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Spiel mit der Angst

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15.12.2006
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Spiel mit der Angst

Mein kleiner, grüner Kaktus stand mutig und aufrecht im Sand. Noch hatte er nicht die kleinste Vorahnung, dass er bald in ganz erheblichen Schwierigkeiten stecken würde. Der Rand seiner Wüstenei verlief sich in mannshohen Sträuchern und lichtlosem Dickicht, nur nach Norden hin ragte eine mächtige Düne über das Schlachtfeld.

Kleidsam in Schlamm und Olivgrün getarnt, lag ich bäuchlings auf der Erde und schob mich Zentimeter für Zentimeter näher heran. In meinen Augenwinkeln machte sich die Besonnenheit in der Ruhe vor dem Sturm aus dem Staub. Kein Wunder bei der Hitze. Der Geheimdienst hatte saubere Arbeit geleistet. Ich wusste, Operation Edwin stand unmittelbar bevor.

Gierig nach Beute lauerten zwei Nadelgestreifte auf einem Felsen hoch über den Ebenen in der Sonne. Der Erste, ein Alter mit buschigen Augenbrauen, hob langsam den Kopf und pfiff nur einmal kurz durch die Zähne. Plötzlich stahl sich ein eroberndes Lachen in die Stille, die verführerische Muse der Tapferkeit marschierte auf´s Feld. 90-60-90 spärlich verhüllt von unschuldiger Seide. Selbstverliebt rieb sie ihre uniformen Spindmaße im 4/4-Takt an den Panzerrohren und bezirzte Freund und Feind mit dem Lied vom gerechten Krieg. God´s Army keeps marching along. Zum Abschied sprach der Präsident und trieb der Nation die kollektiven Tränen in die Augen. Anerkennend sagte der Junge mit den prominenten Zähnen: „Er ist perfekt. Sieh nur, wie er von den Kindern Besitz ergreift. Wortlos nehmen sie Haltung an und salutieren ihren Vätern und Müttern, bevor sie in die Schlacht ziehen.“ Der Alte mit den buschigen Augenbrauen meinte gutgelaunt: „Ja, der Präsident war eine gute Wahl. Ein wirklicher Gewinn für uns. Er glaubt an das, was er sagt, deshalb lieben sie ihn.“

Sand rieselte vom Dünenkamm, erst zögerlich, dann in immer gewaltigeren Lawinen, der Vormarsch der gegnerischen Panzerreihen hatte begonnen. Riesige Abrams rollten auf mich zu, der Feind begann seinen Angriff auf meine löchrigen Verteidigungslinien.

„Mama, darf man einfach so ein fremdes Land überfallen?“ Ich richtete mich auf und sah Max, seinen besten Freund Moritz und Edwin hinter der Sanddüne sitzen. Max war sieben und schwer bewaffnet. Edwin war ebenso groß wie Max und mein alter, brauner Teddybär. Jede Nacht kuschelten Max, Edwin und mindestens drei andere Bären in meinem Bett gegen die Ängste an. Ich liebte es, den warmen, verwundbaren Körper meines Sohnes neben mir kampflos atmen zu hören.

Am Tag spielten sie Krieg und Edwin trug mein einziges Salatsieb. Ich fragte mich, wie sie es geschafft hatten, diesem gemütlich dicken Pelztier einen Pistolengürtel um den Bauch zu schnallen. Unter dem Arm hielt er eine schwarze Maschinenpistole. Für den Kampf Mann gegen Mann.

„Aber Mama, warum hat der Präsident es trotzdem gemacht?“ Ich spürte die stechenden Blicke der mächtigen, unsichtbaren Drohne noch aus zehn Kilometern Entfernung. Ihre schwarz glänzenden Flügel waren über mir aufgespannt. Um mich kreisend, scannten die durchdringenden Augen jeden einzelnen meiner unbewachten Gedanken und ihr Tanz übersetzte den Nadelgestreiften die kaltheißen Wellen, die durch meinen Körper zuckten, als Kapitulation. Ich wusste, dieses gespenstische Insekt observierte nicht nur meine Emotionen. Ein riesiger Schwarm schwebte durch die Atmosphäre und rund um den Globus waren die Gefühlsempfänger der Medienlabore pausenlos im Einsatz. Qualifizierte Propagandisten mischten daraus die weltumspannende Botschaft des Terrors und schickten sie, in konzentrierte Gigabytes verpackt, in die Schützengräben der Kommunikation.

„Aber Frau Lutz, wenn die ganze Welt zusammenhält, dann hat die doch eine viel stärkere Armee?“ Die Koalition der Unerbittlichen war also vollzählig, Moritz griff mich an der rechten Flanke an. Er trug eine gefleckte Militärhose mit Marmeladespuren und Grasflecken am Knie. Über das Gesicht hatte er sich einen schwarzen Windschutz gezogen.

