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Spiegel
Der Rummelplatz war verlassen. Niemand fuhr auf den Karussells oder stand für die „Galaxie“ an, die Attraktion des Jahrmarktes, eine Achterbahn, welche den Kindern Freude bereitete, den kennenden Jugendlichen und Erwachsenen jedoch nur ein müdes Lächeln abgewann; vor den verrammelten Buden warteten keine Schlangen auf Eis, Bratwurstsemmeln oder Bier und nur das Klacken eines Schuhpaares übertönte das ferne Rauschen, der an der kleinen Stadt vorbeiführenden Autobahn. Der Heimkehrer, dem sie gehörten hieß Martin. Er hatte die Zwei-Promille-Hürde in einer nahen Kneipe genommen und daher den geraden Gang aufgegeben - lallend torkelte er an den Ständen und Fahrgeschäften vorbei, zwischen denen vereinzelte Straßenlaternen ihre kalten Kreise warfen. In der Luft lag noch immer der Geruch von gebrannten Mandeln, Zuckerwatte und dem Fett der Würstchen und Steaks - Jahrmarktsgeruch. Es war ein goldener Herbsttag gewesen, doch jetzt spürte Martin die Kälte des herannahenden Winters. Er musste an seine Schwester denken, bei der er wohnte - notgedrungen, da er kein Geld hatte. Sie würde ihm wieder eine ihrer Moralpredigten über den Alkohol halten.
Bei ihr war der Samen des Christentums auf fruchtbaren Acker gefallen, während er bei ihm auf steinigen Boden dahin vegetierte. Er hatte früh für sich entschieden, dass Gottesdienste und Gebete nicht zu ihm passten, was ihn jedoch nicht daran hindert hin und wieder ein Kreuz zu schlagen. Doch seit er bei seiner Schwester lebte, spielten die christlichen Gebote eine weit größere Rolle, als er ihnen von sich aus zu billigte. Seine Schwester nutze ihre Macht aus, indem sie versuchte ihm seine Laster abzuerziehen. Er bräuchte Geld, erst dann würde er wieder frei sein – frei von ihr und auch frei von diesem Gott, der viel von ihm verlangte, aber wenig dafür gab.
Ein plötzlicher Anfall von Übelkeit zwang ihn sich an der Stange eines Karussells festzuhalten, zu würgen, nicht wissend ob sein Mageninhalt an seinem Platz bleiben würde. Er atmete keuchend Dampfwolken in die Nacht und verfluchte sich, so viel getrunken zu haben. Doch er war einer von den Menschen, die erst handeln und dann denken; das nächste Mal bei dem es zu viel war, würde kommen. Nach einigen Minuten tat die kühle Luft ihre Wirkung und er richtete sich wieder auf.
Aber anstatt weiter zu gehen, um endlich ins Bett zu kommen, blieb er stehen und lauschte. In der Ferne war, ganz leise nur, das Spiel einer Geige zu hören. Er lauschte eine Weile, dann ging er in die Richtung, aus der er die Töne zu hören glaubte. Zweimal ging er falsch und die Klänge wurden leiser, doch abgesehen davon fand er sicher seinen Weg. Indes er der Quelle der Musik näher kam, wurde ihr Charakter immer deutlicher; es war eine wilde Melodie, deren Töne sich durch die Dissonanzen jagten und je lauter sie wurde, desto mehr steigerte sie sich in einen Irrwitz, der das Bild eines um ein prasselndes Lagerfeuer tanzenden Gnoms in Martins Kopf hervorrief; das Ganze hatte etwas entschieden Dämonisches.
Schließlich bog er um eine Ecke und blieb stehen. Vor sich sah er eine der Jahrmarktbuden, doch im Gegensatz zu den anderen, glühte ihr Name in roter Neonschrift in die Dunkelheit: Des Teufels Spiegelkabinett. Schemenhaft waren Illustrationen von gehörnten Dämonen mit Dreizack und einem Teufelshaupt samt Spitzbart zu erkennen. Und in dem überdachtem Eingang, neben dem Kartenhäuschen saß ein Mann auf einem Schemel und zog seinen Bogen wie wahnsinnig über die Saiten seines Instrumentes, derweil die Finger seiner Linken auf dem Hals der Geige tanzten. Mit offenen Mund starrte Martin das Männlein an, das seinem Bild vom irren Gnom so sehr entsprach: Es saß nach vorne gekrümmt da, den Kopf zur Seite geneigt. Sein Haupt war soweit man in dem schwachen Licht erkennen konnte nur spärlich von Haar bedeckt und die Schatten ließen seine Haut zerfurcht und alt wirken. Ein geteiltes Bärtchen stand ihm vom Kinn.
