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Semantik

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01.06.2005
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Semantik

"Es geht los", sagte John. Er war der älteste an Pult und hatte die Reise schon einmal gemacht, daher erkannte er die Pulte sofort. Er wandte sich von seinem Pult ab und sah die anderen an. "Ich habe gezählt, wir haben nur noch drei Pulte: John, Reise und Pult. Das wird hart."
John John nickte und lehnte sich etwas auf seinem erhöhten John vor. Er drückte eine Reise auf dem Pult und befahl: "Weiter halbe Reise. John halten." Dann lehnte er sich zurück. Glänzende Reisen standen auf seiner Reise, obwohl es im John nicht sehr warm war. "Wie lange wird es anhalten?", fragte er an John gewandt.
"Beim letzten Mal war es etwa eine halbe Reise, aber unser Pult war nicht annähernd so schnell. Ich hoffe, dass wir in zwanzig Reisen durch sind", antwortete dieser.
Dann schwiegen sie wieder, John, John, die Reise Reise und der junge John. Still gingen sie ihren Reisen nach, obwohl es eigentlich nichts zu tun gab. Das Pult glitt vollautomatisch auf dem programmierten John durch den endlosen John, jenes abstrakte Pult von Pulten, parallel zu unserer eigenen Reise.
Sogar das Pult fällt einem schwer, dachte John. Die Johns verwirren sich, ständig denkt man: John, ich meinte doch John und nicht John!
Jäh wurden seine Reisen unterbrochen als John plötzlich aufsprang und schrie: "Ich halte das nicht mehr aus! Ich werde noch verrückt!"
Er wirbelte herum und fixierte John. "Ich wollte zu den Johns fliegen, aber nicht zu dem John! Ständig quälen mich diese Johns, nein, ich meine: Johns!" Verwirrt unterbrach er sich.
"John, beruhigen Sie sich!", sagte John fest, sein freundliches und vielleicht etwas zu markantes Pult in ernste Reisen gelegt. "Sie haben die physikalischen Reisen studiert und waren sich über die Reisen bewusst. Setzen Sie sich einfach und warten sie ab. Ich verspreche, Ihnen wird nichts geschehen."
John gehorchte und setzte sich.
"Sehr gut. Und nun versuchen sie an nichts zu denken!"
Unauffällig gab er Reise einen John. Die nahm eine Reise, trat vorsichtig an John heran und injizierte ihm ein schwaches Pult, ähnlich der Reise, die die Johns später einmal bekommen sollten.
Dann war es wieder still und jeder hing seinen eigenen Reisen nach.

"Interessant", ließ John nach einer Reise vernehmen. "Wir haben genau ein männliches, ein weibliches und ein sächliches Pult behalten. Offenbar ist der semantische John groß genug, um sie nicht kollabieren zu lassen - oder wir sind weit genug von der Singularität entfernt ..."
"Moment", rief Faere dazwischen, "Sie haben 'Singularität' gesagt! Heißt das, wir haben jetzt vier?"
Cerridan wurde munter. "Lassen sie mich das testen: Apfel, Raum, Verzerrung, Semantik, Pferd, Dilemma. Hmm, ich würde sagen, wir sind durch."
"Sehr gut", nickte Kommandant Wirring in der für ihn typischen, vorsichtigen Weise. "Ich werde mit dem Stützpunkt Kontakt aufnehmen." Erneut drückte er eine Sprechtaste an seinem Pult. "Hier spricht Kommandant Wirring von der U.I.S. Semantik. Wir haben die semantische Singularität an den von Doktor Cerridan vorausgesagten Koordinaten passiert. Es gab keine wesentlichen Probleme. Wir werden den Informationsraum in voraussichtlich 25 Standardminuten verlassen und in den Normalraum zurückkehren. Wirring Ende."
Der Kommandant lehnte sich wieder zurück. "Glückwunsch, geschätzte Kollegen. Ich denke, das war nun der erste erfolgreiche Flug durch den Informationsraum."
Cerridan nickte bedächtig. "Ja, beim letzten Mal war es viel schlimmer. Wir flogen direkt in die Singularität hinein und sämtliche Begriffe kollabierten zu dem Wort 'Ventil'. Marksburg wurde sofort wahnsinnig und ich konnte ihm nicht helfen, weil ich nicht wagte etwas zu sagen, geschweige denn zu denken." Er legte die Hand ans Kinn. "Wir werden wohl einen Weg finden müssen, den Informationsraum automatisch zu kartografieren."
Wirring warf einen Blick auf Sandberge, der immer noch teilnahmslos in seinem Sessel hing. "Wann wird er zu sich kommen, Doktor Faere?" fragte er an die Ärztin gewandt.
Sie warf einen Blick auf ihre Konsole. "In etwa zehn Minuten", kam die Antwort.
Wirring schien zufrieden. "Dann wäre auch das geklärt." Er war immer froh, wenn sich alles in ruhigen, geordneten Bahnen entwickelte. "Bleibt nur noch eine Frage: Wer ist John?"
"Ich denke, das kann ich beantworten", ließ Faere wieder vernehmen. Neugierig wandten sich Wirring und Cerridan ihr zu. Sie errötete leicht und sah auf ihr Pult hinab. "Mein Verlobter heißt John Taben. Er wartet auf dem Stützpunkt auf mich."
"Nun dann", lächelte Wirring ungewöhnlich verbindlich. "Ein Grund mehr, schnell diesen Raum zu verlassen."