Im Gegensatz zum Rest der Welt waren Max und Moritz sich einig. Dieses Gefecht wollten sie gewinnen. Im Planschbecken schlingerte mein silbernes Flugzeugträgertablett auf den Wellen, die mobile Basis für das Jagdbombergeschwader. Die gewaltigen Triebwerke tosten in meinem Bauch und brachten meine Erinnerung zum Vibrieren. Mach 2 war erreicht und ich wurde in eine Jugend, die einfach nur in Gut und Böse aufgeteilt war, zurückgebeamt. Die eine Hälfte von uns hielt das, was der anderen Hälfte die Inkarnation des Bösen war, entweder für gut oder für ein notwendiges Übel. Die Fronten waren eindeutig geklärt gewesen, ob es nun um Kapital, Franz-Josef Strauß, Pershings, Atomkraft, Nazis, Öl oder Che Guevara ging. Heute war es die Welt meines Kindes, in der es keine Graustufen gab, und ich suchte mühevoll die Antworten, die ihm die noch immer in mir schwelende Ohnmacht nehmen konnten.

„Mama, ich kauf mir ne Kalaschnikoff und bring den Präsidenten um.“ Aha, jetzt kamen die schweren Geschütze. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Schnell suchte ich Deckung im schützenden Bunker, während über mir Massen vernichtender Tennisbälle meinen kleinen, grünen Kaktus unter Beschuss nahmen. Seine Schieflage wuchs mit dem Gelächter von Max und Moritz. Irgendwann streckte er die Waffen. Die Kinder bejubelten ihren leichten Sieg.

Mit einem beruhigenden Lächeln lockte mich die Weisheit aus meinem Versteck und ich beschloss, die weiße Fahne schwenkend, ihr das Feld zu überlassen. „Waffenstillstand, Jungs?“ Sofort kamen sie angerannt und durchwühlten mein Marschgepäck. Gummibärchen, Kekse, Orangensaft, Brezen und Apfelschnitze landeten in ihren ausgehungerten Bäuchen. Sie kauten und wir redeten über Gerechtigkeit, das Recht auf Leben und das Unrecht des Tötens. Während sie die Erdnussflips leerfutterten, tauschten Max und Moritz ihr Wissen über Gaskammern, Giftspritzen und Guillotinen aus.

Die Friedensverhandlungen waren erfolgreich gewesen. Ich schickte meine Anspannung in die Wüste, legte mich zufrieden auf die warme Erde und sah der wundersamen Verwandlung der Kindersoldaten zu. Uniformen und Waffen flogen ins Gras, das Tablett war plötzlich wieder nur ein Tablett, die Tennisbälle waren einfach nur Tennisbälle. Ausgelassen tobten zwei kleine Jungen, nur mit ihrer Unschuld bekleidet, im Wasser. Der Garten war bis auf eine verlassene Stelle plötzlich lichtdurchflutet und bunt. Ganz langsam stand ich auf und wollte meinem alten braunen Bären die Maschinenpistole abnehmen, aber der Einsatz war noch nicht beendet.

„Mama, wenn der Hitler noch leben würde und du würdest ihm gegenüberstehen, würdest du ihn dann umbringen?“

Seelenruhig saßen die zwei Nadelgestreiften in tiefen Ledersesseln und schwenkten edle Gedanken über die Freiheit in bauchigen Gläsern. Sie waren unter sich. Erlesener, französischer Cognac leuchtete im Schein des Kaminfeuers, während Platon, Marx, Locke und Macchiavelli ihnen ohne Widerspruch in den hohen Regalen Gesellschaft leisteten. Der Alte mit den buschigen Augenbrauen war immer gründlich gewesen und hatte die Kunst des scheinbaren Arguments wie kaum ein anderer perfektioniert. Ein wahrer Meister seines Faches, hatte er sein süß schmeckendes Gedankengift unmerklich in die Nervenbahnen, Gehirne und Herzen der Menschen eingeschleust, die nun fähnchenschwenkend die Särge der toten Soldaten empfingen. Eine millionenköpfige Hydra lag bereit, erfüllt von eiferndem Pathos und er wusste, dass sein Kopf nicht mehr unersetzlich war. Der Junge mit den prominenten Zähnen war sein bester Schüler gewesen. Er liebte ihn wie einen Sohn. „Es ging mir nie um Geld, mein Junge.“

„Mama, wann kommt der dritte Weltkrieg zu uns?“ Max, Edwin, der Schlenkerbär, der kleine Bär mit dem rotgrün gestreiften Pullover und ich lagen unter meiner Decke eng aneinander gekuschelt. Max hatte Kinderlieder seltsamerweise nie gemocht.

