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Sternennebelnacht

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19.05.2015
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Sternennebelnacht

Ganz still liege ich auf dem Alptraumlaken, nackt und bloß. Ich fröstle, streiche den Schweiß glatt, halte die Augen fest geschlossen, um nach den Stimmen zu suchen, den Erinnerungen, die in mir toben, den guten, schönen zuallererst, finde Bruchstücke von Frühlingstagen und den Schreckenssturm des letzten Jahres. Der Duft der Fliederbüsche vor dem Haus dringt mir in die Nase. Amseln schwatzen miteinander. Ich müsste die Augen öffnen, die angsttränendurchtränkte Decke suchen, wage es aber nicht.
Meine Öffnung, die Scham zwischen den Beinen, kocht, redet mit mir, will mir trotz allem zurufen, dass ich lebe. Ich vergrabe mich tief in ihr, während ich Gedankensplitter zusammensetze, seufze, recke mich ihr entgegen, arbeite mit den Fingern an und in mir, will mich spüren, sacke auf das Kissen zurück, als ich es endlich geschafft habe. Dann öffne ich die Augen und sehe ihn. Das Urlaubsbild auf der Kommode, Karibikglück, erst zwei Jahre her, auf dem wir uns glückstrunken der Kamera entgegenrecken. Peters Augen wirken auf dem Foto wie graugrüne Lichtquellen. Jetzt besucht er mich in der Nacht als Geist und er sieht ganz grässlich rot aus, im Gesicht, selbst in den Augen. Ich frage mich, ob ich das Foto in der Schublade vergraben soll. Ich müsste aufstehen.

Warum hast du dich nicht verabschiedet, keinen Kuss, nichts, frage ich ihn.
Ich ahnte nichts, es geschah ohne Vorwarnung.
Mit dem Tod muss man immer rechnen, Peter!
Ein Unfall, Valerie, ein Unfall, kein einfacher Tod, das weiß man vorher nicht.
Du hast mich nicht umarmt, du hast mich überhaupt nie gern berührt.
Ich konnte nicht. Etwas hat mich abgehalten.
Und was?
Du bist so schön. Vielleicht deswegen.
Du hättest es sagen müssen.
Ja.
Und jetzt bist du seit einem halben Jahr weg.
Ich besuche dich in den Träumen.
Das reicht nicht. Ich bin so allein.

Peters Anwesenheit erschüttert, verwirrt, beseelt mich. Dennoch fühlt sich mein Kopf jedes Mal wie ein Kürbis an, der aus der Erde schwillt und nie zu wachsen aufhört, die Augen als wollten sie sich in die Höhlen versenken. Im Spiegel sehe ich ein Monster, eine Maske. Ich muss die Härchen der Augenbrauen kürzen, ausreißen, vielleicht alle entfernen und einen geschwungenen Bogen tätowieren lassen, überhaupt die ganze Erscheinung verändern, muss dringend zur Kosmetikerin, heute noch. Im Schrank suche ich nach den Manolo-Heels, dem Latex-Suit, den Halterlosen, nach all dem, was ich getragen habe, um ihn und mich selbst zu verführen.
Barfuß schleiche ich über das Parkett. Ich fröstle. Gänsehaut breitet sich aus. Auch die Härchen zwischen den Beinen werde ich mir heute entfernen lassen. Ich wärme mich an dem Wodka, den ich mir in den lauen Kaffee schütte, nehme das Telefon und vereinbare einen Termin. Ich denke pausenlos an Sex, jede Faser, jede einzelne Zelle schreit danach. Alles überwältigend muss es sich anfühlen, mich ganz ausfüllen. Vielleicht sollte ich mir eine Arbeit suchen, irgendetwas, das mich beschäftigt, Kollegen, deren Sorgen und Glück sich jeden einzelnen Tag in die Gesichter gräbt, ohne dass sie es wahrnehmen. Eine öde, vollkommen bedeutungslose Arbeit, am besten in einer Fabrik, das hat etwas Meditatives, eine innere Schönheit, und ließe die Zeit sanduhrenmäßig verrinnen. Frühmorgens zöge ich los, bei Dunkelheit käme ich nach Hause und die Wehmut hätte keine Zeit, sich aus ihrem Versteck zu wagen.
Ich klappe das Macbook auf, warte bis der Desktop erscheint, der gelbrote Herbstwaldhintergrund aufklart, die Steingipfel erscheinen, rufe die Seite auf, ein Anzeigenmarktplatz, wo man eine Putzfrau, einen Handwerker oder eine Affäre suchen kann und fange an zu schreiben.
Ich brauche es heute Nacht. Du kannst mich hart rannehmen, wenn du ein gepflegter Gentleman bist. Bedingungen: keine Namen, Treffen draußen. Du wirst es nicht bereuen. Ich bin attraktiv, meine Haut ist weich. Ich rieche und schmecke gut, bin kein Fake und nehme kein Geld.

