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Seelen - Spiegel

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11.02.2006
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Seelen - Spiegel

Da stand sie nun auf dem Bahnsteig, welcher ihr wohl bekannt vorkam, da sie ihn nahezu jeden Tag betrat.
Langsamen Schrittes und vor sich hinträumend - es war ihr gar nicht bewußt, gerade aus einer Bahn gestiegen zu sein - tat sie einen Schritt nach dem anderen, präzise eine Fußbreite von den Schienen entfernt.
Später sollte sie denken, daß dies ein Versuch sein könnte, ihr inneres Gleichgewicht zu finden. Jedoch traute sie sich nicht deshalb so dicht an die Schienen heran. Sie mußte sich auch gar nicht trauen - sie tat es einfach. Es würde später wohl eher ihr Gedanke sein, daß der Betrachter in ihrem sich - so - dicht - an - den - Schienen - Bewegen eine Gefahr sehen könnte, jedoch nicht einschritt, da er spürte, daß diese eigentlich nicht bestand.
Sie war quasi doppelt verträumt, als sie fast aus sich selbst heraus die Äste der Bäume mit ihrer rechten Hand streifte. Wohl wissend, daß es schier unmöglich war die Äste zu berühren, da der Weg über die Schienen dafür zu weit war.
Sie bewegte sich sicher, ging darin auf, die großen Knospen zu spüren, die wunderbar grün schimmerten und kurz davor zu stehen schienen aufzugehen. Es machte sich das Gefühl von Freiheit in ihr auf - sie fühlte sich sehr zufrieden.
Dann, scheinbar Minuten später, fiel ihr Blick auf eine ältere Dame. Sie hatte tiefe Falten im Gesicht, schien erfahren und geprägt vom Leben.Ohne ein Wort miteinander zu wechseln gingen sie in entgegengesetzter Richtung aneinander vorbei - fast in Zeitlupe - so erschien es ihr, die immer noch die Äste der Bäume streifte und sich des kleinen Wunders der Natur erfreute.
Bevor sie das Lächeln der älteren Dame wahrgenommen hatte, wußte sie um die Sympathie, die zwischen ihnen bestand - obwohl sie sich nie zuvor gesehen hatten.
Nach wie vor wechselten sie kein Wort miteinander - das sollten sie auch nicht, denn sie kommunizierten ohne Worte verständlicher miteinander, als ihre Stimmen es hätten möglich machen können.
Fasziniert und auch etwas irritiert fing sie das Lächeln der älteren Frau auf, und ihr war in diesem Moment völlig klar, welche Bedeutung dieses Lächeln für sie beide hatte.
Für kurze Zeit sah sie sich im Körper und den Gedanken der älteren Dame und entdeckte eine große Freude über das, was sie nun mit den Augen der anderen an sich selbst wahrnahm.

Plötzlich schien sie wieder jung zu sein. Sie erkannte ihre Vergangenheit, sah, daß es lange Jahre zurück lag, da sie das letzte Mal so Eins mit der Natur gewesen war. Sie genoss diesen kurzen Moment völliger Klarheit und war glücklich darüber, zu wissen, daß sie den Blick für das Schöne um sich herum nie verloren hatte. In diesem kurzen Moment wurde ihr bewußt, daß sie das, was sie sah, gelebt hatte und nie aufgehört hatte zu leben.Sie war glücklich - in dem Moment, da sie ihr Lächeln entsandte.

Sie hingegen, ohne zurück zu lächeln, da sie zu irritiert war durch das, was sie gerade erlebte, setzte weiter verträumt einen Fuß vor den Anderen. Immer noch eine Fußbreite von den Schienen entfernt, die Äste und Zweige mit ihren dicken Knospen mit der rechten Hand streifend.
Sie dachte, daß sie diese Begegnung nicht vergessen dürfe, daß man sie festhalten müsse, vielleicht aufschreiben sollte, obwohl sie bereits wußte, daß dies nicht passieren würde - daß sie vergaß.

