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- 23.09.2007
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Shine on my life
Shine on my life
Die Sonne war warm, wie an einem schönen Sommertag. Die Welt schien sich nach dem langen Winter wieder weiter zu drehen. Der Zustand, in dem sich alles in einer gewissen Starre befand, war an einem einzigen Tag verschwunden.
Überall begegnete man Menschen, die fröhlich lachten und zum ersten Mal in diesem Jahr genüsslich ihr Eis schleckten.
Als hätten alle nur diesen einen Tag abgewartet, an dem das Leben nicht mehr so schlimm erschien, wie in den Monaten davor.
Zwischen all den glücklichen und zufriedenen Menschen, stand Louis auf der Brücke und starrte mit leerem Blick auf den dahin treibenden Rhein.
In seinem Kopf befanden sich etliche Gedanken, die ein warmer Frühlingstag einfach nicht vertreiben konnte.
Gedanken, die einen übermannten und nicht mehr losließen.
Dabei hatte Louis das Verdrängen von Problemen in den letzten Jahren so gut perfektioniert, dass er sich manchmal selbst nicht mehr sicher war, ob sie nun real waren oder nicht.
Doch in den letzten paar Tagen, war es einfach nicht mehr möglich, den Hebel in seinem Kopf um zulegen.
Sein Dasein war aus den Fugen geraten. Und Louis brachte die Kraft nicht mehr auf, dem Leben die Stirn zu bieten.
Letzte Woche war seiner Mutter aus der Entzugsklinik entlassen worden.
Zur Feier des Tages schmiss sie eine Party und betrank sich mit ihren Freunden.
Louis erwachte am Morgen und sah sie auf dem Küchenboden liegen, umgeben von Wein- und Whiskyflaschen.
Und schon fühlte er sich wieder in sein altes Leben zurück geworfen.
Nachts versuchte er zu schlafen, sich ab zu lenken und alles um nur nicht nachzudenken.
Erwachte er am nächsten morgen, ausgenommen vom Tag davor, musste er erkennen, dass er sich noch immer an derselben Stelle befand, von der weggelaufen war, ohne Plan und Lösung.
Während Louis den Rauch seiner Zigarette tief in die Lunge zog, dachte er kurz daran, wie es ihm als kleiner Junge ergangen war , als er zum ersten Mal die warmen Sonnenstrahlen wieder auf seiner Haut spürte.
Schon damals stand er auf Brücken und fragte sich, wie schlimm ein Aufprall in den Tod sein konnte, doch irgendwie schien trotzdem vieles einfacher.
Der Gedanke dem Leben ein Ende zusetzen, war nie so real und zum Greifen nah, wie an diesem Tag.
Wenn man älter wird, ist es nicht mehr so simpel die Augen vor dem Leben zu verschließen. Der Fokus auf den man sich richtet, ist nicht mehr allein die Freude auf einen nächsten Tag.
Wenn man älter wird, ist der Wunsch zu sterben viel intensiver, als man es im Kindesalter für möglich gehalten hatte.
Denn auch wenn es ihm an solchen Tagen schlecht ging, so erwärmte die Sonne immer wieder sein trauriges Gemüt.
Mit einer sachten Fingerbewegung schnipste Louis seine Zigarette in den Rhein. Während er zusah, wie die Zigarette im Wasser langsam stromabwärts trieb, dachte er an die Menschen in seinem Leben, die ihm etwas bedeuteten.
Er dachte an ihre Gesichter, ihre Gefühle, ihr Leben und an die Geschichten, die sie mit ihm verbanden.
Was würde es für sie bedeuten, wenn er sich an einem wunderschönen Frühlingstag das Leben nehmen würde? Wenn die Polizei plötzlich vor der Tür seines Vaters stände und ihm mit mitleidigen Blicken verkünden müsste, dass sein Sohn von einer Brücke gesprungen ist?
Was würde er mit seinem Tod den Menschen, die ihn liebten, hinterlassen?
„Ich bin ein Narr meines eigenen Lebens. Ich schaffe es nicht einmal mich selbst umzubringen“ murmelte er leise.
Und plötzlich musste Louis über seine Aussage lachen, sodass er, wie ein ganz normaler Junge schien, dessen Leben voller Freude war, wie die Sonne am wolkenlosen Himmel.