Anfangs beschäftigte ich mich, hörte dem Pochen zu, das meinen Bauch durchtobte, den Geigen, die meine Herzblutbahnen füllten, las alle Bücher, die ich nie lesen wollte, kaufte Kleider, rote, schwarze, kurze, lange, ging spazieren, bis ich alle Waldwege kannte, warf mein Smartphone weg, damit keiner mich erreichte, legte die Briefe sorgsam in die Schublade der Frisierkommode, vor der ich mein Haar kämmte, das Gesicht beim Faltensammeln beobachtete.

Ein Nebel aus Traum- und Angstillusionen legte sich über Schattennächte, die sich endlos fortsetzten, bis du anfingst, mit mir zu sprechen.
Wie ist es dort, wo du bist?
Dunkel, sehr dunkel, rot wie der Rothko im Arbeitszimmer. Aber das macht nichts, das ist nicht das Schlimmste.
Warum?
Ich schließe die Augen, schlüpfe durch die Nacht, gehe unter frühlingsblauem Himmel spazieren, höre den Vögeln zu, betrachte die Blumen, die Kinder, flattere mit den Schmetterlingen und lasse mich im Wind treiben.
Das klingt so schön und einfach.
Dennoch fehlst du mir.
Immerhin reden wir miteinander.
Ja.

Die ersten Nachrichten treffen ein. Ich setze mich an den Schreibtisch, spiele mit Peters Füllfederhalter, frage mich, warum er mit schwarzer Tinte geschrieben hat, lasse ihn durch die Finger gleiten, erschnüffle die Reste des Bergamotte-Zitronen-Rasierwassers, das ich ihm geschenkt habe. Dann sortiere ich die Mails. Einige lösche ich sofort, so dumm, dreist, gierig, klingen die Sätze. Geile Schlampe, Sau, lese ich zitternd. Ein fauliger Geschmack breitet sich im Mund aus. Was habe ich erwartet? Ich beschäftige mich, bevor ich zur Enthaarung fahre, schneide die Triebe der Rosenstöcke, streichle an den Stängeln entlang, wässere die Blumen, den Rasen, atme die feuchte Erde, und versuche den Kopf zu leeren, den Dämonen zu entfliehen. Mein Blick streift die leeren Amselnester zwischen dem Efeu, der sich an der Wand rankt.
Die Kosmetikerin begrüßt mich mit Wangenküssen. Ihre Locken streicheln mein Gesicht. Sie riecht nach Aprikosen. Ihre Spinnenfinger fühlen sich wächsern an. Im Hintergrund läuft zarte Musik. Sie salbt, behandelt mich, sucht nach Unreinheiten, gleitet federnd über die Haut. Ich öffne mich. Sie entfernt die Haare, befreit mich.

Du siehst wie ein Engel aus, höre ich Peter sagen.
Ich habe die Anzeige aufgegeben.
Und?
Frag nicht, Peter! Du darfst mich nicht mehr so oft besuchen.
Ich muss.

Ich stehe auf, blättere Geldscheine auf den Tisch und verabschiede mich. Die Hitze glüht auf der Straße. Das Verdeck surrt vertraut, Scharniere knacken. Staub weht ins Auto. Die Sonne brennt sich auf die Stirn. Zu Hause finde ich weitere Mails. Bis auf eine lösche ich alle. Er nennt sich Jakob.
Sehr geehrte Unbekannte. Dominanter Gentleman möchte mit dir der Lust Flügel verleihen. Ich bin attraktiv und gepflegt, habe Zeit in der Nacht und freue mich auf deine Nachricht.
Ich schreibe ihm, bitte ihn um ein Bild, denke nach, weiß nicht, wie weit ich gehen soll. Dennoch gebe ich ihm die Belle-de-Nuit-Nummer der SIM-Karte, die ich besorgt habe.

