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Sommerfrost

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03.07.2017
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Sommerfrost

Der Garten verschwindet im Schwarz. Nur die Bäume zeichnen sich gegen den Himmel ab. Laue Abendluft fließt durch das offene Fenster über den Schreibtisch, vermischt sich mit der Abwärme des Laptops.
Elisa arbeitet im Licht des Bildschirms, um keine Motten anzulocken.
Als sie den Schlüssel in der Tür hört, streift sie die Decke ab, steht auf und blinzelt in das Flurlicht.
Nora zieht ihre Schuhe aus. „Tut mir leid.“ Sie stellt sich vor Elisa, streicht ihr eine Strähne hinters Ohr. „Kommt nicht wieder vor.“
Noras Atem riecht nach Kaffee und Schokolade. Wie zwei Puzzleteile schmiegen sich ihre Körper aneinander, Haut an Stoff an Haut.
Ein Stich durchfährt Elisas Brust, Gänsehaut kriecht über ihren Rücken. Sie presst sich noch fester gegen Nora, würde in sie hineinkriechen, wenn sie könnte. Die stolpert lachend zurück. „Du glühst ja!“
Nora geht in die Küche, macht das Licht an. Ihre nackten Füße erzeugen bei jedem Schritt ein leises Geräusch auf den Fliesen. „Hast du schon wieder nichts gegessen? Du sollst doch nicht auf mich warten.“

Elisa liegt noch im Bett, als Nora leise das Haus verlässt. Früher ging sie nie ohne Abschiedskuss.
Die Brust schmerzt, auf der linken Seite kann sie nicht mehr liegen.
Sie zieht den flauschigen Bademantel über und geht auf die Terrasse. Das Gras knistert in den ersten Sonnenstrahlen.
Das Vogelhäuschen steht immer noch draußen. Erst war es noch zu früh, es reinzuholen, dann lohnte es sich nicht mehr.
Die Scharniere der Hollywoodschaukel quietschen leise, als Elisa sich setzt. Sie zieht den Bademantel fester um sich.
Alles in Ordnung, sagte der Arzt. Machen Sie sich keine Sorgen. Ernähren Sie sich gesund.
„Siehst du, ich sag doch, du isst zu wenig“, sagte Nora. „Ich will ja nicht mit einem Skelett schlafen.“ Sie lachte.
Elisa keucht und schüttelt den Kopf, um die Gedanken zu vertreiben.

Regen rinnt in Strömen an der Fensterscheibe hinab. Der steinharte Boden kann das Wasser nicht aufnehmen, kleine Bäche tragen das Laub fort.
Elisa sitzt mit einem Tee auf der Couch. Eine zweite Tasse steht dampfend auf dem Wohnzimmertisch.
„Sorry, ich hab grad nicht die Ruhe. Muss noch packen. Morgen geht’s früh los“, sagt Nora.
Elisa schaut in ihren Tee, der Beutel ist zerrissen und braune Pflanzenteile schwimmen im Wasser.
Vom Flur aus ruft Nora: „Hab ich dir doch erzählt, oder? Ich flieg übers Wochenende nach Barcelona. Mit Jenny und Ralf.“
Elisa wischt die Tränen weg, sie will nicht schon wieder vor Nora weinen.
„Doch. Bestimmt hab ich dir das erzählt.“

Elisa steht am Wohnzimmerfenster und schaut in den Garten. Die Bäume sind dieses Jahr spät braun geworden.
Eine Blaumeise klammert sich an die schwankenden Äste der Magnolie, kämpft mit dem Wind.
„Willst du denn gar nichts dazu sagen?“, schreit Nora.
Elisas Kiefermuskeln sind hart wie Stein. Selbst wenn sie wüsste, was sie sagen sollte, wäre es ihr unmöglich, die Worte zu formulieren.
„Schau mich wenigstens an, verdammt.“
In der Scheibe sieht Elisa, wie Nora sich durch die Haare, durchs Gesicht fährt, sich auf die Couch fallen lässt und sagt: „Es geht einfach nicht mehr. Tut mir leid.“
Während Nora ihre Sachen packt, beschließt die Meise, den Flug zu wagen. Die Krallen lösen sich, eine Windböe erfasst den kleinen Vogel und wirbelt ihn außer Sicht.
Elisa seufzt und hat plötzlich furchtbare Angst, nicht wieder einatmen zu können, so eng liegt der Metallring um ihre Brust. Andererseits ist sie sich sicher, dass er das Einzige ist, das ihr Herz noch zusammenhält.

