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Semesterbeginn

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03.01.2005
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Semesterbeginn

Als ich im Zug nach Graz saß, überfiel mich so etwas wie Euphorie. Eine kleinere, mutwillige Verwandte, die nicht wie die Wahre, die Erhabene, großmächtig auf einen einflutetet, sondern einem hinterrücks ins Genick springt, wie eine Zecke und einen beißt, sich aber nicht festsaugt. Man greift nach hinten und tastet danach, das ist sie aber schon weg und die Frage, was zum Teufel das jetzt wieder war, bleibt ohne befriedigende Antwort. Vielleicht so etwas wie Euphorie. Das ist alles, was sich vermuten lässt. Und doch: Für einen Moment glaubte ich, dass mich das tatsächlich glücklich machen kann, dass mich das immer glücklich machen könnte, diese Rückkehr nach längerer Abwesenheit, so wie man als Kind glaubt, dass einen Weihnachten immer glücklich machen kann.

Noch ist es eher Aufbruch als Heimkehr, und das ist gut, denn ich führe ein Leben allzu arm an Aufbrüchen. Ich führe ein Leben um mich herum, eine Kruste aus wiederholten Situationen. Da müsste mehr aufgebrochen werden, ich müsste öfter aufbrechen. Jetzt ist eine gute Zeit dazu, ein Beginn, das passt zu Aufbrüchen; ich rechne ja immer noch in Schuljahren. Eine solche Zeitrechnung hat den Vorteil, dass der Übergang sanfter ist: Keine überreizte, mit Vorsätzen und Rückblicken überfrachtete Silvesternacht, sondern der friedliche Fluss der Ferien, auf dem man sich erst einmal treiben lassen kann, bevor man das neue Ufer ins Auge fassen muss. Jetzt aber ist das neue Ufer in Sichtweite und ich bin dafür bereit. Ich war noch jedes Mal bereit.

Vor allem die Leute. Wenn man in den Ferien zu wenig unter die Leute geht, wird man ganz ausgehungert nach Menschen.

Es ist allerdings nicht ohne Schrecken, dort anzukommen, wo niemand auf einen wartet. Das heißt nicht, dass es nicht jemanden gibt, der sich durchaus freut, wenn man sich überraschend meldet und genau das ist das erste, was ich tue. Ein paar solcher Telefonate besänftigen den Schrecken.

Und dann gibt es noch die Möglichkeit, zufällig jemanden zu treffen.

Auf der anderen Straßenseite kommt mir M. entgegen. Er lacht mir zu. Hast du Zeit? Klar, hab ich, gegenüber ist auch gleich ein Café. Und ich lass mir also eine halbe Stunde berichten, von M.'s. Husarenstücken, von denen ich letztes Semester live nicht viel mitbekommen habe, weil wir nie die selben Kurse hatten, lasse mir also berichten, wie er sich vier Tage vorher spontan für eine Prüfung angemeldet hat, vor der wir uns alle in die Hose scheißen, und dann nicht einmal durchgefallen ist, von seinem Wahnsinnsprogramm für sein neues Semester und davon, wie er durch Chuzpe und Glück beim Hasardieren auf eine Semesterstundenzahl kommt, von der ich nur träumen kann. Und ich bin nicht so schlecht unterwegs. (Wegen meiner schönen Augen sitzt er mir nicht gegenüber. Netzwerke, Baby!). Ich höre zu und mache an den entsprechende Stellen die passenden Geräusche des Erstaunens und sage Dinge wie: Nein, aber nicht wirklich! Also so was! Du bist mir ja einer. Es ist nicht geheuchelt. Auch nicht mein Lob für seine Effizienz und seine guten Nerven. Wenn sie mit solch kindlicher Kunstlosigkeit eingefordert wird, gewähre ich Bewunderung bereitwillig. Eine halbe Stunde kündet mir M. von seinen Taten, dann muss er zum Friseur und für diese eine halbe Stunde unterhält mich sein Geplauder ganz vorzüglich.