Die Nacht wird warm. Ich kenne einen Ort, wo wir ungestört bleiben. Eine Gartensiedlung, schreibt er mir.
Ich will dich vorher beschnuppern.
In der Nähe ist eine Tankstelle. Dort können wir uns treffen.
Wir reden nichts. Und wenn du mir gefällst, komme ich mit. Welches Auto fährst du?
BMW.

Peters Traumweltzimmer liegt im hinteren Teil des Hauses, von der Sonne, vom Garten abgewandt. Die Tür steht offen. Sie blieb verschlossen, wenn er sich dort vergrub, sodass ich den Dielenbrettern zuhören musste, wenn er sich drinnen bewegte. Wahrscheinlich tanzte er, so rhythmisch klang es, wenn er auf und ab ging und ich, ich hörte einfach zu, fragte nicht, was und wie und warum. An den Wänden hängen Gemälde, Reproduktionen, Fälschungen eines Kopisten, keine Drucke, echte Farben. Über und untereinander, ein Mosaik ohne Zwischenraum, Rahmen an Rahmen, ohne erkennbare Ordnung, Farbenmeere neben Strichfantasien, Stillleben oder Fantasiegestalten, Van Eyck neben Kandinsky, Cezanne oder Picasso, zentral ein herzblutroter Rothko, den Peter besonders liebte. Das Bild strahle Energie ab, sagte er. Hier liebten wir uns, sobald sich die Tür öffnete. Nie an einem anderen Ort, nie im Schlafzimmer, nie zart. Die Bilder beobachteten uns dabei und bewahren seither Küsse und Umarmungen im Glanz ihrer Farben und tanzen mit den Erinnerungen, wie ich.
Wir folgten einem Ritual. Peter riss mich an sich, saugte sich fest, entkleidete mich, ein Kleidungsstück nach dem anderen, ganz langsam. Ich stellte mich an die Bilderwand, spreizte die Beine, bot mich an, verschränkte die Arme hinter dem Kopf, sog die Luft auf, füllte meine Lungen, mein Herz, mit Peters Nähe, bis er über mich herfiel. Wie viele Ewigkeiten ist das her? Die Sonnenjahre mit dir, Ferien voller Schweiß, Arbeitstage, die nach Minuten verstrichen, weil du mein Herz in der Nacht so sehr gesättigt hast. Unsere Liebe war ein trunkenes Meer, prall, hautfarben, lüstern, leicht. Erst jetzt verstehe ich, dass du dich auf ewig in meine Seele einbrennen wolltest. Von Anfang an.

Peter besucht mich nicht, bevor ich losfahre. Ich esse Lamm und Gemüse, trinke Riesling, der Quitten- und Zitrusfrüchteduft verströmt. Der Abend vergeht langsam, bedächtig, als wolle die Zeit selbst sich beruhigen. Ich höre Radiomusik, Salsa, Charts, fröhliche Sprecher, die den Sommerabend feiern, träume von sommerwiesensanften Tagen und Getreidefeldern, atme Hoffnung, bis es Zeit wird. Die Nacht weckt Schatten, brennt sich in mich, rot wie meine Lippen, pochend wie die Seidenhaut, die unter dem vorne durchgeknöpften Kleidchen pulsiert. Ich trage Strümpfe, keine Unterwäsche. Er muss mich brutal und ohne Zögern nehmen, schreibe ich ihm.

