Skaarj
Der Kommandant stand vor der nach innen verspiegelten Panzerglasscheibe. Mit leerem Blick sah er in die Augen des Skaarjs, die immer rötlich zu glühen schienen. Viele hielten dem Blick des Skaarjs nicht stand, zu aggressiv, zu kampfeslustig war er. Zudem schien er viele an ihre eigene animalische Vergangenheit zu erinnern, die die meisten gerne verdrängten.
Doch der Kommandant sah in die glühenden Augen ohne Furcht, ohne Schaudern, ja sogar ohne jegliche Gefühlsregung. Die regen, interessierten, ja faszinierten Augen des intelligenten Wissenschaftlers, mit denen er früher den Blick des Skaarjs erwidert hatte, waren für immer gestorben. Sie waren dem leeren, empfindungslosen Blick gewichen, mit dem er jetzt in die funkelnden Glutnester sah. Diese neuen Augen kamen aus seiner Seele, sie spiegelten exakt seinen aktuellen Gemütszustand wider. Er verdeckte nichts, er täuschte nichts vor. In seinem Herzen herrschte Leere. Er fühlte nichts mehr. Er fühlte nichts mehr, weil er – mehr unbewußt als bewußt – sich jedes Gefühl verboten hatte. Er konnte keine Gefühle mehr ausdrücken, keine Gefühle mehr zulassen, weil er mit sich nicht im Reinen war. Wie ein hässlicher Schlammpfropfen steckte es zwischen ihm und seiner Seele. Die Sache, mit der er nicht fertig wurde, die Sache, mit die er nicht verarbeiten konnte, die Sache, die ihn dazu trieb, den Drehschalter zu betätigen.
Die leeren Augen sahen, wie der Skaarj sich aufbäumte, wie er zu Boden geschleudert wurde, wie sich seine kräftigen Muskeln bis zum Maximum anspannten.
Auf seinem Weg, sein Trauma zu verarbeiten, drehte der Kommandant den Schalter ein Stück weiter.
Als seine Augen registrierten, wie der Skaarj den Mund zu einem lautlosen Schrei aufriss, als sein leerer Blick in einer ruckartigen Bewegung von Kopf und Schulterbereich des eingesperrten Wesens zufällig die Augen des Skaarj traf, aus denen nun das Rot hinauszuschießen schien wie glühende Lava aus einem Vulkan, löste sich ein kleiner Teil der seelischen Verstopfung des Kommandanten: die drängende Bilder begannen in seinen Geist zu sickern.
Während seine Augen auf den sich windenden Skaarj blickten, sah er vor seinem geistigen Auge die Geschehnisse, die sich zwei Tage zuvor abgespielt hatten. Es war in seinem Haus. Die Räume schienen erfüllt zu sein von Liebe, von Lachen und von Zärtlichkeit. Er war leicht besorgt in Richtung Haustüre gegangen, um nach der Ursache des Krachens zu sehen, welches er soeben gehört hatte. Ohne dass er gemerkt hatte, war seine Frau ihm mit einigen Metern Abstand gefolgt. Er stand wie geschockt, als er die große, vor Muskeln und Sehnen strotzende Statur des Skaarjs in den Trümmern der Türe stehen sah. Viele Wochen lang hatte er dieses Wesen studiert, nie hatte er Angst vor ihm gehabt. Jetzt war es so, wie wenn ein Zoowärter zum ersten Mal einem Tiger in freier Wildbahn begegnet. Für einen kurzen Augenblick gelähmt sah er in die rotglühenden Augen des Skaarj. Sie schienen stärker, ausdrucksvoller zu blicken als in der Zelle. Weniger verwirrt, viel selbstsicherer. Er fing sich. Das Wichtigste war, ruhig zu bleiben. Seine Frau hatte schon den halben Weg zum Telefon zurückgelegt, bevor er „nein!“ rief. Als er seinen Kopf wieder in Richtung Tür drehte, war der Skaarj schon bei ihm, er spürte einen Schlag in seinen oberen Bauch, der ihn an die Wand schleuderte und zu Boden sinken ließ. Als ob er unter Drogen wäre, hörte er sie schreien. Mit verschwommenen Blick sah er das Blut spritzen.