Der Wind treibt den Schnee durch den Garten und bauscht die Federn. Graublau tauchen sie auf aus dem Weiß und winken Elisa zu.
Sie hat vergessen, Futter in das Vogelhäuschen zu füllen.
Das Atmen fällt ihr schwer, sie öffnet die Terrassentür, stolpert hinaus. Die Kälte sticht durch die Socken.
Elisa fällt auf die Knie, nimmt die Blaumeise in die Hand. Der kleine Körper zittert mit ihr und ein Knopfauge starrt Elisa wissend an.
Sie ist schuld.
Der Tod dringt aus dem Vogel in Elisas Hände, kriecht die Arme hinauf. Sie lässt ihn fallen, aber es ist zu spät. Die taube Kälte erreicht ihre Brust, verschmilzt mit dem Schmerz, der dort schon seit Monaten wuchert. Sie spürt den Metallring spröde werden, ihn knacken und reißen.
Und für einen Moment kann Elisa wieder frei atmen.

 

Liebe @Raindog

ich finde das ja auch sehr schön, dass du mal etwas alltägliches ausprobierst.
Es ist anscheinend sinnvoll, sich ab und zu aus seiner Komfortzone herauszuwagen. Auch wenn es etwas anstrengend ist. :peitsch:

Ansonsten finde ich die Atmosphäre in deiner kleinen Geschichte sehr gelungen, obwohl mir Elisa ein wenig zu geisterhaft erscheint.
Freut mich, dass die Atmosphäre für dich passt. Elisa wirkt wahrscheinlich so geisterhaft, weil ich sie nicht sprechen lassen, kaum reagieren. Nur am Ende wird sie wirklich aktiv.

Nur kann ich dadurch nicht wirklich richtig mit ihr mitfühlen – ich betrachte sie halt relativ emotionslos von außen (was vielleicht aber auch an mir liegt?
Genau, es liegt auf jeden Fall an dir. :p Wenn es doch so einfach wäre.
Ich hasse es, wenn mir Gefühle aufgedrängt werden. Ich mag keine traurigen Bücher, Filme oder Musik. Ich höre generell kaum Musik, da wird einem die Gefühlslage zu sehr vorgegeben. Wahrscheinlich ist der Text auch eher zurückhaltend.
Ich überlege was ich ändern müsste, um Leser wie dich abzuholen. Mehr Gedanken? Gefühlsausbrüche? Ein emotionales Gespräch zwischen Elisa und Nora könnte bestimmt einiges transportieren. Aber von diesen Gesprächen wurden schon so viele beschrieben und ich bin mir sicher, dass die meisten davon besser sind, als das, was mir gelingen könnte. Und das wäre dann auch schon wieder nichts, was mir gefallen würde.

Erst aus Elisas, dann aus Noras Perspektive. Oder hast du einen auktorialen Erzähler? Ansonsten würde besser passen „sie kommt zu Elisa“
Das hatte Peeperkorn auch schon angesprochen. Ich finde, dass sich dieses „Sie kommt zu Elisa“ ganz doof anhört, irgendwie falsch. Vielleicht formulier ich die Stelle einfach ganz anders.

Ich bin ja auch dafür, dass die Füße nicht mehr so klatschen – aber gleiten finde ich jetzt auch wieder nicht richtig passend, klappt auch nicht wirklich mit nackten Füßen. Vllt einfach: Ihre nackten Füße erzeugen bei jedem Schritt ein leises Geräusch auf den Fliesen. ?
Ja, das nehm ich.

