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Steeplechase von Pardubice

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18.08.2005
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Steeplechase von Pardubice

Die Lautsprecherdurchsage dröhnt in meinen Ohren. Die grellbunten Trikotfarben der Jockeys stechen unangenehm in den Augen. Die Nervosität steigt von Minute zu Minute, bis es fast unerträglich ist.
Wie lange dauert es denn noch?
Ich bin eingesperrt in eine enge Box mit Gittertür, durch die ich die Bahn schon sehen kann. Die Tribünen. Menschen, überall Menschen. Lärm. Der Geruch von Angstschweiß. Nervöses Schnauben und Hufestampfen aus den Boxen neben mir, ein schrilles Wiehern.
Heute ist es wieder soweit.
Ein Knall - und die Gittertür vor mir fliegt zur Seite!
Mein Reiter bohrt mir die Stiefel in die Flanken. Ich schieße mit einem gewaltigen Satz aus der Box. Fünf anderen ist der Start besser geglückt, sie liegen sofort in Führung und nähern sich der ersten Hürde. Doch schon hole ich auf. Der Boden unter mir scheint zu beben.
Der erste Sprung! Ich drücke mich kraftvoll vom Boden ab und fliege hinüber.
Weiter! Hinter mir höre ich das Feld herannahen. Ich versuche, meine Galoppsprünge noch zu verlängern, doch ein unangenehmer Schmerz im Maul hält mich zurück. Offenbar will mein Reiter noch nicht, dass ich schneller werde.
Aber ich will!
Ich kämpfe gegen den Zügel, aber dadurch erhöht sich der Druck nur noch mehr. Doch schon kommt das nächste Hindernis. Eingekeilt zwischen zwei anderen jage ich weiter. Der Boden ist sehr tief, das Galoppieren ist so anstrengend, dass mein rasender Herzschlag fast den Brustkorb sprengt.
Wie lange kann ich das durchhalten?
Die nächste Hürde. Hinter mir höre ich ein lautes Krachen und einen panischen Schrei, aber ich kann mich nicht umsehen. Weiter! Nach vorn!
Vor mir laufen noch drei Pferde. Sie nähern sich dem neuen Hindernis.
Da! Einer hat es schon überflogen, der zweite setzt zum Sprung an.
Aber er springt nicht hoch genug, bleibt mit dem Hinterbein hängen - und stürzt. Sein Nachfolger ist zu dicht hinter ihm. Er kracht ungebremst in den gestürzten Vordermann.
Panik steigt in mir hoch, Erinnerungen werden wach.
Nein! Ich will da nicht rüberspringen!
Ich versuche, meine Galoppsprünge zu verlangsamen, aber mein Reiter knallt mir erbarmungslos die Peitsche auf den Rücken, zwingt mich, den Sprung weiter rechts von der Unglücksstelle zu nehmen. Ich strecke mich, so hoch ich nur kann, und – geschafft!
Doch weiter! Keine Sekunde Pause! Die nächste Hürde!
Sie ist noch höher als die anderen.
Das schaffe ich nicht! Nein! Ich will nicht springen!
Doch ich muß springen, um den Peitschenhieben zu entkommen. Beim Aufkommen knicke ich leicht mit dem Vorderbein ein, der Boden ist zu weich. Ein stechender Schmerz betäubt kurz meine Sinne. Doch ich fange mich wieder und galoppiere weiter.
Nicht anhalten! Nicht langsamer werden!
Vor mir ist nur noch ein Pferd. Der Druck in meinem Maul ist endlich weg, ich habe den Kopf frei. Ich gebe alles, kämpfe mich immer näher an meinen Vordermann heran, bis wir Kopf an Kopf in die Zielgerade einbiegen.
Doch kurz vor dem Ziel ist noch ein letztes Hindernis. Eine dichte Hecke.
Fast ist es geschafft!
Ich sammle noch mal alle Kräfte, stoße mich ab – und sehe plötzlich unter mir nur noch Wasser:
Hinter der Hecke ist ein Wassergraben verborgen.
Dieser Graben ist zu breit, einfach zu breit.
Ich habe nicht genug Schwung. Ich versuche noch, mich über dem Hindernis zu strecken, so weit es nur geht, aber – ich schaffe es nicht!
Meine Hufe landen im Wasser, die Beine brechen unter mir weg. Der Schmerz im Vorderbein wird unerträglich. Ich stürze kopfüber in den Graben, sehe meinen Reiter im Wasser, den Himmel über mir, höre laute entsetzte Schreie -

„Das Pferd ist tot“ stellt der Rennbahntierarzt fest, „Genickbruch.“
„Verdammt!“ flucht der Jockey „ausgerechnet am letzten Hindernis! Ich hatte den Sieg schon so gut wie in der Tasche!“

 

Hallo,
bin mir nicht sicher, ob diese Geschichte wirklich "seltsam" ist oder vielleicht doch besser in eine andere Rubrik paßt?

