Hallo feirefiz!
grundsaetzlich habe ich ja keine hoehere Interpretationsautoritaet als meine Leser
Ich finde nicht, daß ich als Leser/Kritiker hier auf kg.de eine Interpretations
autorität habe, vielmehr finde ich die Intention des Autors sogar sehr wichtig. Wir sind ja hier, um zu lernen und unsere Geschichten zu verbessern, und dazu gehört meiner Meinung nach auch, daß man seine Intention vielleicht besser anbringt oder wie man eine Sicht oder Aussage, die man nicht erzeugen wollte, ausschließt.
Bei reinen Unterhaltungstexten wird es einem egal sein, wo der Leser lacht oder sich gruselt, solange er sich gut unterhalten fühlt, aber wenn man etwas aussagen oder zeigen will, will man doch, daß das Geschriebene auch so ankommt, oder?
Wenn ich also Stellen zitiere, die mich auf meine Interpretation bringen, dann nicht, um meine Interpretation autoritär zu belegen, sondern damit Du die Falten eventuell ausbügeln kannst, wenn sie Dich stören.
alle die da Unterschiede machen gendern ihre Kinder und das ist pfui
haettest Du die Frage auch gestellt, wenn da “Vater” statt “Mutter” gestanden haette.
Wahrscheinlich nicht, was aber nicht an meiner Einstellung zu dem Thema liegt, sondern an gesellschaftlichen Tatsachen: Du bist zwar lt. Deinem Profil noch recht jung, aber auch zur Zeit Deiner Kindheit war die Variante, daß die Mutter arbeitet und der Vater zuhause ist, noch recht unüblich, schließlich gab es noch wesentlich weniger gut verdienende Frauen. Entweder es arbeiteten beide oder nur der Vater, anders war es kaum für jemanden finanzierbar. Davon ausgehend, daß Unübliches in Geschichten normalerweise erwähnt wird, nahm ich also das "Normale" an, und daher der Schluß, wenn die Mutter abends von der Arbeit kommt, war das Kind (oder die Kinder) alleine.
Mir ging es darum, ganz unterschiedliche Familien zu zeigen. Marilyns Mutter ist immer Zuhause und kocht regelmaessige Mahlzeiten. Dort wird einem wahrscheinlich das Hemd in die Unterhose gestopft, damit man sich nicht die Nieren verkuehlt. Andererseits gibt es auch mehr Zwang. Man muss essen auch wenn man nicht hungrig ist, muss malen, obwohl man keine Lust hat und darf nicht alleine Schwebebahn fahren. Bei Ich macht man sich selbst Kaesebrote, wenn man Hunger hat und die Mutter geht arbeiten.
Ich finde nicht, dass eines der beiden Modelle mehr oder weniger liebevoll ist und das Kind bewertet es auch nicht.
Was Marilyn betrifft, kommt das bei mir auch so an, wie Du wolltest. Zwar hatte ich das Malen-Müssen auf die Hausaufgaben zurückgeführt, neben dem termingerechten Essen scheint es aber auch hier durch:
Marilyn kannte kaum Tierarten und war schlecht im Hüpfen auf Flusssteinen. Trotzdem behandelte sie mich wie ein Baby.
Daß sie Dich wie ein Baby behandelt hat, hat seinen Ursprung ja vermutlich darin, daß sie selbst wie ein Baby bevormundet wird. Dafür spricht auch, daß sie schlecht im Hüpfen auf den Steinen ist, denn ein Kind, das seine Umwelt nicht kennenlernen darf und ständig zurückgehalten wird, weil es noch zu klein ist, wird automatisch ungeschickter.
Allerdings hat das ja nichts mit einem »Familienmodell« zu tun, ein Kind ist nicht automatisch überbehütet, nur weil ein Elternteil zuhause ist. Ich glaube, Du vermischt Familienmodell und Erziehungsstil.
Ebenso haben Liebe oder Lieblosigkeit nicht viel mit der Form der Familie zu tun, außer, daß es mehr vom einen oder anderen gibt, wenn mehr Zeit dafür zur Verfügung steht.
Auch wenn es mir nicht darum ging, Lieblosigkeit darzustellen und das nicht den autobiografischen Hintergruenden entspricht, kann man diese Leerstelle aber auch so wie Haeferl interpretieren – das haengt womoeglich auch davon ab, wie man die oben erwaehnten Familienmodelle bewertet. Der Text selbst laesst diese Lesart sicher zu und ich sehe keinen Anlass ihn so umzuschreiben, dass er sie verbietet. Ich denke, dass ist ein Mass an Offenheit, das noch nicht an Beliebigkeit grenzt.
Wie gesagt, es hat nichts mit den Familienmodellen zu tun, sondern vielmehr mit so Dingen wie eigentlich allem, was mit dem Meerschweinchen zusammenhängt.
Bei der Schweinebenamsung schliesse ich mich allerdings Bernadette an. Wenn ich nun geschrieben haette: "Mein Vater nannte ihn Felix", koennte ich den lieblosen Eindruck nachvollziehen, aber einen Vorschlag, egal ob es nun einer oder mehrere sind, kann ich nicht als Zwang empfinden.