Der Bahnsteig neigte sich dem Ende. Die ältere Dame war wie vom Erdboden verschwunden, und dennoch spürte sie ihr Dasein. Sie blickte sich auch nicht um, da sie wußte, daß sie sie nicht sehen würde. Aber sie war noch immer da.

Als hätte jemand einen Schnitt gemacht, sah sie sich kurz vor Beginn der Treppe, die vom Bahnsteig wegführte, innehalten.
Über sich selbst erstaunt, und da sie wußte, keinen Zweig gepflückt zu haben, stand sie vor den Stufen, die sie zu betreten vorhatte.
In ihrer rechten Hand nun hielt sie einen Zweig, welcher über und über mit dicken, grün schimmernden Knospen versehen war. Ihr wurde klar, daß sie diesen Zweig schon längere Zeit in ihrer Hand hielt, als sie feststellte, daß sie ihn mit ihrer linken Hand ganz sorgsam streifte, so als habe sie ein kleines Wunder eingefangen, welches es zu bewahren gilt.

Der Bahnsteig war leer - die ganze Zeit gewesen. Da war niemand, der eine Gefahr hätte sehen können in ihrem Dicht - an - den - Gleisen - Entlanggehen. Es waren ihre eigenen Gedanken, so gesehen werden zu können, wenn sie sich an Grenzen bewegte.
Die Begegnung mit der älteren Dame war eine Grenze, eine sehr schöne sogar - und sie hatte sie überwunden.

Kurz bevor sie aufwachte, wußte sie um die wahre Bedeutung des Zweiges, den sie so behutsam in ihrer Hand hielt. Er verkörperte die ältere Dame, die ihr so zugetan war mit ihrem faltigen, vom Leben geprägten Gesicht, die ihr mit ihrem Lächeln soviel zu verstehen gab.
Ohne es bemerkt zu haben, hatte sie diesen Zweig von der älteren Frau erhalten, die nun selbst der Zweig war und ihr durch die vielen, grün schimmernden Knospen einen Spiegel vorhielt.

Das letzte Bild also, was sie sah, bevor sie sich in der Realität wiederfand, war der Blick auf diesen Zweig. Es war der Blick auf sie selbst. Denn die alte Dame gab es eigentlich gar nicht.
Es war lediglich ein Traum, der es ihr ermöglichte in die Zukunft zu blicken und gleichsam in einer Vergangenheit zu sein, die noch vor ihr lag.
Sie war die alte Frau.

 

hallo mistmaus,
ich habe deinen text gelesen, allerdings habe ich von anfang an schwierigkeiten mit dem text gehabt. es lag hauptsächlich an dem recht eigenwilligen erzählstil, der sich durch die ganze geschichte zieht. es soll poetisch klingen, aber es ist mühselig zu lesen. und da der inhalt jetzt auch nicht gleich zu anfang mitreisst, fehlte es dem leser an motivation, weiterzulesen. nun, ich habe weitergelesen, um auch etwas über den inhalt zu sagen. am ende überrascht es den leser nicht, dass sie die alte frau ist. das war deutlich. die symbolik mit dem knospenzweig ist recht einfach gestrickt. die intention ist sehr deutlich, die frau hat sich selber gesehen, gefunden. inhaltlich ist das wirklich nicht so schön!

zwei sachen noch:

setzte weiter verträumt einen Fuß vor den Anderen.

"anderen" klein

schien erfahren und geprägt vom Leben.Ohne ein Wort miteinander zu wechseln

vor "Ohne" ein leerschritt

ausserdem sind die vielzahl der bindestriche sehr gewöhnungsbedürftig.

fazit: leider keine einfach geschichte. der erzählstil ist ungeeignet und schwierig. der inhalt ohne handlung und zu trivial.
ich denke mal, es war von dir sicherlich nur ein versuch! ich würde jetzt raten, dass du dich eher mit gedichten befasst, habe ich recht?

sorry

barde

 

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