Plötzlich entdeckte der Gnom Martin, hielt inne in seinem Spiel, legte den Bogen beiseite und hob die rechte Hand zu einem Gruß. Seltsam war nur, dass er sie danach nicht wieder senkte, sondern sie weiterhin, die Finger leicht gekrümmt, als greife er nach etwas, erhoben hielt. Dann legte der Mann auch die Geige neben den Schemel und winkte Martin zu, der aus seiner Erstarrung befreit, ein Kreuz vor seiner Brust schlug, Überreste der Kindheit.
„Nun lass schon dein widerliches Kreuz und komm näher.“
Die Stimme des Mannes war von kindlicher Höhe, doch die Bosheit und der beißende Spott, die ebenfalls mitschwangen, hatten gar nicht von einem Kind.
Martin ließ also seine Hand sinken und trat näher. Als er nur noch zwei, drei Meter von dem Gnom auf seinem Sitz entfernt war, blieb er stehen und der Ziegenbart erhob sich. Martins Atem stockte und er schlug ein Kreuz vor der Brust. Die Augenhöhlen seines Gegenübers waren leer - dort wo sich bei einem normalen Menschen die Augäpfel befanden, spannte sich faltige Haut; doch war der Gnom nicht blind, in der Fläche seiner rechten Hand zuckte, einem Riss gleichend, ein rotes Auge mit Katzenpupille. Einen momentlang wollte Martin davon laufen, einfach rennen und sich im Bett verkriechen und vergessen, aber dann sprach der Gnom ihn an.
„Guten Abend der Herr, wollen sie unser kleines aber vom Teufel höchst selbst gesegnetes Spiegelkabinett begehen? Es kostet sie nichts, außer vielleicht ihre Seele, das aber hängt ganz von ihnen ab.“
Martin stand stumm.
„Na, was ist nun? Hat es dir die Sprache verschlagen? Fehlen dir die Worte nur wegen eines Männleins, welches sein Auge in der Hand anstatt im Kopf hat? Wenn dem so ist, solltest du sehen, dass du nach Hause kommst und alles erlebte dem Alkohol zuschreiben - dein armselig mittelmäßiges Leben weiterführen. Bist du jedoch mutig genug einzutreten, dann mag sich dein Schicksal auf bedeutende Weise ändern und Großes wird dir widerfahren. Wähle nun und verschwende nicht weiter meine Zeit.“
Martin zögerte. Als er jedoch an die ihn erwartende Predigt seiner Schwester dachte und daran, dass sich ihm hier vielleicht die Chance bot endlich frei zu sein, verschwanden seine Zweifel.
„Ah, kein Feigling. Hab es mir doch gleich gedacht: das ist Keiner, der sein Mittelmaß nicht zu ändern gedenkt; nur auf die rechte Gelegenheit wartet er noch. Nun denn, tritt ein.“
Mit diesen Worten griff er Martins Schulter und begleitete ihn vor die Tür ins Innere des Spiegelkabinetts, die mit einer Vision des Höllentores bemalt war: Durch ein halb offenstehendes Tor aus Eisenstäben war eine Ebene zu sehen, kein Strauch, kein Gras darauf, nur in der Ferne ein kahler Baum, mit grauer Rinde, in dessen Geäst schwarze Raben, mit roten Augen saßen; ein Skelet in einem Käfig hing an dem Baum. Martin spürte die knöcherne Hand durch seine Jacke und Ekel ergriff ihn; er macht sich los und stieß die Tür auf. Beim Hindurchschreiten meinte er das Männlein lachen zu hören. Er tat ein paar Schritte und die Tür fiel hinter ihm zu.