Im Park treffe ich L, die mir winkt. Sie liegt auf einer Decke und lernt für eine Prüfung, die sie im Oktober unbedingt bestehen muss und die ich schon habe. Wir plauschen ein wenig, sie macht mir Platz auf der Decke. Gelegentlich fragt sie mich etwas zum Stoff, wir reden über gemeinsame Bekannte und natürlich wieder über den Stundenplan; sie erzählt mir zwischendurch, dass sie mittlerweile ein bisschen schwarz sieht mit der Liebe, wegen diverser enttäuschender Erfahrungen, dass sie aber doch halbwegs zuversichtlich ist, was ihren Neuen betrifft. Ich erzähle ihr dafür, dass ich von Herzen etwas anderes studieren wollte und jetzt doch sehr zufrieden bin mit meiner Entscheidung. Dann kommen zwei Freunde von ihr vorbei, um sie abzuholen und ich muss eigentlich noch in die Stadt.

Das ist nämlich auch wichtig: Zur Schönheit von flüchtigen, oberflächlichen Begegnungen, die man zu schätzen lernt, wenn man lang genug niemanden begegnet ist, gehört nicht nur ein natürliches, windverwehtes Aufeinandertreffen, sondern auch ein natürliches, windverwehtes Auseinandergehen. Auf keinen Fall darf das Treffen über Gebühr ausgedehnt werden. Ja, die Frage, ob man das vielleicht tun sollte, darf gar nicht erst aufkommen. Ein natürliches Ende durch höhere Mächte wie etwa Friseurtermine oder plötzlich auftauchende eigentliche Verabredungen ist ideal.

Spätestens in einem Monat werde ich wieder befinden, dass mir das im Grunde doch nichts bringt und wenn M. oder L. mir zunicken, werde ich kurz zurücknicken. Aber heute macht es mich glücklich, M. und L. begegnet zu sein.

Und das ist vielleicht der eigentliche Zauber des Semesterbeginnes.

 

Hallo Mög,

der Einstieg deiner Geschichte liest sich so, als hättest du ziemlich lange daran gefeilt. Vielleicht ist es genau das Problem, was ich mit ihm habe: Er ist zu durchdacht. Du willst sicher gehen, dass der Leser alles verstehst und dementsprechend gibt es nix selbst zu denken oder herauszufinden. Schade, finde ich. Die Idee die hinter dem ersten Absatz steckt finde ich schön, die leicht melancholische Stimmung fand ich auch schön... nur insgesamt etwas zu viel des Guten.

Das ist das Problem, was ich mit der Geschichte insgesamt hattest. Jede schöne Stimmung, die auftaucht, jeder Glücksaugenblick, den du einfängst, würgst du gleich wieder mit deinen langen Erklärungen ab. (Jetzt mal hart gesagt!) Das finde ich richtig schade, denn es gibt wirklich diese kurzen Momente, die eine wundervolle Stimmung transportieren. Jeder kennt solche oder ähnliche Augenblicke - warum traust du dem Leser nicht mehr zu?

Sprachlich hat deine Geschichte mir gefallen. Gelegentlich rutscht du ein wenig in Umgangssprache ab. Ich bin mir nicht sicher, ob du das so wolltest oder ob es reingerutscht ist. Ich vermute eher ersteres, allerdings finde ich es nicht so toll, weil es nicht durchgängig so ist.

Details:

Eine kleinere, mutwillige Verwandte, die nicht wie die Wahre, die Erhabene, großmächtig auf einen einflutetet, sondern einem hinterrücks ins Genick springt, wie ein Zeck und einen beißt, sich aber nicht festsaugt.

Könnte an mir liegen, aber ich musste den Satz mehrmals lesen, um ihn zu kapieren.

Man greift nach hinten und tastet danach, das ist sie aber schon weg und die Frage, was zum Teufel das jetzt wieder war, bleibt ohne befriedigende Antwort.

danach, dann

Und doch: Für einen Moment glaubte ich, dass mich das tatsächlich glücklich machen kann, dass mich das immer glücklich machen könnte, diese Rückkehr nach längerer Abwesenheit, so wie man als Kind glaubt, dass einen Weihnachten immer glücklich machen kann.

