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Sonnenblumen
Ich wollte die Augen noch nicht aufschlagen, wollte nicht, dass die Sonne mit ihren weichen langen Strahlen aufhört, mein Gesicht zu kitzeln. In meinen Gedanken stellte ich mir vor, ich würde durch ein Feld, mit tausenden Sonnenblumen gehen. Stundenlang lief ich durch dieses Feld, bis ich schliesslich die Mitte gefunden hatte. Dort stand ein alter Brunnen mit vielen Löwenköpfen. Jeder von ihnen hatte sein Maul weit geöffnet und daraus plätscherte das Wasser, still und doch hörbar, in den Brunnen. Aber was jene Idylle vollkommen machte, war die junge Frau, welche auf dem Brunnenrand sass, in Ihrem roten Rock, die sonnengebräunten Beine eng übereinander geschlagen. Ich ging langsam auf sie zu, kein Nebengeräusch war zuhören, bis auf das ruhige und andauernde Plätschern des Brunnen und Vogelgezwitscher, das so nah schien und doch ferner nicht sein konnte.
Ein paar Sekunden schaute sie mich schweigend an, dann schweifte ihr Blick wieder zu den Sonnenblumen welche sich vor uns erstreckten. Ich setzte mich neben sie, schwieg auch. So vergingen die ersten Minuten, welche mir wie Stunden vorkamen. Ich wollte gerade meinen Arm um sie legen, als sie abrupt abbrach und mich wieder für ein paar Sekunden musterte. Tränen stiegen ihr in die Augen.
"Ich liebe dich... aber unsere Liebe hat in dieser Welt keine Berechtigung. Geh nun, Flieh soweit du kannst!"
Die letzten Worte verschluckte sie fast, oder vielleicht wurde sie auch von ihren eigenen Worten verschluckt, von ihrem Schmerz, welcher ihrem Gewissen aber unterlag.
"Sag so was nicht", flüsterte ich, "kommt mit mir, flieh mit mir, wir werden zusammen ein erfülltes und gutes Leben haben."
"Eben gerade das bezweifle ich, hätten wir uns unter anderen Umständen kennen gelernt, wärst du anderen Standes, ja dann wäre unser Glück perfekt, aber mein Vater... Er würde uns finden, dich töten und mich ... verstossen."
Und dabei brach sie wieder ab, ich schwieg und wartete bis sie fortfuhr.
"Er ist zu mächtig, man kann vor ihm nicht fliehen, sein Zorn wird schrecklich sein, seine Vergeltung noch grausamer. Wir leben in der falschen Welt, zur falschen Zeit, am falschen Ort."
"Ich weiss wer dein Vater ist, und glaub mir, das Risiko ist es Wert, und lieber stürbe ich, als dich in deinem goldenen Käfig zurückzulassen ohne jemals den süssen Duft der Freiheit gekannt zu haben."
Sie musterte mich wieder für ein paar Sekunden, bevor sie erwiderte:
"Deine Worte klingen wahr und ich bezweifle nicht, dass du mich liebst. Ich liebe dich auch, mehr als ich jemals jemand anderen geliebt habe..."
Ein plötzliches Schluchzen unterbrach ihren Satz. Ich nahm sie in den Arm und fuhr langsam durch ihr schönes dunkles Haar. Es dauerte eine Weile bis sie sich erholt hatte.
"Weisst du was, lassen wir es einfach drauf ankommen." Die Kehrtwendung ihrer Worte erstaunte mich und ich wusste, dass es einfach ein Kurzentschluss war. Doch ich fühlte mich zugleich auch so glücklich, dass ich nicht wagte, an ihren Worten zu zweifeln. Und die restlichen Stunden, bis die Sonne schon lange den Zenit überschritten hatte und sich anschickte, hinter den Hügeln zu verschwinden, zählten zu den schönsten meines Lebens, nie hatte ich die Liebe meiner Liebsten inniger gespürt.
Erst als es Abend wurde, die Abendröte schon unsere Gesichter erhellte, verliessen wir den idyllischen Platz - schauten in das brennende Firmament. Es wurde so heiss, dass ich schon spürte wie es meinen Bart zu versengen begann. Am Horizont wo sich der Himmel mit dem Feld voller Sonnenblumen schnitt, begann es und dehnte sich rasch aus. Eine riesige Feuersbrunst, die schnell und unweigerlich auf uns zukam. Meine Liebste machte nun schnell kehrt, liess mich alleine, und sprang in den Brunnen. Ich jedoch für meinen Teil - blieb zurück.
Ich hatte meine Augen immer noch geschlossen, doch ich fühlte den heissen Schweiss, welcher mir über das Gesicht ran. Ich spürte wie mein Bart in der Hitze, zuerst langsam, dann immer schneller, versengte. Ich wollte meine Hände heben, mir den Schweiss aus dem Gesicht wischen, meinen Bart befühlen, doch ich konnte nicht.
Und erst jetzt schlug ich meine Augen auf, sah wie der Pöbel auf mich einschrie, und sah sie in ihrem roten Kleid, erhaben auf der Tribüne sitzen. Ich vermochte ihr Gesicht nicht zu deuten; Traurig, Wütend, Glücklich? Ich konnte es nicht sagen. Ich wollte es auch nicht sagen, denn selbst meine Haare schienen nun schon lichterloh zu brennen.