Der Wagen gleitet über die Straßen, während ich der Klimaanlage und der Navikunststimme zuhöre, an den Ledersitzen rieche und spüre, wie sie nach und nach meine Haut erhitzen. Die Silhouette der Stadt ergießt sich vor mir, Türme, Hochhäuser, bleiche Kirchen. Die Handtasche steht neben mir, darin alles, was ich brauche. Ich parke in der Nähe der Tankstelle, eine Straße weiter. Gleich dahinter liegt die Kleingartensiedlung. Bevor ich aussteige, setze ich die Federmaske auf, verwandle mich in einen Nachtvogel. 2.30 Uhr, wie vereinbart. Die Heels klappern über den Asphalt. Ich strecke den Rücken durch. Den SUV sehe ich von weitem. Neben der Wagentür steht ein hochgewachsener Schatten, an die Tür gelehnt, die Beine gekreuzt. Er schaut in die andere Richtung, wendet sich um und wartet auf mich. Ich streife mir durch die Haare. Der Schatten nimmt Gestalt an, ein Adlergesicht mit lächelnddunklen Ich-will-dich-ficken-Augen.
Da bin ich.
Sehr gut. Steig ein!
Er öffnet die Beifahrertür. Ich wische ein einzelnes, blondes Haar auf dem Sitz weg. Mein Kleid rutscht ganz automatisch hoch, die nackten Beine schimmern. Ich presse die Knie aneinander, winkle die Heels ab und berühre die Flauschteppichfußmatte. Die Armaturen blitzen auf, als der Motor anspringt. Er schnuppert in meine Richtung, nimmt Witterung auf, riecht, was ich will. Sein Gesicht wirkt durchsichtig, wächsern, die Augen rötlichschwarz.
Knie dich auf den Sitz und zeig mir den Hintern!
Ich schlüpfe aus den Schuhen, folge der Stimme, zeige ihm mehr Haut, recke mich ihm entgegen, drücke die Beine zusammen, damit er die Schamlippen erkennt. Anstatt etwas zu sagen, streichelt er mein Fleisch, gleitet über die Wölbungen, zwischen die Ritze. Die Hitze nimmt zu.
Setz dich, die Beine auseinander!
Er enttäuscht mich zum ersten Mal, aber ich sage nichts, ziehe die Heels wieder an, sodass die angewinkelten Knie nach oben ragen, öffne mich. Die Fahrt ist gleich zu Ende. Ich schaue auf die Straße, erkenne die Abzweigung zur Gartensiedlung, die blühenden Sträucher, die in der Nacht ihre Farben verloren haben. Woher kommt der Fliederduft? Aus den Lüftungsschlitzen der Klimaanlage oder von draußen? Der Motor erstirbt am Rand eines Gärtchens, in einer Parkbucht. Die Scheinwerfer gleiten über Büsche und Hecken hinweg. Die Handtasche schiebe ich weiter in den Fußraum, öffne den Verschluss, als suche ich etwas.
Steig aus und stell dich ins Licht!
Ich reiße die Tür auf, atme die Sommerschwüle, wanke los. Grillengezirpe begleitet mich. Dann richte ich mich auf, strecke den Körper dem Wagen entgegen, spüre aus der Ferne seine Erregung. Ich rieche mich selbst, den Chanelduft, den Schweiß, der sich auf der Haut bildet, den Amazonenstolz.
Knöpf das Kleid auf!
Die Stimme tönt, schneidet. Jakob handelt nach dem Drehbuch, das er sich zurechtgelegt hat. Hastig zerre ich an den Knöpfen, genieße das Licht, als der Stoffhauch zu Boden fällt. Ich weiß, was kommt, spüre es zwischen den Beinen. Vornübergebeugt hebe ich das Kleid auf und lege es auf die Motorhaube. Er steigt aus, kommt näher, während ich mich in einen Bogen, eine Brücke verwandle, den Unterarm abstütze und die Augen schließe. Blütenduft umsingt mich, verschleiert den Geruch des Autos. Ich lege den Kopf auf das warme Blech. Er kommt näher, nichts als Schwanz, nichts sonst.
Schlag mich jetzt, schlag mich, flüstere ich, so leise, an mich selbst gerichtet, dass er es nicht hören kann. Er bemerkt die Worte dennoch, zum Glück, vielleicht weil ich meinen Arsch wie eine Waffe schwinge. Dann spüre ich die Hand, rechts, links, im Rhythmus klatscht sie auf die Vulkanhaut. Ich schreie zum Himmel, Laute aus der Tiefe meiner Seele, in einer Tonlage, die ich nicht kenne. Blut schießt mir durch die Adern. Die Kehle trocknet aus, schreit nach Flüssigkeit. Fangarme bedrängen mich. Die Rauschtraumbilder weichen. Meine Seele rührt sich, Feuerströme durchglühen mich. Ich will, dass er den Gürtel nimmt. Stattdessen spüre ich seinen Knüppel. Seine Ausdünstungen, Schweiß, Nikotin, Bier, verscheuchen die Blütenfreuden. Er setzt an, versenkt sich in mir, dringt rasend schnell bis zum Rachen vor. Ich frage mich wie die Striemen aussehen, die er hinterlassen hat, werfe mich ihm entgegen, will, dass er mich hämmert, höre ihn stöhnen, grunzen und schreie lauter, um ihn zu übertreffen, weil ich ganz nah davor bin, der kleine Tod lauert. Ich zucke, zittere, als es geschieht, überrasche ihn, sodass er innehält, abwartet, sich aus mir entfernt.

