Was ist neu

Störung

Mitglied
Beitritt
26.08.2001
Beiträge
22
Zuletzt bearbeitet:

Störung

Es ist Freitag Nachmittag. Ich sitze am Schreibtisch und brüte über einem Problem, zu dem mir keine Lösung einfallen will. Das Handy meldet einen Anruf. „Nicht jetzt!“ denke ich, „das ist bestimmt wieder der Kunde, dem erst am Freitag einfällt, dass seine Datensicherung schon seit Dienstag nicht mehr läuft!“ Aber eine Stimme flötet: “Guten Tag, hier ist Ihre Telefongesellschaft, meine Name ist..." (vergesse ich sofort), "...spreche ich mit Herrn Sowieso?“
„Ja, das tun Sie.“
Meine Gedanken überschlagen sich. Letzte Rechnung nicht bezahlt? Quatsch, die wird abgebucht. Neues Handy? Habe ich gerade bekommen. Manchmal sind ja die Kundendaten nicht vollständig oder falsch, da bekommt man schon mal etwas angeboten, das man gar nicht braucht. „Schön dass ich Sie erreiche. Für Sie als treuen Kunden habe ich ein besonderes Angebot: ..... “ Es folgt eine Aufzählung von Vorteilen eines Spezial-Tarifs. Den kenne ich schon längst aus den Flyern, die mit der Rechnung kommen. Außerdem ist er mindestens drei Monate alt und ich weiß, dass ich damit nichts sparen kann. An und für sich breche ich solche Anrufe ziemlich schnell ab, warum sollen wir unsere Zeit mit zwecklosen Gesprächen verschwenden? Doch diesmal zögere ich. Aus dem Handy quellen weiter wohlgestaltete Sätze. „Mein Gott!“ denke ich, „wer will mit einer Frau verheiratet sein, die so ohne Unterbrechung reden kann? Man kommt ja nicht zu Wort!“ Dabei klingt die Stimme nicht unangenehm, bisschen spröde vielleicht, mit leicht schwäbischem Einschlag. Gilt im Call-Center nicht striktes Hochdeutsch-Gebot? Ich lausche bis zum Schluss: „Sie müssen mir jetzt nur noch Ihr Kundenkennwort nennen, schon sind Sie freigeschaltet und können am Wochenende besonders günstig telefonieren!“
„Äh....,“ ich hätte der angenehmen Stimme gern noch länger zugehört, „das Handy nutze ich fast ausschließlich beruflich. Am Wochenende telefoniere ich eher wenig.“ „Das kann sich schnell ändern!“
„Also, ich wüsste nicht, wen ich am Wochenende anrufen sollte, Ihre Nummer kann ich leider nicht sehen...“
„Ich kann sie Ihnen ja geben.“
„Das wäre eine interessante Möglichkeit.“
„Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Ich gebe Ihnen meine Nummer und Sie schließen ab!“
„Dann zahle ich aber generell fünf Euro mehr im Monat?“
„Ja.“
„Dann schicken Sie bitte eine SMS mit einem Bild von Ihnen!“
Die Dame wirkt überrascht. „Ich bin einsfünfzig groß und wiege drei Zentner.“ „Einsfünfzig ist ok., nur an den drei Zentnern müssten wir arbeiten.“
„Wie groß sind Sie denn?“
„Einssiebzig.“
„Ich bin einsdreiundsechzig.“
„Das passt schon mal gut.“
„Vom Alter her würde es auch passen...“
Mein Gott, sie hat ja meine Kundendaten! Wo wird das enden?
„Das ist nicht fair. Sie sehen meine Kundendaten, ich weiß nicht mal Ihre Nummer!“ „Ich darf sie nicht rausgeben.“
„Wie bitte?! Ich soll abschließen und dann bekomme ich die Nummer trotzdem nicht? Das ist ja... typisch weiblich, erst versprechen und dann: April April! Das könnte ich auch anders nennen, ich will´s nicht sagen...“
„Sagen Sie nur, ich kann´s aushalten!“
„Hinterhältig!“
Endlich – sie lacht! Wie schön das klingt! Ich muss meinen Unmut spielen: „Hier in Bayern hätte mich das nicht überrascht, aber Sie sind aus dem Schwäbischen, oder?“
„Ich bin Badenerin!“ kommt die stolze Antwort.
„Oh ja, das ist ein Unterschied, Entschuldigung!“
Ich weiß noch immer nicht, ob die Badener die Württemberger nicht mögen oder umgekehrt oder beide einander nicht... Hier werde ich es auch nicht erfahren. Sie möchte das Gespräch gern abschließen und begibt sich wieder in sicheres Fahrwasser. „Möchten Sie das Angebot nutzen?“
„Wenn ich Ihre Nummer nicht habe, nutzt es mir nichts.“
„Ich darf nicht!“
„Das ist schade. So werden wir kein Team. Dann bleibt mir nur für das Angebot zu danken und Ihnen ein schönes Wochenende zu wünschen.“
„Danke, das wünsche ich auch.“
Die plötzliche Stille bringt mich langsam in die Wirklichkeit zurück. Auf dem Schreibtisch liegt immer noch das begonnene Programm. Nun habe ich endgültig keine Lust mehr. Ich muss noch an das Gespräch und die Stimme denken, stelle mir vor, wie die Frau, der diese Stimme gehört, wohl aussehen mag, träume.... Ich weiß nicht mal den Namen.


