto röhrte auch mehr als es fuhr. Naja, alles unwichtig.
Seine Hände drehten mit schnellen, routinierten Bewegungen eine Zigarette und schnippsten sie mit dem Feuerzeug an, während er wieder ans Fenster trat.
Er nahm einen tiefen Zug, blies den Rauch gegen die Scheibe. Für einen Moment betrachtete er sein eigenes Spiegelbild darin. Lange, blonde Haare, ein markantes, kantiges Gesicht und Augen die direkt durch einen Menschen hindurch zu sehen schienen. Dann fixierte sein Blick die Menschenmenge, die sich auf der anderen Seite der Straße versammelt hatte. Noch fünfzehn Minuten.
Naja, Hauptsache die Bezahlung stimmt, dachte er. Mit einem deutlichen Seufzen kippte er das Fenster auf, schnippte den Stummel auf die Straße die einige Stockwerke darunter lag und öffnete den Koffer.
Dann begann er, das Gewehr zu montieren.

***​

„Arbeit, Solidarität, Vaterland“
In leuchtenden, roten Buchstaben war das Motto der Partei auf dem großen Plakat zu lesen, vor dem Roman Schmitt stand und mit geübten Gesten und reißerischen Worten seine Rede hielt. Er war der Mensch, den seine Parteigenossen gern das „schwarze Schaf“ nannten, ein Redner der sowohl Wähler als auch die Partei selbst immer wieder aufs Neue in zwei Lager teilte.
„Deshalb frage ich euch: Sollten wir das weiter zulassen? Sollten wir so etwas noch tolerieren?“
Die kühle Luft des Parks, in dem er die Menschen versammelt hatte, änderte auch nichts an der Spannung, die in der Luft lag. Einige nickten zustimmend, andere klatschten laut Beifall. Roman drückte eine Taste auf seiner Fernbedienung und das Gesicht eines Jugendlichen erschien auf dem Monitor neben ihm.
„Ein anderes Beispiel. Dieser... Junge kam nicht nur mit seinem Pausenbrot, sondern mit einem Maschinengewehr zur Schule. Er erschoss 3 seiner Mitschüler und dann sich selbst.“
Ein nervöses Raunen ging durch die Menge. Roman drückte noch eine Taste auf seiner Fernbedienung und das Bild wechselte zu einem Video, das ein Computerspiel zeigte.
„Der Grund dafür liegt auf der Hand. In Spielen wie diesen lernen Jugendliche nicht nur dass Gewalt das beste Mittel ist, um Probleme zu lösen. Nein, sie lernen auch den Umgang mit Waffen und werden darauf konditioniert Menschen zu töten.“
Das Bild wechselte zu einem anderen Gesicht.
„Das hier ist faz0r. So nennt er sich zumindest, eigentlich heisst er Sebastian Murte. Sebastian ist ein Profigamer. Ich habe mit ihm über diese Spiele gesprochen und er sagte mir, dass er schon nicht mehr bewusst spielt. Dass alle seine Handlungen Reflexe seien. Er tötet aus Reflex.“
Nun zeigte Roman den versammelten Menschen die Bilder, die seinen Vortrag zu ihrem krönenden Abschluss bringen sollten. Auf dem Bildschirm erschienen drei leblose, blutüberströmte Körper.
„Für die Opfer ist das kein Spiel sondern blutiger Ernst. Und potentielle Opfer sind alle von uns, die sich noch auf die Straße trauen.“ Er legte eine wohl kalkulierte Pause ein, wartete darauf dass die Angst ins Bewusstsein der Versammelten sickerte. „Also lasst uns alle an einem Strang ziehen und diesen Wahnsinn stoppen. Diese Spiele ein für alle Mal aus den Kinderzimmern unserer Familien verbannen.“
Diesmal klatschten sie alle. Roman nickt selbstzufrieden und wusste, dass er das auch im Bundestag schaffen würde. Dann explodierte sein Kopf.