Schlaf Kindlein, schlaf, dein Vater hüt´ die Schaf, dein Mutter schüttelt´s Bäumelein, herab, da fällt ein Träumelein. Flieg, Maikäfer, flieg, dein Vater ist im Krieg.

 

Hallo Forumsgemeinde,

mein erster Beitrag hier und natürlich freue ich mich über Kritik jeglicher Art.

melisane

 

Hallo Morphin,

na dann herzlichsten Dank für das nette Willkommen und fürs Lesen.

ja, die Mutti Anfang Vierzig und mit einem klaren Feindbild aus den 80ern :D

Tja, die Kleinen wissen dank Counterstrike und Battlefield und ein bisschen Phoenix für die Bildung *lach* unglaublich viel und haben eine extrem alttestamentarische Sicht der Dinge. Da kommt man schon mal in Erklärungsnöte :confused:

Freut mich, dass es Dir gefallen hat.

Liebe Grüße
melisane

 

Hallo Melisane,

gut formuliert, wenn ich auch so ein paar Details auch nach mehrmaligem Lesen der Absätze nicht so ganz verstehe ... Mit den diversen Perspektivwechseln machst du es deiner Leserschaft nicht gerade leicht ... dennoch sind wir in der Tat gespannt auf mehr.

LG,
N

 

Danke fürs Lesen und fürs Lob, Nicole.

Tja, das war sozusagen eine metaphorische Schreibübung. Dass da teilweise Verständnisprobleme auftauchen werden, war mir klar. Würde mich interessieren, welche Details Du nicht verstanden hast. Und bitte sag jetzt nicht: alle! :D

Liebe Grüße
melisane

 

Hallo Melisane,

ein paar Beispiele:

Warum taucht Mama im Kampfanzug auf?

Kleidsam in Schlamm und Olivgrün getarnt, lag ich bäuchlings auf der Erde und schob mich Zentimeter für Zentimeter näher heran

Hier ist das örtliche Szenario unklar:

Gierig nach Beute lauerten zwei Nadelgestreifte auf einem Felsen hoch über den Ebenen in der Sonne

Und nochwas: Wie kommt die Düne in den Garten?

Das sind so die Hauptpunkte meines Unverständnisses ...

LG,

N

 

Hallo Nicole,

danke der Nachfrage. Ich mag Texte, die nicht das grüne Gras der Wiese beschreiben, sondern ohne große Erklärungen die Thematik vorstellen. Dieser Text hier war ein extrem reduziertes Experiment in dieser Hinsicht :)

"In Schlamm und Oliv getarnt" sollte zum einen Mamas emotionale Befindlichkeit als auch das Kriegsszenario einführen.

Die beiden Nadelgestreiften agieren nicht in Mamas Garten, sondern in Mamas Kopf. Sie stehen symbolisch für die im Hintergrund agierenden Kriegstreiber, die - nur so als Beispiel :Pfeif: - einen amerikanischen Präsidenten dazu bringen, einfach mal so in ein anderes Land einzumarschieren.

Die Düne? Nun, auch sie ist natürlich Teil des Kriegsszenarios. In der Realität ist es vielleicht ein kleiner Hügel im Garten. Mama spielt hier das kindliche Spiel mit, alltägliche Räume und Gegenstände in Sekundenbruchteilen für Rollenspiele passend zu verändern.

Liebe Grüße
melisane

 

Hallo melisane,

im Nachinein alles klar und logisch. Reduktion birgt jedoch die Gefahr des unverständlich Bleibens ... die Gratwanderung der Rezeption eben.

LG,

N

 

Hi melisane

Ja, in der Tat gar nicht schlecht!

Die Perspektivwechsel sind nicht weiter schlimm. Ich konnte es recht gut lesen.

Und, würde deine Prot Hitler umbringen? Kommt der dritte Weltkrieg auf uns zu?
Da lässt du uns aber im kalten stehen. Um da Stellung zu beziehen, hat der Text wohl nicht genug Mut aufgebracht.
Aber das muss ja auch nicht sein, denn es gibt wahrscheinlich keine Antwort auf diese Fragen.
Wie gesagt: Netter Einstieg. Aber der Titel ist eher schwach.


lieben Gruß

 

Hi Aris,

auch Dir Dank fürs Lesen und für die Anerkennung.

