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Spätsommerabend
An einem Ort wie diesem, so perfekt, dass es weh tut hinzugucken, die Farben leuchtend, unwirklich intensiv, die Sonne tiefrotgolden knapp über dem Horizont, der wildsüße Geruch zertretener Brennnesseln, in dieser so seltenen, singenden Stille, nur manchmal das Wispern der Pappelblätter, die Hände im Umgang mit den Brombeerranken so gefühllos wie das Herz, auch an diesem Ort. Während sich der Eimer füllt langsam Beere um Beere, auf Zehenspitze die Größten angelnd, mit dem mitgebrachten Spazierstock, denn eines hat sie doch von der Schwiegermutter gelernt, der damaligen, in die Brombeeren nimmt man einen Stock mit, denn die Dicksten, die Reifesten hängen oben, und auch die Nesseln, die immer durch die Beerenranken wachsen, können mit dem Griff unten herausgezogen werden, so das es erträglicher wird bei dieser mühsamen selbst auferlegten Plackerei, bei der es, wenn sie wirklich ehrlich ist, nicht darum geht, ob es dieses Jahr wieder reicht für jeden Morgen, die selbstgemachte Marmelade aus den begehrten Früchten. Es ist der Geruch beim Aufkochen, dieser Wahnsinnsduft, der das ganze Haus für diesen Moment des Marmeladenkochens zur Heimat macht, zu dem Platz zu dem man gehört.
Auch an diesem Ort, der so schön ist, dass es weinen macht, ist es laut im Kopf und die Fragen schweigen nicht still. Rundum ist alles eins und da schreit auch noch die Eule ihren hellen Jagdruf. Trotz des tiefen Sonnenstandes ist die Luft warm, und die Insekten sind noch ab und zu zu hören.
Nur das Drinnen friert und ahnt, das der Weg uns nicht zu uns hinführt und das keine Arbeit lohnt und das der Verstand dem Pfad der gelebten fünfzig Jahre nicht folgen kann und die Seele ihre Unschuld der Resignation opfert und das Herz fragt ob es sich noch regen will, wenn es weiß, das alles wiederholt wird und wiederholt. Und es ist ihr ihr Hunger bewusst, diese Gier nach Leben, und die Sehnsucht zu fühlen und die Angst vor dem Schmerz. Und sie pflückt und fühlt ihren versteiften Nacken und ihre zerkratzen Arme und ihre zerstochenen Finger.
Da steht das Kind auf, das auf dem Boden saß und wartete und irgend ein Spielzeug fand, eine Beschäftigung, die seine Zeit und seine Sinne füllte .Und es macht eine vage Bewegung in ihre Richtung und sie sieht das kleine Gesicht und diesen beinahe törichten Ausdruck darin und sieht die meerfarbenen Augen an ihr vorbei in eine unbestimmte Ferne blicken. Es sagt :„schön, nicht?“
Und da ist es ihr, als wäre es verwunderlich einfach
und so ganz in Ordnung.