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Sieben Wochen
Seit sieben Wochen hing Edmund nun schon in diesem elenden Kaff fest. Sieben Wochen voller Schmerz, sieben Wochen voller Angst und bohrender Ungewissheit. Seit Mund war trocken, der Schädel brummte wie eine frisierte Harley auf dem Highway to Hell. Nur langsam schaffte Edmund es, die verklebten Augenlider zu öffnen, um einen Blick auf seinen Timex Quartz zu werfen - diese Uhr war das einzige, was ihn davon abhielt, komplett abzuschnallen und einfach loszulassen.
Die Uhr. Ein Wunder, das dieses Zeugnis eines besseren Lebens ihm noch geblieben war (eines weit entfernten Lebens, meldete sich die Stimme im Ohr zu Wort) - aber er versteckte sie ja Abend für Abend wieder dort, wo SIE nie nachschauen würde. Die Uhr. Ute, die geckenhafte Gespielin des Alten, hatte sie im nach seinem erfolgreichen Vertragsabschluß mit der Hille AG geschenkt. Ihre säuselnde Stimme klingt ihm noch im Ohr: "Edmund, als Zeichen unserer Anerkennung möchten wir Ihnen diese Uhr überreichen. Sie wissen ja: Zeit ist Geld." - joviales Gelächter des Seniorchefs, danach dann Schnappes für die ganze Belegschaft und dann mit dem oberen Management über den Kiez und ab in den Puff, "mal richtig abmelken". Diese elende Bande.
Doch die Uhr konnte nichts dafür, sie tickte unnachgiebig vor sich hin. Tick, tick, tick - ein beruhigender Ton. Es verlieh seinem unwirtlichen Quartier etwas Majestätisches, etwas Ewiges. Wegen dieses Chronographen wollte Edmund sogar mal einen Taucherurlaub auf den Fidschis buchen. Nur weil das Teil mit einem Taucherring, oder wie das verdammte Ding heißt, ausgestattet ist. Als ob das was geändert hätte.
Er brauchte etwa 2 Minuten, bis er seine trüben Augen auf das Ziffernblatt fixieren konnte. Es war viertel nach - also Zeit, sich etwas zu ordnen. Heute stand viel auf dem Programm...
Er musste zum Bäcker, 8 Schrippen und ein Mischbrot (und Kakao im Tetrapak, nicht zu kalt). Die Kleinen müssen heute zum Glück erst zur zweiten Stunde hin, aber mit Laura muss er noch zu Frau Dr. Bathmann - Hannes hatte ihr gestern Kiesel in die Ohren gesteckt und Frau Dr. war gestern nicht mehr zu erreichen. Um 11 dann Kaffeeklatsch mit den Damen von der Gemeinde. Die Danksagung an die Gürtlers muss auch noch gedichtet werden - sie hatten Alfons doch so schön betreut, als es IHR nicht gut ging. Um 12:30 dann schnell die Miracoli aufsetzen und nach dem Essen die Mädels zum Reitclub fahren (vorher Reifendruck beim Wagen prüfen, hinten links schwimmt es etwas). Klo putzen wäre eigentlich auch angebracht, aber dann wird's eng mit dem Zeitplan für das Aufarbeiten der verfluchten Makramee-Eulen.
Edmund wickelte sich aus seiner Toga und riss die Lilalaunebär Vorhänge auf - auf Nachbars Hundezwinger blitzte noch der Morgentau und aus Ronnys aufgemotzten Wartburg quoll schallend das Thälmannlied. Was für ein Leben als Hausmann in der sächsischen Provinz.