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Schwein

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26.11.2010
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Schwein

Es stank. Überall drängten sich stumme Menschen, die geschäftig durch die stickige Halle eilten. Er war so allein unter all diesen Menschen. Es arbeiteten fast 5000 von ihnen in seiner Fabrik. Obwohl „seine“ das falsche Wort war. Nichts war „seine“. Nicht mal „sein“ Zimmer. Auch nannte niemand seine Zimmer Zimmer, denn ein Zimmer war es nicht, eher eine winzige Zelle ohne Fenster. Grau und trist. Jegliche Dekoration war ausdrücklich verboten. Es befand sich auch sonst nicht viel darin. Nur ein schmales, hartes Bett und eine Komode, nur spärlich bestückt mit grauen Overalls. Aber hier war sowieso alles grau. Die Wände, die Böden, die Decken, die Luft, die Menschen. Selbst die Sonne, auch wenn es eher so aussah als hätte sie ein Riese gegen eine grelle Halogenlampe getauscht, die trotzdem nicht stark genug war, um in die dicke, abgasverseuchte Luft Licht zu bringen. Es herrschte die Stimmung, wie in einer Tiefkühltruhe, nur viel wärmer.
Und hier lebte er.
Schon seit 35 Jahren. Er war allein und er war alt, beinahe zu alt, niemand erreichte das 45. Lebensjahr. Niemand. Doch das war mal anders gewesen.
Er hatte einige Kollegen von Wiesen reden hören, von Wäldern und Seen. Vom Meer. Er träumte oft vom Meer. Er hatte es noch nie gesehen. Keiner hatte es je gesehen. Sie konnten es sich nur vorstellen.
Hell und schön. Friedlich. Still.
Doch er hatte keine Zeit zu träumen, jetzt musste er arbeiten, sonst würde er nicht mal 36 Jahre alt werden. Die Aufseher waren streng, täglich starben Kollegen, doch das unterbrach nicht den Arbeitslauf, sie wurden sofort durch neue, junge Kollegen ersetzt. Manchmal fragte er sich, wo sie herkamen, aber normalerweise hatte er keine Zeit nachzudenken. Und keine Kraft. Er musste arbeiten, strengte er sich nicht an, drohte ihm ein Aufsäher mit einem Elektroschocker. Sie taten weh, dann konnte er nicht mehr arbeiten und sein Tagespensum nicht schaffen und dann würde er am nächsten Tag doppelt so viel arbeiten müssen, aber das war kaum noch möglich, er war schon so alt.
Bald ist meine Zeit um, dachte er. Aber er hatte keine Zeit, er musste arbeiten, noch 5 Stunden heute. Dann konnte er in seine Zelle und schlafen. Vielleicht gönnte er sich noch eine Scheibe Brot. Aber das Essen war knapp, er musste es sich gut einteilen. Sonst würde er nächste Woche hungern müssen. Nächste Woche...
Er wurde angestoßen, ein Auseher brüllte ihn an, doch er hörte nicht zu. Sie sagten immer das gleiche. Los du faules Schwein, beweg dich, arbeite! Er drehte sich um und fuhr mit seiner Arbeit fort. Noch 5 Stunden, dann könnte er endlich gehen. Wenn die Zeit doch endlich um wäre. Dann könnte er schlafen und träumen. Vom Meer. Und der Freiheit. Aber bis dahin musste er noch arbeiten.
Oder auch nicht.
Alles wurde schwarz. Sein Nacken schmerzte. Sie hatten ihn aussortiert, mit der Elektrozange. Jetzt konnte er träumen. Von Wellen und Bäumen und Gras und Sonne. Nie mehr Schmerzen. Nie wieder Arbeit. Endlich Frieden.

Neben den Leichen der toten Arbeiter des Tages standen zwei Aufseher. Ach, sagte der eine zu dem anderen, sind doch nur Tiere.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Shalom,

ich bin selbst neu hier und Du bist wohl mein Versuchskaninchen.