Sekundenlang schnaufe ich durch, weite die Adern, höre das Herz pumpen und nutze den Moment, um mich von der Motorhaube abzudrücken. Dann öffne ich die Augen, blicke an dem Ich-nehm-dich-mir-Kerl vorbei, der vollständig angezogen an seinem Hosenschlitz herumfummelt, mich reglos beobachtet, zu den Sternen, zu Peter, der nach mir sucht. Nackt stehe ich im Mondsternenlicht, suche nach den Heels, gehe los, ziehe die Autotür auf. Ich greife mir aus der Tasche den Taser, drücke auf den Schalter und reiße mir die Maske vom Gesicht, damit er mich sehen kann. Noch bevor er reagieren kann, treffen ihn die Stromschläge. Er fuchtelt wie eine Aufziehpuppe mit den Armen, will etwas sagen, die Augen züngeln. Gerade als ich die die Maske abgenommen habe, geht er zu Boden und bleibt still liegen. Die linke Hand vergräbt er unter dem Körper, die rechte liegt abgewinkelt auf der Grasnarbe neben dem Schotter. Ich greife mir den Arm, betrachte die Hand. Wie schön sie ist, ebenmäßig, gerade, schmale Finger. Der Zeigefinger gefällt mir am besten, sogar der Nagel glänzt rein, manikürt. Ich nehme die Gartenschere und knipse ihn ab. Etwas Blut rinnt aus dem Stumpf. Das Seidenkleid fühlt sich warm an, als ich es ohne Hast zuknöpfe, die Heels überstreife und mich abwende.

Bis zur Tankstelle ist es nicht weit. Die Sterne leuchten heller auf der Heimfahrt. Ich werde Peter fragen, ob ich die Polizei anrufen soll. Schließlich hat der Kerl mich vergewaltigt.
Die Stille in Peters Zimmer halte ich kaum aus. Ich lasse alle Lichter erstrahlen, damit ich die Bilder besser sehen kann, schnüffle an ihnen, bemerke den Terpentinpetergeruch und fühle mich besser.

Wo bist du, Liebster?
Hast du dir geholt, was du brauchst?
Ja. Und ich habe uns was mitgebracht. Noch warm.
Wie letztes Mal?
Ähnlich.
Das ist gut.
Du hast mich nicht umarmt, du hast mich überhaupt nie gern berührt.
Ich konnte nicht. Etwas hat mich abgehalten.
Und was?
Du bist so schön. Vielleicht deswegen.
Du hättest es sagen müssen.
Ja.
Was machst du dort, wo du bist?
Ich schließe die Augen, schlüpfe durch die Nacht, gehe spazieren unter frühlingsblauem Himmel, höre den Vögeln zu, betrachte die Blumen, die Kinder, flattere mit den Schmetterlingen und spüre den Wind.
Das klingt so schön und einfach.
Dennoch fehlst du mir.
Immerhin reden wir miteinander.

Am Morgen verschwindet der Traumnebel. Ich bin allein.

 
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Ich klappe das Macbook auf, warte bis der Desktop erscheint, der gelbrote Herbstwaldhintergrund aufklart, die Steingipfel erscheinen, rufe die Seite auf, ein Anzeigenmarktplatz, wo man eine Putzfrau, einen Handwerker oder eine Affäre suchen kann und fange an zu schreiben.

Wusst ich das doch immerschon - Eros trägt eine Waffe ... und irgendwann wird der Kleine sich auch mal rasieren ... Sehnt sich doch jeder Jüngling nach.

Was für ein Werk zwischen Naturbeschreibung

Amseln schwatzen miteinander
dem prallen Leben, Liebe und Hass ...!
Meine Scham, die Öffnung zwischen den Beinen, kocht, redet mit mir, will mir zurufen, dass ich lebe
und dem Sterben, wobei die "Scham" auch ihre Doppeldeutigkeit zeigt als Pubes und Gefühl, und alles auch zusammen, wenn Rasur (i. S. von Enthaarung) mit der Beschneidung der Rosenstöcke sich paart.

