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Sieben Wochen

Beitritt
12.11.2008
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Sieben Wochen

Seit sieben Wochen hing Edmund nun schon in diesem elenden Kaff fest. Sieben Wochen voller Schmerz, sieben Wochen voller Angst und bohrender Ungewissheit. Seit Mund war trocken, der Schädel brummte wie eine frisierte Harley auf dem Highway to Hell. Nur langsam schaffte Edmund es, die verklebten Augenlider zu öffnen, um einen Blick auf seinen Timex Quartz zu werfen - diese Uhr war das einzige, was ihn davon abhielt, komplett abzuschnallen und einfach loszulassen.

Die Uhr. Ein Wunder, das dieses Zeugnis eines besseren Lebens ihm noch geblieben war (eines weit entfernten Lebens, meldete sich die Stimme im Ohr zu Wort) - aber er versteckte sie ja Abend für Abend wieder dort, wo SIE nie nachschauen würde. Die Uhr. Ute, die geckenhafte Gespielin des Alten, hatte sie im nach seinem erfolgreichen Vertragsabschluß mit der Hille AG geschenkt. Ihre säuselnde Stimme klingt ihm noch im Ohr: "Edmund, als Zeichen unserer Anerkennung möchten wir Ihnen diese Uhr überreichen. Sie wissen ja: Zeit ist Geld." - joviales Gelächter des Seniorchefs, danach dann Schnappes für die ganze Belegschaft und dann mit dem oberen Management über den Kiez und ab in den Puff, "mal richtig abmelken". Diese elende Bande.

Doch die Uhr konnte nichts dafür, sie tickte unnachgiebig vor sich hin. Tick, tick, tick - ein beruhigender Ton. Es verlieh seinem unwirtlichen Quartier etwas Majestätisches, etwas Ewiges. Wegen dieses Chronographen wollte Edmund sogar mal einen Taucherurlaub auf den Fidschis buchen. Nur weil das Teil mit einem Taucherring, oder wie das verdammte Ding heißt, ausgestattet ist. Als ob das was geändert hätte.

Er brauchte etwa 2 Minuten, bis er seine trüben Augen auf das Ziffernblatt fixieren konnte. Es war viertel nach - also Zeit, sich etwas zu ordnen. Heute stand viel auf dem Programm...


Er musste zum Bäcker, 8 Schrippen und ein Mischbrot (und Kakao im Tetrapak, nicht zu kalt). Die Kleinen müssen heute zum Glück erst zur zweiten Stunde hin, aber mit Laura muss er noch zu Frau Dr. Bathmann - Hannes hatte ihr gestern Kiesel in die Ohren gesteckt und Frau Dr. war gestern nicht mehr zu erreichen. Um 11 dann Kaffeeklatsch mit den Damen von der Gemeinde. Die Danksagung an die Gürtlers muss auch noch gedichtet werden - sie hatten Alfons doch so schön betreut, als es IHR nicht gut ging. Um 12:30 dann schnell die Miracoli aufsetzen und nach dem Essen die Mädels zum Reitclub fahren (vorher Reifendruck beim Wagen prüfen, hinten links schwimmt es etwas). Klo putzen wäre eigentlich auch angebracht, aber dann wird's eng mit dem Zeitplan für das Aufarbeiten der verfluchten Makramee-Eulen.

Edmund wickelte sich aus seiner Toga und riss die Lilalaunebär Vorhänge auf - auf Nachbars Hundezwinger blitzte noch der Morgentau und aus Ronnys aufgemotzten Wartburg quoll schallend das Thälmannlied. Was für ein Leben als Hausmann in der sächsischen Provinz.

 

Hi Willy!

Ich fand's überraschend ... cool. Gerade wegen des Anfangs. Ich muss zugeben, da so eine cool angepisste Hollywood-Highway-Staub-Motel-verdammtes-Dreckskaff-Diesel-Stimmung rausgelesen zu haben. Aus dieser Stimmung driftet der Kerl gerade heraus, öffnet die verklebten Augenlider, und mit jedem Satz und Atemzug wird's bodenverhafteter - bis hin zu Schrippen, Mischbrot und Makramee-Eulen.

Rueganerin würde den Anfang ändern - ich das Ende. :D
Toga, Morgentau ... das wirkt auf mich auf einmal so bildhaft abghoben. Gerade ist er aus allen Harley-Wolken gefallen und mit seinem Mischbrot auf den Asphalt der Realität geknallt ... das fand ich hart genug. Der letzte Absatz hebt wieder so ein bisschen vom Boden ab. Das hätte das Ende nach meiner Lesart nicht gebraucht.

Jau, harmlose, aber coole Nummer, fand ich.

Bis denne,
Fisch

 

Eine überraschende Momentaufnahme, rotzig-lakonisch geschrieben, gefällt mir ganz gut. Nur: Wieso erst seit 7Wochen; hat er nicht eine Familie in der Provinz? Das ist mir nicht ganz klar. Ist er rausgeflogen aus dem Job, hat er selbst in den Sack gehauen, oder wie, oder was?
Hier kurze Verbessrungen:
Augenlider
flötenhafte Stimme hört sich nicht gut an, zumal vorher geckenhaft steht.
Gerne gelesen.
LG,
Jutta

 

Guten Abend,

vielen Dank für die Kritik. rueganerin hätte gerne einen anderen Anfang, der Fisch ein anders Ende. Das hebt sich dann gegenseitig auf, denke ich mal. Ich lass das erstmal so (nein, ich bin nicht beratungsresisten, aber die Geschichte ist mir so ans Herz gewachsen, da kann ich nicht einfach dran rumfummeln)

@Jutta & rueganerin: warum es genau sieben Wochen sind - keine Ahnung. Das hat sich so ergeben. So genau kenne ich den Edmund ja nun auch wieder nicht. Meistens sind die Menschen ja Spielbälle in einem diffusen Bällebad... Edmund sicherlich auch... glaub ich. Keine Ahnung.

Ich mach dann mal weiter!

 

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