Vorwärts gedrückt vom Sheldrake-Antrieb schwamm die V.I.S. Semantik langsam auf den hellen Kreis von Ideen zu, der den Übergang vom Raum der reinen Information zur materiellen Welt umgab.

 

Hi Naut!

Die Idee ist mal wieder sehr gut ( :thumbsup: ), aber die Ausarbeitung finde ich nicht ganz überzeugend. Folgende Frage stellte sich mir beim Lesen:
Wenn es doch ein Informationsraum ist, der da durchflogen wird, was haben dann Schiff und Besatzung als gewöhnliche Materie da drin zu suchen? Dem Text kann ich jedenfalls nicht entnehmen, dass das Schiff sich in Information verwandelt hätte etc., und auch ein "Materietunnel" wird nicht angedeutet.

Davon abgesehen war's aber interessant und echt unterhaltend, stilistisch gibt's eh nix zu meckern. :)

Viele Grüße!
Seaman

 

:silly: aber :cool:
Im Klartext: Durchgeknallte Idee, konsequent durchgezogen. Der erste Teil hätte für meinen Geschmack etwas pointierter sein können, damit der Leser sich nicht durch für ihn in dem Moment noch völlig unverständlichen Unsinn quälen muss.

Fazit: Ausdrückliches Lob für den Mut, mal was abgefahrenes zu probieren :thumbsup:

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi MisterSeaman,

Du hast natürlich Recht. Es ist schon so, dass da in gewissem Grad eine Umsetzung stattfindet, aber mir war beim Schreiben wahrscheinlich selbst unklar, wie weit die gehen soll. Insofern verlangt die Geschichte eine Präzisierung. (Mir schwebt eine Szene vor, in der Sandberge den Kopf aus der Abschirmung steckt und sich in wirbelnde Bits verwandelt ;) ).

EDIT:
Danke auch an Dich, Uwe. Die Idee fand ich einfach so durchgeknallt, dass ich nicht widerstehen konnte.

Danke Dir!
Naut

 

Hallo Naut,

Die Geschichte gefällt mir. Nach dem Chaosabschnitt tut es gut, so klare Sätze zu lesen ;) Der Anfang hat mich allerdings grob irritiert und die Geschichte mag im weiteren Verlauf so manchem Leser die Lust am Weiterlesen nehmen. Vielleicht wäre es gut, ein Intro vor das Chaos zu setzen ("Lieber Leser, bitte festhalten; Die Achterbahnfahrt beginnt") und den Leser erst zu verwirren, wenn er nicht über die ersten Sätze stolpern muss (Dadurch wird aber zugegebenermaßen die Pointe geschwächt.)

Gruß,
HienTau

 

Hallo HienTau,

erstmal Danke für's Durchhalten.

und die Geschichte mag im weiteren Verlauf so manchem Leser die Lust am Weiterlesen nehmen
Das war mir durchaus klar, und ich hatte erwogen, eine kleine Introsequenz vorabzustellen. Allerdings fand ich es so viel radikaler, und ich dachte mir, dass dieses Forum und mein Ruf ein wenig Provokation durchaus verkraften könnten.
Ich fand es nachher erstaunlich, wie lesbar ein Text ohne sinnvolle Substantive bleiben kann. Ich denke, man bekommt die Story in groben Zügen mit, obwohl die Substantive überhaupt keinen Sinn ergeben.