Wahnsinn, zunächst kam ich mir vor wie ein Voyeur und wollte verschämt abbrechen ... und fasse zusammen, nicht Dürers Ritter, Tod und Teufel, sondern Isegrims etwas andere Version der Schönen, Tod und Rothko ...

Triviales

Allesüberwältigend ...
hab ich gar nicht so parat, ob sich die beiden zusammen vertragen. Guck ich nach ... (womit der zwote Besuch garantiert ist!)*

Komma zwischen Aufzählung übersehn

Ich beschäftige mich, bevor ich zur Enthaarung fahre, schneide die Triebe der Rosenstöcke, streichle an den Stängeln entlang, wässere die Blumen, den Rasen[,] atme die feuchte Erde, und versuche den Kopf zu leeren, den Geistergesprächen zu entgehen.
Und wenn du mir gefällst[,] komme ich mit.

Hier hattestu zwo Sätze ursprünglich angedacht
Die Überreste der Gier kleben an den Bildern., tanzen mit den Erinnerungen, wie ich.
alles spricht dafür, dass der Punkt weg kann, ansonsten sollte die Ellipse mit Großbuchstaben beginnen.

... und der Navikunststimme zuhöre, an den Ledersitzen rieche und spüre[,] wie sie nach und nach meine Haut erhitzen.

Die Heels galoppieren über den Asphalt.
Nee, nee, die Bewegung wäre der Galopp, die Hufe klappern dabei ...
Ich wische ein einzelnes blondes Haar auf dem Sitz weg.
Ich halt die Teile des Attributes für gleichrangig (also und oder Komma dazwischen), aber vielleicht findet sich ja noch ein einzelnes schwarzes oder ein zwoter blondes ...

So, genug Abendteuer für'n

Friedel

* Nachtrag:
Besser auseinander "alles überwältigend"!

 

Hallo Isegrims,

irgendwie hatte ich bisher zu deinen Geschichten nicht so richtigen Zugang, immer mal wieder was von dir gelesen, aber nie kommentiert, weil ich denke, dass es unangebracht ist, wenn es einfach nur meinen Geschmack nicht trifft.
Hiermit kann ich was anfangen. :) Hab mir die Tags angeschaut und mich gefragt wie das alles zusammenpasst.

Fast hätte ich aufgehört als ich bemerkt habe, dass die Frau ihren Partner verloren hat - so was kann ich ganz schlecht lesen, weil zu traurig. Hab die Zähne zusammengebissen und weiter gelesen und wurde nicht enttäuscht.

Ganz still liege ich auf dem Alptraumlaken, nackt und bloß.
Schöner Satz und das Wort „Alptraumlaken“ finde ich toll!

Der Geruch der Fliederbüsche vor dem Haus dringt mir in die Nase. Amseln schwatzen miteinander.
Starker Kontrast zu den negativen Gefühlen, die sie grade umklammern. Würde sie das so wahrnehmen? Würden die gutgelaunten Vögel da draußen nicht eher nerven?

Meine Scham, die Öffnung zwischen den Beinen, kocht, redet mit mir, will mir zurufen, dass ich lebe.
Vielleicht „meine Öffnung“, fänd ich irgendwie schöner.

Ich vergrabe mich tief in ihr, während ich Gedankensplitter zusammensetze, seufze, recke mich ihr entgegen, arbeite mit den Fingern an und in mir, will mich spüren, sacke auf dem Kissen zurück, als ich es endlich geschafft habe.
Also sie vergräbt sich in der Scham – dem Gefühl – und arbeitet aber mit den Fingern an der Scham – ihrem Körper. Ich vermute du spielst absichtlich mit dieser Zweideutigkeit? Ansonsten würde das vergaben für mich keinen Sinn machen.

Hmm, der Dialog. Ich weiß nicht so recht. Peter ist ja schon länger tot. Würden sie dann noch so Gespräche führen? Das müssten sie doch schon tausendmal durchgekaut haben? Da scheinen mir etwas zu doll die Infos für den Leser durch wie zum Beispiel:

Ein Unfall, Valerie, ein Unfall, kein einfacher Tod, das weiß man vorher nicht.
Und jetzt bist du seit einem halben Jahr weg.