Gruß Sarotti

 

Ich kenne mich da nicht aus. Ist es wirklich so, dass Jockeys keine Beziehung zum Pferd haben und es ihnen schnuppe ist, was mit dem Pferd passiert? Keine Ahnung, jedenfalls klingt diese Gefühlskälte wie ein Einzelfall und nicht wie Standard. Vielleicht ist es aber auch absichtlich übertrieben dargestellt, um Dein Anliegen an den Leser zu bringen. Die Reaktion passt aber meines Erachtens nicht. Der Jockey hat ja schon das Rennen verloren, da muss er nicht die Diagnose des Arztes abwarten. Das weiß er schon. Der Tod des Pferdes ändert nicht plötzlich den Ausgang des Rennens. Sein Sturz war das Entscheidende. Von daher müsste eigentlich eine andere Reaktion kommen.

Ich weiß auch nicht, was Du mit dem Text auslösen willst? Mitgefühl? Bewusstsein für Tierquälerei? Vorsicht beim Rennsport? Allgemein tierfreundlicheres Verhalten? Dazu bleibt mir der Text zu skizziert. Das merkt man auch zum Schluss. Plötzlich wechselst Du die Perspektive. Klar, geht nicht anders, wenns tot ist, das arme Pferderl. Hättest Du aber von vorneherein bedenken können, ob das so wirkungsvoll ist. Mir gefällt der Wechsel nicht. Story ist zu pointiert, und dann sitzt die Pointe nicht einmal. Schade.

Ja, der Text passt wirklich nicht hierher. Ich würde für Sonstige plädieren.

 

Also ich bin zugegeben auch kein Rennsportexperte. Ich habe einen Artikel über dieses Hindernisrennen in Pardubice gelesen und war davon sehr beeindruckt. Dieses Rennen gilt weltweit als eines der härtesten Rennen und ist für die Höhe der Hindernisse berühmt-berüchtigt. Nur ein geringer Teil der startenden Pferde erreicht tatsächlich das Ziel, und viele sind während des Rennens gestorben. Um dort dann überhaupt an den Start zu gehen, muß man glaub ich auch als Jockey schon ziemlich gefühlskalt sein. Das war aber nur auf dieses Rennen bezogen und bestimmt nicht allgemein auf alle Jockeys.
Habe auch überlegt, ob ich den Perspektivwechsel am Ende weglasse. Hat mir aber irgendwie nicht gefallen. Vielleicht wäre es aber besser, den Satz des Jockeys einfach wegzulassen?
Mich würde allerdings interessieren, ob es mir denn halbwegs gelungen ist, die Perspektive des Pferdes gut darzustellen? Kann man das so machen?

Gruß, Sarotti

 

Ach so, na jetzt kann ich auch mit dem Titel etwas anfangen! Ok, wenn das speziell auf ein Rennen bezogen ist, dann liest sich der Text natürlich auch anders.

Die Perspektive des Pferdes? Nun ja, ich kann ja nicht in Pferde gucken. Also, an sich konnte man das gut verstehen, dass da ein Pferd denkt. Passt auch so, finde ich. Der Schreib- oder Denkstil ist nur sehr episch. Also ich würde es mir eher so vorstellen, dass das Pferd in Fetzen denkt. Das würde auch gut zum Rennen passen. Würde eine Hetzstimmung dabei rauskommen, wenn Du nicht ständig vollständige Sätze benutzen würdest. Verdeutlicht stärker die Anstrengung usw. Und vielleicht würde Dir ja dann auch mit diesem Stil ein neues Ende einfallen? Ich meine, wieso bleibst Du nicht bei der Perspektive des Pferdes und lässt so sein Leben, das Rennen und die Geschichte zu Ende gehen?

Wer weiß, vielleicht wirkt das besser.

 

Ja, das mit dem "in Fetzen denken" gefällt mir, könnte wirklich besser wirken. Werde das mal ausprobieren und dann die Geschichte ggf. noch mal überarbeiten.
Danke für Deine Kritik!

Gruß, Sarotti

 

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