Den letzten Teil des Satzes könntest du, finde ich, streichen. Er wirkt stärker ohne diesen Satz.

Ich führe ein Leben um mich herum, eine Kruste aus wiederholten also bekannten Situationen.

Hier machst du es schon wieder *g*. Mit dem Zusatz "also bekannten" möchtest du wieder sicher gehen, dass es auch wirklich verstanden wird.

Vor allem die Leute. Wenn man in den Ferien Menschen-Fasten betrieben hat, ist man ganz ausgehungert nach den Leuten.

Ich weiß zwar, was du meinst, aber ich frage mich trotzdem, warum der Prot. Menschen-Fasten betrieben hat.

Es ist allerdings nicht ohne Schrecken, dort anzukommen, wo niemand auf einen wartet.

Stark!

Und ich lass mir also eine halbe Stunde berichten, von M.'s. Husarenstücken, von denen ich letztes Semester live nicht viel mitbekommen habe, weil wir irgendwie nie die selben Kurse hatten,

Dieses "irgendwie" wirkt umgangssprachlich auf mich. Gefällt mir daher in diesem Zusammenhang nicht so.

Eine halbe Stunde kündet mir M. von seinen Taten, dann hat er einen Friseurtermin und für diese eine halbe Stunde unterhält mich das ganz vorzüglich.

Ich glaube der zweite Teil des Satzes drückt nicht wirklich aus, was du sagen möchtest. Du möchtest sagen, dass es für eine halbe Stunde ok war, jetzt aber gut ist, dass sie wieder geht. Oder? Vielleicht könntest du über den zweiten Teil des Satzes nochmal drüber schauen?

Sie liegt auf einer Decke und lernt für eine Prüfung, die sie im Oktober unbedingt bestehen muss und die ich schon habe.

Ist´s hier wichtig, dass der Prot. die Prüfung schon hat?

Dann kommen zwei Freunde von ihr vorbei, um sie abzuholen und ich muss eigentlich noch in die Stadt.

Warum eigentlich?

LG
Bella

 

Danke für den ausführlichen Kommentar.

Ja, die Geschichte fällt sprachlich etwas auseinander. Das Umgangssprachliche, das sich einschleicht, hab ich normal gern, passt aber wohl wirklich nicht zum Anfang.

Was genau passt an den ersten Sätzen nicht? Soweit ich dich richtig verstanden hab, sind sie zu manieriert?

..sowie man als Kind glaubt,..
Das fand ich eigentlich wichtig. Allerdings hast du recht, auf welchem Fundament dieser Glauben steht, ist vielleicht durch "für einen Moment" ausreichend angedeutet.

Wiederholt also bekannt - wirklich redundant, weg damit.

Menschen-Fasten = zu wenig unter die Leute gehen. Die Prot. hat evtl. ein kleines Problem mit Nähe, was vielleicht auch daran deutlich wird, dass sie fast darauf erpicht scheint, dass die oberflächliche Begegnung auch ja oberflächlich bleibt.

..irgendwie nie die selben Kurse.
Irgendwie, ja wie wohl? Wie sollten sie auch die selben Kurse haben, wenn man sich nicht abspricht, was man tun würde, wenn man wirklich Wert darauf legen würde, sich öfters in den Kursen zu sehen. Ist hier leicht ironisch, muss allerdings wirklich nicht sein.

..und für diese halbe Stunde unterhält..
yep. Mit Betonung allerdings eher auf "unterhält mich das ganz vorzüglich". Viele Leute sehen ja Small-Talk als lästige Pflichtübung, aber die Prot. hat tatsächlich ungeheuchelt ihre Freude daran. Für eine halbe Stunde zumindest. Wenn das der Satz nicht ausdrückt, was drückt er sonst aus?

