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Sommertagstraum

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24.08.2003
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Sommertagstraum

Für alle, die Freunde sind

Schon oft habe ich müde und euphorisch an meinem Schreibtisch gesessen und versucht, all das zu Papier zu bringen, was mich bewegt. Schon oft habe ich es aufgegeben – die Zeit war noch nicht reif dafür. Aber gerade jetzt, wo ich mit dem Schreiben beginne, habe ich das Gefühl, als könnte es mir glücken, gerade jetzt, nur jetzt.

Manchmal bin ich so traurig, dass ich weinen könnte, dass alles vor meinen Augen verschwimmt und dass die schwarze Kontur der Brille sich in den Farben der Umgebung verliert. Aber dann denke ich an das letzte Mal, als ich etwas mit meinen Freunden gemacht habe, und daran, dass wir morgen schon alle tot sein könnten – dieser Gedanke liegt wie ein dunkler Schatten über mir, aber er stachelt mich jedes Mal dazu an, das Leben zu genießen. Ist das normal?
Es war letztes Jahr im Sommer, bei warmem Sonnenschein und klebriger Eiscreme, dass mein Leben sich gewandelt hat. Damals begann ich, zu erkennen, dass ich lebe – dass ich ein Mensch bin, dass ich liebenswert bin, dass ich doch ich selbst sein darf. Was für eine Erkenntnis für einen Menschen! Damals habe ich Leute kennen gelernt, die mich nicht gleich als Freak verurteilten. Hochintelligente Menschen, deren seltsame Gedankengänge sie zu Außenseitern gemacht hätten, hätten sie nicht einander gehabt. Erwachsene, die das Leben in einer Perspektive sahen, die ich nicht kannte – außer von mir selbst, die manchmal so taten, als sei alles ein Spiel. Und als ich schüchtern fragte, ob ich mitspielen dürfe, riefen sie „natürlich“ und freuten sich, dass ich da war.
Nachmittags haben wir uns im sonnigen Park getroffen, gegrillt, miteinander geredet und gelacht, uns gegenseitig geärgert und Fangen gespielt. Die großen Bäume - Birken, Ahorn - umringten ihn. Ein kleines Feuchtbiotop brütete Heerscharen von Mücken heran, und es galt als selbstverstänlicher Freundschaftsdienst, jemandem "eine Mücke totzuschlagen". Eines Nachts, wir hatten beinahe dreißig Grad, schlichen wir uns herunter zum Fluss und schwammen die paar hundert Meter bis zum nahegelegenen Freibad, wo wir ausgelassene Wasserschlachten veranstalteten.
Es war ein unbeschreiblich glücklicher Sommer, der Geschmack von kalter Coca-Cola und das Gefühl von Sonnenbrand erinnert mich immer daran, und als es langsam Herbst wurde und wir uns nicht mehr im Freien treffen konnten, da dachte ich, alles wäre vorbei, der Traum ausgeträumt, als der Morgen graute, besser gesagt, der Abend herandämmerte.
Aber das war es nicht. Fast jede Woche trafen wir uns irgendwo, und das erste Mal hatte ich etwas, auf das ich mich jeden Tag freuen konnte. Das erste Mal war ich auf einer Silvesterparty, auf der ich mir nicht verloren vorkam. Met getrunken habe ich, und gelacht, die ganze Nacht getanzt und dankbar für dieses große Geschenk das Leben voll umarmt. Das erste Mal habe ich diejenigen, die ihr hart verdientes Geld in die Luft sprengten, nicht als Idioten verurteilt, sondern mich mit ihnen zusammen über die bunten Lichter und den Lärm gefreut.
Einmal im Monat war da jetzt eine Party, deren DJ und mein exzentrischer Musikgeschmack größtenteils auf einer Linie lagen. Ich lernte haufenweise neue Menschen kennen, und solche, die vielleicht keine waren, wer wusste das schon, und im Grunde spielte es auch keine Rolle. Da waren Leute mit angeklebten Vampirzähnen, die sich scherzhaft darüber aufregten, wenn jemand von "Menschen" sprach. Wenn jemand eine Flasche mit etwas Trinkbarem hatte, konnte man einfach hingehen und fragen, ob er einem davon etwas abgeben wollte - und schon hatte man neue Bekanntschaften gemacht.
Da gab es auf einmal eine ganze Welt außerhalb meiner vier Wände, voller interessanter Menschen, voller neuer Musik, voller Spiel und Spaß und Leben.
Und ich erkannte, wie närrisch meine Depressionen gewesen waren. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da hatte ich mich umbringen wollen. War von niemandem geschätzt und von niemandem geliebt worden, war eine bloße Statistenrolle auf der Bühne des Lebens gewesen – ist es da ein Wunder, wenn man ihr Spiel nicht genießen kann?
Aber diese Zeit ist lange vorbei, heute, wo ich mit einem Lächeln auf den Lippen und dem Geschmack von süßer Cola auf der Zunge vor meinem Schreibtisch sitze – und endlich, endlich sind es nicht mehr Träume, über die ich schreibe, es ist die Realität. Sonnenbrand habe ich gerade keinen, denn es ist Herbst, aber der Sommer ist mir greifbarer als je zuvor. Ich könnte die ganze Welt umarmen!
Und der Gedanke daran, dass es Menschen gibt, die mich so mögen, wie ich bin, zwingt mich jedes Mal erneut dazu, mich darüber zu freuen – was für ein Wunder. Ich lebe. Und ich liebe! Und bald wird wieder Sommer sein.