Erst jetzt wollte eine Gefühlsregung in seinen Geist sickern, ja wollte sogar mit Macht von ihm Besitz ergreifen. Doch er brach nicht heulend und klagend und unter Tränen zusammen, sondern drängte das Gefühl zurück, indem er den Hebel noch eine Stufe weiter drehte.
Sanft, unendliche Güte ausdrückend schob eine Hand die des Kommandanten vom Schalter weg und drehte ihn auf null zurück. Der auf die Schulter gelegten Hand folgte eine Umarmung, in der das Oberteil des Freundes mit den verzweifelten Tränen des Kommandanten getränkt wurde.
Zehn Jahre später.
Es mag kitschig und billig klingen, doch ich kann erst jetzt, nach einem Jahr, die Geschichte niederschreiben, die mein Leben eigentlich prägte.
Es war vor einem Jahr. Es war während der Rebellenkriege.
Wir hatten wochenlang verbittert gekämpft, doch es schien, als wäre die Niederlage unvermeidlich. Block um Block, Stadtteil um Stadtteil nahmen die Rebellen ein. Langsam, aber ebenso unerbittlich rückten sie vor. Und wir konnten sie nicht mehr aufhalten. Uns mangelte es an allem. An einem Abend rief mich der Befehlshaber zu sich. Er legte die letzte, halbwegs realistische Chance dar, diesen Krieg noch zu gewinnen. Die Rebellen hatten einen Befehlsstand, etwa einhundert Kilometer außerhalb der Stadt. Dort waren alle ihre wichtigen Kommandeure. Wenn man dorthin gelangen und alle Kommandeure ausschalten könnte, würden ihre Truppen einige Zeit lang desorientiert und verwirrt sein und uns Möglichkeiten geben, sie mit gezielten Überfällen zurückzutreiben. Im Laufe seiner Schilderungen merkte ich jedoch, dass diese Aktion nicht durchführbar sein würde; wäre sie es, hätte man es schon viel früher getan. Zu weit war die Entfernung, zu schwer der Wächterring, der den Befehlsstand umgab. Nur einem kleinen Trupp konnte es gelingen, unbemerkt den äußeren Ring zu durchdringen. Doch dieser Trupp wäre dann zu schwach, um den engen inneren Ring zu durchbrechen. Es gab nur ein Wesen auf diesem Planeten, dessen Kampfkraft groß genug sein könnte, die Mission zu realisieren. Es war der Skaarj, der seit neun Jahren in einem Hochsicherheitsgefängnis saß. Dieses Wesen hatte mich schon immer fasziniert, ich hatte allerdings nur schlechte Bilder und kurze Videos von ihm gesehen. Seit er die Frau des damaligen Kommandanten brutal ermordet hatte, galt er als völlig unkontrollierbar und wurde nur noch für Experimente am Leben gehalten. Doch die Verzweiflung öffnete mir die Türen – bis zum Kerker des Skaarj.
Ich war sehr angespannt und aufgeregt, als die schwere Türe sich öffnete. Links und rechts neben mir standen Soldaten mit schußbereiten Waffen, sie gaben mir Sicherheit. Außerdem war der Skaarj an ein Körperübewachungssystem angeschlossen, dass es ermöglichte, ihn innerhalb von Sekundenbruchteilen zu töten. Er lag auf dem kalten Stahlboden seiner Zelle, den Kopf zum Boden gedreht. Sein mächtiger Körper sah auf den ersten Blick schlaff und apathisch aus, doch dem aufmerksamen Beobachter konnte eine hintergründige Anspannung nicht entgehen, die sich durch jede einzelne Muskelfaser zog. Er erinnerte mich an ein Krokodil, dass bewegungslos und im Schlamm liegt. Und wartet.
