Sieger
„Mein Sohn, im Leben musst Du ein Sieger sein“ höre ich noch heute meinen Vater sagen.
Warum eigentlich?, denke ich bei mir. Was ist so toll daran, ein Sieger zu sein?
Nun, Sieger sollen sexy sein, habe ich mal gehört. Frauen stehen auf Siegertypen. Die Gesellschaft liebt Sieger. Sieger sind glückliche Menschen.
Wie auf Knopfdruck beginnen Bilder aus der Werbung in meinem Kopf zu kreisen, Bilder von erfolgreichen Menschen, die mit strahlendem Lächeln Produkte oder Dienstleistungen anbieten, Bilder von Sportlern, die voller Glück, das Zielband durchlaufen, glückliche Fußballstars, die Pokale in die Luft heben, immer wieder durch das leuchtende Wort „Sieger“ unterbrochen.
Ich versuche die Bilder aus meinem Kopf zu verdrängen.
Was ist das überhaupt – ein Sieger?, brummel ich vor mir hin. Wer zum Teufel darf sich denn Sieger nennen? – Ein Sieger – das ist doch jemand, der ein Spiel oder einen Wettkampf gewinnt? –Derjenige, der als erster oder gar einziger das Ziel eines Spiels oder eines Wettkampfes erreicht?
Für ihren Sieg ernten Sieger Ruhm und Ehre. Ruhm und Ehre sind es auch, die einen Sieger so sexy wirken lassen. Ja, ich bin mir sicher. Ruhm und Ehre machen sexy. Körperliche Attraktivität ist unwichtig. Solange man als Sieger gilt, erntet man Ruhm und Ehre und jeder der sich mit solchen Siegern abgibt hofft darauf, einen Teil davon für sich zu ernten.
Aber wie kann ich denn im Leben ein Sieger werden. Ist das Leben etwa ein Spiel oder ein Wettkampf? Wenn das so ist, was ist das Ziel dieses Spiels? – Was gilt es dabei zu erreichen?
Blödes Spiel!, denke ich. Ich nehme noch einen tiefen Schluck aus meiner Lambrusco-Flasche, ziehe den Reißverschluß meines Schlafsacks zu und falle in einen tiefen Schlaf.