Tja, ich dachte eigentlich, dass die Nicht-Antworten ausreichend im Text gegeben werden. Es geht ja nur vordergründig um die Ängste der Kinder, hintergründig geht es um das Gefühl der Ohnmacht bei der Mutter, die ja in einer ausgesprochen politischen Zeit aufgewachsen ist.

Würde sie Hitler umbringen? Das Bild mit der Hydra im letzten Abschnitt steht symbolisch dafür, dass es immer genügend Mitmacher, Mitdenker und Mitläufer gibt, so dass der Mord eines Tyrannen und Krigestreibers wirkungslos bleiben wird.

Mit der Bemerkung, der Titel würde nicht passen, hast Du mich jetzt so richtig kalt erwischt, denn er fasst ja den Grundgedanken der Geschichte zusammen - somit steht zu befürchten, dass diese, meine Botschaft nicht rüberkam. :(

Die Strippenzieher im Hintergrund, die Kriege dadurch rechtfertigen, dass Ängste geschürt werden. Ein Trick, der nicht erst in jüngster Zeit funktioniert hat, der aber natürlich durch die modernen Kommunikationsmedien mächtige Helfer gefunden hat.

Und ja, es gibt auf so viele Fragen keine klaren Antworten.

Liebe Grüße
melisane

 

Hallo melisane,

erst einmal herzlich willkommen und so. Ehrlich gesagt, hat mir deine Geschichte nicht gefallen, weil es in meinen Augen keine Geschichte, sondern ein Bericht ist. Dein Prot berichtet.

wir redeten über Gerechtigkeit, das Recht auf Leben und das Unrecht des Tötens.
Lass sie reden. Du quatscht als Ich-Erzähler den Leser in Grund und Boden. Du schaffst es irgendwie nicht, den Leser in die Atmosphäre eintauchen zu lassen, obwohl du so viel erzählst. Lass die Charaktäre mehr selbst handeln und sagen. Sie erzählen die Geschichte, nicht du.
Du hast die Geschichte in der Vergangenheit geschrieben. Wechsle bei deinen nächsten Geschichten lieber in die Gegenwart. Dadurch wird der Leser näher an das Geschehen gebracht.
Kleiner Tipp noch, versuch nicht, es jedem Kritiker recht machen zu wollen. Schreib wegen der Kritiken, die du bekommst nicht gleich die komplette Geschichte um. Mach es einfach bei der nächsten anders.

Ciao MiK

 

Hallo MiK,

erst einmal herzlich willkommen und so.
Und dafür herzlichen Dank.

Ehrlich gesagt, hat mir deine Geschichte nicht gefallen, weil es in meinen Augen keine Geschichte, sondern ein Bericht ist. Dein Prot berichtet.
Macht nix. Man muss nicht immer einer Meinung sein. Wir scheinen allerdings wirklich sehr unterschiedliche Auffassungen darüber zu haben, was genau ein Bericht ist. ;) Und da Dich der Text gar nicht erreicht hat, werde ich jetzt auch keine Rechtfertigungsversuche und Erklärungen zu Deinen anderen Kritikpunkten starten. Ich fürchte, wir kämen da auf keinen grünen Zweig.

Kleiner Tipp noch, versuch nicht, es jedem Kritiker recht machen zu wollen. Schreib wegen der Kritiken, die du bekommst nicht gleich die komplette Geschichte um. Mach es einfach bei der nächsten anders.

Öhm, ich wüsste jetzt nicht, wo ich mich für irgendeinen Kritiker verbogen hätte. Ich bin auch nicht hier im Forum, um mein Ego zu streicheln, sondern um ein Gefühl für die Wirkung meiner Texte zu bekommen, die ansonsten nur in der Anonymität meines Rechners existieren. - Und bin aus diesem Grund für jede konstruktive Anregung sehr dankbar.

Liebe Grüße
melisane

 
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Hallo melisane,

Macht nix. Man muss nicht immer einer Meinung sein. Wir scheinen allerdings wirklich sehr unterschiedliche Auffassungen darüber zu haben, was genau ein Bericht ist.
Ich bin freier Journalist. Diese Darstellungsform läuft mir also häufiger über den Weg. ;)
Und da Dich der Text gar nicht erreicht hat, werde ich jetzt auch keine Rechtfertigungsversuche und Erklärungen zu Deinen anderen Kritikpunkten starten.
Das sollst du auch nicht.
Öhm, ich wüsste jetzt nicht, wo ich mich für irgendeinen Kritiker verbogen hätte. Ich bin auch nicht hier im Forum, um mein Ego zu streicheln, sondern um ein Gefühl für die Wirkung meiner Texte zu bekommen, die ansonsten nur in der Anonymität meines Rechners existieren. - Und bin aus diesem Grund für jede konstruktive Anregung sehr dankbar.
Ist nur ein typischer Fehler von Leuten, die neu im Forum sind. Der Rat war mehr präventiv gemeint. Destruktiv sollte meine Kritik auch nicht sein.