Nach einigen Sekunden hob er langsam den Kopf. Sofort fassten die Wachen ihre Waffen fester. Ich kämpfte gegen den Bann an, der nach mir griff, als ich seine Augen ansah, die langsam meinen Körper emporglitten. Ich war damit erfolgreich, als wir uns zum ersten Mal in die Augen sahen. Wie eine Wucht ergriff es mich. Anfangs schien es, als würde ich zurückgeworfen und gegen die Wand gedrückt werden, doch ich fühlte nach wenigen Sekunden denselben Boden unter mir wieder. Doch dann schien es, als ob mein Geist angesogen würde, als ob das Ich in mir in dem fast unwiderstehlichen scheinenden Sog der rotglühenden Augen verschwinden wollte. Nach einiger Zeit gelang es mir, mich davon zu lösen. Ich atmete einmal durch und wurde ruhiger. Es war Zeit, das zu tun, wozu ich gekommen war.
„Ich weiß, dass du unsere Sprache gelernt hast. Ich weiß auch, dass du von dem Kampf weißt, den wir momentan kämpfen. Vielleicht kannst du es dir denken, es steht nicht so rosig um uns wie es den Nachrichtensendern nach scheint. Wie stehen kurz vor der Niederlage.“
Obwohl ich genau spürte, dass er wußte, was ich von ihm wollte, sprach ich weiter.
Als er seinen Mund öffnete, wich etwas von dem Mysterium, das er ausstrahlte.
„Ja, ich werde dir helfen, deine Feinde zu besiegen. In den letzten Jahren habe ich begriffen, dass ich mich zu sehr der Flamme hingegeben habe. Ja, sie drohte mich zu verschlingen. In meiner Impulsivität und meiner unkontrollierten, kämpferischen Natur habe ich ein unschuldiges Wesen getötet. Das weiß ich jetzt. Ich bin euch etwas schuldig. Ich werde euch helfen.“
Er sprach langsam, deutlich und eindringlich. Ich kann mich an jedes einzelne Wort erinnern. Ich wollte es mir nicht uneingeschränkt eingestehen, doch ein Teil von mir sehnte sich danach, zu sein, was er bereits war.
Die Ärzte sagten, dass er in den letzten Monaten deutlich ruhiger und fügsamer geworden wäre. Sie meinten, das läge wahrscheinlich an der neuen Droge, die sie ihm gaben. Er konnte sich nun artikulieren. Er schien geistig gereift zu sein. Er schien keine Rachegefühle zu hegen, er schien seine Qualen als Strafe für seinen Mord anzusehen. Ich war geneigt, ihm zu glauben. Außerdem war er unsere letzte Hoffnung, den Krieg zu wenden.
Seine Ausrüstung, mit der er zu uns gekommen war, existierte noch. Die Techniker verstanden sie immer noch nicht ganz, doch sie konnten zumindest eine Sicherheitsschaltung einbauen, die mir erlaubte, seine Schilde und Fernwaffen zu deaktivieren. Ich beruhigte mich, andere beruhigten mich: ohne Schilde tat ihm ein Treffer genauso weh wie uns.
Bald zogen wir los. Es gab genügend Schlupflöcher, durch die wir aus der belagerten Stadt hinausschlüpfen konnten; der Feind versuchte auch gar nicht, diese abzudichten, was brächte es uns denn auch, in das Land vor der Stadt zu kommen, das nur aus dichten Wäldern und verbrannten Siedlungen bestand.
Mit dem Skaarj waren wir zehn.
Auch dank der guten Instinkte des Skaarj, der unseren Plan offensichtlich verinnerlicht hatte, gelang es uns, den Patrouillen im äußeren Verteidigungsring aus dem Wege zu gehen. Und obwohl der Skaarj wenig sprach, begannen wir, ihm zu vertrauen.
Wir rasteten eine Nacht lang vor dem inneren Verteidigungsring. Der Skaarj legte sich nicht zur Ruhe, mal saß er, mal stand er, mal schlich er umher. Es war die Anspannung vor der Schlacht, sagte er. In dieser Nacht erreichte mein Vertrauen in den Skaarj seinen Höchststand.