 
Zuletzt bearbeitet:

Nachwort der Autorin, brav in einem Extrapost:

Dieser Text ist ziemlich dahingeschmiert, aber ich hoffe, dass er all das ausdrückt, was ich so lange schon sagen wollte. Vielleicht habe ich dieses Mal die richtigen Worte gefunden. Ich würde mich über Feedback sehr freuen, weil ich gern wissen möchte, ob der Leser mitfühlen kann.

gruß
vita
:bounce:

 

Hallo Vita,
ich denke, es ist all das ausgedrückt, was deinem jetziges Lebensgefühl entspricht. Schön für dich, solche Leute kennen gelernt zu haben.
Gruß
Leia4e

 

Oy Vita,

ich will diesen Text gar nicht auf Fehler untersuchen. Dazu ist er mir zu kostbar.
Ich bin echt sehr beeindruckt. Vielleicht ist es nicht ganz das selbe, was ich manchmal fühle und denke, aber es kommt dem schon sehr nahe. Verdammt nahe. Deswegen bin ich jetzt ein bisschen zittrig in den Händen und traurig im Kopf. Und irgendwie glücklich.
Das jedenfalls ist nun meine Reaktion.

Hmmm... ich versuche, objektiv noch etwas zu schreiben (schwer):
Ich kann mir vorstellen, dass Leute, die nicht deine Erfahrung oder ähnliche gemacht haben, eher verwirrt reagieren. Aber das musst du wohl abwarten.
Ansonsten: flüssig und eindrücklich.

*sniff*
:kuss:

Liebe Grüße,

Ronja

 

Hallo vita,


Ja, ein schöner Text, das ist es! Es fehlte nicht mehr viel, und mir wären die Tränen gekommen. Zumal mir diese Erfahrung noch bevorsteht. Jahrelang empfinde ich wahrscheinlicher Glück bei Schlechtwetter, als wenn die Sonne scheint.

Dennoch finde ich, dass der Geschichte noch was fehlt. Es ist die Abstraktheit, die deiner Geschichte nicht gut tut. Erstmal habe ich ehrlich gesagt, Probleme deinen Text überhaupt als Geschichte zu sehen, wie so oft in letzter Zeit auf KG.de. Willst du nicht ausführlicher beschreiben, was das für Spiele waren, mit was für Menschen du beisammen warst, die Umgebung? Das würde die Geschichte auf jedenfall lebensnäher und -echter machen. Dein Text braucht in meinen Augen noch mehr Inhalt, Dichte, Fleisch, um mich richtig von den Socken zu hauen.

Meine Meinung :),


FLoH.

 

Hallo ihr drei,

ihr wisst ja gar nicht, wie mich euer positives Feedback freut :kuss:
Ich hab mir sehr schwer damit getan, diesen Text zu schreiben, weil es irgendwie nie das Richtige zu sein schien.
FloH: Ich werde das Ganze noch ein bisschen weniger abstrakt machen. Ein paar Beispiele für Spiele einfügen und so. Mal sehen, ob das reicht, dass deine Socken zumindest wackeln - wie gesagt, ich tu mir da sehr schwer

gruß
gobbo
:bounce:

 

Hallo Vita,

dein Text hat mich sehr tief berührt.

Ich weiß zwar nicht genau, ob du das ausdrücken wolltest, was ich verstanden habe, aber jedenfalls hat es ein sehr schönes Gefühl in mir zurück gelassen.

Nein, eine KG im eigentlichen Sinne ist es nicht... aber das macht nichts.