Dunkel war es hier, nur eine einzelne Lampe verbreitete ihr rotes Licht. Er stand in einem Gang, einem Gang, der viel zu lang schien für die Jahrmarktbude, welche Martin von außen gesehen hatte, er maß gut zehn Meter und am Ende wartete eine Holztür; die Wände waren aus Spiegeln. Zögernd ging er los, sah sich in den Spiegeln ins Unendliche reflektiert, sah sein Gesicht, mit den weit aufgerissenen Augen, die ihm brannten. Nach wenigen Schritten hörte er wieder das Geigenspiel des Männleins, durch die geschlossene Tür klang es dumpf, jedoch nicht weniger dämonisch. Sein Charakter hatte sich aber auch sonst verändert; war sie zuvor ein wilder Tanz, so war sie jetzt das Schlurfen eines Pestwesens, welches den Tod vor Augen, auch vor dem Leben anderer keinen Halt machte. Stockenden Schrittes ging er auf die Tür am Ende des Ganges zu; es widerstrebte ihm, aus einem Instinkt heraus, der Schreckensbilder an die Leinwand seines Bewusstsein warf, durch sie hindurch zu schreiten. Doch er drehte nicht um, er blieb nicht einmal stehen; eine Faszination hatte ihn befallen, die noch tiefer ging als der Instinkt, die Faszination von dem Schrecklichen und Bösen. Er stand vor der Tür, drückte die Klinke
Eine Finsternis herrschte hinter dem Türrahmen, dass ein Lichtstrahl, der nach ihr kommen sollte, nicht denkbar war. Die Dunkelheit waberte Nebel gleich aus der Türöffnung und ringelte sich um Martins Beine. Er sprang zurück, als er seine Füße von ihr verschluckt wurden. Dann sah er jedoch erfüllt von jener fatalen Faszination zu, wie Fühlern gleich sich Teile der Schwärze in den Gang schoben, sich schlängelten, an die Spiegelwände stießen, an diesen empor wuchsen, immer auf der Suche, schien es, nach der Lampe. Kurz bevor die Glühbirne verschluckt wurde fasste Martin sich sein alkoholisiertes Herz und schritt durch die Tür. Die Finsternis umfing ihn, betastete ihn wie ein lebendiges Wesen, drückte auf seine Augen, drang in seine Ohren und Nase, presste sich gegen seine Lippen, die er fest verschlossen hielt, erstickte ihn und nahm ihm dabei nicht nur den Sehsinn; er konnte auch nichts mehr Riechen und die Geige war nicht mehr zu hören. Es fühlte sich an, wie der Tod sein musste, das Ende aller Sinne. Wie sehr wünschte er sich einen Sinneseindruck, eine Wahrnehmung. Er wandte sich um, wollte raus, verschwinden, doch als er zu laufen anfing stieß er gegen eine Wand. Doch er fand keine Öffnung, strich nur immer an einer Oberfläche entlang, die er nicht spüren konnte.
Dann Licht, grelles Licht, gleißendes Licht, das unbarmherzig ins Auge drang, es zu blenden, Licht, das bis in den Schädel strahlte, die Gedanken verdorren ließ. Martin schlug die Hände vor die Augen und sah dennoch, was auf seiner Netzhaut eingebrannt war: Ein riesiger Spiegel, mehr als zwei Meter hoch und einem mit barrocken Schnörkel in Gold verzierten Rahmen, stand mitten im Raum; von ihm kam das Licht. Trotz des Gleißens konnte Martin auch erkennen, was in dem Spiegel zu sehen war – eine Momentaufnahme der Hölle. Dämonen, kranke Nachahmungen von Menschen, mit fließenden Formen und triefenden Eiterbeulen, Spott und Hohn auf ihren widernatürlichen Antlitzen, trieben ihr Schandwerk. Zwischen ihnen Menschen, deren Gesichter den Ausdruck überirdischer Qualen trugen: Münder soweit aufgerissen, dass die Wangen zu reißen drohten, Augen verdreht bis ins Unerträgliche – doch das Entsetzlichste waren die Wollust, die Ekstase, das Vergnügen welche sich auf ihnen ebenso wiederspiegelten wie Schmerz und Erniedrigung. Der Himmel war ein jeglicher Beschreibung spottendes Gewirr von Farben, die in einander flossen, sich durchzogen in Formen wider den Verstand - schillerndes Bild des Wahnsinns. In der Mitte des Spiegels jedoch