Am nächsten Morgen schlichen wir uns an einen Verteidigungsposten heran. Wir hatten uns Pläne ausgedacht, wie wir ihn am Besten angreifen sollten, doch der Skaarj wollte es alleine machen. Wie ein befreiter Tiger rannte er völlig ohne Deckung auf den Außenposten zu, wich den meisten Geschossen aus und ließ den feindlichen Soldaten keine Chance. Die Geschosse, die ihn trafen, reichten nicht aus, um seine Schilde zu durchdringen. Es überkam mich ein Schauer, als mir die Kampfkraft des Skaarj bewußt wurde. Er war schnell, technisch überlegen, Taktik und Instinkt bildeten eine perfekte Einheit und er war – gnadenlos. Viel schneller als wir dachten und ohne Verluste rückten wir zum Befehlsstand vor. Das Gebäude war gespickt mit automatischen Kanonen und Fallen. Der Skaarj wollte alleine reingehen. Doch einer meiner Kameraden, der, der ihm am wenigsten vertraute, wollte mit. Ihm war die Mission zu wichtig, um sie völlig dem Skaarj zu überlassen. Die beiden gingen rein, wir deckten den Ausgang und verfolgten das Geschehen über den Taktikbildschirm. Alles lief gut, die feindlichen Befehlshaber starben einer nach dem anderen. Wenn mich ein Anflug von Mitleid überkam, dachte ich an das unendliche Leid, welches sie über unsere große Stadt gebracht hatten.
Auf dem Rückweg jedoch fielen die Kamera und der Positionssensor plötzlich aus. Wir waren beunruhigt, einigten uns schließlich auf einen technischen Defekt. Die Belastungen auf die technischen Geräte waren hoch im Kampf.
Dann wurde es Zeit, dass der Skaarj und der Kamerad zurückkehrten. Auch meldeten Aufklärungsdrohnen heranrückende feindliche Truppen, die fieberhaft nach den Soldaten suchten, die den Befehlsstand angegriffen hatten. Sie wußten noch nichts davon, wie erfolgreich unsere Mission war.
Wir rechneten damit, dass sie – wie ausgemacht – am Nebentor auftauchteten, doch stattdessen sahen wir die mächtige Statur des Skaarj plötzlich auf der Mauer oberhalb des Tores stehen. Und mit der rechten Hand hatte er den Kopf meines Kameraden gepackt, dessen Körper schlaff am Boden hing. So hält man keinen verwundeten Kameraden! Ich reagierte sofort, dutzende Male hatte ich den simplen Druck auf den Knopf in meiner Brustrüstung geübt, jetzt tat ich es blitzschnell und ohne zu zögern. Das leichte Flimmern um den Skaarj, das von erhitzter Luft herrührte, erlosch. Ohne zu zögern richtete ich die Waffe auf ihn: „Lass ihn los!“
Der Skaarj stand da mit federnden Knien in seinem schwarzen Kampfanzug. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob es Einbildung ist, doch ich denke, ich sah ihn leicht grinsen. Ich hörte ihn lachen, in meinem Kopf. Ich fühlte eine Emotion, die nicht von mir kam. Doch ich war mittlerweile an seine Art der psychischen Bedrängung gewöhnt und schoß sofort, als er den Kopf die Mauer hinunter vor uns warf. Ich hätte früher nie gedacht, dass das möglich ist, aber eigentlich ist es die einzige Möglichkeit, Geschossen, die sich annähernd in Nullzeit bewegen, auf kurze Distanz auszuweichen: der Skaarj schien geahnt zu haben, in welcher Zehntelsekunde ich abdrücken würde und war ausgewichen, bevor die Kugel meinen Lauf verließ. Während ich mich kurz sammelte und das Geschehene verarbeitete, hob er die linke Hand.
„Ihr Narren! Ihr habt tatsächlich geglaubt, ich wäre auf eurer Seite! Könnt ihr nicht sehen, was ich bin? Seid ihr so blind? Du“, er zeigte auf mich, „hast recht. Ich habe mich während der Jahre im Kerker verändert. Früher versuchte ich, mich von der Flamme zu lösen, sie zu kontrollieren, sie zu beherrschen. Doch dann erkannte ich, dass ich selbst die Flamme bin! Ich“, er benutzte für jedes Wort einen eigenen Atemzug, „wurde dafür geschaffen“ und wies mit einer vagen Bewegung der linken Hand auf uns und auf das gesamte Schlachtfeld.