Liebe Grüße
Bella

 

Hallo Bella,

da hast du wahrscheinlich gerade meine Überarbeitung verpasst, wo ich versucht habe, den Text mehr nach einer kurzgeschichte aussehen zu lassen ;)
Trotzdem schön, wenn er ein schönes Gefühl in dir hinterlassen hat, das habe ich nämlich gehofft.

gruß
vita
:bounce:

 

Wende der Welt...

Hallo vita

Schöner Text. Du erzählst von einer Wende in ( [D]einer ?) Welt. Und diese Wende beschreibst du auch in schöner und bewegender Weise. :)
Die Geschichte zeigt die Erfahrung einer Welt voller Freude und Farben im Gegenüber zur Erfahrung einer engen und tristen Welt.
Und es stimmt schon nachdenklich, wenn

Hochintelligente Menschen, deren seltsame Gedankengänge sie zu Außenseitern gemacht hätten, hätten sie nicht einander gehabt. Erwachsene, die das Leben in einer Perspektive sahen, die ich nicht kannte – außer von mir selbst, die manchmal so taten, als sei alles ein Spiel. Und als ich schüchtern fragte, ob ich mitspielen dürfe, riefen sie „natürlich“ und freuten sich, dass ich da war.
...die Menschen, welche du hier beschreibst Außenseiter sind. :hmm:

Lieben Gruß
rock

 

Hallo rockz,

schön, dass mein Text dir gefallen hat. Welcher Autor freut sich nicht über solches Lob?
Zu deiner Anmerkung: Da hätte ich ihn glatt unter Gesellschaft posten können, gelle? :P Mache ich, wenn der hier auf Seite 2 versumpft, ich kritikgeiles Wesen ;)
Kennst du das nicht, wenn dich Leute komisch angucken, weil du anders bist als sie? Wenn, dann hast du Glück...

gruß
vita
:bounce:

 

Ad I )

Kennst du das nicht, wenn dich Leute komisch angucken, weil du anders bist als sie?
- Doch!


Ad II )

Wenn, dann hast du Glück...
- Das ist die Frage... :hmm:

lg
rock

 

Hallo rockz,

hiermit bedanke ich mich leicht verspätet für deine Stellungnahme zum komisch-Sein an sich und Leuten im Besonderen... ich bin da neulich als Goblin, also mit angeklebten Ohren und grüner Haut, über die Reeperbahn gelaufen, und mich haben dauernd Leute angesprochen "ey, du bist grün" - was als "ja, und du bist blau" soll einem dazu einfallen? Wir sind dann in unsere Szenekneipe zurück, da waren wenigstens keine komischen Leute.

Ach ja, der Grund, warum ich so lange nichts gemacht habe - ich habe unterfüttert, editiert und überarbeitet ;)

gruß
gobbo
:bounce:

 

Hallo vita!

Trotz des schönen TExtes zwei Kleinigkeiten:

das erste Mal hatte ich etwas, auf das ich ...

Ich lebe und ich liebe!

Ich freue mich mit Dir, dass Du Menschen (und Nichtmenschen) gefunden hast, mit denen Du fröhlich leben kannst. Und ich wünsche und hoffe, dass Du mit Freunden auch dann leben und lieben kannst, wenn die Farben grau oder gar schwarz werden.

Deine Gefühle habe ich auch erfahren und erfahre ich auch heute noch, obwohl mir nach vielen Lebensjahren auch andere gemeinsame Erfahrungen wichtig sind und nicht nur Musik, Spiel und Spaß. Aber das Sich-Gehen-Lassen-Können, sich freuen können wie ein Kind und vor allem sich erinnern können und in Situationen der Trauer Kraft schöpfen können aus vergangenen Sonnentagen - das macht für mich einen zentralen Aspekt meines Lebens aus.

Zur Konkretisierung: So wie die Geschichte jetzt ist, regt sie mich an, meine eigenen Bilder und Erfahrungen aus dem Gedächtnisarchiv zu holen. Deshalb meine ich, sie sollte nicht konkreter sein, denn dann lädt sie vielleicht nicht mehr so zum Träumen ein.

Lieben Gruß

Jo

 

Hallo Jo,

durch deine Anmerkungen steige ich nicht durch, magst du sie mir erklären? :shy:
Nein, noch konkreter will ich die Geschichte auch nicht machen. Es freut mich, dass du dich hineinfühlen konntest. Freut mich, dass es noch jemanden gibt, der dieses Gefühl kennt.

gruß
vita
:bounce:

 

Hi vita,

einige Stolpersteine beim Lesen für mich:

1.)

müde und euphorisch
gehen bei mir schlecht zusammen, aber vielleicht kommt das bei dir durch den Genuss von sehr viel Cola?

