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Schweigen ist feige!

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11.08.2001
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Schweigen ist feige!

Die Fußgängerzone am Meer ist in das warme Licht der untergehenden Sonne gehüllt. In den kleinen Cafés am Straßenrand sitzen Menschen. Eine alte Frau hat sich einen Café bestellt. Eigentlich darf sie so etwas gar nicht mehr trinken. Ist schlecht für die Gesundheit. Aber sie hat ihn trotzdem bestellt. Sie sitzt da und erinnert sich an alte Zeiten.
Ein Mädchen, ungefähr 15 sitzt in einer Eisdiele. Sie wartet auf einen süßen Jungen, den sie heute kennengelernt hat.Das war im Karstadt in der Stadt; als sie grad' einkaufen war. Sommerschlußverkauf-obwohl es eigentlich noch Hochsommer ist.
Eine Gruppe junger Männer pfeift einer Frau nach. Diese tut so, als würde sie es nicht bemerken. Die Männer brechen in lautes Gegröle aus.
Selbst der Bürgermeister ist hier. Er schaut sich selbstgefällig den Artikel in der Zeitung über ihn an.
Ein alter Mann mit einem großen Hut hat sich grade' eine Zigarre angesteckt. Heute wird es keinen Regen mehr geben. Er schüttelt den Kopf.
Ein Student sitzt alleine da. Seine Freundin hat ihn heute verlassen. Er sieht müde aus. Er hat die ganze Nacht durchgesoffen. Auch jetzt hält er eine Flasche in der Hand. Traurig sieht er einem Liebespaar nach, dass
Hand in Hand am Meer steht und verliebt den Sonnenuntergang betrachtet.
Ein Mann rennt durch die Fußgängerzone. Immer wieder stolpert er über die Pflastersteine. Seine Seiten stechen so, als hätter jemand ihm ein Messer hineingetrieben.
Seine schwarze Haut glänzt vor Schweiß. Bald wird er keine Kraft mehr haben. Aber er hört nicht auf zu laufen.
Hinter ihm trampeln schwere Springerstiefel auf den Pflastersteinen.
Kahle Glatzen glänzen rötlich in bizarrer Schönheit im Licht der Untergehenden Sonne.
Das Mädchen schaut kurz auf. Einen Augenblick überlegt sie zu helfen, aber was soll sie denn schon machen. Diese Typen würden sie auch noch verkloppen. Das ist es ihr dann doch nicht wert. Ausserdem hat sie viel zu gute Laune um sie sich noch zu vermiesen.
Die alte Frau schaut lächelnd zu. "Fast wie früher", denkt sie. Sie nimmt einen großen Schluck von ihrem Kaffee. Das nächste mal wird sie sich eine Kakao bestellen.
Die Gruppe junger Männer ist plötzlich ganz still geworden. Einer von ihnen holt ein Kartespiel 'raus. Sie fangen an Skat zu spielen.
Der Student verstärkt seinen Griff um die Flasche. So fest, das seine Knöchel weiß werden.
Das Liebespaar schaut sich an. Schutz suchend umschlingen sie sich.
Der Bürgermeister vertieft sich mehr in seine Zeitung. Im letzten Wahlkampf hat er versprochen etwas gegen die Skinheads zu unternehmen, aber das war gewesen, bevor er gewählt wurde.
Der alte Mann hat seine Zigarre angesteckt. Er kramt in seiner Tasche nach einer neuen.
Der Mann ist inzwischen an einer Wand angelangt. Er weiß nicht mehr wohin. Gehetzt schaut er sich um. Aber da haben ihn seine Verfolger schon eingeholt. Er duckt sich unter den ersten Schlägen, die auf ihn herunterprasseln.

!!!!!!!!!!!!!!!!STOPP!!!!!!!!!!!!!!!

