Sommernachtssturm
Sommernachtssturm
Mit einem leisen Grollen ziehen sich die dunklen Wolken zusammen. Sie sind die Vorhut und verheißen Sturm.
Er steht an seinem Feld. Eine Woche lang hatte er seinen Acker gepflügt und das Getreide gesät. Sein Rücken schmerzt ihm und seine Hände sind schwarz von der Erde, die er jeden Tag zehn Stunden gehalten und bearbeitet hatte, und rot vom Blut, das aus Wunden trat, die er sich beim Herausreißen von Wurzeln und Steinen geholt hatte.
Scharf zieht er die Luft durch die Nase ein. Es riecht nach Regen. Er schaut traurig in den Himmel. Die Wolken verdecken ihn schon vollkommen, doch sie ziehen sich immer noch weiter zusammen. Es wirkt wie das Zusammendrängen von Schafen, die versuchen, sich den wärmsten Platz in der Herde zu holen.
Verträumt besieht er sich seinen Acker. In einigen Monaten sollte hier Getreide stehen.
Von weitem rollt das Grollen eines Donners heran. Es wird dunkler.
Langsam und seufzend dreht er sich um und geht zurück ins Haus. Bei jedem Schritt schießt ein stechender Schmerz durch seinen Rücken. Viel zu lange schon hatte er diese Arbeit verrichtet. Sein ganzes Leben lang. Es ist Zeit für eine Pause.
Schweren Schrittes betritt er sein Haus. Das Grollen eines weiteren Donners begleitet ihn. Er schließt langsam die Tür, mehr um die Geräusche auszusperren, als den Sturm und die Kälte. Lauschend steht er da und rührt sich nicht. Sein Blick geht in die weite Ferne. Die Klinke von der Tür hat er noch immer in der Hand. Im Haus ist es vollkommen still. Vor einem Jahr war es noch nicht so gewesen. Und vor zwanzig Jahren schon gar nicht. Damals lebten die Kinder und seine Frau noch bei ihm. Die Kinder sind aber nun alle selbst erwachsen und schon lange aus dem Haus. Manchmal vermisste er die Stimmen von Kindern in seinem Heim. Aber noch mehr vermisste er seine Frau. Vor einem Jahr hatte sie noch in dem Schaukelstuhl neben dem Karmin gesessen und seine alten Socken gestopft.
Erschöpft lässt er die Klinke los und geht hinauf in das Schlafzimmer.
Draußen fängt es an zu regnen. Donner grollen laut über die Felder. Der Wind pfeift durch die Ritzen.
Mit einem Zischen zündet er ein Streichholz an und damit drei Kerzen, damit er ein wenig Licht hat, beim Waschen und Umziehen. Leicht zitternd hebt er den großen Krug an und gießt etwas Wasser in seine Waschschüssel. Er legt noch einen kleinen Rest Kernseife hinein. Dann wäscht er sich ausgiebig die Hände und das Gesicht. Er konnte es noch nie leiden, dreckig ins Bett zu gehen. Danach geht er zu seinem Schrank und nimmt seinen besten Pyjama heraus. Er seufzt. Vor zehn Jahren zu Weihnachten hatte seine Frau ihm diesen Schlafanzug geschenkt.
Am Himmel zucken konstant Blitze und Donner grollen laut über die Felder. Der Regen prasselt wie Wasserfälle auf die Erde nieder.
Ganz langsam legt er sich in sein Bett. Traurig liegt er auf dem Rücken, die dünne Decke auf seinem Körper. Das Kerzenlicht flackert und hüllt das Schlafzimmer in tiefe Schatten. Blitze erhellen ständig den Raum. Er starrt traurig an die Decke. An solchen Abenden hatte seine Frau sich immer an ihn geschmiegt und war dann in seinem Arm, mit dem Kopf auf seiner Schulter, eingeschlafen.
Der Wind pfeift immer stärker durch die Ritzen und das Grollen der Donner wird immer lauter.
Langsam schließt er seine Augen. Das Flackern der Kerzen verstärkt sich, genau wie das Pfeifen des Windes.
Der Regen schlägt hart auf das Dach nieder, als wolle er das Haus zum Einsturz bringen.
Er schläft ein.
Auf den Feldern tobt der Sturm.
Ein Blitz schlägt ins Haus ein und zwei Kerzen kippen um und stecken die Gardinen in Brand. Das Schlafzimmer steht in Flammen.
Die Donner grollen laut durch das Haus und die Blitze zucken weiter über die Felder. Die Saaten für dieses Jahr wurden schon lange vom Regen weggespült. Die Arbeit von einer Woche war umsonst.
Das Haus steht in Flammen. Doch er bekommt von alledem nichts mehr mit. Er schläft tief und fest. Den letzten Schlaf.
~Ende~