Guten Rutsch

MiK

 

Hallo MiK,

Ich bin freier Journalist. Diese Darstellungsform läuft mir also häufiger über den Weg. ;)

Na denn, Kollege :lol: Bin allerdings schon erstaunt, was in manchen Redaktionen so als journalistischer Text durchgeht. :D

Und ebenfalls einen guten Rutsch.

melisane

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo melisane,

wir hatten noch nicht das Vergnügen, darum erst einmal ein herzliches Willkommen von mir.

Deine KG finde ich interessant, weil du kindliches Kriegspielen mit einem kritischen Erwachsenenblickwinkel gekonnt vermischt, und das im weiteren Verlauf durch unbefangene Kinderfragen erneut neu gewichtest. Metaphorisch leicht übergewichtig allerdings - etwas weniger wäre vielleicht besser/mehr gewesen. So beraubst du die Geschichte ein wenig um die Grundatmospähre (das Spielen im Garten), die nur stellenweise durchkommt, und so ein wenig in der Vielfalt verschlüsselter Anspielungen/Metaphern untergeht.

Vielleicht könnte man den Inhalt (obwohl ich diese Beurteilung immer etwas blutleer finde) in diesem Fall tatsächlich am ehesten als etwas "überambitioniert" bezeichnen. Du wolltest sehr, sehr viel in deiner Geschichte unterbringen. Das ist gut formuliert und liest sich interessant und am Ende hat man als Leser doch das Gefühl einer Übersättigung.

Dennoch und vielleicht gerade deshalb ist es ein Text, den man sich gern noch ein zweites Mal liest. Und abgesehen von den erwähnten Vorbehalten hat mich die Geschichte nachdenklich gestimmt, angesprochen und gut unterhalten.

Guten Rutsch.

Grüße von Rick

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo du Kriegsberichterstatterin ;),

Na denn, Kollege Bin allerdings schon erstaunt, was in manchen Redaktionen so als journalistischer Text durchgeht.
:aua: Autsch, gut gekontert. Was soll ich sagen, meine Chefs lieben mich. Die lassen bei mir fast alles durchgehen. :lol:
Aber :hmm: vllt kommt es doch einer Reportage näher. ;)

Ciao

MiK

EDIT: Aber lass uns über dieses Thema, falls nötig, über PN weiter diskutieren.

 

Hallo Rick,

auch Dir Danke für's Lesen und das herzliche Willkommen.

Vielleicht könnte man den Inhalt (obwohl ich diese Beurteilung immer etwas blutleer finde) in diesem Fall tatsächlich am ehesten als etwas "überambitioniert" bezeichnen. Du wolltest sehr, sehr viel in deiner Geschichte unterbringen. Das ist gut formuliert und liest sich interessant und am Ende hat man als Leser doch das Gefühl einer Übersättigung.

Ja, am Ende war ich wohl von Metaphern umzingelt und kam (und wollte) aus der Nummer nicht mehr raus. ;) Tja, wie hätte ich das Thema anders angehen können? Ein Kind-Mutter-Dialog erschien mir zu fade, da ja auch die Gefahr besteht, den Kindern auf der Suche nach Originalitat Worte in den Mund zu legen, die fernab jeglicher Realität sind. Die Gedanken der Mutter nur zu beschreiben, wäre zu einem platten politischen Statement geworden, wie wir es alle Tage bei einem Glas Rotwein absondern. So wurde es ein Versuch, den inneren Monolog und vor allem die Emotionen der Mutter zu transportieren. Ein "Ich hatte Angst." oder ein "Ich fühlte mich ohnmächtig." schien mir denn doch zu platt. :D

Dennoch und vielleicht gerade deshalb ist es ein Text, den man sich gern noch ein zweites Mal liest. Und abgesehen von den erwähnten Vorbehalten hat mich die Geschichte nachdenklich gestimmt, angesprochen und gut unterhalten.

Deine Vorbehalte sind für mich absolut nachvollziehbar, auch wenn ich im Moment keinen Ansatzpunkt sehe, wo die Geschichte zu glätten wäre. Dazu braucht es wohl ein wenig Abstand. Und ein Lob ausgerechnet von Dir ist mir ein Ansporn, weiterzuschreiben. Danke.

Ein besonderes Jahr mit vielen Inspirationen wünsche ich Dir.

Liebe Grüße
melisane

Ach ja, MiK, das machen wir, wenn nötig. ;)

 

Deine Geschichte, melisane, läßt mich zwiespältig zurück: Einerseits spricht sie eine Menge wahrer Probleme an, andererseits tut sie das nicht mit Entschiedenheit und mit zum Teil untauglichen Mitteln. Die Perspektivwechsel erschweren das Lesen der Geschichte, die zudem keine eigentliche Geschichte ist, sondern nur eine Aneinanderreihung von Statements, Betrachtungen und Fragen, die unbeantwortet bleiben. Mit anderen Worten: Hier wird nur sinniert über Gott und die Welt statt Stellung bezogen.

Das Arbeiten mit Ressentiments (“Gierig nach Beute lauerten zwei Nadelgestreifte“, „Sie waren unter sich. Erlesener, französischer Cognac leuchtete im Schein des Kaminfeuers“) bringt niemand weiter und die gesellschaftliche Kritik verpufft ungehört, der Leser denkt sich einfach „Na und? So ist eben die Welt.“

Und dann kommt auch noch die ultimative (und hier falsch gestellte) kindliche Frage aller Kriegsbefürworter und/oder Gerechtigkeitsfanatiker: Würde man Hitler umbringen, wenn man die Gelegenheit dazu hätte? Als ob damit das Problem aus der Welt zu schaffen wäre! Als ob ein Mann nur mit den Fingern zu schippen bräuchte, um aus sich einen Diktator zu machen, der fortan für alles, was in dem Land geschieht, allein verantwortlich wäre!

Diktatoren sind die Kinder ihrer Zeit, sind das Produkt eines bestimmten Denkens zu einer bestimmten Zeit*. Will sagen: Deutschland hat Hitler gewollt, wie Sowjet Union Lenin und Stalin gewollt hat. Oder Irak Saddam. Sie alle haben einen langen Weg zurücklegen müssen, bevor sie zu Diktatoren wurden. Sie wurden das, weil sie genau das taten, was Menschen damals wollten bzw. zuließen. Wenn das Volk sie nicht mehr will, ist der Spuk in Nullkommanix vorbei – nichts kollabiert schneller als eine Diktatur.

Diese Mechanismen in einer Geschichte darzustellen, könnte reizvoll sein. Ich meine, darzustellen, warum eine Mutter Friedenfertigkeit predigt, aber ungehalten wird, wenn ihr Sohn sich nicht mit Gleichaltrigen schlägt, sondern lieber weinend bei ihr Schutz sucht. „Sei ein Mann!“, das war und ist Parole aller Mütter und das Pommerlandlied die letzte Konsequenz und gleichzeitig die Verschleierung dieser Erziehung.

Dion

* Ein zukünftiger Diktator oder Kriegsherr braucht Fürsprecher: Gerade heute habe ich einen Artikel über die sogenannten Bellizisten gelesen. Das sind nicht nur die Herren in Nadelstreifen – übrigens ein Klischee, der zum Beispiel Margaret Theacher und Condoleezza Rice nicht gerecht wird -, sondern auch die mehr oder minder berühmten Befürworter des Irakkrieges wie Wolf Biermann ("Ich bin für diesen Krieg, damit das ganz und gar klar ist!") oder Hans Magnus Enzensberger („Wenn sich die Friedensbewegten ein Wort über den Sieg abringen, so klingt es gepresst"), die heute so tun als ob sie damals hintergangen worden wären bzw. als ob der Krieg schon gerecht wäre, nur die Vorbereitung auf die Nachkriegszeit sei „unter aller Sau“ (Enzensberger) gewesen. Technisches Versagen also, das entspricht genau der Argumentation des Kriegsherren G.W.Bush.

 

Hallo melisane,

Erstmal zum Text, dann habe ich den Inhalt auch nochmal für mich durch:

Der Rand seiner Wüstenei verlief sich in mannshohen Sträuchern und lichtlosem Dickicht, nur nach Norden hin ragte eine mächtige Düne über das Schlachtfeld.
Optisch ist dieses Wort Wüstenei Glatteis für den Leser.

In meinen Augenwinkeln machte sich die Besonnenheit in der Ruhe vor dem Sturm aus dem Staub.
Huch... ich kann den Satz drehen und wenden, wie ich will: Was willst du damit sagen? Wenn die Augenwinkel weg wären, könnte ich es verstehen, so aber habe ich zwei Bilder in meinem Kopf, die nicht zusammenpassen.
Jede Nacht kuschelten Max, Edwin und mindestens drei andere Bären in meinem Bett gegen die Ängste an. Ich liebte es, diesen warmen, verwundbaren Körper neben mir kampflos atmen zu hören.
Der Bezug irritiert. Du schreibst von Sohnemann und mindestens vier Bären, die zusammen mit der Prot im Bett liegen und dann beziehst du dich nur noch auf Max, ohne ihn zu nennen. Im Kopf habe ich aber auch noch die Bären.
Am Tag spielten sie Krieg und Edwin trug mein einziges Salatsieb.
Witzig.
Im Arm hielt er eine schwarze Maschinenpistole. Für den Kampf Mann gegen Mann.
Ich versuche mir das mit meinem alten Teddy vorzustellen. Im Arm ginge bei meinem nicht. Unterm Arm oder in den Armen schon.