Es ist Samstag Morgen. Ich liege noch im Bett. Das Problem auf dem Schreibtisch wartet. Egal. Bisschen strecken und träumen, vielleicht kommt dann die Erkenntnis oder wenigstens der Elan. Das Handy meldet eine SMS: „Guten Morgen, hier ist Ihre Telefongesellschaft.“ Wow! Ich bin platt. Ich werde die Stimme doch noch mal hören. Willkommen in meinem Leben!

 

Hallo tourist!

Könntest Du bitte zwischen den direkten Reden jeweils einmal die Enter-Taste drücken? Das liest sich so nämlich nicht sehr angenehm...;)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

hi tourist,

ich bin zweigeteilt. einerseits ist die idee, einen flirt mit einer call-center-agentin einzugehen, interessant. du lässt diesen versuch zunächst auch nicht glücken, denn eigentlich hat die agentin, die ja endlos viele telefonate führt, also von der routine zerfressen sein muss, nichts aussergewöhnliches an ihrem telefonierpartner entdeckt, um von ihrer routine abstand zu nehmen.
anderseits ist das zu wenig und zu wenig intensiv! dieses gespräch muss in die tiefe gehen. es muss dabei immer klar gemacht werden, dass die angestellte unter zeit und leistungsdruck steht. der mann (einer von unendlichen vielen) muss geistreich auf die telefonstimme wirken, so dass sie neugierig wird. DANN ist das ende so, wie du es geschrieben hast, perfekt.
erzählerisch ... also bei icherzähler sollte die wörtliche rede bei den selbstgesprächen weggelassen werden. die ganze geschichte ist nämlich ein selbstgespräch.
abschliessend möchte ich noch diesen satz kritisieren:

“Guten Tag, hier ist Ihre Telefongesellschaft, meine Name ist (vergesse ich sofort), spreche ich mit Herrn XYZ?“

das ist sehr schlecht!
XYZ ist ein äusserst ungünstiger name. namen können einer geschichte zusätzlichen charakter geben.
"(vergesse ich sofort)" kann so nicht geschrieben werden, du musst dafür die wörtliche rede splitten.
vorschlag: Guten Tag, hier ist Ihre Telefongesellschaft, mein Name ist", die Anruferin nennt mir ihren Namen, aber er entfällt mir flugs. "Spreche ich mit Herrn Birkenstock?" birkenstock ist der name, der mir jetzt spontan zu deiner geschichte eingefallen ist.

ich denke, an diese geschichte solltest du dich noch mal dranbegeben.

bis dann

barde

Ich sitze am Schreibtisch und brüte über einem Problem,
"einem" >> "ein"

„Nicht jetzt!“ denke ich, „das ist bestimmt wieder der Kunde dem erst am Freitag einfällt, dass seine Datensicherung schon seit Dienstag nicht mehr läuft!“

vor "denke" ein komma
hinter "Kunde" ein komma

„Wenn ich Ihre Nummer nicht habe nutzt es mir nichts.“
hinter "habe" ein komma

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo tourist!

Mir hat Deine kleine Geschichte sehr gut gefallen. Nette Geschichte, durch die wörtliche Rede schön locker und spritzig.
Barde hat in einigen Punkten recht, damit es noch autentischer wäre sollte das Gespräch etwas anders verlaufen. Den Satz mit den Namen würde ich ebenfalls abändern, der ist wirklich nicht gut.

Am Schluss würde ich ebenfalls etwas ändern: die letzten 3, 4 Sätze (alles nach der sms) könntest Du ruhig weglassen.

Ansonsten gelungene Geschichte!

schöne Grüße
Anne

 

Danke an Maus und Barde für Eure Anmerkungen. Hatte leider früher keine Zeit, ausserdem frage ich mich: Soll man Kritiken kritisieren?

Beim Namen stimme ich Euch zu, beim Vorlesen klingt "XYZ" wirklich nicht. Allerdings werde ich keinen Namen schreiben, ein Name an dieser Stelle kann den Fortgang der Geschichte nicht beeinflussen und ist an dieser Stelle auch überflüssig. Ein falsch gewählter Name könnte sogar die Stimmung zerstören.

Zitat:
--------------------------------------------------------------------------------
Ich sitze am Schreibtisch und brüte über einem Problem,
--------------------------------------------------------------------------------


"einem" >> "ein"


Dort, wo ich herkomme, sagt man: "Ich brüte ein Ei aus.", aber man sitz auf einem Stuhl und brütet über einem Problem.

Meine Geschichten leben vom dem, was unausgesprochen bleibt, so hat der Leser Raum für seine Fantasie.
Dass die Arbeit im Call-Center Stress und Leistungsdruck mit sich bringt habe ich hier mal vorausgesetzt, es sollte eigentlich bekannt sein.

Dass die Telefonistin mal nicht eine Absage in der Form: "Brauch´ ich nicht!" bekommt ist schon geistreicht genug, es ist ja auch nicht viel Zeit, das drückt auch der knappe Wortwechsel aus. Letztendlich sind es dann doch die Stimmen, die beide faszinieren, was könnte es auch sonst sein? Überflüssig, das noch zu beschreiben. Und dass sich die Telefon-Dame am nächsten Tag nochmal meldet - ein schöner Traum, nicht wahr?

Liebe Grüße

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom