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Schwerelosigkeit

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28.12.2009
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Schwerelosigkeit

Das Schwimmbad ist sonst immer leer, ich gehe freitags morgens, um diese Zeit ist es meistens noch leer, und das mag ich, wenn nicht so viele Menschen im Wasser sind, dann kann ich in Ruhe meine Bahnen schwimmen. Ich schwimme gerne, denn im Wasser fühle ich mich leicht, ich mag es, ganz zu Anfang, wenn ich gerade erst ins Wasser gestiegen bin, dann mag ich es die Arme und Beine auszustrecken und durch das Becken zu gleiten, zu schweben, am besten ist es mit geschlossenen Augen, so muss Schwerelosigkeit sein, denke ich immer, genauso, so fühlt sich das an. Das geht nur, wenn es noch nicht so voll ist, ich bin dabei gerne alleine, ich habe es nicht so gerne, wenn man mir zusieht , deswegen gehe ich früh, und es ist auch nicht so laut, mir kommt es immer so vor, als ob das dann im Schwimmbad lauter wäre, als es eigentlich ist, aber vielleicht kommt mir das auch nur so vor, ich wüsste auch nicht, woran das liegen könnte, denn wenn ich mit dem Kopf unter Wasser tauche, ist es ja still, so ruhig, dann höre ich nichts mehr, und alles ist weit weg, aber wenn ich wieder auftauche und die Kinder schreien, platzt mir fast der Kopf. Nein, morgens ist es am schönsten. Es ist ein altes Schwimmbad, nichts Besonderes, und es ist auch ewig nichts mehr dran gemacht worden, nichts modernisiert oder renoviert, die Umkleidekabinen sind ziemlich heruntergekommen und es riecht auch immer ein wenig nach Schimmel, aber es ist eben das einzige Schwimmbad in der Nähe. Ich komme gut hin, es sind nur drei Stationen mit der 510, und manchmal gehe ich auch zu Fuß, wenn das Wetter nicht zu schlecht ist.

Heute sind zwei Jungs da, vielleicht dreizehn, vierzehn. Sie sitzen da am Beckenrand und reden miteinander, ich kann nicht hören, was sie reden, dafür sind sie zu weit weg, immer nur ein paar Wörter, Gemurmel, doch ich wünschte mir, sie würden einfach leise sein, obwohl sie nicht laut sind, sie sind nicht laut. Trotzdem. Freitags morgens habe ich das Schwimmbad ansonsten für mich, ich bin meistens die Erste hier. Ich schwimme zwanzig Bahnen, und ich schwimme langsam, das Wasser ist glatt und ruhig, und es bleibt glatt und ruhig, die nächsten Gäste kommen normalerweise erst, wenn ich bei den letzten Bahnen bin, die letzten drei oder vier Bahnen schwimme ich nicht mehr alleine, ich kann das dann spüren, das Wasser wird anders, wenn noch andere Schimmer drin sind, es ist nur ein kleines Becken, da wird das Wasser richtig aufgewühlt und ich muss mich noch mehr anstrengen, als ohnehin schon, und ich muss aufpassen, dass ich nicht die Orientierung verliere, oben, unten, rechts, links und dann das Wasser so wild, aber das macht mir nichts mehr aus, denn ich weiß ja, ich bin bald durch und danach ist es mir egal, ich hatte meine Ruhe bis dahin, freitags morgens ist es meistens leer. Die beiden Jungs sehen nicht wie Schwimmer aus, sie tragen keine Klamotten des Vereins, der hier trainiert, manchmal sehe ich einen der Trainer, und ich frage mich auch, was sie hier tun, so früh, ob sie eigentlich nicht in der Schule sein müssten? Beide sind blond, blond und schmächtig, und Ich versuche, sie gar nicht zu beachten, ich versuche sie zu ignorieren, so gut es geht, es sind eben Jungs, und vielleicht haben sie frei oder sie schwänzen den Unterricht, das geht mich ja nichts an. Sie sitzen immer noch da am Beckenrand, die Beine im Wasser, und sie lachen, aber ich schwimme weiter, ich schwimme an ihnen vorbei, es ist die neunzehnte Bahn, noch einmal hin und zurück, dann ist es vorbei, dann bin ich fertig.

Die letzte Bahn spüre ich immer, die letzte Bahn ist anstrengend, wirklich anstrengend, und oft denke ich, alle anderen Bahnen davor sind im Grunde unbedeutend, es kommt immer nur auf die letzte Bahn an, und ich versuche meine Kraft zu sparen, sie mir für die letzte Bahn aufzusparen, aber es klappt nur selten, meistens muss ich kämpfen, richtig auf die Zähne beißen, um es zu schaffen, und doch schaffe ich es, ich schaffe es. Die Jungen sehen nicht, wie ich kämpfe, wie sehr ich mich anstrenge, sie reden nur, sicher reden sie nur dummes Zeug. Ein paar Meter noch, der Beckenrand ist schon ganz nah, ein paar Züge, dann bin ich endlich fertig, meine Finger berühren die Kacheln, das ist das Zeichen. Ich ziehe mich auf den Beckenrand, zwanzig Bahnen, zwanzig, und es ist immer die letzte, die letzte ist die anstrengendste. Ich atme ein, atme aus, halte mich an der Stange fest, mein Körper ist immer noch ganz leicht, ich schwebe im Wasser, und als ich mich umdrehe, sind die Jungs verschwunden. Ich bleibe noch ein paar Minuten lang im Becken und lasse mich treiben, lege meinen Kopf in den Nacken und schaue an die Decke, die hoch und weiß ist, das künstliche Licht so grell, dass ich meine Augen schließen muss, das Wasser gluckert an meinen Ohren.

Mein Handtuch breite ich immer auf der Bank neben dem Becken aus, ich nehme es, lege es mir um die Schultern und dann merke ich immer, wie es unter meiner Haut summt, wie die Muskeln noch angespannt sind, und wie ich zittere, und dann kriege ich auf einmal eine Gänsehaut, obwohl ich ansonsten eigentlich eher unempfindlich gegen Kälte bin. Ich ziehe die schwere Glastür auf, ich muss langsam gehen, weil ich mich so angestrengt habe, ich wanke hin und her, richtig unbeholfen, und dann drehe ich mich im Gang immer noch einmal um, aber das Becken ist leer, und in der Halle ist auch immer noch keiner, nur der Bademeister sitzt in seinem Kabuff vor den Kinderbecken und liest Zeitung, und als er mich sieht, nickt er kurz, und ich winke zurück und gehe weiter zu den Duschen.

Ich benutze immer die hinterste Dusche, sie ist durch eine große Milchglasscheibe abgetrennt und wahrscheinlich für Mütter mit ihren Kindern gedacht, ich habe aber noch nie Kinder hier gesehen, ich habe hier überhaupt fast noch nie jemand anderen duschen gesehen, ich glaube sogar wirklich nur ein einziges Mal, das ist erst ein paar Wochen her, eine ältere Frau, die sich im Badeanzug geduscht und eine Seife für Männer benutzt hat, ich erinnere mich genau an den herben Duft, das war wie früher im Badezimmer, das Aftershave und der noch feuchte Rasierpinsel, die Borsten weiß vom Schaum, und dann dachte ich noch, dass ich die Frau gar nicht im Becken habe schwimmen gesehen, aber ich habe gehört, manche kommen nur in das Schwimmbad, um zu duschen, weil sie so Geld sparen wollen. Alles ist so teuer geworden. Die Duschen hier sind groß genug, ich kann mich vernünftig darin bewegen, und auch der Wasserdruck ist ausreichend, nicht gut aber ausreichend, es läuft nicht einfach so aus dem Kopf heraus wie bei so vielen anderen Duschen, manchmal hab ich schon geglaubt, dass ich zu Hause die einzige noch wirklich gut funktionierende Dusche habe, aber natürlich stimmt das nicht, das kann nicht stimmen. Das Chlor brennt immer noch in meinen Augen, ich stelle das Wasser etwas wärmer, das ist gut, ein gutes Gefühl, alleine unter der Dusche, und ich spüre, ich kann spüren, ob noch jemand anderes im Raum ist, das konnte ich schon immer, selbst mit geschlossenen Augen weiß ich es, ob da noch jemand ist, ich wusste immer, wann Ingo nach Hause kam, wann er zu Hause war, nachts oder morgens, im Wohnzimmer, in der Diele, im Keller, und ich weiß es auch jetzt noch, ob jemand in der Kabine ist oder draußen im Gang, es sind nicht die Geräusche, ich denke, es sind die Körper, ich glaube, ich habe irgendwo einmal gelesen, dass Körper eine Strahlung aussenden, eine Art Energie, aber ich weiß nicht, ob es stimmt.

Die Umkleidekabine liegt am Ende des Gangs, ein langer gekachelter Raum mit abschließbaren Fächern für Kleidung und Wertsachen, und als ich meine Klamotten aus dem Fach nehme und das Schlosspfand auf die Bank lege, damit ich die Münze nachher nicht vergesse, da weiß ich es, da spüre ich es. Ich föhne meine Haare nur an, ich trage sie seit Jahren kurz, außerdem scheint die Sonne, das sehe ich durch die Fenster, und als ich durch das Drehkreuz in die Vorhalle gehe, steht schon eine Gruppe vor der Kasse, alles alte Männer in ausgebeulten, abgetragenen Trainingsanzügen, die laut lachen und auf ihren Handflächen das Kleingeld zusammensuchen.

Draußen ist es warm, Anfang Mai, bald öffnet das Freibad. Er wartet an der Ampel, sein Freund ist weg, er muss schon gegangen sein, ich sehe ihn nicht mehr. Sein Haar ist noch nass, er hat es nach hinten gekämmt, und über der Schulter trägt er einen Rucksack. Er steht da ganz alleine. Vom Seidenberg kommt die 510, der Bus hält vor dem städtischen Gymnasium, Menschen steigen aus und ein, und ich habe meine Fahrkarte schon in der Hand. Es ist schön, sage ich mir, es ist ein schöner Tag, ich laufe, ich gehe zu Fuß, es ist nicht weit, und so erschöpft bin ich nicht, die frische Luft wird mir guttun.

Ich halte Abstand, vierzig, fünfzig Meter, wechsele die Straßenseite, es ist eine schmale Straße, und sehe ihn die ganze Zeit zwischen den Autos, seinen Schatten an den Wänden, sicher geht er nach Hause, und kurz überlege ich, ob dort jemand auf ihn wartet, ob ihn jemand empfängt, ihn umarmt, ihn küsst, ihm etwas zu Essen macht?, und dann überlege ich, ob heute vielleicht ein Feiertag ist, einer dieser Feiertage, an die man sich nie erinnert, die immer so plötzlich und überraschend kommen, aber nein, es ist nur ein ganz normaler Freitag, ein Freitag an dem ich schwimmen gehe wie an jedem Freitag.

Mit nassen Haaren, da kann man sich erkälten, das geht ganz schnell, selbst wenn es draußen warm ist, man hört ja so allerlei, ständig sind die Kinder krank, und was, wenn da wirklich etwas Ernstes draus wird? Das wünscht man keinem. Vielleicht geht er erst jetzt zur Schule und hatte einfach ein paar Freistunden, vielleicht ist der Unterricht ausgefallen, weil wieder die Lehrer fehlen, das scheint ja mittlerweile ein echtes Problem zu sein, früher ist nie Unterricht ausgefallen, ich hätte es mir oft gewünscht, aber es ist nie passiert, ich denke nicht gerne an meine Schulzeit zurück. Es ist so ruhig in dieser Straße, es ist eine von den Straßen, die man selten benutzt, noch seltener zu Fuß geht, und ich denke immer, die Straßen und Häuser wirken dann so anders, wenn man nicht dran vorbeifährt, wenn man sie nicht aus dem Auto heraus sieht, ein schneller Blick, da prägt sich nichts ein, da sieht man an vielem vorbei, man sieht vieles nicht richtig, dabei ist es eine schöne Straße, mit schönen Häusern, Altbauten, restaurierte Fassaden, Blumen in den Fenstern, alles ist ordentlich und gepflegt, das ist mir nie so aufgefallen, weil man eben nicht hinsieht, und jetzt sehe ich eben hin.

Wir bleiben an der roten Ampel stehen, es tropft aus seinen Haaren auf den Asphalt, kleine, dunkle Punkte, und es ist auch kühler geworden, der Himmel auf einmal bedeckt, und sein Rucksack ist halb offen, ich kann hineinsehen, und in dem Moment, in dem ich es sagen will, gerade als ich sagen will, dein Rucksack steht offen, man könnte dir etwas klauen, man könnte dich beklauen, pass lieber auf, pass besser auf, da wird es Grün und der Junge geht weiter, er geht weiter mit seinen nassen Haaren und dem offenen Rucksack, ich bleibe noch an der Ampel stehen, ich warte, bis er die Straße überquert hat.

Ich folge nicht ihm, denke ich, ich folge dem offenen Rucksack, ich blicke auf den schmalen, dunklen Schlitz, und ich würde gerne wissen, was in diesem Rucksack ist, ob es nur ein Handtuch ist oder die ausgewrungene Badehose, vielleicht noch etwas Kleingeld, damit er sich etwas zu essen kaufen kann nach dem Schwimmen oder ein Buch, ein Schulbuch oder ein Tagebuch, vielleicht auch etwas ganz anderes? Vielleicht ist es etwas, dass der andere Junge ihm geschenkt hat und niemand anderes darf es wissen, niemand darf davon erfahren. Wir sind schon fast in der Fußgängerzone angekommen, als er sich das erste Mal umdreht, er sieht sich nur kurz über die Schulter, aber da ist nichts, er sieht mich und er sieht mich an, doch er lächelt nicht einmal, er geht einfach weiter, als wäre da nichts, und ich bleibe stehen und schaue ihm hinterher, und jetzt spüre ich die zwanzig Bahnen, ich spüre sie alle auf einmal, ich spüre die Anstrengung und dass ich keine Kraft mehr habe, ich habe einfach keine Kraft mehr dafür, ich kann ihm nur noch hinterhersehen, wie er langsam an den Geschäften vorbei geht, weiter auf dem Kopfsteinpflaster, sich immer weiter entfernt, sich immer weiter von mir entfernt, bis er in der Menge verschwunden ist. Einmal sehe ich noch den Rucksack, aber es ist zu weit weg, ich sehe kurz den hellgrauen Stoff, und dann ist er verschwunden.

Ich gehe langsamer, ich bleibe fast stehen, ich sehe in eins der Schaufenster, so viele neue Geschäfte, denke ich, und sie alle wollen dir irgendetwas verkaufen, was du eigentlich nicht brauchst, denn was braucht man denn schon wirklich?, denke ich, und dann gehe ich weiter, am alten Friedhof steige ich in die 510, obwohl ich weiß, es ist nur noch eine Station, und der Bus ist voll, ich bleibe neben dem Fahrer stehen und steige vorne aus, und diese Straße kenne ich, ich kenne sie sehr gut, rechts der Orthopäde, links das Nagelstudio, und da ist keine Post, nur ein Werbeprospekt, Fernreisen, der Schlüssel fühlt sich kalt und schwer an in meiner Hand, klack klack, und ich bin im Hausflur, der nach Staub und warmem Kirschkuchen riecht, es riecht dort immer so, ich weiß nicht, warum.

Ich mag die Stille, das weiß ich, ich sitze in meiner Küche und schaue aus dem Fenster, die Wipfel der alten Linde bewegen sich, aber alles ist ganz still, und es ist erst vormittags, doch ich fühle mich müde, ich könnte das Efeu im Garten schneiden oder mir einen Tee kochen, aber ich bin müde, zwanzig Bahnen, denke ich, das ist schon eine Menge, nicht viele in meinem Alter schaffen das, und nur die letzte ist anstrengend, und ich weiß, ich könnte noch so viele Dinge tun, doch alles, was ich tun kann, ist mich auf mein Bett zu legen, und dann liege ich da und schließe meine Augen und alles ist weit weg, vielleicht sind diese Dinge nicht wichtig, wer kümmert sich schon um ein wenig Efeu?, denke ich, und Tee kann ich immer trinken, morgens, abends, wann immer ich will, und es ist weich und warm hier, mein Kopf auf dem Kissen, und ich will dem Jungen doch nur sagen, hier, du, dein Rucksack, und ich will ihn in den Arm nehmen und ihm die Haare trocknen, mit einem meiner guten Handtücher, ich will ihm auf die Stirn küssen und sagen, alles ist gut, alles ist gut, du bist zu Hause, hier ist dein zu Hause, und was möchtest du essen?, ich habe alles da, Fisch und Fleisch und Schokolade und Eis, alles, ich habe alles, du musst es nur sagen, du musst dich nicht schämen, Ingo mochte Bier zu seinem Kuchen, das fanden alle immer seltsam, aber ich habe das verstanden, er mochte es eben einfach so, bei mir wirst du dich wohlfühlen, du darfst auch Fernsehen, du darfst fernsehen bis es dunkel draußen wird, und ich könnte dir so vieles erzählen, so vieles, und dann gleite ich wieder durch das Wasser, ich bin ganz leicht, ja, ganz leicht, wie nach zwanzig Bahnen, ich schwebe, ich halte den Jungen fest und ziehe den Reißverschluss an seinem Rucksack zu und der schmale, dunkle Schlitz ist weg und ich sage, hör zu, dein Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben, ich verrate es niemandem, glaub mir ruhig, glaub mir einfach, ich sage es niemandem, ich sage niemandem etwas.

 
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Hallo, da darf ich mal als erster was sagen ;)

Dein Text ist sprachlich aus einem Guss, er hält den Stil von Anfang bis Ende mit wenigen Ausnahmen, die ich zitieren werde. Nach den ersten Sätzen wollte ich schon schlau bemerken, dass deine Sätze voller Redundanzen sind, nur wenige Stellen weiter allerdings hatte ich die Idee, worum es hier gehen könnte: Ein ewiges Kreisen der Gedanken, Wahrnehmungen und Interpretationen im Kopf eines Menschen, für den es kein soziales Außen mehr gibt. Keine Fixpunkte, keine neuen Aspekte für jemanden, der sozial isoliert lebt, jeden Tag seines Lebens. Der Titel passt dann auch - ein Astronaut im Orbit, keine Verbindung, allein im Weltraum.
Da haben die Redundanzen, das stets gleiche in Wiederholung, ihren Grund.

Handlungsarm, sehr handlungsarm, diese 'Geschichte', stimmig jedoch gerade auch darin: in der Charakterisierung der Protagonistin.
Das ist normalerweise nicht mein Genre; insofern kann ich nicht sagen, dass dein Text mich gefesselt hat. Gut finde ich ihn dennoch, zutreffend auch.

Nun noch Anmerkungen zu einzelnen Stellen:

Das Schwimmbad ist sonst immer leer, ich gehe freitags morgens, um diese Zeit ist es meistens noch leer, und das mag ich, wenn nicht so viele Menschen im Wasser sind,
Natürlich redundant, dachte ich. Das ist aber nicht der Punkt. Hier verstehe ich es logisch nicht. Denn es kommt lange kein Hinweis auf andere Gäste. Daher: Das Schwimmbad ist sonst immer leer? Damit ist gemeint: freitags morgens, also jetzt? Denn wenn sie freitagsmorgens geht, es aber sonst immer leer und freitags nur meistens leer ist? Du verstehst?


mag ich es die Arme und Beine auszustrecken
Komma? mag ich es, die ...


und es riecht auch immer ein wenig nach Schimmel
So spricht man, jedoch -- denkt man auch mit diesen relativierenden Füllwörtern? Klar wäre es mit: und es riecht nach Schimmel.


Ich komme gut hin, es sind nur drei Stationen mit der 510, und manchmal gehe ich auch zu Fuß, wenn das Wetter nicht zu schlecht ist.
Dies als Beispiel zitiert für einige Sätze, die den Stil brechen. Warum? Weil das in einem inneren Monolog kaum so detailliert vorkommen dürfte, wenn es faktisch gar keine Relevanz hat, um eine Wahrnehmung einzuordnen, zu beschreiben und zu bewerten.
Für mich als Leser schwächt das den Text. Und es ist müßig. Davon gibt es einige Stellen, die könntest du eliminieren, dabei würde nichts fehlen, der Text wäre mehr auf dem Punkt.

sie sind vielleicht zehn, elf, und das stört mich
Hier ist der Bezug nicht korrekt, denn es klingt, als störe sie das Alter (nicht die Anwesenheit) der Jungen.


zwanzig Bahnen, und ich schwimme langsam
Einfach prüfen wie authentisch das innerhalb eigener Kopfschleifen klingt.

obwohl ich ansonsten eigentlich eher unempfindlich gegen Kälte bin.
'eigentlich eher unempfindlich'? -- Überhaupt kommt eigentlich oft.


Ich föhne meine Haare nur an, ich trage sie seit Jahren kurz, außerdem scheint die Sonne, das sehe ich durch die Fenster, und als ich durch das Drehkreuz in die Vorhalle gehe, steht eine Gruppe vor der Kasse, alles alte Männer in ausgebeulten, abgetragenen Trainingsanzügen, die laut lachen und auf ihren Handflächen das Kleingeld zusammensuchen.
Wem sagt sie das? Und wen interessiert das, dass sie ihre Haare kurz trägt? Die alten Männer sind hingegen eine reine Beobachtung -- auch da frage ich mich, für wen das von Interesse sein könnte? Und wenn nur für sie, was dann? Wie würde sie es zusammendenken?


ich folge nicht ihm, denke ich, ich folge dem offenen Rucksack, ich blicke auf den schmalen, dunklen Schlitz, und ich würde gerne wissen, was in diesem Rucksack ist, ob es nur ein Handtuch ist oder die ausgewrungene Badehose, vielleicht noch etwas Kleingeld, damit er sich etwas zu essen kaufen kann nach dem Schwimmen
Na, hier geht nun so was wie eine Handlung los. Es war mir allerdings klar, dass die zu nichts im Außen führen würde. Und schnell wird es auch zur Phantasiereise, zum Trance-Trip ins eigene Innere. Alles, was folgt, rundet das Bild ab.

Ich gehe langsamer, ich bleibe fast stehen, ich sehe in eins der Schaufenster, so viele neue Geschäfte, denke ich,
Ich mag die Stille, das weiß ich, ich sitze in meiner Küche und schaue aus dem Fenster,
und ich weiß, ich könnte noch so viele Dinge tun, doch alles, was ich tun kann, ist mich auf mein Bett zu legen, und dann liege ich da

Diese "denke ich", "weiß ich" usw kannst du ab einem bestimmten Zeitpunkt weglassen, weil klar ist, dass sich alles innen abspielt. Dann rate ich zu einer Prüfung und Schlüssigkeit:
Wie würde ich es denken? Wem würde ich es sagen - und wie? Was sage ich mir selbst?

Vielleicht liege ich auch falsch mit meiner Interpretation deines Texts. Ratlos wär ich, in dem Fall.

Gruß, Flac

 
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Nach den ersten Sätzen wollte ich schon schlau bemerken, dass deine Sätze voller Redundanzen sind, nur wenige Stellen weiter allerdings hatte ich die Idee, worum es hier gehen könnte: Ein ewiges Kreisen der Gedanken, Wahrnehmungen und Interpretationen im Kopf eines Menschen, für den es kein soziales Außen mehr gibt.

Hallo und danke für deinen Kommentar.

Ja, die Redundanz ist hier natürlich programmatisch, es ist ein Kreisen.

So spricht man, jedoch -- denkt man auch mit diesen relativierenden Füllwörtern? Klar wäre es mit: und es riecht nach Schimmel.
Das ist ja ein grundsätzliches Problem bei Texten mit einem Ich-Erzähler. Wem wird das eigentlich erzählt? Das hier ist in dem Sinn ja keine Rollenprosa, wo ein Zuhörer schon intendiert ist, vielleicht eher ein innerer Monolog. Da wäre nun die Frage, inwieweit man den konstruieren und auf Effekt schreiben darf und kann. Für mich sind diese Füllwörter eher aus einer oralen Erzählweise stammend, und ich finde, das hat den größten Effekt im Sinne einer Nähe, die zum Leser entsteht bzw entstehen soll.
Dies als Beispiel zitiert für sehr viele Sätze, die tatsächlich den Stil brechen. Warum? Weil das in einem inneren Monolog kaum so detailliert vorkommen dürfte, wenn es faktisch gar keine Relevanz hat, um eine Wahrnehmung einzuordnen, zu beschreiben und zu bewerten.
Ich finde zum Beispiel nicht, dass da der Stil gebrochen wird. Dürfen denn in einem inneren Monolog nur Dinge vorkommen, die eine faktische Relevanz haben? Wie will man das auch bewerten, man schreibt ja nicht sich selbst, sondern eine andere Person. Da kann man den Fokus auf ganz andere Blickwinkel setzen, da bekommen ganz andere Dinge einen Wert, Kleinigkeiten, die einem selbst vollkommen egal wären, aber eben dem erschaffenen Protagonisten nicht. Du sagst dann auch: sehr viele Sätze brechen den Stil, das würde ich nun schon genau wissen wollen, welche das deiner Meinung nach sind. Vielleicht mißverstehe ich dich auch nur: erlaubt wären dann nur Dinge, die zielführend sind, die dem Text nichts hinzugeben, was unbedingt sein muss, aber das widerspricht doch dem gesamten Tenor des Textes, der ja ein verrätseltes Kreisen ist, ein Um-Sich-Selbst-Drehen. Im ersten Absatz allerdings sagst du noch, der Text hält den Stil von vorne bis hinten. What is it then?
Einfach prüfen wie authentisch das innerhalb eigener Kopfschleifen klingt.
Ich schreibe solche Texte, wie alle meine Texte, immer mit der eigenen Stimme im Kopf, die ich dann variiere, wie ich denke, wie jemand anders denkt, wie sich das jemand anders erzählt, mit welchen Details und mit welchen Bruchstücken, mit welchem Blick, und da passt das natürlich wunderbar authentisch zusammen, wenn diese Protagonistin das so sagt; in meinem Kopf ist diese Protagonistin ja entstanden. Das ist natürlich ein idiosynkratischer Prozess, ich glaube ja, dass solche Texte im Grunde in den leeren Raum erzählt werden, das ist ein Kompromiss, eine Mischform aus tatsächlicher Erzählung und den Gedanken der Protagonistin, die vor allem bruchstückhaft erfolgen, ich schreibe das nicht mit einem Plan, sondern eher organisch, weil ich glaube, das wir auch so denken, auch wenn wir selbst etwas oral erzählen, wird das unterbrochen, es wird gedreht und gewendet, man beginnt neu, man erzählt das Ende zuerst, man fügt Unwichtiges hinzu, Details, die nichts mit der Sache zu tun haben, ein so fort und immer weiter.
Wem sagt sie das? Und wen interessiert das, dass sie ihre Haare kurz trägt? Die alten Männer sind hingegen eine reine Beobachtung -- auch da frage ich mich, für wen das von Interesse sein könnte?
Vielleicht ist es wirklich so, dass wir uns hier mißverstehen, oder die Anlage des Textes nicht ganz eindeutig ist. Wem sie das erzählt, ist ja ein prinzipielle Fragestellung, das könnte man auf diesen Text sowie auf jeden anderen Text anwenden, der mit einer und aus einer Stimme geschrieben ist. Dann könnte man die Fragestellung noch erweitern: Wie realistisch sind überhaupt solche Erzählkonstellationen? Wir können im Grunde gar nicht erzählen, wenn wir etwas gerade erleben, das erscheint mir unmöglich. Es ist also von vorneherein eine Komposition, eine Situation, aus der erzählt wird, die es so nie geben wird und auch nie gab. Das sind gemachte Texte, und diese Gemachtheit spürt man natürlich, wenn man sie spüren will, wenn man sich dem Text nicht öffnen kann. Du liest eher plot-orientiert, wo ist hier eine Handlung, wo geht es hin, wo ist das Ziel, aber so ein Text ist das nicht. Um deine Frage zu beantworten: alles, was sie erzählt, ist für sie selbst wichtig. Sie nimmt die alten Männer wahr, sie sagt sich selbst, sie trägt die Haare seit Jahren kurz ... ich finde deine Frage, für wen das von Interesse sein könnte, irgendwie etwas seltsam, nimm es mir nicht krumm. Das könnte ich ja bei allen Texten fragen: Warum steht das, warum wird das erwähnt, wen interessiert das? Das funktioniert vielleicht bei plot-orientierten Stories, wo es in eine Richtung geht, von A nach B, da ist alles Ballast, aber in einem solchen Text darf doch Atmosphäre rein, da dürfen doch Beobachtungen und kleine Anmerkungen rein, die runden doch den Charakter ab, die erschaffen ihn doch erst, lassen ihn plastisch werden.

Die alten Männer sind ja ein Bild: sie geht, sie verlässt das Schwimmbad, und draußen warten schon die lärmenden Männer, denen sie offensichtlich mit ihren frühen Runden aus dem Weg geht.

Die kurzen Haare sind bei einer Frau doch vor allem praktisch: sie macht sich nicht mehr viel Arbeit damit, sie ist effizient. Da steckt doch einiges drin, wie ich finde. Sie hat sie mal länger getragen, warum jetzt nicht mehr? Muss sie das nicht mehr tun, will sie das nicht mehr tun? Gibt es einen Grund dafür?

So kann man das auch lesen, oder?

Und schnell wird es auch zur Phantasiereise, zum Transe-Trip ins eigene Innere.
Ob das wirklich nur Phantasie ist, wird nicht gesagt. Sie stellt sich das vor, das ja. Du meinst sicher auch Trance-Trip, oder? Das denke ich eher nicht, sie geht dem Jungen schon hinterher, und das bestimmt auch aus einem Grund, den sie aber selbst nicht nennt, den man zwischen den Zeilen herausahnen kann.
Wie würde ich es denken? Wem würde ich es sagen - und wie? Was sage ich mir selbst?
Da drehen wir uns im Kreis. Ich finde nicht, dass da etwas nicht schlüssig ist; man könnte natürlich einwenden, dass die gesamte Erzählsituation unschlüssig ist, das würde ich nicht verneinen, aber darauf verweisen, dass das bei allen Ich-Erzählern so ist, falls es narrative Texte sind, keine Mitschriften oder Transkriptionen. Es sind für mich eben auch diese Stilmittel, das denke ich, weiß ich, die Wiederholung, die den Charakter sichtbar machen, die ja auch schon manipulieren und das auch sollen, die eine gewisse Unsicherheit der Wahrnehmung darstellen sollen, das ist etwas, dass ich den "Schmutz" nenne, kleine Beobachtungen, kleine Marotten, sprachliche Dinge, die auf den ersten Blick vielleicht unnütz und ablenkend wirken, aber die dennoch zu genau dieser Wesenheit passen, diese ergänzen, diese plastisch werden lassen. Außerdem, finde ich, geht es doch bei solchen Texten eben genau darum, nicht so zu denken wie man selbst, sondern empathisch zu sein, sich eben in einen anderen Kopf hineinzuversetzen, oder nicht?

Vielleicht liege ich auch falsch mit meiner Interpretation deines Texts. Ratlos wär ich, in dem Fall.
Ich habe eigentlich (haha!) noch keine Interpretation gelesen, du sagst nie, was du vermutest, worum es hier geht, sondern nur, wie du den Text wahrnimmst in seiner Gesamtheit, bzw die Erzählsituation.

Die grammatischen Fehler und die unlogischen Sätze stelle ich die Tage um.

Gruss, Jimmy

 

Und wenn nur für sie, was dann? Wie würde sie es zusammendenken?

Das hast du noch nachgefügt an deinen Originalkommentar.

Um ehrlich zu sein, verstehe ich deine Frage nicht. Man könnte diese Fragestellung auf den gesamten Text anwenden.

Ich schwimme gerne, denn im Wasser fühle ich mich leicht, ich mag es, ganz zu Anfang, wenn ich gerade erst ins Wasser gestiegen bin, dann mag ich es die Arme und Beine auszustrecken und durch das Becken zu gleiten, zu schweben, am besten ist es mit geschlossenen Augen, so muss Schwerelosigkeit sein, denke ich immer, genauso, so fühlt sich das an.
Wem erzählt sie das, wen interessiert das?

Ich bleibe noch ein paar Minuten lang im Becken und lasse mich treiben, lege meinen Kopf in den Nacken und schaue an die Decke, die hoch und weiß ist, das künstliche Licht so grell, dass ich meine Augen schließen muss, das Wasser gluckert an meinen Ohren.
Wem erzählt sie das, wen interessiert das?

Mein Handtuch breite ich immer auf der Bank neben dem Becken aus, ich nehme es, lege es mir um die Schultern und da merke ich, dass ich zittere, und dann kriege ich auf einmal eine Gänsehaut, obwohl ich ansonsten eigentlich eher unempfindlich gegen Kälte bin.
Wem erzählt sie das, wen interessiert das?

Ich benutze immer die hinterste Dusche, sie ist durch eine große Milchglasscheibe abgetrennt und wahrscheinlich für Mütter mit ihren Kindern gedacht, ich habe aber noch nie Kinder hier gesehen, ich habe hier überhaupt fast noch nie jemand anderen duschen gesehen, ich glaube sogar wirklich nur ein einziges Mal, das ist erst ein paar Wochen her, eine ältere Frau, die sich im Badeanzug geduscht und eine Seife für Männer benutzt hat, ich erinnere mich genau an den herben Duft, das war wie früher im Badezimmer, das Aftershave und der noch feuchte Rasierpinsel, die Borsten weiß vom Schaum, und dann dachte ich noch, dass ich die Frau gar nicht im Becken habe schwimmen gesehen, aber ich habe gehört, manche kommen nur in das Schwimmbad, um zu duschen, weil sie so Geld sparen wollen

Hier genauso. Wem erzählt sie das, wen interessiert das?


Das sind willkürliche Textstellen, die ich mal rausgezogen habe, und für die das gleiche Urteil gelten dürfte.

Was meinst du genau mit: wie würde sie das zusammendenken? Sie denkt es so, wie es da steht; das ist der Inhalt des Textes, das ist die Geschichte. Ich verstehe, um ehrlich zu sein, den Sinn deiner Frage nicht. Vielleicht kannst du mir da noch mal helfen.

Gruss, Jimmy

 

Das ist ja ein grundsätzliches Problem bei Texten mit einem Ich-Erzähler. Wem wird das eigentlich erzählt?
Ja. Der Punkt ist, das ist eine Entscheidung. Im Grunde: geht es rein oder raus?
Nur, dann ist es gut, den Text zu prüfen, ob es da keine Ausreißer gibt, Und mir kamen einige Sequenzen als solche vor, und dann bekommt die Stimmigkeit des Texts kleine Risse.


Für mich sind diese Füllwörter eher aus einer oralen Erzählweise stammend
Ja, das ist eine gute Begründung, wenn der Text 'nach außen geht'. Nimm meine 'Kritik' dran auch nicht so gewichtig, es war mehr ein Hinweis auf Sachen, die du prüfen könntest und weniger ein 'da ist ein Fehler'.


erlaubt wären dann nur Dinge, die zielführend sind, die dem Text nichts hinzugeben, was unbedingt sein muss, aber das widerspricht doch dem gesamten Tenor des Textes, der ja ein verrätseltes Kreisen ist, ein Um-Sich-Selbst-Drehen. Im ersten Absatz allerdings sagst du noch, der Text hält den Stil von vorne bis hinten. What is it then?
Ein wenig scheinen wir uns wirklich misszuverstehen. Der Text hält den Stil, das meinte: die Figur ist konsistent, es gibt keine widersprechenden Daten. Und ihr Ton ist eindeutig, ihre Sprechfarbe.
Die Prüfung der Inhalte bezieht sich auf die Frage, geht es nach außen oder innen?


Sie nimmt die alten Männer wahr, sie sagt sich selbst, sie trägt die Haare seit Jahren kurz ... ich finde deine Frage, für wen das von Interesse sein könnte, irgendwie etwas seltsam, nimm es mir nicht krumm. Das könnte ich ja bei allen Texten fragen: Warum steht das, warum wird das erwähnt, wen interessiert das? Das funktioniert vielleicht bei plot-orientierten Stories, wo es in eine Richtung geht, von A nach B, da ist alles Ballast, aber in einem solchen Text darf doch Atmosphäre rein, da dürfen doch Beobachtungen und kleine Anmerkungen rein, die runden doch den Charakter ab, die erschaffen ihn doch erst, lassen ihn plastisch werde

Ähm du hättest mich da wörtlich nehmen sollen. Ich meinte, für wen das von Interesse sein könnte aus ihrer Sicht. Natürlich kann das auch sie selbst sein. Dann ist es allerdings sehr wichtig, dass man bewusst ist, was sich intern abspielt. Das ist ja alles deine Entscheidung, die Entscheidung des Autors.

Ja, ähm, zu deinen letzten Ausführungen, klar ja, natürlich. Und das ist aus meiner Sicht im Ganzen auch geglückt - mit wenigen Stellen drin, die mir wie Rissstellen vorkamen. Darüber reden wir grad. Der Text 'funktioniert' auch mit diesen. Es waren lediglich Hinweise, wo man noch hinschauen könnte.

Gruß Flac

 

Natürlich kann das auch sie selbst sein. Dann ist es allerdings sehr wichtig, dass man bewusst ist, was sich intern abspielt.
Mir ist das klar, ich verstehe auch besser, was du meinst.

Für mich mich ist das nicht so eine Sache von Intern/Extern, weil echte Rollenprosa auch nicht immer einen Adressaten hat, das könnte man sich auch selbst erzählen. Prinzipiell ist es aber wichtig, über diese Dinge nachzudenken; was gehört in die fiktive Welt, was wirkt glaubwürdig und was konstruiert, wo fällt man aus dem Ton heraus. Man kann das selbst nicht immer so genau feststellen, weil es ja im Kopf des Autoren entsteht, da passt immer alles zusammen, aber andere lesen es halt anders.

Ich glaube, alle Betrachtungen, alles was das Ich erzählt, ist ja nicht authentisch, das kann es nicht sein, es ist einfach eine Art gentlemens agreement, dass der Leser das dann so kauft. Sobald ein Ich erzählt und es kein Verhör ist oder kein Interview, keine oral history, könnte man sagen: Moment mal! Die gesamte Situation ist unklar. Ein personaler Erzähler würde vielleicht die Figur beschreiben, wie sie aussieht, was sie trägt, das geht beim Ich-Erzähler auch, aber es wirkt dann natürlich ausgestellt. Heute trage ich Jeans und ein Hemd mit einer Knopfleiste, dazu Samthandschuhe und Moonboots. Die Frage ist, wie dosiert man? Wenn sie im Text oben sagt, sie trage die Haare seit Jahren kurz, dann ist das beides, es sagt etwas über den Charakter, und es wirkt auch vertraulich in der Ansprache, es ist an den Leser gerichtet, aber an wen sollte es sonst gerichtet sein? Das ist ja wie eine intime Unterhaltung, fast eine Art Beichte. Wie auch bei dem Bus, wo sie sagt, sie gehe nur bei schönem Wetter; nachher, als sie dem Jungen hinterhergeht, ist das Wetter auch schön, und sie benutzt das fast als Ausrede, das ist also eine Verbindung im Text, Gordon Lish nennt das torque & swerve, das Wiederaufnehmen von Motiven im Text selbst.

Dann ist die Frage, was du erzählen willst. Es gibt Noir-Romane aus den Staaten mit Ich-Erzählern, die kein Wort im Roman zu einer anderen Figur sagen: Cockfighter von Willeford. Da ist jede Information, die durch den Charakter vermittelt wird, im Grunde ein Stilbruch: natürlich dürfte der nichts kommentieren, oder sich selbst eine Rückblende erzählen, aber es passiert doch, direkt im ersten Absatz erklärt er sich selbst den Hahnenkampf und was er dafür alles an Utensilien braucht, aber er kann es nicht nach außen erzählen, denn es gibt keinen offensichtlichen Zuhörer, und es gibt auch niemand anderen, der ihm zuhört, denn er hat ein Schweigegelübde abgelegt. Also erzählt er es sich selbst, was vollkommen surreal ist im Grunde. Es passiert aber so organisch, dass es einem nicht auffällt.


Wäre mal ein gutes Thema für einen gesonderten Thread, was ist ein Stilbruch bei einem Ich-Erzähler? Das sind gute Fragen. Ich habe da keine Antwort drauf, nur eine Theorie: ich denke, bei Ich-Erzählern geht es auch um die Distanz zum Erzählten: ist es unmittelbar und entwickelt sich langsam, dann darf der Fokus sich weiter öffnen, es darf mehr Schmutz rein, denn das "macht" den Charakter, es reichert seine Welt für uns an, und viele Dinge, die wir denken und uns fragen, sind nicht logisch oder faktenorientiert, sondern sind Versatzstücke von Erinnerungen und Träumen und Ideen, und manchmal denken wir an vollkommen unsinnige Dinge ohne jeden Grund. Ich frage mich manchmal: Wie lange trage ich schon diesen langen Bart, drei, vier, fünf Jahre?, wenn ich auf der Arbeit am Kundenspiegel vorbeigehe. Man kann auch den anderen Weg gehen und etwas Krasses, Transgressives vollkommen distanziert beschreiben, das wirkt dann sehr kühl und faktisch; das ist in etwa das, was ich mit "Nachtschicht" versucht habe, das ist auch ein Ich-Erzähler, aber viel sparsamer und mit einem anderen, engen Fokus. Ja, eine Menge Ideen fliegen mir im Kopf herum, ich versuche die mal aufzudrösen.

Gruss, Jimmy

 

Hey @jimmysalaryman,

ich frag mich grade, wie ich anfange - da ist einiges - vielleicht zu allererst: Ich finde die Art wie die Erzählerin ihre Gedanken schildert anstrengend, teilweise einfach konfus und so ganz verstehe ich auch am Ende des Textes nicht, was sie erzählen will. Aber ich fang mal mit den Anmerkungen an:

Das Schwimmbad ist sonst immer leer, ich gehe freitags morgens, um diese Zeit ist es meistens noch leer, und das mag ich, wenn nicht so viele Menschen im Wasser sind, dann kann ich in Ruhe meine Bahnen schwimmen. Ich schwimme gerne, denn im Wasser fühle ich mich leicht, ich mag es, ganz zu Anfang, wenn ich gerade erst ins Wasser gestiegen bin, dann mag ich es die Arme und Beine auszustrecken und durch das Becken zu gleiten, zu schweben, am besten ist es mit geschlossenen Augen, so muss Schwerelosigkeit sein, denke ich i
Ich finde den ersten Absatz schon schwierig, sie lässt halt nichts aus (also die Figur) - gleich im ersten Absatz (ich glaub das ist der erste, bin jetzt zu faul um nochmal nachzugucken) kreisen ihr Gedanken und dementsprechend wiederholt sie sich immer und immer wieder. An sich finde ich es gut, es zeichnet sie aus - das ist halt ihre Art zu erzählen und ich kann mir auch denken, dass du das absichtlich machst (ich kenne ja andere Texte von dir). Allerdings ist sie mir schon ein wenig too much und da kam mir in den Sinn, dass ich irgendwo mal unter irgendeiner Geschichte hier bei Wortkrieger gelesen habe: "Es gibt halt so Charaktere, die eignen sich nicht als Erzähler." Und da dacht ich mir jetzt "Oh ... das ist dann wohl so einer" und der nächste Gedanke war: "Naja, zu erzählen hat sie wohl trotzdem was, also geben wir ihr mal eine Chance." Außerhalb vom Forum hätte ich die Geduld weiterzulesen aber wohl nicht aufgebracht und an der Stelle abgebrochen.

Heute sind zwei Jungs da, sie sind vielleicht zehn, elf, und das stört mich, die Jungs stören mich. Sie sitzen da am Beckenrand und reden miteinander, ich kann nicht hören, was sie reden, dafür sind sie zu weit weg, und sie sind auch nicht laut, aber trotzdem stören sie mich.
Die beiden Jungs sehen nicht wie Schwimmer aus, sie tragen keine Klamotten des Vereins, der hier trainiert, manchmal sehe ich einen der Trainer, und ich frage mich auch, was sie hier tun, so früh, ob sie eigentlich nicht in der Schule sein müssten? Beide sind blond, blond und schmächtig, und ich versuche, sie gar nicht zu beachten, ich versuche sie zu ignorieren, so gut es geht, es sind eben Jungs, und vielleicht haben sie frei oder sie schwänzen den Unterricht, das geht mich ja nichts an.
Interessant an ihr finde ich diesen Wechsel zwischen: "Ich will meine Ruhe, lasst mich doch alle alleine, wieso ist überhaupt jemand hier im Schwimmbad, wenn ich doch alleine sein will." und "Was machen die da, reden die? Reden die? Wie schauen sie aus? Warum sind die wohl hier?" Das macht ihren Charakter wieder interessant, zeigt ein Problem bzw. könnte es auch ein Indiz dafür sein, dass sie sich selbst nicht kennt (für solche Charakterstudien bin ich ja grundsätzlich immer zu haben). Mein Gedanke war, an der Stelle, dass sie jemand ist, der nur glaubt alleine sein zu wollen, aber in Wahrheit wünscht sie sich Gesellschaft. Gleichzeitig dacht ich mir aber auch: Hm... vielleicht ist sie auch eine Tratsche, also vielleicht hasst sie Menschen wirklich und saugt Informationen auf, um dann entweder schlecht über die Leute zu reden oder aber sich noch mehr über sie aufzuregen.

Die letzte Bahn spüre ich immer, die letzte Bahn ist anstrengend, wirklich anstrengend, und oft denke ich, alle anderen Bahnen davor sind im Grunde unbedeutend, es kommt immer nur auf die letzte Bahn an, und ich versuche meine Kraft zu sparen, sie mir für die letzte Bahn aufzusparen, aber es klappt nur selten, meistens muss ich kämpfen, richtig auf die Zähne beißen, um es zu schaffen, und doch schaffe ich es, ich schaffe es.
Auffällig finde ich auch, wie extrem sie auf sich fixiert ist, d.h. vor allem auf das was sie schafft, auf das was sie kann (später noch auf das was sie hat, auf das was sie immer tun kann - in Spannung mit dem was sie nicht hat, nämlich diesen Jungen, dem sie ein Stück weit folgt, auf den sie wohl irgendeinen Verlust projiziert - der Name kam vor von demjenigen mit dem sie Mal zusammengewohnt hat, aber ich hab ihn mir nicht gemerkt).

Die Jungen sehen nicht, wie ich kämpfe, wie sehr ich mich anstrenge, sie reden nur, sie reden nur dummes Zeug, sicher reden sie nur dummes Zeug.
Auch das fand ich interessant, hier dacht ich mir: "Okay, sie ist unsicher, darum mag sie keine anderen, sie will nicht beobachtet werden." Aber - insofern ich nichts überlesen habe, kommen diese Gedanken in dieser Form nicht noch einmal wieder. Also das Unwohlsein, wenn andere sie beobachten (könnten). Meiner Ansicht nach steht das ein wenig im Kontrast dazu, dass sie ansonsten entweder voll auf sich selbst fixiert ist oder voll auf die anderen fixiert ist.

as ist erst ein paar Wochen her, eine ältere Frau, die sich im Badeanzug geduscht und eine Seife für Männer benutzt hat, ich erinnere mich genau an den herben Duft
Hier ist mir aufgefallen, wie genau sie andere beobachtet - was natürlich Interesse oder Angst sein kann - auf die Angst kam ich besonders wegen dieser Stelle hier:
ich kann spüren, ob noch jemand anderes im Raum ist, das konnte ich schon immer, selbst mit geschlossenen Augen weiß ich es, ob da noch jemand ist,
Da dacht ich nämlich - vielleicht eine Art Schutzmechanismus? Aber dann kam das hier:
ich denke, es sind die Körper, ich glaube, ich habe irgendwo einmal gelesen, dass Körper eine Strahlung aussenden, eine Art Energie, aber ich weiß nicht, ob es stimmt.
Und ich dachte mir: "Ne... sie ist einfach nur wieder stolz darauf, dass sie irgendwas kann." An dem Punkt war mir nicht mehr nur ihre Erzählweise unsympathisch, sondern der Charakter an sich - was natürlich auch damit verbunden sein kann, dass ich ihn nicht verstehe, also den Charakter.

Draußen ist es schon warm, Anfang Mai, bald öffnet das Freibad. Er steht an der Ampel, sein Freund ist weg, er muss schon gegangen sein, ich sehe ihn jedenfalls nicht mehr. Sein Haar ist noch nass, er hat es nach hinten gekämmt, und über der Schulter trägt er einen Rucksack. Er steht da ganz alleine. Vom Seidenberg kommt die 510, der Bus hält vor dem städtischen Gymnasium, Menschen steigen aus und ein, und ich habe meine Fahrkarte schon in der Hand. Es ist schön, sage ich mir, es ist ein schöner Tag, ich laufe, ich gehe zu Fuß, es ist nicht weit, und so erschöpft bin ich nicht, die frische Luft wird mir guttun.
Der Wechsel zu dem "Er" hat mich voll rausgerissen - ich dachte zunächst ich hätte was überlesen, aber am Anfang kommt da nichts. Das passt natürlich gut zu ihrer konfusen Art ihre Gedanken zu erzählen, aber als Leser fand ich das nicht so toll. Vor allem - wenn ich's jetzt richtig im Kopf habe, kommt dann noch ein Absatz in dem es wieder um was anderes geht und dann wechselt es erneut ziemlich unvermittelt auf den Jungen.

und ich denke immer, die Straßen und Häuser wirken dann so anders, wenn man nicht dran vorbeifährt, wenn man sie nicht aus dem Auto heraus sieht, ein schneller Blick, da prägt sich nichts ein, da sieht man an vielem vorbei, man sieht vieles nicht richtig, dabei ist es eine schöne Straße, mit schönen Häusern, Altbauten, restaurierte Fassaden, Blumen in den Fenstern, alles ist ordentlich und gepflegt, das ist mir nie so aufgefallen, weil man eben nicht hinsieht, und jetzt sehe ich eben hin.
Ich weiß auch echt nicht mit dem Text umzugehen, sag ich dir ehrlich. Da sind sehr viele Stellen, bei denen mir mein Gefühl sagt: "Streich das doch, was hat das mit der Geschichte zu tun?" Aber ... es gibt halt keine Geschichte, sondern nur eine Figur, die auf ihre eigene Weise ihre (aktuellen) Erfahrungen und Gedanken mitteilt und irgendwo gibt's ja sogar nen Kontext bzw. eine Art rote Faden mit dem Schwimmbad und der Spannung zwischen dem Beobachten der Menschen und dem Alleinsein wollen - aber es ist mir alles zu neblig, zu verschwommen, als dass ich ein richtiges Bild bekomme bzw. als dass ich mich wirklich für sie interessieren könnte.

Ich folge nicht ihm, denke ich, ich folge dem offenen Rucksack, ich blicke auf den schmalen, dunklen Schlitz, und ich würde gerne wissen, was in diesem Rucksack ist, ob es nur ein Handtuch ist oder die ausgewrungene Badehose, vielleicht noch etwas Kleingeld, damit er sich etwas zu essen kaufen kann nach dem Schwimmen oder ein Buch, ein Schulbuch oder ein Tagebuch, vielleicht auch etwas ganz anderes? Vielleicht etwas Verbotenes, ein Geheimnis, vielleicht ist es etwas, dass der andere Junge ihm geschenkt hat und niemand anderes darf es wissen, niemand darf davon erfahren.
Das ist die erste Stelle an der ich mir dachte: Okay, da könnte doch noch was kommen, hier wird sie spannender. Woher die Faszination für den offenen Rucksack - verfolgt sie den Jungen wirklich deswegen? Warum ist sie so scharf auf etwas Verbotenes, auf ein Gehemnis? HIer dachte ich: Vielleicht werden die Erzählungen nun etwas tiefer, ihre Gedanken ehrlicher und natürlich kratzt auch das noch an der Oberfläche - aber es lässt einen Blick zu auf den Abgrund, auf etwas Reales, auf etwas, dass sie wirklich beschäftigt, so sehr, dass der Gedanke an das SChwimmen verblasst, die Abneigung gegenüber anderen. Das Geheimnis lockt sie so sehr, dass sie dem Jungen sogar nahe kommen will. Das fand ich spannend.

ich will ihn in den Arm nehmen und ihm die Haare trocknen, mit einem meiner guten Handtücher, ich will ihm auf die Stirn küssen und sagen, alles ist gut, alles ist gut, du bist zu Hause, hier ist dein zu Hause, und was möchtest du essen?
dein Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben, ich verrate es niemandem, glaub mir ruhig, glaub mir einfach, ich sage es niemandem, ich sage niemandem etwas.
Auch hier kommt die Spannung noch einmal - aber der Text lässt mich ehrlich gesagt auch am Ende etwas unbefriedigt zurück. Ich habe auch zu wenig Indizien, um mir wirklich etwas zusammenzureimen. Das einzige, was mir einfällt ist, dass derjenige mit dem sie Zusammengelebt hat jetzt nicht mehr bei ihr ist und sie sich deshalb irgendeine Form der Nähe wünscht - über das Geheimnis sagt das allerdings nicht sehr viel. Aber vielleicht hab ich auch zu viel übersehen? Mich würde auf jeden Fall interessieren, was deine Gedanken beim Schreiben des Textes waren.

LG Luzifermortus

 
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Hallo @jimmysalaryman

Bin mir noch etwas unschlüssig über ein Fazit, während ich das hier schreibe. Ich muss zu deiner Geschichte sagen, dass ich selbst leidenschaftlicher (Hobby-)Schwimmer bin. Ich habe mich bei deinem Setting also sofort wie zu Hause gefühlt. Bereits der Titel liess mich etwas in die Richtung vermuten (weiss nicht wieso, vielleicht weil gerade Sommer und Freibadzeit ist? :D), also ich dachte sofort ans Schwimmen. Ich finde auch, der Titel trifft den Kern des Textes ziemlich gut, wenn auch das mit der Schwerelosigkeit für mich extrem naheliegend war. Dazu später etwas mehr.

Etwas schade fand ich, dass der Text nach ca. der Hälfte sich vom Schwimmen, von diesem Gefühl, dass es deiner Prota vermittelt, abgewendet hat und dann für mein Empfinden in zu viele Richtungen aufgefächert ist. Da wirkte er plötzlich unentschlossen. Vorher gab es diese Impressionen, Gedanken aus der Schwimmhalle, da war alles kanalisiert, bezog sich darauf, wie sich das dort für sie anfühlt und z.B. gut fand ich auch, was sie dabei empfindet, wenn noch andere da sind, wie die beiden Jungs. Da war der Text für mich dicht, da war ich voll drin. Doch danach blähte er mir zu sehr auf. Du gehst ganz am Schluss wieder zurück zum Schwimmen und zur titelgebenden Schwerelosigkeit. Wieso bleibst Du nicht bei ihr in der Schwimmhalle? Auf mich wirken gewisse Gedanken, die sie auf der Strasse hat, ziellos und auch redundant. Den Bogen zurück zum Schwimmen finde ich dann auch recht unorganisch, oder zumindest dessen Platzierung.

Zum Jungen mit dem offenen Rucksack: Ich würde da eine andere Situation nehmen, die innerhalb des Schwimmbades stattfinden kann und mir als Leser dasselbe Gefühl vermittelt. Denn es geht ja um die Schwerelosigkeit, um diesen Moment, wenn sie da ihre Bahnen zieht. Ich lese es auch so, dass dieser Junge, den sie sieht und ja sogar verfolgt, diesem Gefühl der Schwerelosigkeit im Wasser gegenübergestellt wird. Hätte sie nur etwas Gesellschaft in ihrem Leben, dann könnte sie sich vielleicht ebenfalls so schwerelos fühlen. Darauf bin ich aber erst nach dem zweiten Lesen gekommen, beim ersten Mal ist mir das komplett entgangen, weil Du das irgendwo zu tief im Text vergraben hast. Vielleicht ist das jetzt nur meine Lesart, aber es wirkt schon intendiert. Weiter unten mehr dazu.

Aber das ginge meiner Meinung nach auch, ohne das Schwimmbad verlassen zu müssen und diese redundanten Strassenbeobachtungen und bspw. das mit dem Schaufenster zu bringen. Braucht's das mit dem Rucksack überhaupt? Nicht wirklich, oder? Würde ich anders vermitteln. Wie gesagt, vorher, im Schwimmbad, da war alles so schön kondensiert, fokussierter auch, ziemlich stimmungsvoll. Ich habe deine Prota schon nach wenigen Absätzen als eher einsam, auch etwas verbittert, und auch schon älter eingeschätzt. Das kommt gut durch die Zeilen, durch ihr Verhalten den Jungs gegenüber, wie sie denkt, wieviel Kraft die letzte Bahn kostet etc.

An ein paar Stellen, gerade auch am Anfang, würde ich noch etwas schrauben. Ich liste die mal (jetzt, beim zweiten lesen), ist natürlich alles nur mein Leseeindruck:

dann mag ich es die Arme und Beine auszustrecken und durch das Becken zu gleiten, zu schweben, am besten ist es mit geschlossenen Augen, so muss Schwerelosigkeit sein, denke ich immer, genauso, so fühlt sich das an. Das geht nur, wenn es noch nicht so voll ist, deswegen gehe ich früh, und es ist dann auch nicht so laut, mir kommt es immer so vor, als ob das im Schwimmbad immer lauter wäre, als es eigentlich ist
Wieso geht das nur, wenn es noch nicht so voll ist? Wie klein ist dieses Schwimmbad, habe ich mich gefragt. Es kann ja sein, dass sie sich nicht getraut oder irgendwas, wenn mehr Leute da sind, aber das hätte ich etwas konkretisiert, warum das nicht geht. Abgesehen davon finde ich das interessant: Ich persönlich nehme das umgekehrt wahr, es ist immer stiller im Schwimmbad habe ich das Gefühl, und die vollkommenste Ruhe hat man ja sowieso, wenn die Ohren unter Wasser sind. Da hört man gar nichts mehr. Macht sie das nicht?

Sie sitzen da am Beckenrand und reden miteinander, ich kann nicht hören, was sie reden, dafür sind sie zu weit weg
Also doch ein grösseres Becken. Weil sie schwimmt ja immer wieder auf die Beiden zu, wenn sie ihre Bahnen zieht, sie müsste also eigentlich (je nach Schwimmart, ich nehme wie erwähnt an, es handelt sich um eine ältere Frau, die nicht mal eben zwanzig Bahnen krault) was hören, vor allem auch weil sie vorher davon erzählt, dass es im Schwimmbad immer lauter ist. Auch folgende Stelle vermittelt mir, dass sie was aufschnappen müsste:
aber ich schwimme weiter, ich schwimme an ihnen vorbei
An diesen Stellen wirkte der Text zum ersten Mal etwas unentschlossen auf mich.

wenn ich bei den letzten Bahnen bin, die letzten drei oder vier Bahnen schwimme ich dann nicht mehr alleine,
Liest sich für mich so, als gäbe es in diesem Schwimmbad nur eine einzige Bahn, als wären ihr da Leute im Weg (so lese ich das zumindest, wenn ich versuche, mich da an ihrer Denkweise zu orientieren), ich glaube, selbst wenn das Bad bisschen heruntergekommen und nicht mehr das neuste ist, müsste es da mehr als eine einzige Bahn haben. Ausserdem hätte ich hier davon erzählt, dass das Wasser viel ruhiger, viel geschmeidiger ist, wenn man alleine schwimmt, man merkt das sofort, wenn andere Schwimmer im Becken sind, selbst in einem grossen, weil zusätzliche Schwimmer die Oberfläche in Bewegung bringen und das Wasser allgemein aufgewühlter ist, es gibt da plötzlich leichte Strömungen und je nach Anzahl Leute muss man dann ständig seinen 'Kurs korrigieren'.

mein Körper ist immer noch ganz leicht
So fühlt sie sich, da ist sie noch im Wasser drin. Dieser Effekt hält meiner Meinung nach aber noch einen Moment länger an, ein paar Minuten vielleicht. Ich hätte das erst genauer gebracht, als sie aus dem Wasser steigt. Dort steht:
da merke ich, dass ich zittere, und dann kriege ich auf einmal eine Gänsehaut, obwohl ich ansonsten eigentlich eher unempfindlich gegen Kälte bin.
Sie hat dann kalt, aber für mich kommt das zu kurz, was beim Hinaussteigen mit dem Körper passiert. Im Wasser merkt man davon noch nichts, erst wenn man draussen wieder auf den Füssen steht. Der ganze Körper zittert leicht, es wurden ja viele Muskeln beansprucht durch den Widerstand des Wassers und ich denke, deshalb fühlt man sich auch viel leichter nach einer anständigen Anzahl Bahnen, die Muskeln kontraktieren ganz leicht, stehen noch etwas unter Spannung, wie Vibrationen oder ein Summen unter der Haut. Je nach Trainingsgrad verebbt dieses Gefühl schneller oder langsamer, aber für mich ist es sozusagen Teil des 'Runners High' eines Schwimmers und das kommt mir hier zu kurz. Ich muss nach ausgiebigem Sessionen manchmal sogar ganz kurz meine Koordination wieder finden, wenn ich wieder auf den Beinen stehe, weil sich das einfach ganz anders anfühlt, so ohne den Widerstand des Wassers, ich bin dann manchmal ganz kurz etwas tapsig/fahrig in meinen Bewegungen, weil ich meinen Körper 'wieder an die Begebenheiten an Land anpassen muss'. Ich denke, nach den zwanzig Bahnen dürfte deine ältere Prota ähnliches fühlen. Zumindest hätte ich davon ausführlicher erzählt, gerade auch, weil die letzte Bahn manchmal so hart ist.

ich habe aber noch nie Kinder hier gesehen
Nur ein Detail: Die zwei anderen Jungen von vorher, die Zehn- oder Elfjährigen, das waren keine Kinder für sie? Später bezeichnet sie den einen Jungen, den mit dem Rucksack, ebenfalls als Kind.

aber ich habe gehört, manche kommen nur in das Schwimmbad, um zu duschen, weil sie so Geld sparen wollen. Alles ist so teuer geworden.
Klar, sie denkt das so, aber 'Alles ist so teuer geworden' ist doch komplett redundant für den Leser. Es passt hier ins Narrativ, aber müsste man sich nicht trotzdem fragen, ob man besser auf solche Redundanzen verzichtet? Sowas ermüdet mich zumindest schnell.

Die Duschen hier sind groß genug, ich kann mich vernünftig darin bewegen, und auch der Wasserdruck ist ausreichend, nicht gut aber ausreichend, es läuft nicht einfach so aus dem Kopf heraus wie bei so vielen anderen Duschen, und manchmal glaube ich schon, dass ich zu Hause die einzige funktionierende Dusche habe, aber natürlich stimmt das nicht, das kann nicht stimmen.
Der Satz ist lang und wirkt in seiner Aussage untentschlossen: Die Duschen hier sind grösser, mit besserem Wasserdruck als bei ihr zu Hause, man hat Bewegungsfreiheit. Das ist der erste Teil. Und dann: Sie glaubt, sie habe die noch einzige funktionierende Dusche bei sich zu Hause. Da schlägt der Satz einen Haken. Ich verstehe natürlich, der Schluss bezieht sich darauf, dass eben Leute ins Schwimmbad zum duschen gehen, aber ich würde das bisschen entheddern, mindestens zwei Sätze draus machen. Mich hat es jedenfalls kurz verwirrt und ins Stocken gebracht.

Laufen ist nicht wie Schwimmen, das ist eine andere Art der Bewegung
Das müsste ja irgendwie detaillierter sein, deine Prota kennt sich da aus, geht jeden Freitag schwimmen und weiss genau, was da die Unterschiede sind, das gehört für mich zur Kernaussage, aber die streifst Du nur knapp, gehst überhaupt nicht genauer drauf ein. Stattdessen geht es dann mit Wahrnehmungsunterschieden weiter, wenn man auf einer Strasse geht oder auf ihr fährt:
Es ist so ruhig in dieser Straße, es ist eine von den Straßen, die man nur selten benutzt, noch seltener zu Fuß geht, und ich denke immer, die Straßen und Häuser wirken dann so anders, wenn man nicht dran vorbeifährt, wenn man sie nicht aus dem Auto heraus sieht, ein schneller Blick, da prägt sich nichts ein, da sieht man an vielem vorbei, man sieht vieles nicht richtig, dabei ist es eine schöne Straße, mit schönen Häusern, Altbauten, restaurierte Fassaden, Blumen in den Fenstern, alles ist ordentlich und gepflegt, das ist mir nie so aufgefallen, weil man eben nicht hinsieht, und jetzt sehe ich eben hin.
Was hat das mit dem Kern des Textes zu tun? Eigentlich gar nichts, meiner Meinung nach. Das meinte ich u.a. mit der zuvor angesprochenen Ziellosigkeit.

Ich mag die Stille, das weiß ich, ich sitze in meiner Küche und schaue aus dem Fenster, die Wipfel der alten Linde bewegen sich, aber alles ist ganz still
Ist es nicht diese Stille, die sie auch beim Schwimmen sucht? Bei mir jedenfalls ist das so. Wenn Du paar Bahnen kraulst, dann hast Du die absolute Stille, da ist nichts mehr ausser dir und dem Wasser. Ich beziehe das mit der Stille nicht unbedingt nur auf die Wahrnehmung, das man etwas hört, sondern auch auf die gedankliche Stille. Mein Kopf ist jeweils komplett leer, da gibt es nur noch die Bewegungen der Arme und Beine, die mich vorwärts bringen, durch das Wasser (in den meisten Fällen ist das zumindest so, vielleicht fühlt deine Prota aber auch anders, hab mir während des Schwimmens auch schon Geschichten ausgedacht, haha).

Der letzte Absatz ist ein einziger Satz und darin vergraben befindet sich ein Nebensatz, der den Bogen zum Schwimmen und zur Schwerelosigkeit zu schlagen versucht:

du darfst fernsehen bis es dunkel draußen wird, und ich könnte dir so vieles erzählen, so vieles, und dann gleite ich wieder durch das Wasser, ich bin ganz leicht, ja, ganz leicht, wie nach zwanzig Bahnen
Man könnte ja sagen, wenn sie von diesem Jungen fantasiert, wenn da endlich wieder jemand in ihrem Leben sein würde, der ihr sozusagen Gesellschaft leistet, dann löst das dasselbe Gefühl aus, was sie beim Schwimmen hat: Diese Schwerelosigkeit. Aber mir kommt das etwas zu schnell und auch zu versteckt in diesem Riesensatz, das bekommt so gar keine Aufmerksamkeit und beim ersten Lesen habe ich das völlig ... naja, überlesen eben.

Dann noch etwas zu der Schwerelosigkeit an sich, auch wenn ich den Titel vorher gelobt habe: Ich finde das extrem naheliegend. Ich denke, das bezieht sich schon hauptsächlich auf das Körpergefühl im Wasser, bereits im ersten Absatz wird das ja so eingeführt. Kann diese Schwerelosigkeit nicht vielleicht auch für Gedankenfreiheit oder Gedankenlosigkeit stehen? Ich fänd das schöner. In diesem Moment, da beim Bahnenschwimmen, da wäre sie frei, deine Prota, denkt nicht mehr an ihre Sorgen und Ängste. Und Gesellschaft in ihrem Leben könnte ihr ein ähnliches Gefühl geben: Dann muss sie nicht mehr so viel an ihren eigenen Dingen rumstudieren, weil sie sich unterhalten könnte, sich um jemanden kümmern könnte und dadurch abgelenkt wäre. Derselbe Effekt wie im Schwimmbad, wenn man einfach durchs Wasser gleitet, den Körper spürt, wie man ihn vorwärts zieht oder drückt, gegen diesen Widerstand, und den Kopf abstellen kann. Das ist ein todsicheres Mittel. Zumindest nach meiner Erfahrung.

Für mich würde der Text wie gesagt enorm gewinnen, wenn Du ihn auf das Schwimmbad konzentrieren würdest. Dort könnte eigentlich alles schon drin sein. Für mich bleibt es in dieser Form eine durchwachsene Leseerfahrung, mit starkem Beginn, aber irgendwo beim Verlassen des Beckens und dem Betreten der Strasse hat sich der Text für mich dann verstrickt und leider rasch nachgelassen.

Viele Grüsse,
d-m

 

Ich finde die Art wie die Erzählerin ihre Gedanken schildert anstrengend, teilweise einfach konfus und so ganz verstehe ich auch am Ende des Textes nicht, was sie erzählen will.

Moin liebe/r (?) Lufzifermortus, danke dir für deinen Kommentar.

ja, das ist ein Text, den ich quasi nach einer gewissen Aufgabenstellung geschrieben habe, nach einer gewissen Technik, die ich ausprobieren wollte. Ist etwas ähnlich zu dem Text "Nachtigall", das ist ein ähnlicher Aufbau, eine ähnliche Struktur. Ich glaube, das Prinzip ist es hier, das jegliches Geheimnis im Text, das Objekt des Erzählten, nie wirklich erwähnt wird. Es wird drumherum erzählt.

Bevor ich etwas schreibe, denke ich mir immer: Wer erzählt hier? Wessen Stimme ist das? Denn der vorliegende Text ist für mich erstmal nur das: eine Stimme. Das klingt irgendwie seltsam, aber das umschreibt es ganz gut. Ich glaube auch, dass solche Texte nicht wirklich etwas erzählen im Sinne einer Narration, das sind so mäanderne Strukturen, die sich an nichts festhalten, nichts offenbaren, in denen man suchen muss.

Das ist die erste Stelle an der ich mir dachte: Okay, da könnte doch noch was kommen, hier wird sie spannender. Woher die Faszination für den offenen Rucksack - verfolgt sie den Jungen wirklich deswegen?
Nein, sie verfolgt den Jungen aus einem anderen Grund: der offene Rucksack ist nur ein Symbol im Text. DA geht es nach Innen, das ist etwas Inneres, es steht für ein etwaiges Geheimnis, aber nicht nur des Jungens, auch ihr eigenes. Es ja kein wirkliches Geheimnis in dem Sinne, dass etwas verschwiegen wird, es ist ein Geheimnis für den Leser, oder soll ein solches sein. Das funktioniert mal mehr, mal weniger gut.
Das einzige, was mir einfällt ist, dass derjenige mit dem sie Zusammengelebt hat jetzt nicht mehr bei ihr ist und sie sich deshalb irgendeine Form der Nähe wünscht - über das Geheimnis sagt das allerdings nicht sehr viel.
Das ist doch eine gute Lesart. Für mich ist es so, dass ihr Partner vielleicht nicht mehr bei ihr ist, tot oder sich getrennt oder sonstetwas, das spielt keine Rolle, und das, was sie in dem Jungen sieht ist ein nicht erfüllter Kinderwunsch ... vielleicht nicht direkt so klar und deutlich, also vielleicht wird ihr das nicht direkt so klar und deutlich, aber das zieht sie zu dem Jungen hin, es ist eine Art Fürsorge, sie macht sich ja auch ständig Gedanken um die Gesundheit des Jungen, die nassen Haare, dann das Essen: sie verfolgt ihn aus Fürsorge, aus Zuneigung, sie wäre gerne seine Mutter, eine Art Mutter für ihn, für irgendjemanden vielleicht. Das ist dieses kleine Zünglein an der Waage, wo ihr Tag aus dem Takt gebracht wird, wo sie ansonsten immer alleine ist und diese Jungen dann auf einmal da sind, aus irgendeinem Grund; man könnte auch denken, sie träumt das alles nur, in Wirklichkeit ist da niemand und alles passiert nur in ihrer Vorstellung, das wird nicht so richtig klar.

Das erstmal dazu, ich muss meine Gedanken mal eben sortieren und bin noch auf Maloche, melde mich nachher nochmal.

Gruss, Jimmy

 

Etwas schade fand ich, dass der Text nach ca. der Hälfte sich vom Schwimmen, von diesem Gefühl, dass es deiner Prota vermittelt, abgewendet hat und dann für mein Empfinden in zu viele Richtungen aufgefächert ist

Hallo Deserted Monkey, danke dir für deine Zeit und deinen Kommentar.

Ja, ich denke, vielleicht liest du den Text aus Sicht eines Schwimmers! Für mich ist das Schwimmbad nur ein Ort, um den Text starten zu lassen: ich fand das Schwimmbad einfach ein Ort, wo eine solche Geschichte starten könnte: sie ist eine ältere Frau, in meiner Vorstellung auch etwas beleibter, deswegen geht sie früh, damit niemand anders sie sieht. Sie schämt sich vielleicht für ihr Äußeres.

