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Spiegelschlaf

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16.09.2004
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Spiegelschlaf

Ihr Atem streift über meine Haut. Ihre Lippen berühren mich. Ihr Körper liegt auf mir, an mich gepresst. Ihr Geruch ist von Boudoir überdeckt. Wie ich dieses Parfum liebe. Sie schmeckt undefinierbar, aber gut.
Ich öffne meine Augen. Der Spiegel an der Decke wirft unser Bild zurück zu mir. Es ist merkwürdig, aber er lässt einen die Welt aus einem anderen Blickwinkel betrachten, den ich ohne ihn nicht hätte. Und sie ist unglaublich. Eine dieser Sünden, die mich fühlen lässt, dass ich lebe. Von hinten wie von vorne.
Ihr Körper ist braungebrannt, durchtrainiert, makellos. Ein Bikiniabdruck zeichnet sich ab. Sieht er bei andere billig aus, ist er bei ihr anregend. Ihre kastanienbraunen Haare glänzen leicht in der untergehenden Sonne. Ihr rundlicher Po bewegt sich kreisend auf mir. Ich kann es im Spiegel beobachten und wenn mich nichts erregt, dann das.
Sie richtet sich auf. Ich kann dadurch nicht mehr in den Spiegel sehen. Ihre blauen Augen blicken mich begierig an, beenden ein kurzes Vorspiel und führen mit einem Stöhnen in den ersten Akt ein. In Momenten wie diesen kann ich alles um mich herum vergessen. Es verblasst. Ich schmecke ihren Schweiß, spüre ihre Zähne in meinem Fleisch. Es folgten zwei weitere Akte. Sie ist eine unglaubliche Frau. So selbstsicher, mit völliger Hingabe und gleichzeitig, so verletzlich. Es gibt weniges, das besser ist als Sex mit ihr. Ich hätte gern noch weitergemacht, um nicht zurückzumüssen, aber merke wie es ihr reicht.
„Ich liebe dich“, sagt sie später. Ich blicke sie durch den Spiegel an und grinse.
Sie schmiegt sich an mich. Ein Arm hat sie um mich geschlungen. Bei ihr kann man bis zehn zählen und bei drei ist sie schon eingeschlafen.
Wie gern würde ich das auch. Ein Schauer an unendlicher Müdigkeit überkommt mich. Aber ich schaffe es einfach nicht – wie immer. Noch nich. Mit einem Anflug von Wehmütigkeit öffne ich meine Augen wieder.
Eine Frau blickt mir aus dem Spiegel entgegen. Sie lächelt. Es dauert einen Moment, dann lächle ich zurück. Strecke eine Hand in Richtung des Spiegels aus und würde sie doch nie berühren können, auch wenn sie immer dort sein wird. Wie lange habe ich versucht, von ihr loszukommen.
„Ich dich nicht“, flüstere ich leise. Die Worte hallen in meinem Kopf nach. Die Person im Spiegel lächelt immer noch. Wie das erste Mal. Irgendwann einmal habe ich geglaubt, dass es mich nicht mehr berühren würde, aber das ist Schwachsinn. Manche Dinge ändern sich eben nie. Kleine Grübchen haben sich um ihren Mund gebildet. Sommersprossen umrahmen eine kleine Stupsnase. Braune Augen strahlen mich warm an.
Man würde nicht sagen, sie wäre klassisch schön. Aber für mich hat sie etwas Unbeschreibliches, etwas Perfektes. Beinahe meine ich, ihren Geruch zu vernehmen, der sie innerhalb eines Augenblickes besser als alles beschreiben kann. Das Boudoir wirkt dagegen wie ein billiger Abklatsch, so unlebendig.
Das Lächeln ist aus meinem Gesicht gewichen. Was ich habe, will ich nicht und was ich will, werde ich nie mehr haben. Wie sollte man damit weiterleben können? Warum ist Liebe immer nur so essentiell? Möglicherweise wäre es besser gewesen, ich hätte sie nie kennengelernt. Dann hätte ich nie gewußt, wie es sein könnte, würde es nie vermissen und wäre glücklich. Dabei gibt es doch soviel anderes noch im Leben – sollte man meinen. Aber dieses Leben an der Oberfläche, was ist das auf die Dauer wert?
Einen kurzen Moment wird mir schwarz vor Augen.
So geht es also zu Ende, denke ich. Noch einmal den Sex gehabt, die Welt an der Oberfläche gekostet. Noch einmal sie gesehen. Könnte man sich etwas besseres vorstellen?
Beinahe amüsiert mich die Umstand. Ist es nicht eines der größten Wunder dieser Zeit? Schlaf, in Massen produziert und so billig. Eigentlich das Spiegelbild einer Gesellschaft, die vor sich selbst flüchtet. In der Illusion, Zuflucht finden zu können. Sinnlos, außer es soll die Ewigkeit mit einbeziehen.
Sie lächelt mich immer noch an. So nah und doch unerreichbar. Ich lächle zurück und warte, dass es eintritt. Ich kann nichts mehr falsch machen, die letzte Sünde ist begangen. Die erste hat mir das Leben geschenkt, die letzte würde es mir wieder nehmen. Irgendwie ein beruhigendes Gefühl, sehr beruhigend. Und ich merke, ich habe tatsächlich damit abgeschlossen.
Noch einmal schaue ich aus dem Fenster. Die Sonne ist zu einem Feuerball geworden, der mein Zimmer in ein rötliches Licht taucht. Auch sie geht unter. Doch wird sie wiederkommen. Ich auch? An einem anderen Ort? Mit ihr?
Ich blicke zurück in den Spiegel. Sie ist noch dort und wartet. Ich versuche ein letztes Mal ihr Gesicht in alle Einzelheiten zu studieren, ihre Augen, ihre Lippen, sie. Ich liebe dich, flüstere ich.

 

Hi tommy

Sieht er bei andere billig aus

mit völliger Hingabe und gleichzeitig, so verletzlich
komma weg

Noch nich
t

Beinahe amüsiert mich die Umstand

auch, wenn Umstand meistens was weibliches an sich hat,...

schöne Sehnsüchte. für eine geschichte sicherlich zu wenig und zu lapidar dahingeschrieben, aber schön traurige Gefühle.
ansonsten find ich hier nicht viel dran. keine Gründe. ich denke mal, sie ist tot, und er will zu ihr, sieht sie im Spiegel. aber da ist kein hintergrund, keine intensität ...

gruß

 

Hallo Tommy,

ich habe die Geschichte jetzt zweimal gelesen, und habe einiges auszusetzen. Aber nicht, weil ich mich Aris anschließe, sondern eine Gegenposition beziehe.
Die Geschichte ist gelungen, und hat weit mehr Hintergrund und Intensität als die meisten Geschichten hier, sie ist auch nicht zu wenig, oder lapidar geschrieben.

Mich persönlich würde es freuen, wenn du bestimmte Show Sätze ausgestalten würdest, "Wie lange habe ich versucht von ihr loszukommen" "Ist Liebe essentiell?" und vieles weitere. Es zu nennen schafft keine Stimmung- und genau das fehlt mir ein wenig an diesen Stellen.
Die Beschreibung des Sex ist recht anatomisch, ein wenig zu kalt, und die Beschreibungen der weiblichen Figuren zu sehr auf körperliches reduziert- mir fehlen hier Details, die eine Andeutung enthalten, wer die Person ist. Dafür hast du mir zu viele platte Beschreibungen wie Grübchen, Stubsnase und ähnliches drin.
Besonders haben mir einzelne Sätze gefallen wie "Schlaf, in Massen produziert, und billig", ..

Insgesamt hast du mir die Woche bei der KG gerettet, weil ich wieder eine besondere Geschichte gefunden habe.
Mach nur etwas mehr draus...

