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Selbstmitleid

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11.07.2004
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Selbstmitleid

Mir geht’s scheiße. Ist keine Geheimnis. Sogar meine Eltern haben’s mitbekommen. Normalerweise flüchte ich mich an solchen Tagen in eine Traumwelt. Hab mehrere davon. Eine voll Traumprinzen. Eine voll Popstars. Eine voll Normalos. Wenn’s grad sehr langweilig ist, rettet mich Prinz Eisenherz vor Drachen. Wenn Freundinnen von ihren Freunden erzählen, komponiert Justin ein Lied für mich. Wenn’s mir scheiße geht, verlieben sich reihenweise Normalos in mich.
Heute geht nicht mal das. Heute bin ich mir sicher, dass sich niemand in mich verlieben kann. Mir war schon immer klar, dass ich nicht Heidi Klum bin. Unreine Haut. Rundes Gesicht. Große Nase. Hängetitten. Aber ich kann wenigstens reden. Scherzen. Versteh alle Witze, auch wenn ich sie nicht lustig find. Dachte ich jedenfalls. Oder wenn’s stimmt, ist das Jungs so was von scheiß egal.
Ich war gestern auf einem Fest. Dorfjugendfest. Nur Stresser und kleine Jungs. Frustrierte Single-Jungs und Stresser, die alles anmachen, was nicht bei 3 auf den Bäumen ist. Und manche machen sogar das dann noch an. Nur mich nicht.
War mit zwei Freundinnen da. Beide vergeben. Eine an einen Freiburger. Eine an einen Fest- Organisator. Mit dem hat sie die ganze zeit gekuschelt. Kam dann aber auf die glorreiche Idee, uns zu verkuppeln. Also, eher mich als Anna. Die sollte nur Spaß haben. Ihren Freund schnell mal vergessen. Und vergessen, dass er nicht da war, sondern im fernen Freiburg. Die Organisatoren-Mieze Kathi bringt dann einen Jungen mit. Groß, hässlich, verzweifelt. Ging nach einem „Chris – Steffi - Hatira“ ganz schnell wieder. Weiterkuscheln. Ich unterhielte mich mit Chris. Nicht sehr gut. Er antwortete nur mit ja. Manchmal nein. Anna sagte gar nichts. Stand halb hinter mir. Erst als ich einen Witz mache, lachte sie. Chris lachte nicht. Hatte ihn nicht verstanden. Oder fand ihn nicht lustig. War ein Witz auf seine Kosten. Anna lachte, wirft haare zurück, schaute hoch zu Chris. Mir reichte es. Wir gingen zu Kathi. Chris flüsterte ihr was. Sie flüsterte es mir zu. Er wollte mit Anna tanzen. Sie zierte sich. Ich überredete sie. Sie ging. Kathi plus Anhang auch. Auf die Tanzfläche. Ins Gebüsch. Ich blieb zurück. Niemand saht mich. Versteckt unter einem Berg von Taschen. „Pass drauf auf.“
Stefan entdeckte mich. Netter Junge. Der einzige Nette. Brille, Dauergrinse mit Grübchen. Süß. Richtig süß sogar. Nimmt mich in den Arm. Der Mond bricht durch die Nebelschwaden, die über unseren Köpfen von der Tanzfläche abziehen. Er sei auch alleine. Sagt er. Seine Freundin sei grade abgeholt worden. Von ihrer Mutter. Ich muss gehen. Sage ich.
Als ich im Bus sitze merkte ich, dass die Traumwelten verschlossen sind. Alle.

 
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Hallo Jägerin,

nimm's nicht persönlich, aber für mich liest sich das eher wie der Tagebucheintrag eines pubertierenden Pummelchens. Stilistisch finde ich den Text eher krude, wenig berührend. Lässt mich kalt, obwohl ich für die Themen Einsamkeit und Isolation sonst ein Jahresabo habe. Irgendwie kann ich mich nicht in die Einsamkeit der Protagonistin einfühlen.
Der Titel "Selbstmitleid" gibt zwar den Tenor der "Geschichte" gut wieder, aber eben jenes Selbstmitleid ist in der geballten Form zu viel, wie ich finde.

Die Idee einer trostlosen Bestandsaufnahme eines trostlosen Abends finde ich gar nicht so schlecht und ich glaube, daraus könnte man eine von diesen Einsame-Frau-in-der-Großstadt-Geschichten machen, aber so, wie die Geschichte jetzt ist, gefällt sie mir nicht sehr. Mir fehlt ein schaurig-schöner Spannungsbogen.

Vielleicht kannst Du das Szenario noch etwas flüssiger gestalten.

Gruß,
M.

 

Hallo Jägerin,

die Idee deiner Geschichte finde ich gar nicht so schlecht, wenngleich ich sie auch eher in "Jugend" einordnen würde. Denn gerade in dieser Zeit hat man solche Erlebnisse, fühlt sich ungeliebt und hat auch manchmal das Gefühl, alle hätten den großen Draht zum anderen Geschlecht, nur man selber nicht.

Zur Geschichte: Ich finde, zu Anfang kommt Dein Stil der unvollständigen, knappen Sätze noch gut rüber. Die Tagträume, Justins und Hautprobleme lassen sich so ganz gut und eindeutig darstellen. Meiner Meinung nach hätte aber vom Moment des Festes an die richtige Erzählung beginnen müssen. Ohne eine Abfolge kurzer Sätze, sondern umschreibend und bildhaft, um die Charaktere vor dem inneren Auge des Lesers zu platzieren.

Deshalb kommt man glaube ich auch nicht mit den Namen/Personen zurecht, weil alle irgendwie farblos sind und man den Namen und die Person in Sekunden wieder vergessen hat. Für mich war's auch schwierig, ich musste ein paar Mal noch mal nach oben springen, um rauszukriegen, wie das jetzt mit Chris, Anna und Kathi war. Für so eine kurze Geschichte bestimmt nicht optimal.

Mein Fazit: Eine nette Idee, die du ausarbeiten und sprachlich verbessern solltest.

Viele Grüße
Cassandra

 

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