Zum Jungen mit dem offenen Rucksack: Ich würde da eine andere Situation nehmen, die innerhalb des Schwimmbades stattfinden kann und mir als Leser dasselbe Gefühl vermittelt.
Ich kann deinen Impuls verstehen, im Schwimmbad bleiben zu wollen, aber ich denke nicht, dass das, was eigentlich passiert (ich finde das auch ziemlich krass, sie stalkt ihn ja schon fast), dass man dies in diesem geschlossenen Setting erzählen könnte mit dem gleichen Effekt. Mir geht es schon auch um diesen Bruch aus geschlossenem Bereich, der ja wie eine private Zone für sie ist, und dann hinaus in die Welt, in einen für sie nicht mehr so abgesicherten Bereich, da verlagert sich ja auch die Aktion hin, das Verfolgen des Jungen, das aktiv werden, das wäre eben im Schwimmbad nicht so gut gegangen.

Zum Rucksack: für mich ist das sehr wichtig. Der offene Rucksack geht nicht, das ist fast so etwas wie ihr Trigger, das ist das auslösende Moment, sie ist ja sogar kurz davor ihn darauf anzusprechen.

Was hat das mit dem Kern des Textes zu tun? Eigentlich gar nichts, meiner Meinung nach. Das meinte ich u.a. mit der zuvor angesprochenen Ziellosigkeit.

Sie sieht genau hin. Das ist der Grund, warum sie das alles so sieht, wie sie es dort beschreibt; anders und neu. Ich denke mir, natürlich hat das etwas mit dem Jungen zu tun, mit diesem Gefühl, ihn bemuttern zu wollen, etwas ist anders, etwas ist passiert, und dadurch drängen sich diese Beobachtungen so auf. Für mich wirkt das also nicht redundant, aber ich kann verstehen, wie du zu diesem Urteil kommst. Es geht auch hier um eine gewisse Form der Ruhe, die sie das erst sehen lässt, die Straße ist ruhig, da wird ein Motiv wiederholt.
Liest sich für mich so, als gäbe es in diesem Schwimmbad nur eine einzige Bahn, als wären ihr da Leute im Weg (so lese ich das zumindest, wenn ich versuche, mich da an ihrer Denkweise zu orientieren), ich glaube, selbst wenn das Bad bisschen heruntergekommen und nicht mehr das neuste ist, müsste es da mehr als eine einzige Bahn haben. Ausserdem hätte ich hier davon erzählt, dass das Wasser viel ruhiger, viel geschmeidiger ist, wenn man alleine schwimmt, man merkt das sofort, wenn andere Schwimmer im Becken sind, selbst in einem grossen, weil zusätzliche Schwimmer die Oberfläche in Bewegung bringen und das Wasser allgemein aufgewühlter ist, es gibt da plötzlich leichte Strömungen und je nach Anzahl Leute muss man dann ständig seinen 'Kurs korrigieren'.
Das ist alles guter shit. Da nehme ich eine Menge guter Sachen mit; finde ich sehr gut alles, ist mir nicht so bewusst gewesen, da spricht der erfahrene Schwimmer. Ich war das letzte Mal vor zwanzig Jahren im Schwimmbad, da habe ich nicht mehr so die Erinnerung dran. Ich setze mich aber bei der Überarbeitung dran und ergänze das.
Mein Kopf ist jeweils komplett leer, da gibt es nur noch die Bewegungen der Arme und Beine, die mich vorwärts bringen, durch das Wasser (in den meisten Fällen ist das zumindest so, vielleicht fühlt deine Prota aber auch anders, hab mir während des Schwimmens auch schon Geschichten ausgedacht, haha).
Das ist eine schöne Beobachtung. Das klingt logisch, sie macht ihren Kopf leer, sie sucht diese Stille, weil sie sich nicht mit den tristen Wahrheiten herumschlagen muss. Vielleicht ist das auch ein wenig betäuben, sich selbst betäuben, natürlich nicht bewusst.
Man könnte ja sagen, wenn sie von diesem Jungen fantasiert, wenn da endlich wieder jemand in ihrem Leben sein würde, der ihr sozusagen Gesellschaft leistet, dann löst das dasselbe Gefühl aus, was sie beim Schwimmen hat: Diese Schwerelosigkeit. Aber mir kommt das etwas zu schnell und auch zu versteckt in diesem Riesensatz, das bekommt so gar keine Aufmerksamkeit und beim ersten Lesen habe ich das völlig ... naja, überlesen eben.
Das ist interessant, was du hier sagst. Im Grunde habe ich das vorher so gar nicht gesehen, der Titel, den habe ich nicht in Verbindung gebracht mit dem Jungen, aber natürlich kann man es so lesen, ich verstehe das. Unbeschwert sein. Das passt. Dass sich das etwas versteckt, dass du es erstmal überlesen hast, empfinde ich allerdings gar nicht als tragisch, sondern eher als Kompliment; denn es ist ja ein etwas verschachtelter, seltsamer Text, der sich nicht sofort offenbaren soll. Das etwas zerfahrene Element soll so bleiben, das ist ja mehr oder weniger auch die Idee dahinter.

Ich gehe nochmals in mich und überlege, dir nochmal danke für das gute Feedback.

Gruss, Jimmy

 
Zuletzt bearbeitet:

Auch eine Plaudertasche hat das Recht, fehlerfrei durch die Welt zu schwimmen, dass ich mal vorm Duschen vorweg behaupte, Sätze Kleist’schen Formats wollen gekonnt sein,

lieber jimmy,

und es beginnt bereits hier

..., ich mag es, ganz zu Anfang, wenn ich gerade erst ins Wasser gestiegen bin, dann mag ich esKOMMA die Arme und Beine auszustrecken und durch das Becken zu gleiten, …

und was hier noch gelingt

zu schweben, am besten ist es mit geschlossenen Augen, so muss Schwerelosigkeit sein, …
führt hier zum Super-Gau der schreibenden Zunft
Nein, morgens ist es am Schönsten.
Und ich geh nicht davon aus, dass Du eine schlichte Seele von Plaudertasche bloßstellen wolltest ...

So, jetzt ab ans Wasser!

10:15 Uhr, weiter gehts

Ich schwimme gerne, denn im Wasser fühle ich mich leicht, ...

„Die Zeit geht nicht, sie stehet still,
Wir ziehen durch sie hin;
Sie ist die Karawanserei,
Wir sind die Pilger drin.
…“, heißt es bei Gottfried Keller (was die Physik bestätigt), da ist die Symbolik der „fließenden“ Zeit bereits nahe am Wasser gebaut als verständlicheres Symbol des Lebens (abgesehen davon, dass es ohne Wasser „unsere“ Art „Leben“ eben nicht gibt. Zudem lässt es uns – egal, was einer wiegt – nahezu „schwerelos“ schwimmen (und selbst wer niedergeschlagen sich fühlt oder „unten“ angekommen ist, spürt die (Auftriebs-)Kraft, dass einer sich schon mal „schwerelos“ fühlen kann, was natürlich im rappelvollen Freibad (vllt. schon immer ein Symbol der übergroßen Menschenzahl) bestenfalls eingeschränkt gilt.

Was mir besonders gefällt, ist der Hinweis auf die Vernachlässigung öffentlicher Angelegenheiten

Es ist schon ein altes Schwimmbad, nichts Besonderes, und es ist auch ewig nichts mehr dran gemacht worden, nichts modernisiert oder renoviert, die Umkleidekabinen sind ziemlich heruntergekommen und es riecht auch immer ein wenig nach Schimmel*, aber es ist eben das einzige Schwimmbad in der Nähe.
* was eben nicht besonders "gesund" riecht ...

Aber auch der geringste Teil von „Gesellschaft“, eben ein „Paar“, kann als störend empfunden werden, wenn es heißt

Heute sind zwei Jungs da, sie sind vielleicht zehn, elf, und das stört mich, die Jungs stören mich.
die durch ihr bloßes „Dasein“ stören, als hätte unser Held ein Anrecht darauf, eine soziale Einrichtung für sich allein nutzen zu können ...
Freitags morgens habe ich das Schwimmbad ansonsten für mich, ich bin die Erste hier.
Und ich ergänze, „der Einzige“ hier

& die Jungen sind offensichtlich nicht im „Verein“. Fremde/s stören/stört halt.

Die beiden Jungs sehen nicht wie Schwimmer aus, sie tragen keine Klamotten des Vereins, der hier trainiert, manchmal sehe ich einen der Trainer, und ich frage mich auch, was sie hier tun, so früh, ob sie eigentlich nicht in der Schule sein müssten?
Fremd ist der/das Fremde nicht nur in der Fremde, sondern insbesondere "daheim".

Die Jungen sehen nicht, wie ich kämpfe, wie sehr ich mich anstrenge, sie reden nur, sie reden nur dummes Zeug, sicher reden sie nur dummes Zeug.

Diese „Trennung“ von selbst der kleinsten gesellschaftlichen Einheit (dem Paar) will der Held bis unter die Dusche beibehalten – wobei der Reinigungsakt in manchen Weltteilen mehr bedeutete, als Körperhygiene, Reinigung verstanden für Außen und Innen ...
Da ist die Ampelszene vllt. eine vertane Chance

Wir bleiben an der roten Ampel stehen, es tropft aus seinen Haaren auf den Asphalt, …
verhindert eine Ampel Kommunikation ...

... sein Rucksack ist halb offen, ich kann hineinsehen, und in dem Moment, in dem ich es sagen will, gerade als ich sagen will, dein Rucksack steht offen, man könnte dir etwas klauen, man könnte dich beklauen, pass lieber auf, pass besser auf, da wird es Grün und der Junge geht weiter, …
und durch die Scheiß Ampel wird die Chance vertan und es bleibt bei Mutmaßungen, was darinnen sei … während Du uns den Einblick in den Kopf des Icherzähler gewährst.

Vllt. ein Anstoß, das Habermas'sche Hauptwerk "Theorie Kommunikativen Handelns" zu beackern ... Schau'n wir mal ...

Gern gelesen vom

Friedel

 

So, hab mal überarbeitet. Was gekürzt, was hinzugefügt. Wer mag, kann ja noch mal lesen und seine Meinung sagen.

Und danke @Friedrichard, hab mal alles übernommen, Habermas werde ich wohl nicht mehr lesen in diesem Leben, haha!

Gruss, Jimmy

 

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