..die ich schon habe.
Ja, schon ein wenig wichtig, weil L. sonst "Ich" keine Fragen zum Stoff stellen würde. ("Ich" leidet offenbar auch ein bisschen unter einer gewissen Paranoia, dass sich die Leute noch etwas weniger mit ihre beschäftigen würden, wären da nicht ihre guten Noten).

...muss eigentlich noch in die Stadt.
Eigentlich heißt hier, nicht wirklich, aber sagma halt so, weil wir einen glatten Abgang hinlegen wollen. Wieso das wichtig ist, wird im nächsten Absatz erklärt.

 

Hallo mög,

so als Studentin kann ich den "Zauber des Semesterbeginns" in Kürze wieder erleben ;) . Mir hat deine kleine Geschichte wirklich gut gefallen, vor allem weil du eine schöne Stimmung transportierst. Sprachlich finde ich alles sehr gelungen, es passt recht gut zusammen.

Ein paar Sachen sind mir aber doch aufgefallen:


mög schrieb:
wie ein Zeck und einen beißt,

Sagt man das bei euch so? Ich kenne nur eine Zecke.

mög schrieb:
Und doch: Für einen Moment glaubte ich, dass mich das tatsächlich glücklich machen kann, dass mich das immer glücklich machen könnte, diese Rückkehr nach längerer Abwesenheit, so wie man als Kind glaubt, dass einen Weihnachten immer glücklich machen kann.

Meine persönliche Lieblingsstelle

mög schrieb:
Noch ist es eher Aufbruch als Heimkehr, und das ist gut, denn ich führe ein Leben allzu arm an Aufbrüchen. Ich führe ein Leben um mich herum, eine Kruste aus wiederholten Situationen. Da müsste mehr aufgebrochen werden, ich müsste öfter aufbrechen. Jetzt ist eine gute Zeit dazu, ein Beginn, das passt zu Aufbrüchen;

Irgendwie sind mir das zu viele "Aufbrüche". Auch der Satz: "Ich führe ein Leben...." klingt für mich komisch, ich musste ihn zweimal lesen, um zu verstehen was du meinst.

mög schrieb:
Wenn man in den Ferien Menschen-Fasten betrieben hat, ist man ganz ausgehungert nach den Leuten.

Menschen-Fasten? Ein seltsamer Ausdruck, man versteht, was gemeint ist, aber vielleicht findest du eine bessere Formulierung?

Sonst hab ich erst mal nix zu meckern, bin gespannt was andere von deiner Geschichte halten.

Viele Grüße
Cassandra

PS.: Ach ja, L. und M. klingt ein bisschen nach Verbrechern, deren Namen nicht genannt werden dürfen. Mir ist schon klar, dass du nur eine entfernte Bekanntschaft verdeutlichen wolltest, aber "richtige" Namen hätten mir schon besser gefallen.

 

hi mög,

Noch ist es eher Aufbruch als Heimkehr, und das ist gut, denn ich führe ein Leben allzu arm an Aufbrüchen. Ich führe ein Leben um mich herum, eine Kruste aus wiederholten Situationen. Da müsste mehr aufgebrochen werden, ich müsste öfter aufbrechen. Jetzt ist eine gute Zeit dazu, ein Beginn, das passt zu Aufbrüchen; ich rechne ja immer noch in Schuljahren.

Eigentlich passt der Absatz (ausgenommen der letzte Satz) eher zu einem in der Midlife-Crises... ;)
Vor allem die Leute. Wenn man in den Ferien Menschen-Fasten betrieben hat, ist man ganz ausgehungert nach den Leuten.

Der Prot ist also normalerweise Menschenfresser :D?
Der Ausdruck verwirrt mehr als dass er Originalität ausdrückt.