So lange klingt für mich komisch, besser fände ich: erst war es noch zu früh …
Das auch. :)

Bissel sperrig, finde ich. Wenn sie sich sicher ist, dann ist das auch so, dann wäre so etwas in meinen Augen geschmeidiger: Worte zu formulieren wäre ihr unmöglich – selbst wenn sie wüsste, was sie sagen sollte. Oder so, jedenfalls ohne Sie ist sich sicher.
Wird umformuliert.

durchs Gesicht fahren klingt strange, besser vllt.: wie Nora sich durch die Haare und übers Gesichtfährt ...
Sagt man das nicht so? Durchs Gesicht fahren? Da es da sonst noch keine Beschwerden zu gab, lass ich es mal so.

Noch stärker fände ich: Andererseits weiß sie …
Das wissen macht es so bestimmt oder? Es kommt mir an der Stelle zu hart vor.

Der Wind bauscht seine Federn? Ein Federwind? Ich weiß, ich weiß – aber für mich klingt es komisch …
Hihi, das wär doch süß.
Bauscht des Vogels Federn. :D
Ach ich lass es erstmal so. Ich mag es.

Vom Bezug her fällt hier die Kälte auf die Knie. Aber ich finde das Durch-die-Socken-Stechen auch nur so mittel, klingt irgendwie seltsam.
Okay, einmal Sie durch Elisa ersetzt.
Ihr macht mich fertig mit den Socken. :lol: Einfach nur Die Kälte sticht in die Haut? Hmm, dann klingt es so als hätte sie nichts an den Füßen oder?

dringt finde ich an der Stelle nicht schön, da fände ich kriecht passender, zarter – dann fehlt es natürlich im zweiten Satzteil, hm … Vielleicht fällt dir noch etwas ein. Oder mir …
Ich überleg mal.

Sorry, dass ich heute so krümelkackend unterwegs bin – zum Glück habe ich dir ja oben schon gesagt, dass ich die Geschichte mag : aber weil es ja hier den Bezug zu einem Vogel gibt (ja, eine Meise, aber trotzdem), finde ich auch eine kleingeschriebene taube kurz irritierend, außerdem, wenn schon taube, dann ist doch höchstens die Brust taub und nicht die Kälte …
:D Gut, dass ich eine Meise in der Geschichte habe und keine Taube. Da würde ja keiner mehr Durchblicken.
Ich überlege gerade das „taube“ einfach zu löschen. Aber nee, die Kälte vorher, die vom Schnee, sticht. Das hier ist anders. Vielleicht dumpf? Mal schauen.

Vielen Dank fürs genaue Draufschauen. Das ist ja auch der Vorteil an so nem kurzen Text. Da kann man wirklich ins Detail gehen, ohne dass der Kommentar ewig lang wird. Dadurch wird der Feinschliff sehr intensiv. Gefällt mir.

Liebe Grüße,
NGK

 

Liebes @Nichtgeburtstagskind,

auch ich finde, dass sich der Ausflug in die Rubrik "Alltag" gelohnt hat und hoffe, dass es nicht bei dem einen Mal bleibt. (wobei ich auch deine Zombots sehr gerne lese).
Eigentlich fühlt sich dieser Text auch etwas mystisch an, wenn das das richtige Wort ist. Die Bilder sind sehr poetisch, die ganze Geschichte hat einen Rythmus, eine Struktur, wie ein Gedicht, Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Und deine Hauptfigur, die Elisa, scheint nicht ganz von dieser Welt zu sein, wirkt eher so wie die personifizierte "stumm Leidende". Der ganze Verlauf hat etwas Unausweichliches. Ich kann Nora verstehen, dass sie wegläuft vor dieser Frau, die sich selbst nicht ernähren kann, die sich an sie klammert und immer weiter abrutscht. Interessant finde ich, dass mich Elisa trotzdem wenig nervt, sondern ich beim Lesen so hypnotisiert mitfließe. Und das hat mit dieser Distanz zu tun, dieser Zurückhaltung, gerade damit, dass das Ganze so stilisiert wirkt. Ich finde das genau gut so.
Eine winzige Kleinigkeit: ich fand die Abwärme ganz gut, weil dieses technische Detail mit dem PC die Geschichte in der Gegenwart verankert und einen schönen Kontrast zu dem Sinnlichen, Poetischen bildet. So wie das Salz in der Suppe. Aber das ist nur ein Gedanke und echt nicht entscheidend.

Toll, dass du das auch kannst. Interessant, das die Qualität von Geschichten unabhängig davon ist, wieviel Spaß man am Schreiben hat, oder?

Liebe Grüße von Chutney

 

Hallo,

ich finde das sehr erstaunlich. Du hast hier wirklich etwas gewagt, und das muss man anerkennen. Wenn man Neuland betritt, kann man immer scheitern, deswegen ist es auch eine besondere Leistung, die du mit diesem Text vollbracht hast.

Die Reduktion, das Knappe steht dir gut. Du machst vieles richtig. Man kann da bemängeln, das einige Bilder abgegriffen sind. Ich würde dann mal fragen: Wer erfindet neue? Clemens Setz, mit seinen megaschiefen, beknackt-gewollten Metaphern? Nein. Dann lieber ein gutes, das auch schon Karl May benutzt hat (just kidding!) Du hast hier, meiner bescheidenen Meinung nach, noch etwas zu viel von allem. Vor allem das Bildhaft-Karge reizt du hier stark aus.

Der Tod dringt aus dem Vogel in Elisas Hände, kriecht die Arme hinauf. Sie lässt ihn fallen, aber es ist zu spät. Die taube Kälte erreicht ihre Brust, verschmilzt mit dem Schmerz, der dort schon seit Wochen, seit Monaten wuchert. Sie spürt den Metallring spröde werden, ihn knacken und reißen.
Und für einen Moment kann Elisa wieder frei atmen

Das Ende ist sehr stark. Aber! Da ist schon alles sehr überreizt. Ein Beispiel:
Der Tod dringt aus dem Vogel in Elisas Hände. Sie lässt ihn fallen, aber es ist zu spät. Taube Kälte erreicht ihre Brust, verschmilzt mit dem Schmerz, der dort schon seit Monaten wuchert. Sie spürt den Metallring, und für einen Moment kann Elisa wieder atmen.

Das soll jetzt nicht so klingen, wie: Mach das mal so, so ist besser. Sondern ich empfinde diesen Text als extrem emotional, als sehr aufgeladen (was gut ist!), und da muss man immer mit Sentimentalitäten aufpassen. Ich weiß das, weil ich selber so ein sentimentaler Arsch bin. Meine Texte klingen in der ersten Fassung wie Rosamunde Pilcher - alles voller Tränen, alle sind depressiv und weinen. Du hast da aber in diesem Text, in seinem Kern, schon alles vorhanden, du musst das nicht noch benennen. Vielleicht ist es so, dass du denkst, hey, ich MUSS das jetzt machen, weil sonst keiner versteht, was ich hier sagen will. Schreib aber mal ohne den Leser im Kopf. Vertrau dir, das ist alles, was ich dir raten kann.

Ja, ich mag den Text und finde es sehr gut, dass du dich auf neues Terrain gewagt hast. Gerne würde ich mehr in dieser Richtung von dir lesen.

Gruss, Jimmy

 

Liebes @Nichtgeburtstagskind

hat mir gut gefallen, deine Kurze.
Die wenigen Worte entfalten eine große Wirkung. :thumbsup:

Nur kommen mir zu viele Naturbeschreibungen vor, die ja hier fast immer was Vergleichendes zur Prota, zur Gefühslage darstellen sollen.

Die Bäume sind dieses Jahr unnatürlich spät braun geworden. Als hätten sie den Herbstregen genutzt, um noch etwas aus diesem verlorenen Jahr rauszuholen.
Das hier ist mir to much.
Als wenn das letzte Jahr der Prota auch ein verlorenes Jahr wäre. Vielleicht könnte man dies etwas subtiler rüberbringen.

Ansonsten sehr schön.

Liebe Grüße,
GoMusic

 

Hallo @Chutney,

auch ich finde, dass sich der Ausflug in die Rubrik "Alltag" gelohnt hat und hoffe, dass es nicht bei dem einen Mal bleibt.
Sehr cool. Freut mich, dass du mit meiner kleinen Geschichte etwas anfangen kannst.

Eigentlich fühlt sich dieser Text auch etwas mystisch an, wenn das das richtige Wort ist.
War gar nicht meine Absicht, wurde aber schon mehrmals angemerkt. Da kann ich wohl doch nicht ganz aus meiner Haut ... :lol:

Interessant finde ich, dass mich Elisa trotzdem wenig nervt, sondern ich beim Lesen so hypnotisiert mitfließe.
Das ist super. Obwohl ich es auch okay fände, wenn man Elisa nervig findet. Ich würde sie auch gerne schütteln.

Eine winzige Kleinigkeit: ich fand die Abwärme ganz gut, weil dieses technische Detail mit dem PC die Geschichte in der Gegenwart verankert und einen schönen Kontrast zu dem Sinnlichen, Poetischen bildet. So wie das Salz in der Suppe. Aber das ist nur ein Gedanke und echt nicht entscheidend.
Weisste was? Das ändere ich sofort zurück! Eine Befürworterin reicht mir vollkommen.

Interessant, das die Qualität von Geschichten unabhängig davon ist, wieviel Spaß man am Schreiben hat, oder?
Das finde ich auch super faszinierend. Und ehrlich gesagt, hatte ich damit gar nicht gerechnet. Aber daran sieht man eben auch: Schreiben ist hauptsächlich Arbeit.

Vielen Dank für deine Meinung. Hat mich sehr gefreut.

Liebe Grüße,
NGK

 

WHAT??? NGK schreibt ALLTAG??? :D

Hey @Nichtgeburtstagskind, jetzt komme ich endlich dazu, dir auch ein paar Worte dazulassen. Ich finde es gut, dass du dich, obwohl Alltagsgeschichten dich ja eher weniger bocken, zumindest hatte ich das in der Vergangenheit aus deinen Kommentaren herausgelesen, es jetzt doch damit versuchst und dieser Art Geschichten eine Chance gibst.
Sich in neue Gefilde zu wagen ist immer gut, finde ich, da lernt man viel über sein eigenes Schreiben und merkt, wo man sich am wohlsten fühlt, welche "Zutaten" aus anderen Genres aber durchaus auch die eigenen Geschichten bereichern.

Als erstes finde ich den Titel sehr gelungen. Da musste ich gleich an einen Songtext denken, der ging irgendwie so: "Es ist Mitte Juli, doch mir ist unendlich kalt." Geht auch hier um eine gescheiterte Beziehung. Und ich finde das Bild einfach so treffend, mitten im Sommer zu frieren, weil einem gerade das Herz gebrochen wurde. Denn genau so fühlt sich das nämlich auch an.

So, genug Geplapper, nun zum Text. Ich bin ehrlich - mir mag der Anfang nicht so recht gefallen ...

Elisa arbeitet im Licht des Bildschirms, möchte keine Motten anlocken.
Der Garten verschwindet im Schwarz. Nur die Bäume zeichnen sich gegen den Himmel ab. Laue Abendluft fließt durch das offene Fenster über den Schreibtisch, vermischt sich mit der Abwärme des Laptops.
Ich würde einen Satz später einsteigen und deinen jetzigen ersten Satz später einbauen. Ungefähr so:
Der Garten verschwindet im Schwarz. Nur die Bäume zeichnen sich gegen den Himmel ab. Laue Abendluft fließt durch das offene Fenster über den Schreibtisch. Elisa arbeitet im Licht des Bildschirms, möchte keine Motten anlocken.
Ich finde so den Einstieg einfach gleich viel atmosphärischer. Aber weißt ja - nur ein Vorschlag.

Obwohl ich nicht alle Kommentare bis ins Detail durchgelesen habe, meine ich, dass die Abwärme schon des öfteren erwähnt wurde. Ich bin da mal jetzt ganz deutlich, denn ich weiß, du nimmst mir das nicht übel: Ich finde, der Satz tut hier überhaupt nichts Gutes. Klingt mir viel zu technisch, dieses Wort Abwärme, nee, das mag mir so gar nicht gefallen. Warum strahlt der Laptop nicht einfach Wärme ab? Das würde das ganze nicht so technisch und irgendwie verschmelzender mit der Sommerhitze machen. Vielleicht spürt Elisa die abstrahlende Wärme auf den Wangen oder irgendwie so etwas. Das würde - für mein Empfinden - viel besser zu dem Bildhaften und leicht Poetischen passen, dass durch den Rest deines Textes fließt.

Gänsehaut kriecht über ihren Rücken. Sie presst sich noch fester gegen Nora, würde in sie hineinkriechen, wenn sie könnte. Die stolpert lachend zurück. „Bei deiner heißen Haut bekomme ich ja ’nen Schweißausbruch.“
Das ist 'ne schöne Szene. Dieser Kontrast zwischen kalt und heiß, der schon andeutet, was unter der Oberfläche brodelt. Ich finde nur den Satz von Nora noch ein wenig sperrig. Also, er wirkt nicht natürlich ... Vielleicht eher so in Richtung:
Die stolpert lachend zurück und fächelt sich Luft zu. "Du glühst ja schon wieder."

Elisa liegt noch im Bett, als Nora leise das Haus verlässt. Früher ging sie nie ohne Abschiedskuss.
Das finde ich richtig gut! Das tut beim Lesen weh! Jeder, der so ein schleichendes Ende schon mal erlebt hat, kennt wohl diese Art von Schmerz. Und ich mag es, dass du hier ohne emotionalen Schnickschnack sowas in mir auslöst.

Die Scharniere der Hollywoodschaukel quietschen leise, als Elisa sich setzt. Ein Schauer überläuft ihre Haut.
Da ihr im Absatz oben drüber schon Gänsehaut über den Rücken kriecht, würde ich hier etwas anderes nehmen, um ihr Frösteln zu beschreiben. Vielleicht zieht sie die Decke fester um sich? Oder ihre Strickjacke?

„Siehst du, ich sag doch, du isst zu wenig“, sagte Nora. „Ich will ja nicht mit einem Skelett schlafen.“ Sie lachte.
Hier frage ich mich, ist Nora einfach nur hilflos und sagt deshalb sowas Unsensibles - oder ist sie tatsächlich eher kaltherzig?

Regen rinnt in Strömen an der Fensterscheibe hinab. Die Erde ist überfordert und das Wasser ertränkt die Pflanzen, die nicht vertrocknet sind.
Das ist mir hier ein bisschen too much. Ich würde das Fettmarkierte streichen und gleich mit Elisa und ihrem Tee weitermachen. Auch weil das Bild danach mit dem zerrissenen Teebeutel dann viel stärker wirkt (und nebenbei vermeidest du den Pflanzen-Doppler).

Vom Flur aus ruft Nora: „Hab ich dir doch erzählt, oder? Ich flieg übers Wochenende nach Barcelona. Mit Jenny und Ralf.“
Puh, also hier denke ich nun endgültig: Nora ist herzlos. Oder aber komplett überfordert mit der Situation und flieht deshalb vor Elisa.

Die Bäume sind dieses Jahr unnatürlich spät braun geworden. Als hätten sie den Herbstregen genutzt, um noch etwas aus diesem verlorenen Jahr rauszuholen.
Auch das ist mir zu viel, zu erklärend, zu sehr mit dem Finger aufs Bild gezeigt. Das Fettmarkierte würde ich streichen. Ich finde, auch ohne diese Erklärungen erspüre ich, was du mit den spät braun gewordenen Bäumen sagen möchtest.

Der Tod dringt aus dem Vogel in Elisas Hände, kriecht die Arme hinauf. Sie lässt ihn fallen, aber es ist zu spät. Die taube Kälte erreicht ihre Brust, verschmilzt mit dem Schmerz, der dort schon seit Wochen, seit Monaten wuchert. Sie spürt den Metallring spröde werden, ihn knacken und reißen.
Und für einen Moment kann Elisa wieder frei atmen.
Gutes Ende! Ich finde jedoch den Kürzungsvorschlag von @jimmysalaryman echt gut. Hier noch einmal wirklich nur die Worte benutzen, die es braucht, keine Schnörkel, nix, auf den Punkt, dann wirkt das noch mal stärker.

So, ich hoffe, du kannst mit meinen Vorschlägen was anfangen ;) Ich finde, dein Ausflug in den Alltagsgarten hat sich gelohnt, du schaffst das gut, auf sehr kurzer Strecke eine Stimmung zu transportieren, das hat mir gefallen. Bei den Naturbildern würde ich wie gesagt noch ein wenig kürzen, damit das nicht zu erklärend wirkt. So könnten diese Schwere und der Schmerz mehr zwischen den Zeilen schweben, glaube ich.

Gerne gelesen!
Liebe Grüße
RinaWu

 

Hallo @jimmysalaryman,

Wenn man Neuland betritt, kann man immer scheitern, deswegen ist es auch eine besondere Leistung, die du mit diesem Text vollbracht hast.
Freut mich, dass du das so siehst. Ja, ist mir auch nicht leicht gefallen, aber irgendwie dachte ich, es tut mir gut, mal etwas in diese Richtung zu probieren.

Man kann da bemängeln, das einige Bilder abgegriffen sind. Ich würde dann mal fragen: Wer erfindet neue?
Ich denke auch, dass man bekannte Bilder nicht total verteufeln sollte. Denn manchmal ist es ja auch schön etwas bekanntes zu lesen, ist eben etwas gemütlicher, wie nach Hause kommen. Passen muss es aber, und man darf es nicht überstrapazieren. Das merk ich mir ...

Vor allem das Bildhaft-Karge reizt du hier stark aus.
Ja, hier ist es tatsächlich so wie du weiter unten schreibst. Ich traue mir nicht. Und gerade in diesem Genre fällt es mir noch viel schwerer einzuschätzen, was funktioniert und was nicht.
Aber Wegstreichen scheint des Rätsels Lösung zu sein. Die Geschichte ist ja schon um einiges geschrumpft, seitdem ich sie dir das erste Mal gezeigt hatte. Und anscheinend ist da immer noch etwas, das zu viel ist.

Sondern ich empfinde diesen Text als extrem emotional, als sehr aufgeladen (was gut ist!), und da muss man immer mit Sentimentalitäten aufpassen.
Das ist echt interessant, weil mir meine Texte immer so emotionslos und karg vorkommen. Aber es ist eben nicht entscheidend, wie ausufernd man schreibt, sondern was man schreibt. Ich lerne durch diesen Text und die Kommentare eine Menge, auch über mich und mein Schreiben.

Vertrau dir, das ist alles, was ich dir raten kann.
Ich versuchs. :Pfeif:

Ja, ich mag den Text und finde es sehr gut, dass du dich auf neues Terrain gewagt hast. Gerne würde ich mehr in dieser Richtung von dir lesen.
Vielen Dank für deinen Kommentar, Jimmy. Es freut mich, dass du da einiges Brauchbares drin siehst. Am Feinschliff wird weiter gearbeitet.

Mal schauen, ob mich die Lust auf eine Alltagsgeschichte doch noch mal packt. ;) Das reduzierte schon eher.

Liebe Grüße,
NGK


============


Hi @GoMusic

freut mich, dass du auch hier bist. Und natürlich noch mehr, dass dir der Text gefällt. Ich hatte ehrlich nicht mit so viel positivem Feedback gerechnet!

Das hier ist mir to much.
Als wenn das letzte Jahr der Prota auch ein verlorenes Jahr wäre. Vielleicht könnte man dies etwas subtiler rüberbringen.
Das geht nicht nur dir so. Da muss definitiv was weg.

Super, dass du mit meiner kleinen Geschichte etwas anfangen konntest und vielen Dank für deine Meinung.

Liebe Grüße,
NGK


===========


Hi @RinaWu

WHAT??? NGK schreibt ALLTAG???
:D Ja, ich war auch ganz erschrocken.
Ich wollte einen Text schreiben, der ohne Fantasy, ohne den großen Knall oder ein Abenteuer auskommt. Wie schaffe ich es, Leser zu fesseln, ohne dass etwas Aufregendes passiert? Ganz schön schwierig ....

Sich in neue Gefilde zu wagen ist immer gut, finde ich, da lernt man viel über sein eigenes Schreiben und merkt, wo man sich am wohlsten fühlt, welche "Zutaten" aus anderen Genres aber durchaus auch die eigenen Geschichten bereichern.
Es war zwar wirklich eine Quälerei, aber ich habe das Gefühl, dass mich dieser Text und die Diskussion dazu echt weiterbringt. Das ist super. ☺

Als erstes finde ich den Titel sehr gelungen.
Das freut mich sehr. Ich mag ihn auch gerne.

