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Sterben und Sterben lassen
Es standen drei Generäle im Zelt. Sie sind ein gewiefter Stratege, mein Freund. Angst machte sich breit. In der Mitte ein Tisch. Danke, Kollege. Todesangst. Darauf ein Stapel Karten. Ich hatte einen guten Lehrer. Darauf kleine Figuren. Kalter Schweiß lief über die Schläfen. Kleine Soldaten. Und außerdem haben wir genug Material zur Verfügung. Das Gefühl der Unbedeutsamkeit in der Masse der Uniformierten. Und Kanonen. Und eine erdrückende Übermacht, Herr General. Das Gefühl des nahenden Todes. Nein, oh nein, ihre strategischen Fertigkeiten sind geradezu außergewöhnlich! Wieso ließ er solches Gräuel zu? Sie haben unsere Reihen perfekt und wohl geordnet! Wie konnte er solches Chaos zulassen? Sie schmeicheln mir, Herr Kollege. Gott. Ihr Vater tat gut daran, sie auf die Militärakademie zu schicken. Gott, verdammt, warum? Ja, in der Tat, da hat ihr Herr Vater eine weise Wahl getroffen. Tränen. Mein Vater war immer sehr um mich bemüht. Heiße Tränen streiften die Wangen. Er hat viel von ihnen erzählt. Die Furcht durchfuhr alle Glieder. Und immer nur Positives. Und ließ sie zittern wie Espenlaub. Ihren Mut hob er stets besonders hervor. Der ganze Körper verkrampfte. Er neigte meist zu Übertreibungen. Ein heftiger Hustenanfall trieb die Luft aus den Lungen. Ach, junger Freund, ihre Taten an der Akademie sind weithin bekannt. Und entleerte den Mageninhalt auf die verdreckte und zerrissene Hose. Nur Gutes und sehr Wagemutiges sei über ihre Lippen gekommen, mein Freund. Das Herz fing an zu rasen. Ein aufgeweckter Kerl. Überschlug sich mehr als einmal. Immer schneller galoppierte es. Ach, schmeicheln sie mir nicht. Bis an den Rand des Wahnsinns. Noch nicht. Den Abgrund. Ich zweifle keine Sekunde an unserem Sieg. Die erlösende Schwärze am Ende allen Verstandes. Ein Mann mit ihrem Verstand macht keine Fehler. Er rang nach Luft. Was soll schon schief gehen? Kotzte immer wieder. Die Männer vertrauen ihnen, mein Freund. Verschluckte sich am eigenen Erbrochenen. Und wir tun es auch. Bekam kaum mehr Luft. Ihr Vater wäre stolz auf sie. Hustenanfälle. Danke, meine Herren. Immer wieder Hustenanfälle. Ich danke ihnen vielmals. Nur noch Augenblicke. Aber zurück zum Wesentlichen. Wenige Augenblicke. Ja, ein wenig Disziplin wäre bei aller Überlegenheit nicht fehl am Platze. Das Gewehr im Anschlag. Da haben sie in der Tat recht, Herr Kollege. Durchgeladen. Ihre genaue Taktik also? Bereit, ein Leben zu nehmen. Der Feind wird hier angreifen. Der Feind kam näher. Seine besten Truppen werden hier konzentriert zuschlagen. Und näher. Eine Schlüsselposition. Das Weiße in seinen Augen war zu sehen. Werfen wir ihnen unsere bestens trainierten Staatstruppen entgegen. Wäre zu sehen gewesen, wenn nicht die Tränen den Blick verschleiert hätten. Der Hügel muß gehalten werden, mein Wertester. Auf beiden Seiten. Durchaus nicht, Kollegen. Der nackte Wahnsinn. Wie meinen? Ein Krachen. Wir geben ihn auf. Die Kanonen hinter ihm begannen das Morden. Bitte? Mündungsfeuer durchzuckte die Nacht. Lassen sie den Großteil der feindlichen Armee den Hügel stürmen. Künstliche, todbringende Blitze rissen Wunden in die Finsternis. Wir kesseln sie dort ein. Einschlag. Das ist ein zu offensichtlicher Köder. Eine ohrenbetäubende Explosion. Wir stellen unsere Reservetruppen dort auf. Alles zerstob in tausend Richtungen. Sagen ihnen, sie seien das Rückgrat unserer Strategie. Dreck und Köpfe. Auf sie käme es an. Steine und Arme. Der Feind wird sie niedermachen. Gras und Beine. Sie einfach überrennen. Wasser und Blut. Aber sie werden kämpfen bis zum letzten Mann, mein Lieber. Schwärze und Tod. Im Glauben, wichtig zu