Meine Männer knieten hinter mir, zwei sicherten nach hinten.
„Feuer!“
Wieder in meinem Kopf. Sein Gesicht, er stieß ein kampflüsternes Knurren aus. Die Augen schienen uns zu mustern wie der Bauer seine schlachtreifen Gänse. Es schien, als wären sie nicht mehr begrenzbar, nicht mehr präzise zu definieren. Es schien, als ob sein Gesicht nur noch aus zwei funkelnden, roten Glutstücken bestand.
Er berührte die Mauer unter seinen Füßen, doch er schien nicht darauf zu laufen. Er musterte uns permanent, registrierte jede unserer Bewegungen, während er den Kugeln ausweichend im Unterholz verschwand.
Wir machten uns auf den Heimweg. Auf der Flucht vor feindlichen Patrouillen, nicht wissend, wann und ob der Skaarj uns angreifen würde. Doch ich hatte daran eigentlich keine Zweifel. Jetzt weiß ich, dass ich verblendet gewesen war. Ein Teil von mir hatte ihn bewundert, er war unsere letzte Hoffnung. Er war nicht mehr ganz das Raubtier, das damals die Frau des Kommandanten getötet hatte, er hatte sich jetzt auch mit seinem Geist ganz seiner kämpferischen Natur hingegeben. Man konnte ihn jetzt nicht mehr umstimmen, nicht mehr zähmen. Er war genau das, was er sein wollte. Ich redete meinen eingeschüchterten Männern ein, dass wir ihn mit einigen Schüssen töten konnten. Er hatte keine Schilde und keine Fernwaffen. Nur noch die Klingen, die wie eine Verlängerung seiner Pranken aus seinen Oberarmen hinausragten.
Wir kämpften für drei Tage. Immer auf der Flucht. Kaum Schlaf. Ständig mussten wir Feinden aus dem Weg gehen. Der Skaarj schien uns zu folgen. Unsichtbar für unsere Geräte und unsere Augen schlich er ständig in großen Kreisen um unsere kleine Truppe herum. Mal stießen wir auf Feindtrupps, aufgeschlitzt von seinen Klingen. Mal brach er urplötzlich aus den Büschen hervor und tötete einen Kameraden, der einige Meter zurückgeblieben war. Als wir uns umgedreht hatten, war sein Schrei schon verhallt, war sein Kopf schon abgetrennt. Mal sprang er mitten in unsere Gruppe, erschöpft von den Gewaltmärschen, stieß zwei, drei um, massakrierte einen und verschwand wieder. Es gab nur eine Hoffnung: rechtzeitig unsere Stadt zu erreichen, die Sicherheit unserer schwerbefestigten Lager.
Nach drei Tagen waren wir noch zu dritt: ich und zwei Kameraden. Er schien mich mit Absicht zu verschonen, ich sollte der letzte sein. Wir marschierten durch einen lichten Wald. Ich hatte verzweifelt nach einem Weg gesucht, den Skaarj rechtzeitig aufzuspüren, sodass uns noch genug Zeit bliebe, uns zu formieren. Bald erkannte ich, dass der einzige Weg, ihn zu schlagen, das war, das auch ihn stark machte: die Instinkte, das was den Kampf eigentich ausmacht. Ich sah den Skaarj rennen. Kraftvoll, geschmeidig und schnell bewegte er sich durch das leichte Gehölz, wich manchen Zweigen und Ästen aus, brach einfach durch, wenn es kein lautes Geräusch machte. Ich kam wieder zu mir. „Hinter uns!“
Ich drehte mich um, meine Kameraden drehten sich um. Ich sah seine linke Körperhälfte aus dem Gehölz brechen. Der Rest war verdeckt von dem Kamerad, der als letzter lief. Es war ein guter Soldat. Hart, an Entbehrungen gewöhnt und ein guter Kämpfer. Er hob die Waffe, der Skaarj war einige Meter vor ihm. Er schoß. Ich sah, wie sein Rücken von der Klinge durchbohrt wurde. Mein anderer Kamerad wollte schießen, doch zögerte, um seinen schreienden Kameraden nicht zu treffen. Seine Waffe entglitt ihm halb, als der Körper auf ihn flog. Quasi im Vorbeilaufen versetzte ihm der Skaarj einen Schlag mit der rechten äußeren Hand, der ihn gegen hart gegen einen Baumstamm schleuderte und zu Boden sinken ließ. Ich hatte freies Schußfeld. Ich schoß. Er lief aus seiner Sicht schräg nach links, ich konnte ihn kaum klar sehen, er war einfach zu schnell. Ich versuchte, die Waffe im Dauerfeuer nach rechts zu reißen, da wurde sie mir schon aus der Hand geschlagen und ich spürte den kalten Waldboden unter meinem Kopf.