Und ich lass mir also eine halbe Stunde berichten, von M.'s. Husarenstücken, von denen ich letztes Semester live nicht viel mitbekommen habe, weil wir nie die selben Kurse hatten, lasse mir also berichten, wie er sich vier Tage vorher spontan für eine Prüfung angemeldet hat, vor der wir uns alle in die Hose scheißen, und die auch noch bestanden hat, was für ein Wahnsinnsprogramm er sich für dieses Semester zusammengestellt hat und wie er durch Chuzpe und Glück beim Hasardieren auf eine Semesterstundenzahl kommt, von der ich nur träumen kann.

der Punkt nach M.'s. muss weg - und dann...das ist EIN Satz. Es mag ja sein, dass du die Atemlosigkeit des Erzählers darstellen wolltest; falls das so ist, ist dir das nicht gelungen. Dazu sind drei hat hintereinander zuviel.


. Eine halbe Stunde kündet mir M. von seinen Taten, dann hat er einen Friseurtermin und für diese eine halbe Stunde unterhält er mich ganz vorzüglich.

Bella merkte das schon an, aber du hast es nicht verstanden:
Im zweiten Satz erscheint es so, als würde ihn der Friseurtermin unterhalten. (Hoffe, ich habe Bella richtig interpretiert).

Das ist nämlich auch wichtig: Zur Schönheit von flüchtigen, oberflächlichen Begegnungen, die man zu schätzen lernt, wenn man lang genug niemanden begegnet ist, gehört nicht nur ein natürliches, winderverwehtes Aufeinandertreffen, sondern auch ein natürliches, winderverwehtes Auseinandergehen.

also ich kenne windverweht und winterverweht, aber dein winderverwehtes... :confused:

. Ein natürliche Ende durch höhere Mächte wie etwa Friseurtermine oder plötzlich auftauchende eigentliche Verabredungen ist ideal.

sind ideal

Hmmm...ob der Prot wohl der Richtige ist, ein Studium anzugreifen, wenn er nicht einmal weiß, was das Wichtigste im neuen Semester ist?

Die Geschichte war unterhaltsam zu lesen, aber inhaltlich hat sie mich nicht so überzeugt, da die gewählten Worte in keinem Zusammenhang mit der dargestellten Reife des Prots stehen.

Liebe Grüße
bernadette

 

hi!

ehrlich gesagt finde ich deine geschichte furchtbar. sie ist genau die sorte von geschichten, wie ich sie hasse. es ist allerdings mein subjektives urteil und hat wahrscheinlich, was mit meinem geschmack und meinen literarischen vorlieben zu tun.
über winderverweht und zeck haben sich schon andere gewundert. du hast noch an ein paar anderen stellen den einen oder anderen buchstaben vergessen. kleine fehler, nichts, was man durch ein nochmaliges, sorgfältiges durchlesen nicht wieder ausbügeln könnte. schlimm finde ich die banalität, die sinnlosigkeit und leere des inhalts. ein gespräch im cafe, der junge muss zum friseurtermin, gespräch auf der wiese und ein lob an die oberflächlichkeit. deine hauptfigur nervt gewaltig. aber vielleicht ist das ganze auch subversiv gemeint, und soll die oberflächligkeit der künftigen bildungseliten demaskieren. ich befürchte allerdings, das dies eher nicht der fall ist.
nun zum sprachlichen. es stimmt, es gibt da eine zweiteilung. die zweite hälfte, die du eher umgangssprachlich genannt hast, ist für mich in ordnung. schön leicht verständlich, flüssig lesbar. wenn du jetzt nur noch was zu erzählen hättest, wäre alles wunderbar.
aber die erste hälfte. soviel metaphernreichtum findet sich nicht mal bei rilke, und der hat gedichte geschrieben und seine metaphern waren allemal gelungener als deine. um die inflationäre häufigkeit der metaphern aufzuzeigen habe ich sie mal fett markiert.
"Noch ist es eher Aufbruch als Heimkehr, und das ist gut, denn ich führe ein Leben allzu arm an Aufbrüchen. Ich führe ein Leben um mich herum, eine Kruste aus wiederholten Situationen. Da müsste mehr aufgebrochen werden, ich müsste öfter aufbrechen. Jetzt ist eine gute Zeit dazu, ein Beginn, das passt zu Aufbrüchen; ich rechne ja immer noch in Schuljahren. Eine solche Zeitrechnung hat den Vorteil, dass der Übergang sanfter ist: Keine überreizte, mit Vorsätzen und Rückblicken überfrachtete Silvesternacht, sondern der friedliche Fluss der Ferien, auf dem man sich erst einmal treiben lassen kann, bevor man das neue Ufer ins Auge fassen muss; man hat ausreichend Zeit, versonnen zuzuschauen, wie das alte Ufer allmählich hinter dem Horizont verschwindet. Jetzt aber ist das neue Ufer in Sichtweite und ich bin dafür bereit. Ich war noch jedes Mal bereit.
Vor allem die Leute. Wenn man in den Ferien Menschen-Fasten betrieben hat, ist man ganz ausgehungert nach den Leuten."