***​

„...fanden die Behörden mittlerweile ein YouTube Video, das den Verdacht eines Auftragsmordes widerlegt. In dem Video gesteht der mutmaßliche Täter, dass er vorhabe den Abgeordneten Roman Schmitt umzubringen damit dieser den Ruf von Gewaltspielen nicht weiter schädigen könne. Aufgenommen wurde das Video offenbar im selben Raum in dem der Attentäter sich zur Tatzeit befand. Ermittlungsleiter Berghardt sagte dazu-“
Nicole schaltete den Fernseher aus und stieg die hölzerne Treppe hoch, die zum Zimmer ihres Sohnes führte. Sie öffnete vorsichtig die Tür und sah Simon mit Kopfhörern und wild die Maus bewegend an seinem Computer sitzen. Er spielte einen dieser schrecklichen Egoshooter. Ein Killerspiel. Sie zog ihm die Kopfhörer von den Ohren.
„Hast du noch nicht gesehn was dieses Zeug mit dir anstellt? Schalt mal den Fernseher an. Ach und junger Mann, ab heute spielst du so einen Mist nicht mehr, ist das klar?“

 

Hallo Mondlicht,

leider hat mir deine Geschichte gar nicht gefallen. Du bietest drei Szenen und einen moralischen Zeigefinger, der sie durchwirkt. Insbesondere den mittleren Teil finde ich absolut lächerlich. Die Phrasen sind an Banalität kaum zu überbieten. Jede BZ-Schlagzeile hätte mehr Hand und Fuß.
Was die Beschreibung des Killers im ersten Teil soll, habe ich auch nicht begriffen. Wieso eine Figur einführen, die gar keine Rolle hat?
Und das Ende, ahja... So hat der Politiker am Ende doch wenigstens Erfolg?! :drool:
Ich fürchte, ich gehöre wohl nicht der Sparte an, denen du die geschichte widmest ;)
FAzit: platter Umgang mit einem an sich gesellschaftlich relevantem Thema. Schade drum.

Grüßlichst
weltenläufer

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Mondlicht,

wenn ich dich richtig verstehe, hast du hier den Versuch der Politiker, Amokläufe auf eine Ursache zu beschränkern, aufgegriffen: die "bösen" Videospiele sind schuld. Der Auftraggeber des Killers, der vermutlich aus ganz anderen Motiven mordet (derselbe Raum), kommt damit durch, Leidtragende sind die jugendlichen Spieler.

Ich selbst habe ein zwiespältiges Verhältnis zu besonders brutalen Spielen, weil psychologisch nachgewiesen ist, dass sie einen Abstumpfungseffekt auf die Spieler haben und genau dazu in der Kriegsvorbereitung eingesetzt wurden. Auch wenn Spieler zusagen, dass sie eine klare Linie zwischen Fiktion und Realität ziehen: das Nervensystem kann das einfach nicht.

Ich denke, deine implizite Parteilichkeit ist es, was weltenläufer als "moralischen Zeigefinger" gestört hat. Den Mittelteil finde ich aber, anders als er, nicht platter als die Realität, sondern leider authentisch. ;)

Meiner Meinung nach liegt das Problem bei Amokläufen (wie anderen Katastrophen) darin, dass es immer verschiedene, ineinander verwobene Ursachen gibt und kein Politiker mit einem monokausalen Aktionismus nachhaltig weiterkommt, und so hätte ich mir die Geschichte gewünscht. Es ist aber deine Geschichte, und du hast aus deiner Sicht Kritik geübt.

Übrigens, Relativsätze trennt man auch nach der neuen Komma-Regelung mMn mit Kommata ab, und bei "sowas Komisches" ..."komischer Tag" ist eine Wortwiederholung.

Gruß, Elisha

Da im Moment kein Kaffeekranz offen ist: nachträglich happy birthday! :)

 

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