„Du verstehst jetzt, was ich bin. Ich habe für euch gekämpft, ja. Eigentlich jedoch habe ich allein für mich gekämpft. Euer Krieg ist lächerlich und sinnlos. Ihr beschimpft eure Feinde als herzlos und grausam? Sie sagen von euch genau das gleiche. Ihr denkt, ihr kämpft für die gute Sache? Eure Feinde tun das auch.“, seine Stimme war bei den folgenden Worten angefüllt mit dunklem Zorn und seiner ganzen Macht, ich wußte, dass er jetzt die Essenz seines Wesens preisgeben würde, ich wußte, dass das letzte war, das ich von ihm hören sollte, er würde mich danach töten.
„Die langen Jahre in eurem Kerker waren eine Demütigung. Ich war zu schwach, um auszubrechen! Ich konnte meine ganze Kraft entfesseln, ich war einfach nicht stark genug. Lange Tage und Nächte lag ich dort in Schmach und Elend. Die Schmerzen, die ihr mir zugefügt habt, waren die Strafe für meine Schwäche. Ich konnte nichts tun, außer dazuliegen und zu warten. Bis du kamst. Und du Narr dachtest, ich würde für euch kämpfen!“
Ich bemerkte es, er bemerkte es: Mein an den Baum geschleuderter Kamerad hatte sich etwas aufgerichet und unter schweren Atemzügen die Waffe gehoben. Der Skaarj reagierte sofort. Ich erkannte in den ersten Bewegungen, dass er sich nicht besonders anstrengte, dass er die Situation kontrollierte. Als ich das erkannt hatte, sah ich die Situation zum ersten Mal mit den Augen des Skaarj. Er hatte nicht vorausgesehen, dass mein Kamerad noch die Kraft aufbrachte, ihn anzugreifen. Doch er hatte sich blitzschnell darauf eingestellt und einen Plan gemacht; nicht bewußt, nicht wie ein General eine Strategie plant, sondern rein gefühlsmäßig, rein instinktiv. Meine Waffe, die neben mir lag, war die Falle, sie war die Versicherung, dass ich nicht wegrennen würde. Als der Skaarj einen Schritt von mir entfernt war, erkannte ich meine einzige Chance: Ich rappelte mich auf, beachtete die Waffe mit keinem Blick und rannte. Ich hörte hinter mir, wie seine Klinge durch Fleisch glitt. In meinem Kopf war der Schrei, in meinem Kopf sah ich das Blut des Soldaten. Nach einigen Metern brach ich durch einen Busch auf eine sonnige Wiese. Nach einigen wenigen Sekunden erkannte ich unten, einige hundert Meter entfernt, im schulterhohen Gewächs jemanden.
Der Sergeant war ein guter Soldat. Er war Führer einer zwölfköpfigen Truppe, die aus erlesenen Scharfschützen und Sturmsoldaten bestand. Er hatte vor einigen Tagen den Auftrag bekommen, die Feindtruppe zu suchen und zu vernichten, die das Hauptquartier angegriffen hatte. Obwohl es hieß, dass die Schäden zwar noch nicht registriert seien, die Generäle jedoch wohlauf sein müssten, machte er sich sorgen.