Nicht unbedingt als Zwang, aber auch nicht als das, was es sein könnte. Die gemeinsame Namenssuche kann nicht nur ein gemeinsames Erlebnis für die Eltern und Kinder sein, wenn man sich dafür mehr Zeit nimmt als nur für ein »Nennen wir ihn so?«–»Ja, gut«, sondern man zeigt dem Kind damit auch eine Achtung vor dem Tier als Lebewesen, dem man eben nicht irgendeinen Namen gibt, sondern sich gemeinsam Gedanken macht, was zu ihm paßt. Und wie die Eltern damit umgehen, läßt natürlich schon Rückschlüsse zu, wie sie mit den Kindern umgehen. Anders klingen würde es etwa, wenn Du schreibst: »Mein Vater und ich waren uns sofort einig, dass er Felix heißen muss.« Da kann man nicht viel hineininterpretieren. ;-)
Es wird ja auch gesagt, das Ich sehr wohl weiss, wie man ein Meerschwein anfassen soll und dass man es akzeptieren muss, wenn Tiere nicht spielen wollen. Das ein Kind ein Tier lieber mag, mit dem man spielen kann, finde ich aber normal. Ich haette tatsaechlich lieber eine Katze gehabt.
Ich hätte auch gern eine Katze gehabt und hatte immer nur Hamster oder Mäuse, die jeweils nach zwei bis drei Jahren gestorben sind.
Für mich kam es nicht klar im Text rüber, daß die Ich-Erzählerin gern eine Katze gehabt hätte. Den Satz, sie könne damit schon mal auf Katze üben, hatte ich eher dem Vater (als indirekte Rede) zugeordnet. Das ändert aber nichts daran, daß es auf mich einen lieblosen Eindruck macht, dann sieht er zwar nicht das Meerschweinchen als Ding bzw. Mittel zum Zweck, nimmt aber dafür keine Rücksicht auf die Wünsche des Kindes, das eben nur ein Ersatztier für das, was es eigentlich wollte, bekommt.
Daß das Puppenhaus selbstgemacht war, ist natürlich eine feine Sache, das kam leider bei mir vorher nicht als selbstgebastelt an. Natürlich ist sowas auch eine gewisse Form der Liebe, auch wenn es oft vor allem der Basteltrieb ist, der die Väter oder auch Mütter dazu bringt. Zum Beispiel zeigt ja auch ein selbstgestrickter Pullover nicht automatisch, daß die Mutter ihr Kind liebt, sondern mehr, daß sie gern strickt.
»Das ein Kind ein Tier lieber mag, mit dem man spielen kann«: Man kann auch mit Meerschweinchen spielen, zum Beispiel kann man ihnen Tunnel und Gänge bauen, Hindernisse, die sie überwinden oder umgehen müssen, um am Ende ein Stück Apfel oder Karotte zu erreichen. Wenn es einem niemand zeigt, d.h., die Zeit nicht aufbringt, kann man es natürlich nicht. Mir hat es auch niemand gezeigt, aber ich hab (so ungefähr beim dritten Hamster)
Die Sache mit den Meerschweinchen gelesen. ;-)
»das Ich sehr wohl weiss, wie man ein Meerschwein anfassen soll« – Man kann auch ein Kind mit dem Notwendigsten versorgen oder zum Beispiel die Zeit aufbringen, die es braucht, bis das Kind wirklich Freude mit dem Tier hat.
Zum Schluss:
Ich weiss, er ist kurz. Aber ich will ihn gerne lakonisch haben. Diese Leerstellen dazwischen wirken fuer mich persoenlich staerker als ein Auserzaehlen.
Ja, aber stärker in jeweils der Richtung, wie man die Geschichte verstanden hat. So hab ich dabei das Gefühl, daß niemand das Erlebnis mit dem Kind besprochen hat, weshalb die Auslassungen fast schon als traumatisiert rüberkommen.
Wie gesagt, das sollte kein Belegen oder Nachweisen der Lieblosigkeit sein, sondern Dir besser zu verstehen geben, wie ich darauf komme, damit Du vielleicht an den Stellen nachbessern kannst, um diese Schlußfolgerung auszuschließen.
Daß Dir mein Röntgenvorschlag gefällt, freut mich sehr, und ich denke nicht, daß Du dafür unbedingt die kindliche Erzählerposition aufgeben mußt, wenn Du den Zeitpunkt des Röntgens soweit in die Kindheit schreibst, daß es funktioniert.
An dieser Stelle bitte eine Schweigeminute fuer Felix und die Dunkelziffer!
Ein Schulkollege von mir, zum Glück war er nur ein Jahr mit mir in einer Klasse, hat weiße Mäuse im Backrohr vergast, weil er zuschauen wollte, wie sie dabei umkommen. Das hat er dann herumerzählt, als hätte er irgendwas Großartiges vollbracht.
Liebe Grüße,
Susi