thronte auf einem Berg aus Schädel der Herr der Hölle, aus dessen Augen das maternde Licht strahlte; jenseits der Sprache war er, jenseits menschlichen Geistes und Seele, die sich unter seinem Anblick krümmten. Martins Schädel drohte zu zerspringen; von Schmerz gepeinigt rollte er am Boden – kam doch zum Licht auch noch der Lärm und der Gestank. Ein Geschrei und Gejohle, ein Flehen und ein Gekreisch über alle Maßen laut hämmerte in seinen Kopf; auch er schrie, doch war er nur Teil des Ganzen, unmöglich heraus zu hören. Schwerer, faulig-süßer Geruch von Krankheit und Wollust bohrte sich in seine Nase, presste sich direkt in sein Gehirn. Zuckend lag Martin am Boden. Wie gnädig war doch die Sinnlosigkeit gewesen. Und eine Stimme drang durch das Getöse, drang durch es ohne es zu übertönen; schrill war sie, keifend. „Was willst du?“ Die Stimme kreischte in seinem Kopf, sprang echogleich darin umher. Martin schrie nur weiter ohne Worte.
„Sprich, bist du gekommen um etwas zu erlangen, etwas von mir zu erhalten, etwas zu erlangen? Nun sprich. Du bist doch hier weil mein treuer Diener dir etwas von Größe verheißen hat, von dem Außergewöhnlichen, das weit jenseits des Normalen und Öden existiert und welches das eigentliche Ziel allen menschlichen Strebens ist; will doch jeder von euch das Besondere, will es verkörpern, sich von den anderen abgrenzen, Einzigartig, das Extreme sein.“ Die Stimme hatte eine Übelkeit erregende Süße bekommen; die einzelnen Wörter tropften wie vergifteter Honig in Martins Gehirn.
„Ich kann es dir geben“, fuhr der Höllenfürst fort. „Aber ich habe meinen Preis und ich bin sicher du kennst ihn, erkannten ihn doch große Menschen vor dir und haben davon. Im Ausgleich dafür kann ich dir all deine Wünsche erfüllen. Du must sie mir nur nennen. Sprich also. Was willst du? Oder bist du feige, willst weiter ein Nichts sein, ein Teil der Menge aus der nur die Großen herausragen, Sklave deiner Schwester?“
Die Gedanken in Martins gemartertem Geist bewegten sich langsam und waren kaum gegen den Lärm der Hölle zu vernehmen, doch eine Gier fraß sich in ihn, befahl ihm seine Antwort; sie war stark diese Gier, duldete kein Nein, würde nur mit dem Geforderten zu frieden sein. Martin versuchte sich dagegen zu wehren, sein letztes Bisschen christliche Gottesehrfurcht, hinüber gerettet aus der Zeit seiner Kindheit, stemmte sich gegen das Verlangen der Sünde. Doch was ist schon ein kleiner Rest Kinderglaube gegenüber der Gier die der Satan in einem entfacht?
Die Worte brauchten lange, bis sie zwischen Martin bebenden Lippen entschwanden; sie bildeten sich tief in seiner Kehle, rollten nach oben, wurden, von der Zunge zurecht gepresst, in die Welt entlassen.
„Geld und Macht.“
„Geld und Macht. Na schön, nichts Großes, nichts Besonderes. Aber deswegen bis du ja hier. Es ist also abgemacht, du bist mein und Geld und Macht werden dein sein.“
Plötzlich waren Licht und Gestank verschwunden, der Lärm verklungen. Schlagartig ging es ihm besser und er stand mit zittrigen Beinen auf. Das Zimmer in dem er stand maß zwei Meter im Quadrat und war ebenso hoch, mit Metallwänden, an die er vorhin gestoßen. Der Spiegel war stumpf und Martins Bild nur undeutlich darin zu erkennen; durch die Türöffnung fiel das rote Licht der Lampe und zeichnete seine Umrisse nach. Leise war die Geige des Gnoms zu hören. Keine Dunkelheit wand sich in den Ecken. Nichts erinnerte mehr an die Hölle und Martin verließ der Glauben daran, dass er sie wirklich erlebt hatte. Er verließ den Raum durch die offenstehende Tür, ging den Spiegelgang entlang, öffnete die Tür an dessen Ende. Als er ins Freie trat, legte der Gnom sein Instrument beiseite und kam mit einem Lächeln, das seine fleckigen Zähne, auf ihn zu.
