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Störung
Es ist Freitag Nachmittag. Ich sitze am Schreibtisch und brüte über einem Problem, zu dem mir keine Lösung einfallen will. Das Handy meldet einen Anruf. „Nicht jetzt!“ denke ich, „das ist bestimmt wieder der Kunde, dem erst am Freitag einfällt, dass seine Datensicherung schon seit Dienstag nicht mehr läuft!“ Aber eine Stimme flötet: “Guten Tag, hier ist Ihre Telefongesellschaft, meine Name ist..." (vergesse ich sofort), "...spreche ich mit Herrn Sowieso?“
„Ja, das tun Sie.“
Meine Gedanken überschlagen sich. Letzte Rechnung nicht bezahlt? Quatsch, die wird abgebucht. Neues Handy? Habe ich gerade bekommen. Manchmal sind ja die Kundendaten nicht vollständig oder falsch, da bekommt man schon mal etwas angeboten, das man gar nicht braucht. „Schön dass ich Sie erreiche. Für Sie als treuen Kunden habe ich ein besonderes Angebot: ..... “ Es folgt eine Aufzählung von Vorteilen eines Spezial-Tarifs. Den kenne ich schon längst aus den Flyern, die mit der Rechnung kommen. Außerdem ist er mindestens drei Monate alt und ich weiß, dass ich damit nichts sparen kann. An und für sich breche ich solche Anrufe ziemlich schnell ab, warum sollen wir unsere Zeit mit zwecklosen Gesprächen verschwenden? Doch diesmal zögere ich. Aus dem Handy quellen weiter wohlgestaltete Sätze. „Mein Gott!“ denke ich, „wer will mit einer Frau verheiratet sein, die so ohne Unterbrechung reden kann? Man kommt ja nicht zu Wort!“ Dabei klingt die Stimme nicht unangenehm, bisschen spröde vielleicht, mit leicht schwäbischem Einschlag. Gilt im Call-Center nicht striktes Hochdeutsch-Gebot? Ich lausche bis zum Schluss: „Sie müssen mir jetzt nur noch Ihr Kundenkennwort nennen, schon sind Sie freigeschaltet und können am Wochenende besonders günstig telefonieren!“
„Äh....,“ ich hätte der angenehmen Stimme gern noch länger zugehört, „das Handy nutze ich fast ausschließlich beruflich. Am Wochenende telefoniere ich eher wenig.“ „Das kann sich schnell ändern!“
„Also, ich wüsste nicht, wen ich am Wochenende anrufen sollte, Ihre Nummer kann ich leider nicht sehen...“
„Ich kann sie Ihnen ja geben.“
„Das wäre eine interessante Möglichkeit.“
„Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Ich gebe Ihnen meine Nummer und Sie schließen ab!“
„Dann zahle ich aber generell fünf Euro mehr im Monat?“
„Ja.“
„Dann schicken Sie bitte eine SMS mit einem Bild von Ihnen!“
Die Dame wirkt überrascht. „Ich bin einsfünfzig groß und wiege drei Zentner.“ „Einsfünfzig ist ok., nur an den drei Zentnern müssten wir arbeiten.“
„Wie groß sind Sie denn?“
„Einssiebzig.“
„Ich bin einsdreiundsechzig.“
„Das passt schon mal gut.“
„Vom Alter her würde es auch passen...“
Mein Gott, sie hat ja meine Kundendaten! Wo wird das enden?
„Das ist nicht fair. Sie sehen meine Kundendaten, ich weiß nicht mal Ihre Nummer!“ „Ich darf sie nicht rausgeben.“
„Wie bitte?! Ich soll abschließen und dann bekomme ich die Nummer trotzdem nicht? Das ist ja... typisch weiblich, erst versprechen und dann: April April! Das könnte ich auch anders nennen, ich will´s nicht sagen...“
„Sagen Sie nur, ich kann´s aushalten!“
„Hinterhältig!“
Endlich – sie lacht! Wie schön das klingt! Ich muss meinen Unmut spielen: „Hier in Bayern hätte mich das nicht überrascht, aber Sie sind aus dem Schwäbischen, oder?“
„Ich bin Badenerin!“ kommt die stolze Antwort.
„Oh ja, das ist ein Unterschied, Entschuldigung!“
Ich weiß noch immer nicht, ob die Badener die Württemberger nicht mögen oder umgekehrt oder beide einander nicht... Hier werde ich es auch nicht erfahren. Sie möchte das Gespräch gern abschließen und begibt sich wieder in sicheres Fahrwasser. „Möchten Sie das Angebot nutzen?“
„Wenn ich Ihre Nummer nicht habe, nutzt es mir nichts.“
„Ich darf nicht!“
„Das ist schade. So werden wir kein Team. Dann bleibt mir nur für das Angebot zu danken und Ihnen ein schönes Wochenende zu wünschen.“
„Danke, das wünsche ich auch.“
Die plötzliche Stille bringt mich langsam in die Wirklichkeit zurück. Auf dem Schreibtisch liegt immer noch das begonnene Programm. Nun habe ich endgültig keine Lust mehr. Ich muss noch an das Gespräch und die Stimme denken, stelle mir vor, wie die Frau, der diese Stimme gehört, wohl aussehen mag, träume.... Ich weiß nicht mal den Namen.
Es ist Samstag Morgen. Ich liege noch im Bett. Das Problem auf dem Schreibtisch wartet. Egal. Bisschen strecken und träumen, vielleicht kommt dann die Erkenntnis oder wenigstens der Elan. Das Handy meldet eine SMS: „Guten Morgen, hier ist Ihre Telefongesellschaft.“ Wow! Ich bin platt. Ich werde die Stimme doch noch mal hören. Willkommen in meinem Leben!