Als oben, am Waldrand, ein Feind aus dem Gehölz brach, wußte er gleich, dass diese keine normale Situation war. Er hob die Hand, seine Mitkämpfer verschwanden im hohen Gras. Es war eine absolut eingespielte Truppe, die sich im Kampf wie ein Wesen verhielt. Er war stolz auf seine Truppe. Er wußte selbst nicht genau, warum er aufstand, eigentlich war es leichtsinnig. Er hatte ein sehr gutes Körpergefühl. Er konnte sich geschmeidig und lautlos bewegen, er besaß einen wachen, schnellen Verstand, er wußte von allen Eigenschaften und Eigenarten seiner Waffe, sodass er mit absoluter Sicherheit schießen konnte, er war nicht umsonst einer der besten Scharfschützen der Rebellen.
Der Sergeant erkannte, dass der Feind keine Bedrohung darstellte, er sah, dass der Soldat selbst auf der Flucht war, er war sich sicher, dass das keine Falle war. Als er die große, schwarze Gestalt aus dem Wald rennen sah, erkannte er sofort, dass sie die Bedrohung war. Mit federnden Schritten, die eigentlich zu leicht und zu geschmeidig für das Gewicht des mächtigen Körpers waren, holte sie Meter um Meter auf. Für einen Moment sah der Veteran nicht durch sein Zielfernrohr, um sich einen Überblick zu verschaffen, dann – er hatte eine Entscheidung getroffen – blickte er wieder durch, zielte kurz und drückte ab, als sein Gefühl ihm sagte, dass der richtige Zeitpunkt dafür gekommen sei. Er war so auf seinen Schuß konzentriert, dass er sich erst hinterher über das Bild, das er sah, wunderte; der Schwarze schien in direkt anzusehen mit seinen glühenden Augen, obwohl er kein Fernrohr besaß.
Ich zögerte keinen Augenblick, als ich die Feinde unten auf der Wiese sah. Ich wußte jetzt, wie das Spiel lief. Ich rannte auch weiter, als ich die Kugel Zentimeter an meinem Hals vorbeifliegen spürte. Vielleicht hatte der Soldat unten verfehlt, vielleicht hatte er auf den Skaarj hinter mir schießen wollen. Obwohl mein Gefühl mir sagte, dass er mich nicht mehr verfolgte, rannte ich weiter. Bis ich völlig erschöpft und keuchend auf die Knie sank. Mit letzter Kraft hob ich die Hände zitternd vor Erschöpfung in die Höhe. Der Skaarj hatte abgedreht und war wieder im Wald verschwunden, meinten die Rebellen.
Nach Beendigung des Krieges wurde ich aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und sitze nun hier, um die Geschichte niederzuschreiben.
Mit Leichtigkeit und nicht ohne ein gewisses Lustgefühl schleuderte er den Jüngling zu Boden.
„Komm schon, du Schwächling! Du willst ein Skaarj sein? Komm, du kleine Made, greif mich an, töte mich!“
Der Jüngling schnellte vom Boden empor, wütend schlug er nach dem Meister. Ohne große Anstrengung wich dieser aus, versetzte dem Knaben Schläge rechts und links, um ihn wieder brutal zu Boden zu schleudern.
Zufrieden sah er, wie sich jede Faser im durchtrainierten Körper des Jungen anspannte, wie er sich am Boden vor Schmerz, Demütigung und verbrennendem Zorn wand, mit der stillen Genugtuung eines Erziehers, der seinen Zögling Fortschritte machen sieht, blickte er in die rotglühenden Augen, deren Feuer den Knaben selbst zu verschlingen drohte. Er wußte, dass die Muskeln des Jungen brannten, er wußte, dass er völlig erschöpft war, aber er wußte auch, dass dieser schwache Knabe eher sterben würde, als aufzugeben. Er war mit seinem Training zufrieden. Ein guter Kämpfer würde aus diesem Knaben werden.