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Sehnsucht - die Geschichte von Erika
Sehnsucht – die Geschichte von Erika
Schon seit Jahrzehnten lebt die Spinne Erika weit unten in einem tiefen runden Schacht. Dunkel und bitterkalt ist es dort, die Wände sind porös, Erde bröckelt herab und hinterlässt narbenähnliche Furchen. Die Menschen fürchten sich vor Erika. Nur selten werfen sie ihr Essbares herab, um sie zu besänftigen. Wirklich nahrhaft sind diese Brocken nicht und wenn Erika sie nicht schnell genug auffängt und gierig verschlingt, drohen sie, ihr Netz zu zerstören.
Manches Mal schon versuchte Erika, an den Wänden hinauf zu klettern, um weiter oben erneut Halt zu finden oder gar einen Lichtschimmer zu erheischen. Doch die Menschen draußen bemühen sich nach Leibeskräften, sie im Schacht zu halten. Es werden viele Legenden über Erika erzählt, demnach ist sie von erschreckend hässlicher Gestalt und böswilligem Gemüt. Tatsächlich gesehen hat sie wohl noch keiner. Erika selbst hätte es gern ein bisschen wärmer. Sie sehnt sich danach, ihre Beine mal so richtig auszustrecken, Wind auf ihrem Körper zu spüren oder einfach festen Boden unter den Füßen zu haben und sich nicht immer so krampfhaft festklammern zu müssen. Auch würde sie sich gern freier bewegen, umherkrabbeln ohne immer wieder auf Wände zu treffen. Und sie würde sich gern einmal so richtig satt essen und in einen wohligen Schlaf fallen. So aber sitzt sie stets auf der Lauer – nach Nahrung, nach Halt.
Obwohl die Menschen sie nicht sehen, rückt Erika immer wieder in ihre Erinnerung. Sie feiern ihre Feste und gehen ihren alltäglichen Aufgaben nach, doch sobald sie zur Ruhe kommen, spüren sie ein leichtes Vibrieren, wenn Erika sich bewegt. Außerdem besucht Erika sie manchmal in ihren Träumen. Dort bringt sie Häuser zum Wanken und nimmt die Verfolgung auf. Ein Entrinnen vor der Sehnsucht gibt es nur durch das Erwachen im Morgengrauen.