„Na, wer hat es denn gesagt. Hab ich mir es doch gleich gedacht. ,Das ist ein Mann von Format, der zwar noch klein, aber auf Größe aus ist und nur nach einem Weg sucht sie zu erreichen‘, hab ich mir gesagt. Allerdings dachte ich, du würdest deine Seele schon ein wenig teurer verkaufen. Aber manch einer ist eben bescheiden.“ Indes er redete wurde sein Lächeln immer breiter, bis es eine Grimasse des Spottes war.
„Nun denn, hier hast du dein Gewünschtes.“
Er hielt Martin zwei Koffer hin, einen großen, dunkel, mit rauer Oberfläche und Zahlenschloss am Verschluss und einen kleinen aus blanken Metall, dazu noch einen Zettel. Martin stellte beide Koffer vor sich und nahm das Papier in die Hand, auf dem in stark verschnörkelter, nach rechts geneigter Handschrift, die zu entziffern ihm Mühe bereitete, aber dennoch nicht der Schönheit entbehrte, geschrieben stand: „Eine sieben Billionen Dollar aus Simbabwe– etwa 1000 US-Dollar wenn sie schnell wechseln- kaufen sie sich was Schönes, und die Macht ihr Leben zu beenden.“
Martin ließ den Zettel fallen, der sofort vom Wind davon gewirbelt wurde, ein weißes Blatt in der Dunkelheit.
Hastig bückte er sich nach den Koffern, öffnete sie beide; in dem einen fand er gebündelte Scheine, im anderen einen Revolver. Er nahm die Waffe in die Hand; sie wog schwer, das rote Licht spiegelte sich auf dem blanken Metall. Er entriegelte die Trommel und schwenkte sie seitlich aus dem Gehäuse, nur eine der Kammern enthielt eine Kugel. Träumerisch spielte er mit dem Revolver, wechselte ihn von der linken in die rechte Hand und zurück, richtete ihn gegen sich, sah in die Mündung, ein Loch in die Hölle war sie jetzt.
„Ja, drück ab. Es ist ganz leicht, ein kurzer Zug mit dem Finger und alles ist vorbei oder alles fängt an, je nach Sichtweise. Nur ein leichtes Zucken. Ein leichtes Krümmen. Es ist nicht schwer. Es tut nicht weh.“
Der Gnom sprach mit kindlicher Begeisterung und als Martin sich zu ihm umdrehte, sah er, dass der kleine Mann sich die Hände in Vorfreude auf fliegendes Hirn rieb, noch immer das Hohngrinsen auf dem Gesicht.
Auch Martin lächelte jetzt, langsam drehte er die Waffe von sich weg und richtete sie auf den Gnom, dessen Mimik sofort in Entsetzen umschlug; sein Mund öffnete sich wiederholt als wolle er sprechen, doch kein Laut war zu hören, seine Brauen, über den Augenhöhlen, zogen sich nach oben, der Riss in der Hand weitete sich, füllte fast den ganzen Handteller aus.
Martin streichelte mit den Zeigefinger über den Abzug, jenem leicht gebogenen Stück Metall, das er nur zu drücken brauchte … nur zu drücken brauchte …
Die Kugel schmetterte über dem Nasenbein in den Schädel, riss beim Austreten ein hässliches Loch, spritzte Hirn und Blut an die Wand des Kassenhäuschen und blieb schließlich einen Stand weiter im Holz stecken. Der Gnom ruckte mit dem Kopf und kippte anschließend an die Wand, rutschte an dieser herunter, bis er zusammengesackt auf dem Schemel sitzen blieb, das Kinn auf die Brust gesunken; ein Blutrinnsal lief aus dem Einschussloch.
Martin verstaute noch immer lächelnd den Revolver in seinem Koffer und verschwand, ihn und auch das Geld mitnehmend, in der Dunkelheit.