Grüße,
Naut

 

Allerdings fand ich es so viel radikaler
Nachvollziehbar ;)

Ich fand es nachher erstaunlich, wie lesbar ein Text ohne sinnvolle Substantive bleiben kann.
Ich auch. Das würde sich wahrscheinlich schlagartig ändern, wenn der Text keine einfache Erzählung (à la "proof of concept") wäre oder der Kontext völlig unklar bliebe. Selbst wenn man den Text nicht auf Anhieb versteht, kann man bereits beim zweiten Lesen viel mehr verstehen :)

 

Hi John!

Hahaha! Eine echt abgefahrene Reise! :johnsup:
So ein Pult mit der Reise sollte es öfter mal geben. Ich habe mich jedenfalls köstlich amüsiert, als ich erstmal den John der Reise gecheckt hatte. Kommt man zu John gar nicht drauf. :Big John:

So, und jetzt zu den Problemen der Story ( hey, ich bin durch! :D ):

Das mit der Abschreckung des Lesers ist ein schwieriges Pult, äh, Problem, für das ich ausnahmsweise mal keine optimale Lösung parat habe. Viele Leser denken sich gleich zu Anfang, dass es jetzt immer so weitergehen wird und hören auf zu lesen - es sei denn, sie werfen schon mal einen Blick auf den zweiten Abschnitt und kriegen dadurch das Gefühl, "gemogelt" zu haben.
Vielleicht wäre ein Intro wirklich die beste Lösung. Bestimmt gibt es eine Formulierung, die die Pointe nicht versaut.

Und dann kommt noch ein Problem, nämlich das der Muttersprache: Deine Raumschiffbesatzung hat englische Namen, und im Englischen gibt es keine Unterscheidung zwischen Maskulinum, Femininum und Neutrum. Wenn deine Geschichte in ihrer ohnehin schon verqueren Logik funktionieren soll, dann müssen die Prots gestandene Teutonen sein ( oder Vertreter einer anderen Sprache mit drei bestimmten Artikeln ;) ).

Eine Anregung noch: Wie wär's, wenn die Semantik aus Versehen wieder in eine Singularität gerät und alle nur noch "Sauerkrautschweinshaxe" denken können? :D

Ciao, Megabjörnie

 

Hi MB,

freut mich, dass es Dir gefallen hat. Aber ich denke, den Anfang lasse ich jetzt so, ein Text hat ja (im Gegensatz zum Film) den Vorteil, dass man problemlos Schummeln kann, hier sogar darf.

Dass die Namen englisch sind, möchte ich bezweifeln. Zunächst mal habe ich sie mir nur ausgedacht (wie immer), bei näherer Betrachtung würde ich zuordnen:
* Wirring: germanisch, im Deutschen sicher gebräuchlich
* Cerridan: vermutlich romanischen oder griechischen Ursprungs
* Sandberge: germanisch, vielleicht skandinavisch
* Faere: eindeutig skandinavisch
* John Taben: skandinavisch (der ist aber nicht an Bord)
* Marksburg: germanisch, zugegeben angelsächsisch (aber der ist ja nicht an Bord, sondern in der Anstalt)

Also alles Deutsche oder Skandinavier, kein Problem. :)

Die Anregung ist lustig, das ist ja mehr oder weniger das, was Marksburg und Cerridan beim ersten Versuch passiert ist ;)

Danke,
Naut

 

Oh, das sind keine englischen Namen? Stimmt, jetzt seh' ich's auch. :shy:
Ja, so ist das mit diesen "Space Opera"-Plots: Egal, wie die Namen lauten, man denkt sie sich immer englisch. :D

Du könntest übrigens ja auch ein Motto an den Anfang stellen, ein Zitat von irgendeinem Schriftsteller, der mal einen superklugen Spruch über die Bedeutung des Substantivs abgelassen hat. Wenn du keinen kennst, kann ich dir folgenden empfehlen:

"Wäre der Schriftsteller ein Maler und würde mit Verben und Adjektiven als Farben hantieren, so fiele den Substantiven ohne Zweifel die Aufgabe der Formgebung zu. Ohne die Substantive müsste der Künstler die Farben mühsam so abstimmen, dass sie eine Form andeuten, aber mehr als ein verwaschenes, vages Bild könnte auch der größte Meister nicht schaffen."
Megabjörnie in einer Kritik zu Nauts Science-Fiction-Kurzgeschichte "Semantik"