die ufer-metapher wiederholt sich aus meiner sicht viel zu oft. ebenso die aufbruch-metapher. auch dieses wortspiel: " Da müsste mehr aufgebrochen werden, ich müsste öfter aufbrechen" halte ich für misslungen. das ist ja der reinste kalauer.

ich hoffe, du nimmst mir meine recht harte kritik nicht übel und siehst sie als das, was sie ist: einfach nur eine meinung, die durch eine bestimmte literarische sozialisation, die momentane laune und das geschlecht bedingt ist.

 

Hi mög,

ich mag die Wörter "irgendwie" und "eigentlich" nicht. Sie sagen im Grunde genommen nichts aus. In einer wörtlichen Rede finde ich sie noch ok, weil man das ja im Gespräch tatsächlich oft so sagt. In einer erzählten Geschichte haben sie, meiner Meinung nach, nichts zu suchen.

Bernadette hat gut erklärt, was ich im "Frisör-Satz" meinte. Ich hab mich da wohl blöd ausgedrückt.

Am Anfang stört mich, dass du alles "zerredest", dass du keinen einzigen Spielraum für eigene Gedanken lässt.

LG
Bella

 
Zuletzt bearbeitet:

Danke für die Kritik!
Sind ja ordentlich viele sprachliche Schlampigkeiten drin, aber mit eurer Hilfe bin ich zuversichtlich, das Gröbste auszumerzen.
Zeck und irgendwie werden ausgebessert, und auch das mit dem Friseur hab ich endlich kapiert (danke Bernadette, ich stand da eben auf der Leitung). Winderverweht natürlich auch.
Eigentlich möchte ich aber schon drin behalten, die Nuance, die ich damit ausdrücken wollte, habe ich ja schon beschrieben.
Denn "er erzählt mir von"-Satz habe ich etwas "enthattet".
Auch vom Menschen-Fasten werde ich mich trennen. Ich fand den Ausdruck passend, aber wenn man so dermaßen darüber stolpert, bringt das ja nichts. Stolpern ist ja an sich nicht unbedingt schlecht, schadet nix, wenn sich ein Text nicht ganz so glatt runterliest - aber an dieser Stelle muss es vielleicht wirklich nicht sein.
Außerdem ist "betreiben" ein hässliches Verb.
Ein kleines Problem bleibt:
Sollte es wirklich heißen: Ein natürliches Ende sind ideal? Die finite Form des Verbes bezieht sich ja auf das Subjekt, und das ist in diesem Satz das Ende und das ist Singular.

Was natürlich die inhaltliche Kritik betrifft, kann ich weniger machen. Das ist nun mal die Geschichte, die ich erzählen wollte, wenn sie wer zu nichtig findet, ist das schade für mich, aber wohl hinzunehmen. (Rilke benützt übrigens sicher mehr Metaphern; allerdings bessere.)

Banalität? Klar, es geht um Einsamkeit. Einsamkeit ist schon ein bisschen banal. Genauso wie Liebe.