sein. In Reichweite. Doch sie werden fallen. Er drückte ab. Und den Feind in die Falle locken. Ein kleines Mündungsfeuer. Sie sind ein Genie, junger Freund. Eine Kugel zischte über das Feld. Ihr Herr Vater hatte mehr als Recht. Klein und unsichtbar. Ungeheuer kluge Strategie. Dieb des Lebens. Sie werden fallen wie die Fliegen. Einschlag. Der Sieg ist unser, mein Gutester. Das rechte Auge des Gegners zerplatzte. Ein bestialischer Schrei. Und so leicht. Blut und Brei spritzte davon. Nein, leicht ist es wahrlich nicht. Das Rote floss in Strömen aus der Augenhöhle. Es ist schwer, mit fremdem Leben zu spielen. Gehirnmasse bedeckte die Gesichter seiner Kumpanen. Oh ja, in der Tat, eine schwere Bürde. Ein unhörbares Krachen, als die Kugel den Schädel durchbrach. Das Schicksal eines Generals. Er sackte zu Boden. So viel Verantwortung. Schreiend und die Hände zum Himmel. Da hat es der gemeine Soldat besser und merkt es gar nicht. Die Kugel traf den Nächsten. Und merkt es nicht. In den Hals. Hat nur sein Schicksal in den Händen. Ein Gurgeln. Wir das von Tausenden. Keine Stimme mehr zum Schreien. Oh ja, eine wahre Bürde für einen Mann. Blut, überall Blut. Ich fühle mit jedem Gefallenen mit. Auf die Knie. Wenn sie den Feind mit in den Tod reißen, ist der Tod es wert, gestorben zu werden. Die letzte Beuge vor Gott, dem Herrn. Schnell nachladen. Das ist wahr. Zu spät, der Feind ist zu nahe. Dennoch, ich vergehe in Trauer, Kollegen. Wieder die Kanone. Das ist der Preis den wir zahlen müssen. Diesmal Schrapnell. Dazu sind wir Generäle verdammt. Verrostete Nägel schlugen in die Körper des Feindes. Es zerreißt mich. Zerrissen sie in Myriaden von kleinen Fleischstücken. Ja, ich wünschte, ich könnte auf dem Schlachtfeld stehen. Ein wandelnder Haufen rostender Nägel wankte blutend auf ihn zu. Auf dem Feld der Ehre sterben. Schreie. Es ist soviel einfacher. Schrill, in Todesangst. Soviel ruhiger im Innern. Die stinkende Groteske eines Menschenkörpers fiel über ihn. Wünschenswert, mein Bester. Rost, Metall, Blut, Schlamm, Erbrochenes. Aber das ganze Leben ist wie ein Schlachtfeld. Dunkel ward es um ihn herum. Voller Leben, mein Freund, und doch einsam. Ein letztes Gebet an Gott, den Allmächtigen. Es ist Gottes Wille. Ein letzter Gedanke an die Liebste zu Hause. Haben sie Familie, mein teurer Freund? Dann wieder Blut. Ja, sie machen sich große Sorgen. Sein eigenes. Mein Vater kümmert sich um sie. Es brach ihm aus Mund, Nase und Ohren zugleich. Ein Gemisch aus Stolz und Furcht empfindet meine Frau. Die Augen quollen über. So muss es sein. Platzten auf und verteilten Eiter über dem, vor unmenschlichem Schrecken verzerrten Gesichte. Das Schicksal eines Generals. Grausamer, wahnsinniger Schrecken. Aber der Stolz überwiegt. Ein allerletzter Gedanke. Bei weitem. Die Welt war voll von Fürsten und Führern. Wir sind die Zukunft unseres Landes, das weiß meine Liebste. Sie blenden deine Augen. Sie weiß, daß die Gemeinen nicht ohne uns können. Und stehlen deine Träume. Wir machen ihre Wünsche wahr. Es ist die Hölle. Und ebnen die Erde für die Ankunft des Himmels. Hölle. Die Zeltplane am Eingang springt auf. Dann ein letztes Klicken. Was gibt es? Ein leises Donnern dringt herein. Das Licht ging aus. Die Nachricht vom Sieg. Sein Schädel platzte. Die Schlacht ist vorbei. Voll gepumpt vom rostigen Metall. Das Spiel ist aus, meine Herren. Aus der Kartätsche hinter ihm. Man klopft sich auf die Schultern. Wir haben gewonnen. Ein Fluß aus Blut rann über das Schlachtfeld. Rotwein. Lassen sie uns anstoßen. Und düngte den Tod mit dem Leben. Freudetrunken. Auf unseren Sieg. Auf die nächste Ernte. Auf unser aller Leben. Auf den Tod.
[ 14.06.2002, 21:46: Beitrag editiert von: falk ]