2.) Die zeitlichen Abfolgen irritieren mich:

letztes Jahr im Sommer
heißt 2003? Offensichtlich, denn du erwähnst die Silvesterparty. Und dann der Sprung im vorletzten Absatz :
Sonnenbrand habe ich gerade keinen, denn es ist Herbst, aber der Sommer ist mir greifbarer als je zuvor.
Ich suche im Text vergeblich ein ganzes Jahr

3.) du hast zwei Gründe für deine Lebensfreude, dein Genießen des Daseins, angeführt:

dass wir morgen schon alle tot sein könnten – dieser Gedanke liegt wie ein dunkler Schatten über mir, aber er stachelt mich jedes Mal dazu an, das Leben zu genießen...
und:
... der Gedanke daran, dass es Menschen gibt, die mich so mögen, wie ich bin, zwingt mich jedes Mal erneut dazu, mich darüber zu freuen – was für ein Wunder. Ich lebe, und ich liebe!

Natürlich ist es stimmig für die Ausgangssituation, dass es jetzt und gerade jetzt gelingen möge, dieses Wirrwar von Gefühlen und Gedanken einigermaßen verständlich „zu Papier zu bringen“. Es zeigt, dass die Protagonistin erst einen Hauch dessen spürt, was im Zuge des „Erwachsenwerdens“ noch auf sie zukommen wird.

Nun zu deinem Nachwort:
Ja, ich kann mich da (immer noch!) hineinfühlen. Das Hineinwachsen in eine „nicht mehr“ Kinderwelt, das Entdecken von „Verrücktheit“ bei Älteren und die Genugtuung, auch „mitspielen“ zu dürfen. Es ist dir gut gelungen, Momentaufnahmen zu zeichnen mit der ganzen Fülle des Lebens, die sich darin verbirgt oder, besser gesagt, offenbart.
Und es ist mehr als der Traum eines Sommertages, viel mehr!

LG PP
:)

 

Hallo vita!

durch deine Anmerkungen steige ich nicht durch, magst du sie mir erklären?
Ich bin irritiert. Welche Anmerkungen? Die beiden Stellen, wo ich anderer Ansicht hinsichtlich der Schreibweise bin?

LG

Jo

 

Hallo Pied Piper,

schön, dass du dich in die Geschichte hineinfühlen konntest, und danke für das große Lob. Ich freue mich, dass dir der Text etwas gegeben hat. Ich werde versuchen, die chronologische Reihenfolge irgendwie zu sortieren... Die hab ich wohl wild durcheinandergewürfelt. In meiner Erinnerung sind es zwei Jahre, die zu einem werden. Du hast Recht, für den Leser ist das verwirrend.
Und ja, das mit dem euphorisch und dem müde ist ein beginnender Koffeinflash... :P

Jo: genau das meine ich. Klär mich auf, ich finde da keinen Fehler... warum gibt es eigentlich kein Blindenstock-Smiley? :D

gruß
vita
:bounce:

 

Hallo vita!

Ich nehm mal den ganze Satz vom Beginn des Absatzes an:

Aber das war es nicht. Fast jede Woche trafen wir uns irgendwo, und das erste Mal hatte ich etwas, auf dass ich mich jeden Tag freuen konnte.
Das dass muß ein das sein. Von daher würde ich z.B. umformulieren .. zum ersten Mal hatte ich etwas, auf das ..


Und der vorletzte Satz

Ich lebe, und ich liebe!
sollte mE ohne Komma sein. Wenn Du die Trennung von leben und lieben betonen möchtest, wäre eher ein Punkt angebracht.

Ich hoffe, jetzt ist es klarer

LG

Jo

 

Hi Vita,

habe gerade deine Gedanken gelesen,-klar- :D

Die Kommentare, reichlich vorhanden, lese ich nachher.

Ich habe wieder das Mädchen vor mir gesehen, wovon ich mir ein Bild gemacht habe. ;)
Ich freue mich sehr mit dir über deine Erkenntniss, wie schön das Leben sein kann.
Du hast erlebt, wie wichtig und schön es ist, aufeinander zuzugehen.

Ich wünsche dir von Herzen, dass du den Glauben daran nie verlieren wirst. :)

ganz lieben Gruß, col.

 

Hey Pied Piper,

danke schön. Ich kaufe mir eine bessere Brille... ;)

Hallo Col,

danke für den Kommentar! Wer weiß, vielleich treffen wir uns ja wirklich irgendwann mal (wenn ich das mit dem Stammtisch jemals auf die Reihe kriege :shy:).
Das mit dem Glauben wünsche ich mir auch...

gruß
vita
:bounce:

 

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