Was das Lob der Oberflächlichkeit betrifft, ich denke, das ist schon ein wenig differenzierter. (Spätestens in einem Monat werde ich wieder befinden, das mir das nichts bringt.) Aber ein bisschen darf man die Oberflächlichkeit ruhig loben. Mal was anderes. Verdammt wird sie eh genug.

Ich schätze das "Zerreden"-Problem betrifft vor allem den Anfang? Mal überlegen, vielleicht kann ich da noch was entblähen.

(Für den Text irrelevant, aber weil's mich interessiert: Wie ensteht der Eindruck, dass "Ich" nicht weiß, was im Studium das Wichtigste ist? Was im Leben das Wichtigste ist, weiß sie unter Umständen nicht so ganz, wer weiß das schon so genau... aber mit dem Studium kennt man sich dann doch etwas schneller aus.)

 

Teilweise empfand ich die Sätze als unnötig umständlich, an dieser Stelle: "und dann nicht einmal durchgefallen ist, von seinem Wahnsinnsprogramm" schlage ich einen Punkt und eine erneute "Erzählt mir/ Lasse mir [...] erzählen"-Formel vor, ansonsten habe ich meinen Vorkritikern nichts hinzuzufügen.

Hat mir ziemlich gut gefallen.

 

hi mög,

Ein natürliche Ende durch höhere Mächte wie etwa Friseurtermine oder plötzlich auftauchende eigentliche Verabredungen ist ideal.

Sorry, du hast recht, natürlich singular. Dafür ist mir aber noch was anderes aufgefallen :D.

 

@ mög: ich habe in deiner geschichte überhaupt nicht erkannt, dass hier einsamkeit thematisiert werden soll. nach nochmaligem lesen habe ich festgestellt, das sie durch diesen satz : "Spätestens in einem Monat werde ich wieder befinden, dass mir das im Grunde doch nichts bringt und wenn M. oder L. mir zunicken, werde ich kurz zurücknicken." zum ausdruck kommt. eigentlich ein starker satz, der beste im ganzen text. allerdings finde ich den beginn immer noch furchtbar, die ersten beiden abschnitte haben bewirkt, dass ich mir bereits da ein schlechtes bild von der geschichte gemacht habe und das hat das verständnis des ganzen mitbeeinflußt. von "auf der anderen strassenseite" an, finde ich die geschichte in ordnung. der anfang ist zu lang, zu metaphernreich, passt nicht zum rest. es würde der geschichte in meinen augen gut tun, wenn er fast komplett gelöscht oder zumindest umgeschrieben und gekürzt werden würde, und zwar so, dass er zum rest der geschichte passt, also keine metaphern, einfachere sprache etc.

 

@bernadette:
Mist! Und ich dachte, ich könnte mich zumindest in Bezug auf meine Grammatikkenntnisse rehabilitieren.. :-)

@Waldemar:

Wie wärs mit folgendem Anfang:

Als ich im Zug nach Graz saß, überfiel mich so etwas wie Euphorie. Für einen Moment glaubte ich, dass mich das tatsächlich glücklich machen kann, dass mich das immer glücklich machen könnte, diese Rückkehr nach längerer Abwesenheit. Vor allem wegen der Leute. Wenn man in den Ferien zu wenig unter die Leute geht, wird man ganz ausgehungert nach Menschen.

Und ab da wie gehabt.

Besser?

 

@ mög: es gefällt mir so deutlich besser. danach müsste es dann mit "es ist allerdings nicht ohne schrecken" weitergehen, oder? ich würde nur diesen nebensatz im konjunktiv streichen: "dass mich das immer glücklich machen könnte"

 

@groper:
das ist jetzt natürlich wieder ein ganz eigener Text, aber ich freue mich, dass ich als Inspiration dienen konnte.

 

Offenbar doch... :-).
Denn wie gesagt: mein Text ist das nicht mehr.
Aber schadet ja nix.

 
Zuletzt bearbeitet:

Ne, ist schon okay, wenn du das so verstehst.
Man soll ja mitunter Verschiedenes in Texte hineinlesen können, hab ich mir sagen lassen.

 

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