Die Fronten waren eindeutig geklärt gewesen, ob es nun um Kapital, Franz-Josef Strauß, Pershings, Atomkraft, Nazis, Öl oder Che Guevara ging. Heute war es die Welt meines Kindes, in der es keine Graustufen gab, und ich suchte mühevoll die Antworten, die ihm die noch immer in mir schwelende Ohnmacht nehmen konnten.
Das ist mir zu sehr reflektierend.

Uniformen und Waffen flogen ins Gras, das Tablett war plötzlich wieder nur ein Tablett, die Tennisbälle waren einfach nur Tennisbälle.

Wäre es nicht sinniger, zu benennen, was das Tablett und die Tennisbälle vorher waren?

Er liebte ihn wie einen Sohn. „Es ging mir nie um Geld mein Junge.“
... Geld, mein

Tja, ein etwas schwieriges Unterfangen, eigene frühere Erfahrungen mit der Politik in Verbindung mit intellektuellen Fragen der eigenen Kinder zu resümieren, zu überdenken und den Kindern mit Hilfe eines inneren Echos aus alten Zeiten zu antworten. Die Umsetzung finde ich kreativ, wenn mir im Detail aber zuviel aus dem Off der Prot kommt.

Resumee: Eine erfrischende KG, auch, weil sie etwas anders daher kommt.
Das Schreiben jedenfalls liegt dir und ich freue mich schon auf weitere Geschichten von dir.

Lieber Gruß
bernadette

 

Hallo Dion,

Die Perspektivwechsel erschweren das Lesen der Geschichte, die zudem keine eigentliche Geschichte ist, sondern nur eine Aneinanderreihung von Statements, Betrachtungen und Fragen, die unbeantwortet bleiben. Mit anderen Worten: Hier wird nur sinniert über Gott und die Welt statt Stellung bezogen.
Zum Thema Perspektivwechsel führe ich eine Strichliste. Im Moment sind diejenigen, die sie anstrengend finden, noch in der Unterzahl. ;) Da ich in der Geschichte ein Oberthema aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln verarbeite, schienen sie mir notwendig, um diese beiden Ebenen klar voneinander zu trennen. Mein Grundgedanke war nicht Krieg oder Frieden, tot oder lebendig, sondern die Kommunikation. - Zum Thema Nicht-Stellungnehmen: Ich wollte keinen politischen Essay verfassen, sondern ja gerade die Hilflosigkeit der Mutter zeigen. Es wäre eher kontraproduktiv gewesen, hätte ich sie antworten lassen.

Und dann kommt auch noch die ultimative (und hier falsch gestellte) kindliche Frage aller Kriegsbefürworter und/oder Gerechtigkeitsfanatiker: Würde man Hitler umbringen, wenn man die Gelegenheit dazu hätte? Als ob damit das Problem aus der Welt zu schaffen wäre! Als ob ein Mann nur mit den Fingern zu schippen bräuchte, um aus sich einen Diktator zu machen, der fortan für alles, was in dem Land geschieht, allein verantwortlich wäre!
Dies ist keine kindliche Frage, sondern die Frage eines Kindes. Weshalb ist sie falsch gestellt? Und sie deckt gerade das Dilemma der Mutter auf. Diese Frage stellen Kinder, weil sie Angst vor dem Krieg haben und weil sie sich von der Antwort Sicherheit erwarten. Kinder denken nicht politisch und in historischen Zusammenhängen. Sie schaffen es, in einem Satz vom Irakkrieg auf Hitler zu kommen. Wollte ich einem Kind die Angst nehmen, ich müsste mit "Ja" antworten. Ja, Sohn, ich hätte Dich beschützt und ihn umgebracht. Meine tatsächliche und ehrliche Antwort war in diesem Fall: Ich lehne das Töten in jeder Form ab. Die nächste Frage: Aber er hat doch auch getötet?