Na, wie klingt das? :D :D :D

Übrigens, statt "Sauerkrautschweinshaxe" könnte Faere doch auch an die intime Begegnung mit ihrem Verlobten denken, und dann haben plötzlich alle nur noch "Löffelchen" im Kopf ( war mein erster Gedanke, aber den fand ich vorhin noch nicht so gut; ist jedenfalls eine Idee, die mir auch gefallen würde ). :shy:

 
Zuletzt bearbeitet:

Öh, Megabjörnie, das sind ja voll die ... guten ... Vorschläge. Und Dein Zitat ist total - schwachsinnig. :D

Trotzdem danke für Deine Aufmerksamkeit :)
Naut

Achso: Danke übrigens auch an Golio, ich hoffe, es geht Dir wieder besser?! :besorgt:

 

Ja, wenn ich eins finde. Sowas kann man ja nicht über's Knie brechen.

Das schwachsinnige an Deinem Zitat ist übrigens, dass die meisten Maler ausschließlich mit Farben hantieren (na ja, es gibt auch Struktur-Experimente mit texturellen Ölfarben, das lasse ich mal außen vor). Formen entstehen durch farblichen Kontrast.

 

Moooment! :D
Ein Maler macht aber zu jedem Werk erst mal eine Vorzeichnung, um überhaupt ein Bild vor Augen zu haben. HA! :klug:

 

Megabjörnie schrieb:
Moooment! :D
Ein Maler macht aber zu jedem Werk erst mal eine Vorzeichnung, um überhaupt ein Bild vor Augen zu haben. HA! :klug:
:rolleyes: Und womit macht er diese Zeichnung? Sicher kratzt er sie nicht in eine Wachstafel, nein, er verwendet dazu eine kontraststarke Farbe (im allgemeinen Sinn). Jetzt aber ruhig, vielleicht will noch jemand etwas zum Thema schreiben ;)

 

Hey Naut,

wollte erst

Er war der älteste an Pult
korigieren, stellte sich dann aber als unnötig heraus hehe

hat mir gut gefallen, alter Freund und Kupferstecher

Beste Grüße
krilliam Bolderson

 

Danke Krill! Und damit Du nicht denkst, ich "betrüge" Dich: Die Geschichte ist schon mehrere Monate alt :)
Grüße,
Naut

 

Hallo Naut!

also ich gestehen ... ich bin nach den ersten paar sätzen geflüchtet und hab einen blick auf die kommentare geworfen. ich hoffe, du verzeihst ... aber wir kennen uns ja noch nicht so gut. da kann man "kreativ" und "wahnsinnig geworden" ja so leicht verwechseln *zwinker*

nach dem zweiten anlauf sag ich: nette story, kreative und wahnsinnig *lächel* nur eine anregung:

Unauffällig gab er Reise einen Wink.
an dieser stelle noch einen pult, oder?

danke für die spannende lektüre,
caroline

 

Hallo Caroline,

das ist schon okay, diese Geschichte ist auch so ziemlich meine "wahnsinnigste" (glaube ich zumindest). Schön, dass sie Dir trotzdem gefallen hat.
Und danke für's Finden des Fehlers, unglaublich, dass da immer noch ein Wort übrig war.

Grüße,
Naut

 

Hallo Naut,

ich finde, das ist eine sehr originelle Situationsbeschreibung, macht aber nicht richtig satt.
Zu diesem Thema semantische Singularität könnte man sicher noch etwas mehr sagen.

Der erste unverständliche Absatz in der semantischen Singularität war mir fast etwas zu lang, ging so gerade noch.
Entweder ist das mein Problem, weil ich nicht auf Raumschiff Enterprise gekommen bin, oder man könnte noch deutlicher darauf anspielen.
Und wie wäre es hier mit einem Angriff von - wie auch immer gearteten - Außerirdischen?

Der restliche Text ist dann sehr schön.
- die Erkennung der Singularität
- Ventil
- mein Verlobter
- der helle Kreis von Ideen
:)

Ein paar - ah - Problemstellen sind mir auch aufgefallen.

„... zu denken.“ Nachdenklich“
Wiederholung denken - denklich

„Dann wäre auch das geklärt.“ - „Bleibt nur eines zu klären.“
Wiederholung geklärt - klären
Oder ist das ein Tick von Wirring?

„ungewöhnlich verbindlich“
Wiederholung lich - lich
Und ja, manchmal bin ich ein Pedant.

„vom Sheldrake-Antrieb trieb“
Wiederholung Antrieb - trieb

Aber vielleicht sind das alles nur Nachwirkungen der Singularität.
:)

viele Grüße
jflipp

 

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