(Und ja, ich werde, wenn ich mehr Zeit habe, auch ein wenig konkreter werden)

Gruss

Bluomo

 

Danke Euch beiden für die Kritik:).

@Bluomo. Ich schließe mich dir vollkommen an. Deine Kritikpunkte stimmen vollkommen, blöd, dass ich es selbst noch nicht gesehen hab. Werde mich nochmal dransetzten:).

Thomas

 

Hallo Tommy,

na endlich, die Revanche. :)

Eine schöne Geschichte, mit schönen Gefühlen und voller Sehnsucht, hat mir gut gefallen.
An einigen Stellen wären vielleicht einige Details wünschenswert gewesen, v.a. über die (frühere) Beziehung deiner beiden Prots, allerdings halte ich das nicht unbedingt für nötig, weil es auch so funktioniert. Jetzt ist es allerdings noch sehr stark eine Momentaufnahme und wenn du das ändern möchtest, solltest du mehr in die Tiefe gehen.
Was Bluoma als "Showsätze" empfunden hat, habe ich etwas anders gesehen - mich haben diese Sätze auch gestört, aber hauptsächlich deswegen, weil du mit ihnen nur das wiederholst, was die Stimmung im Text sehr viel besser wiedergibt. Da habe ich ein bisschen den Eindruck, dass du deinen Lesern da sehr wenig zutraust oder aber nicht sicher bist, ob du die Stimmung richtig transportieren konntest.

Den Titel finde ich übrigens sehr gut. :)

Textzeugs:

Es ist merkwürdig, aber er lässt einen die Welt aus einem anderen Blickwinkel betrachten, den ich ohne ihn nicht hätte.

Den letzten Teil des Satzes würde ich streichen, wird aus dem Zusammenhang klar.

Sieht er bei andere billig aus, ist er bei ihr anregend.

anderen

Es gibt weniges, das besser ist als Sex mit ihr. Ich hätte gern noch weitergemacht, um nicht zurückzumüssen, aber merke wie es ihr reicht.

vielleicht besser „zurückzumüssen, aber ich merke, dass...“

Ein Arm hat sie um mich geschlungen.

Einen

Noch nich.

nicht

Strecke eine Hand in Richtung des Spiegels aus und würde sie doch nie berühren können, auch wenn sie immer dort sein wird.

Auch hier würde ich den letzten Teil des Satzes streichen, weil er dann stärker wirkt. Find ich.

Wie sollte man damit weiterleben können? Warum ist Liebe immer nur so essentiell? Möglicherweise wäre es besser gewesen, ich hätte sie nie kennengelernt. Dann hätte ich nie gewußt, wie es sein könnte, würde es nie vermissen und wäre glücklich. Dabei gibt es doch soviel anderes noch im Leben – sollte man meinen. Aber dieses Leben an der Oberfläche, was ist das auf die Dauer wert?

Ehrlich gesagt, würde ich diesen ganzen Absatz streichen. Er ist nicht schlecht, die Gedanken sind durchaus nachvollziehbar, aber irgendwie schwebt das alles in deiner Geschichte mit, ohne dass du es genau ausführen musst.

Beinahe amüsiert mich die Umstand.

dieser

Lieben Gruß
Bella

 

Hmm, hatte leider noch keine Zeit, die Geschichte zu überarbeiten. Jedenfalls danke für die Kritik, aber das hab ich dir ja schon gesagt:)!

Schöne Ostern:)

Thomas

 

Sehr schoene Schreibe!

"Schlaf, in Massen produziert und so billig. Eigentlich das Spiegelbild einer Gesellschaft, die vor sich selbst flüchtet. In der Illusion, Zuflucht finden zu können."

Gefallen mir sehr gut, diese Saetze.

 

So, jetzt komm ich sogar mal dazu, zu antworten:). Danke, dass du es schön fandest:)!

Tommy

 

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