Diktatoren sind die Kinder ihrer Zeit, sind das Produkt eines bestimmten Denkens zu einer bestimmten Zeit*. Will sagen: Deutschland hat Hitler gewollt, wie Sowjet Union Lenin und Stalin gewollt hat. Oder Irak Saddam. Sie alle haben einen langen Weg zurücklegen müssen, bevor sie zu Diktatoren wurden. Sie wurden das, weil sie genau das taten, was Menschen damals wollten bzw. zuließen. Wenn das Volk sie nicht mehr will, ist der Spuk in Nullkommanix vorbei – nichts kollabiert schneller als eine Diktatur.
Sollte ich das jetzt als Belehrung verstehen? :D Die entsprechende Antwort der Mutter ist in meiner Geschichte mit dem Bild der Hydra durchaus thematisiert.

Diese Mechanismen in einer Geschichte darzustellen, könnte reizvoll sein. Ich meine, darzustellen, warum eine Mutter Friedenfertigkeit predigt, aber ungehalten wird, wenn ihr Sohn sich nicht mit Gleichaltrigen schlägt, sondern lieber weinend bei ihr Schutz sucht. „Sei ein Mann!“, das war und ist Parole aller Mütter und das Pommerlandlied die letzte Konsequenz und gleichzeitig die Verschleierung dieser Erziehung.
Findest Du diese generalisierende Bemerkung jetzt nicht ein bisschen zu einfach? Diese Mütter hat es sicher gegeben, heute wird das Problem doch eher in der Feminisierung der Jungs gesehen. Ein Problem, dessen ich mir durchaus bewusst bin.

Das sind nicht nur die Herren in Nadelstreifen – übrigens ein Klischee, der zum Beispiel Margaret Theacher und Condoleezza Rice nicht gerecht wird -,
Wenn Du die Nadelgestreiften "männlich" interpretiert hast, lag das nicht in meiner Absicht. Ich bin sicher, Maggie und Condy haben ein Nadelstreifenkostüm im Schrank. Ich habe absichtlich nicht "Männer in Nadelstreifen" geschrieben.

Danke fürs Lesen und den aufschlussreichen Kommentar. Die unterschiedliche Wahrnehmung ist doch immer wieder spannend.


Hallo Bernadette,

Optisch ist dieses Wort Wüstenei Glatteis für den Leser.
Du meinst, wegen dem Wüsten-Ei? :D

In meinen Augenwinkeln machte sich die Besonnenheit in der Ruhe vor dem Sturm aus dem Staub.
Huch... ich kann den Satz drehen und wenden, wie ich will: Was willst du damit sagen? Wenn die Augenwinkel weg wären, könnte ich es verstehen, so aber habe ich zwei Bilder in meinem Kopf, die nicht zusammenpassen.
:confused: Jetzt haben wir ein doppeltes Verständnisproblem, weil ich Dein Nicht-Verstehen nicht verstehe. Ich habe ein einziges Bild im Kopf. Bitte sieh mir nach, dass ich es Dir nicht erklären kann.

Jede Nacht kuschelten Max, Edwin und mindestens drei andere Bären in meinem Bett gegen die Ängste an. Ich liebte es, diesen warmen, verwundbaren Körper neben mir kampflos atmen zu hören.
Der Bezug irritiert. Du schreibst von Sohnemann und mindestens vier Bären, die zusammen mit der Prot im Bett liegen und dann beziehst du dich nur noch auf Max, ohne ihn zu nennen. Im Kopf habe ich aber auch noch die Bären.
Erwischt! Da liest man es soo oft und es rutscht doch noch was durch :D

Ich versuche mir das mit meinem alten Teddy vorzustellen. Im Arm ginge bei meinem nicht. Unterm Arm oder in den Armen schon.
Auch diesen Einwand kann ich nachvollziehen.

Die Fronten waren eindeutig geklärt gewesen, ob es nun um Kapital, Franz-Josef Strauß, Pershings, Atomkraft, Nazis, Öl oder Che Guevara ging. Heute war es die Welt meines Kindes, in der es keine Graustufen gab, und ich suchte mühevoll die Antworten, die ihm die noch immer in mir schwelende Ohnmacht nehmen konnten.
Das ist mir zu sehr reflektierend.
Der Stilbruch an dieser Stelle ist mir klar. Ich wollte allerdings die politische Herkunft der Mama als Grundlage ihrer Gedankenbilder in der Geschichte kurz anreißen, daher erschien es mir notwendig.

Uniformen und Waffen flogen ins Gras, das Tablett war plötzlich wieder nur ein Tablett, die Tennisbälle waren einfach nur Tennisbälle.
Wäre es nicht sinniger, zu benennen, was das Tablett und die Tennisbälle vorher waren?
Hmm, das tue ich doch vorher in der Geschichte? :confused:

Danke für Deinen ausführlichen Kommentar und natürlich ebenso für das Lob.

Liebe Grüße
melisane

 

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