Ich finde so den Einstieg einfach gleich viel atmosphärischer. Aber weißt ja - nur ein Vorschlag.
Hehe, fast genauso hatte ich es vorher.
Es stimmt schon, dass es Sinn macht Elisa an den Anfang zu stellen. Und das finden auch viele besser so. Aber irgendwie war ich die ganze Zeit nicht so richtig glücklich damit. Super, dass du es jetzt genauso siehst. Das gibt mir den Ruck, dass einfach wieder zu ändern. Ich habe auch das Gefühl, dass dort etwas die Umgebung und die Atmosphäre beschrieben werden sollte, bevor man zu Elisa kommt.

Ich bin da mal jetzt ganz deutlich, denn ich weiß, du nimmst mir das nicht übel: Ich finde, der Satz tut hier überhaupt nichts Gutes. Klingt mir viel zu technisch, dieses Wort Abwärme, nee, das mag mir so gar nicht gefallen. Warum strahlt der Laptop nicht einfach Wärme ab?
Zwischendurch stand da mal Wärme, aber irgendwie fühlte sich das nicht richtig an. Eben gerade dieser Gegensatz zu der restlichen Atmosphäre macht den Satz für mich interessant. Und klar, braucht es diese Beschreibung nicht. Auch hier geht es um Atmosphäre, um die Hitze die Elisa umgibt, natürlichen und technischen Ursprungs. Und sie sitzt dort mit Decke.

Das ist 'ne schöne Szene. Dieser Kontrast zwischen kalt und heiß, der schon andeutet, was unter der Oberfläche brodelt. Ich finde nur den Satz von Nora noch ein wenig sperrig. Also, er wirkt nicht natürlich ...
Dein Vorschlag gefällt mir.

Das finde ich richtig gut! Das tut beim Lesen weh! Jeder, der so ein schleichendes Ende schon mal erlebt hat, kennt wohl diese Art von Schmerz. Und ich mag es, dass du hier ohne emotionalen Schnickschnack sowas in mir auslöst.
Wow, das mag ich auch. Ich bin überrascht, dass ich so was kann. Freut mich, dass es dir gefällt.

Da ihr im Absatz oben drüber schon Gänsehaut über den Rücken kriecht, würde ich hier etwas anderes nehmen, um ihr Frösteln zu beschreiben. Vielleicht zieht sie die Decke fester um sich? Oder ihre Strickjacke?
Wird geändert.

Hier frage ich mich, ist Nora einfach nur hilflos und sagt deshalb sowas Unsensibles - oder ist sie tatsächlich eher kaltherzig?
Nora ist eher unsensibel, aber sie hat sich auch schon so weit von Elisa entfernt, dass sie kaum bemerkt wie weh sie Elisa damit tut.

Das ist mir hier ein bisschen too much. Ich würde das Fettmarkierte streichen und gleich mit Elisa und ihrem Tee weitermachen. Auch weil das Bild danach mit dem zerrissenen Teebeutel dann viel stärker wirkt (und nebenbei vermeidest du den Pflanzen-Doppler).
Ja, da muss ich mich etwas zurücknehmen. Ich schau mal, was ich rausschmeiße.

Puh, also hier denke ich nun endgültig: Nora ist herzlos. Oder aber komplett überfordert mit der Situation und flieht deshalb vor Elisa.
Sie ist auch überfordert. Sie versteht nicht was mit Elisa los ist, findet keinen Zugang mehr. Und ja, in dieser Situation flieht sie.

Gutes Ende! Ich finde jedoch den Kürzungsvorschlag von @jimmysalaryman echt gut. Hier noch einmal wirklich nur die Worte benutzen, die es braucht, keine Schnörkel, nix, auf den Punkt, dann wirkt das noch mal stärker.
Alles klar. Streichen heißt der Auftrag. ;)

So, ich hoffe, du kannst mit meinen Vorschlägen was anfangen
Auf jeden Fall. Vielen Dank für deine Hilfe. Ich freue mich, dass der Text schon einigermaßen funktioniert und versuche jetzt noch, das Richtige rauszuschmeißen.

Liebe Grüße,
NGK

 

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