Die Flasche in der Hand des Studenten platzt. Warmes Blut läuft seine Arme herunter. Er spürt es nicht. Ruckartig steht er auf und bewegt sich auf die Glatzen zu.
Auch die Gruppe junger Männer ist aufgestanden. Die Karten haben sie achtlos fallen gelassen.
Eigentlich könnten sie sich auch wann' anders verabreden. Das Mädchen erhebt sich langsam von ihrem Platz.
Der alte Mann hat seine Zigarre gefunden. Er schaut sich um und schüttelt den Kopf. Dann lächelt er. Achtlos lässt er die Zigarre fallen.
Das Liebespaar fasst sich an den Händen. Sie nicken sich zu.
Die alte Frau. stellt ihren kakao auf den Tisch. Ächtzend erhebt sie sich.
Auch der Bürgermeister steht auf. Er knüllt seine Zeitung zusammen.
Wie ein Mann bewegt sich die Gruppe auf die Glatzen zu und umkreist sie.
Die Glatzen hören auf auf den Mann einzuschlagen. Verwirrt schauen sie sich um. Der Student lächelt.
Die Skinheads schauen sich an. Sie wissen nicht, wie sie darauf reagieren sollen. Langsam weichen sie zurück.
Der Mann ist auf den Pflastersteinen niedergesunken.
Jetzt hebt er den Kopf.
"Warum habt ihr so lange gebraucht?", fragt er.

 

Die gute Absicht in Ehren, aber ist das nicht ein bisserl SEHR abgedroschen???

 

Nö Rainer,

ist es nicht! Es interessiert nur niemanden mehr, und das ist feige!

Bis bald, Poncher

 

Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich gottlob noch nie in die Situation kam, diese Art von Zivilcourage beweisen zu müssen.

 

An und für sich ist die Geschichte ja nicht schlecht, aber was Rainer sagt stimmt auch irgendwie. Man könnte doch versuchen die Neonazi, und Zivilcouragen Problematik innovativer darzustellen, dann würden sich auch mehr Leute dafür interessieren. Selbst ein tragisches Ende käme Deiner Geschichte besser.

Ach ja, und der Satz...

Kahle Glatzen glänzen rötlich in bizarrer Schönheit im Licht der Untergehenden Sonne.
...war der überhaupt ernst gemeint?

 

Zuerst hatte auch ich ein negatives Ende erwartet. Gerade die Wendung nach dem Stopp gibt deiner Geschichte jedoch das gewisse Etwas, was zum Nachdenken annimiert. Ich glaube schon das erst einer den ersten Schritt tun muss ehe auch andere eingreifen. Das ist übrigens nicht nur in Extremsituationen so, sondern begegnet uns stets im Alltag. Sei es Mobbing am Arbeitsplatz, Angriffe auf die Würde, einer Autopanne oder das Desinteresse der Nachbarn was die anderen Mitbewohner angeht ( Alte Frau erst zwei Wochen nach ihrem Tod in ihrer Wohnung gefunden). Zivilcourage ist heute leider nicht mehr selbstverständlich, vor allem in Extremsituationen wie diesen. Schade.....

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Laki,

erst einmal herzlich willkommen auf kurzgeschichten.de.

Ehrlich gesagt kann ich mich dem wohlmeinenden Tenor der bisherigen Kritiker ganz und gar nicht anschließen - aus verschiedenen Gründen.
Zum einen hat jede Geschichte einen schweren Stand bei mir, die auf ausgelutschte und grob simplifizierende Erkennungsmerkmale zurückgreift, die überdies auch noch so nicht haltbar sind, und dazu gehört das Bemühen von Analogien wie Springerstiefel=rechtsradikal genauso wie die Gleichsetzung von Skinheads und Neonazis. Ästhetik unzweideutig an irgendeine Ideologie zu knüpfen ist bestenfalls problematisch.
Zum anderen empfand ich die Geschichte dahingehend als unerträglich, dass sie dermaßen predigend daherkommt, dass ich mir als Leser bevormundet und vom Autor nicht ernst genommen vorkomme, zumal ich niemanden möchte, der mir sagt, wie ich zu handeln habe oder mich emotional erpresst - das hat in meinen Augen weniger etwas mit Kunst als vielmehr mit Agitation zu tun.

Nimm meine harten Worte bitte nicht persönlich, aber bei mir hinterlässt der Text den Eindruck, als könnte er genauso gut in irgendeiner Broschüre stehen, der junge Teens über die Gefahren des Rechtsradikalismus' aufklären will. Zu belehrend, zu gutmenschelnd und zu sehr an der Oberfläche bleibend (diese eigentlich gar nicht verlassend) ist deine Geschichte, so dass ich wirklich Probleme habe, mich positiv zu ihr zu äußern.

Aber bitte lass dich nicht entmutigen, zumal es ja dein erster Beitrag in diesem Forum ist.

Kritische Grüße,
der Waldgeist

PS: Gerade erst habe ich gesehen, wie alt diese Geschichte eigentlich ist - ich hoffe, meine Meinung wird dadurch nicht unerwünscht, etwa weil der Text als bereits 'abgehandelt' gilt.

 

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