Mir hat deine Geschichte eigentlich gut gefallen, obwohl sie eher einer Schilderung ähnelt.
Der Text hat keine Handlung, sondern beschreibt "nur" die (womöglich) letzten Momente eines armseligen Arbeiters. Das ist Dir auf jeden Fall gut gelungen, finde ich. Die kurzen, prägnanten Sätze sind wohl passend zum Inhalt, zur hecktischen, kurzlebigen, gefühllosen Welt.

Dennoch, irgendwie fehlt mir noch das Spezielle, das Individuelle bei deinem Charakter. So verkörpert er wohl nur eine Ameise unter vielen. Eine Maschine, ein Tier, wie von den Aufsehern verlangt. Und das ist irgendwie schade, ich würde gerne mehr mitfühlen , mich vielleicht sogar ein wenig mit ihm identifizieren können.

Aber auch so gefällt mir dein Text und ich finde ihn durchaus lesenswert.

LG Boccio

 

Willkommen Shalom!

Mir gefallen kurze Texte, wenngleich deiner noch kürzer allemal besser wäre.

In der Tat fehlt hier die Handlung für eine Geschichte, mehr die Schilderung eines Zustandes.

Sprachlich könntest du einiges verbessern. Beispiele:

Es stank. Überall drängten sich stumme Menschen, die geschäftig durch die stickige Halle eilten.

Hier beißen sich die Verben drängen und eilen.


Er war so allein unter all diesen Menschen.
Was heißt so allein? Besser vielleicht: Er fühlte sich allein.


Es arbeiteten fast 5000 von ihnen in seiner Fabrik
Fast ist überflüssig und bei der Anzahl eh egal, wieviele genau.

. Obwohl „seine“ das falsche Wort war. Nichts war „seine“. Nicht mal „sein“ Zimmer. Auch nannte niemand seine Zimmer Zimmer, denn ein Zimmer war es nicht, eher eine winzige Zelle ohne Fenster.
Prinzipiell nichtssagend. Es hätte gereicht: Er hauste in einer Zelle ohne Fenster.


Jegliche Dekoration war ausdrücklich verboten.
Jegliche weg und schon funktioniert der Satz besser.


Es herrschte die Stimmung, wie in einer Tiefkühltruhe, nur viel wärmer.

Bild passt nicht.

Und hier lebte er.
Das haben wir uns schon gedacht.

Neben den Leichen der toten Arbeiter des Tages standen zwei Aufseher. Ach, sagte der eine zu dem anderen, sind doch nur Tiere.
Die letzten beiden Sätze sind überflüssig. Wenn der Leser bis jetzt nicht begriffen hat, worauf der Autor hinauswollte, ist es ohnehin zu spät.

Insgesamt kommt Trostlosigkeit als Stimmung mit dem Text herüber, es würde dringlicher und plakatischer, wenn du Überflüssiges eleminierst, den Leser nicht vorkaust, was er denken soll sondern du es ihm mit Bildern und Worten in den Mund legst.

Gute Ansätze sind einige Bilder. Versuch vielleicht noch sinnlicher zu erzählen. Am Anfang stand: Es stank. Aber wonach stank es. Das will der Leser wissen.

Liebe Grüße

Adem

 

Guten Tag, Shalom,

mir fehlt da was. Vieles deutet darauf hin, daß ein Tier vermenschlicht wird und erzählt. Die Abgrenzung von den Menschen zum Beispiel, die Elektrozange. Daß er immer in dieser Halle lebt. Aber welches derart langlebige Tier wird zur Arbeit so gehalten? Mit Tagesplänen und Kommoden mit Overalls?
Viellicht ein SciFi-Szenario oder eine starke Übertreibung, um auf unmenschliche Arbeitsbedingungen oder gruselige Massentierhaltung hinzuweisen. Oder einfach ein Alptraumbild. In jedem Fall würde es besser wirken, wenn man wenigstens wüßte, was da gearbeitet wird.

Handlung hat mir auch gefehlt. Ein Held, der bei der Zwangsarbeit ermordet wird, das könnte immerhin ein Startschuß für Handlung sein. Flucht, Revolte oder was auch immer. Allerdings bräuchtest Du dann andere Helden. :D
Es könnte auch das Ende einer Handlung sein, aber vor seinem Tod gibt es nur Szenario und Innenbilder.

Gruß,
Makita.

 

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