Ich konnte nicht. Etwas hat mich abgehalten.
Und was?
Du bist so schön. Vielleicht deswegen.
Das finde ich ehrlich gesagt etwas albern. Ich würde jeden Mann auslachen, der mir so etwas sagt.

Monstermaskengesicht
Dieser Wortkreation gefällt mir an der Stelle irgendwie nicht so. Wirkt zu gewollt.

Ich muss die Härchen der Augenbrauen kürzen, ausreißen, vielleicht alle entfernen und einen geschwungenen Bogen tätowieren lassen, muss dringend zur Kosmetikerin, heute noch. Im Kleiderschrank finde ich den Lederrock, den Peter mochte.
Hier musste ich im Kopf etwas umsortieren. Im Nachhinein macht ihr Verhalten natürlich Sinn, aber ich habe sie als Frau gesehen, die es kaum aus dem Bett schafft. Da war mir der Sprung zur Kosmetikerin und Lederrock zu groß. Geht vielleicht nur mir so, aber irgendwie passt dieses verhalten nicht ganz zu der Frau, die es noch nicht mal schafft ein Laken aufzuheben.

Ich wärme mich an dem Wodka, den ich mir in den Kaffee schütte,
Gefällt mir.

Ich klappe das Macbook auf, warte bis der Desktop erscheint, der gelbrote Herbstwaldhintergrund aufklart, die Steingipfel erscheinen, rufe die Seite auf, ein Anzeigenmarktplatz, wo man eine Putzfrau, einen Handwerker oder eine Affäre suchen kann und fange an zu schreiben.
Im Nachhinein frage ich mich, ob das so Sinn macht. Wenn ich das richtig verstanden habe, macht sie das ja nicht zum ersten Mal. Gibt sie dann immer eine neue Anzeige auf? Hat sie nicht ein Profil in einem Sexportal und kann sich da einen Kandidaten rauspicken?

den Geigen, die meine Herzblutbahnen füllten,
Mit dem Bild kann ich nichts anfangen.

Bei dem Dialog bin ich verwirrt. Wenn ich die Sprecher zuordne, sieht das so aus:

Valerie: Wie ist es dort, wo du bist?
Peter: Dunkel, sehr dunkel, rot wie der Rothko im Arbeitszimmer. Aber das macht nichts, das ist nicht das Schlimmste.
Valerie: Warum?
Peter: Ich schließe die Augen, schlüpfe durch die Nacht, gehe spazieren unter frühlingsblauem Himmel, höre den Vögeln zu, betrachte die Blumen, die Kinder, flattere mit den Schmetterlingen und spüre den Wind
Valerie: Das klingt so schön und einfach.
Peter: Dennoch fehlst du mir.
Valerie: Immerhin reden wir miteinander.
Peter: Ja.
Peter sieht den Himmel und Blumen und Kinder? In seinen gedanken?
Und Valerie sagt: „Immerhin reden wir miteinander“? Vom Gefühl her würde das eher Peter sagen.
Oder ist da was verrutscht?

Dann sortiere ich die Mails. Einige lösche ich sofort, so dumm, dreist, gierig, klingen die Sätze. Geile Schlampe, Sau lese ich, zittere, während sich die Härchen an Armen und Beinen aufrichten. Ein fauliger Geschmack breitet sich im Mund aus. Was habe ich erwartet?
Auch hier wirkt es, als würde sie es das erste Mal tun.
Oder verstehe ich da das Ende einfach falsch?

Du siehst wie ein Engel aus, höre ich Peter sagen.
Ich habe die Anzeige aufgegeben. Und?
Frag nicht, Peter! Du darfst mich nicht mehr so oft besuchen.
Ich muss
Auch hier kommen die letzten drei Zeilen von der Frau oder? Er darf sie nicht mehr besuchen? Aber sehnt sie sich nicht danach?

Belle-de-Nuit-Nummer der SIM-Karte
Belle-de-Nuit-Nummer verstehe ich hier nicht.

Ich möchte deine Stimme hören, bevor ich dich treffe. ...
Warum möchte sie das? Spielt die Stimme eine besondere Rolle für sie? Ich kann keinen weiteren Hinweis darauf finden und überlege ob man den Absatz nicht weglassen könnte.

Peters Traumweltzimmer liegt im hinteren Teil des Hauses, von der Sonne, vom Garten abgewandt.
Ich überlege, ob ich diesen Abschnitt brauche oder ob er an dieser Stelle gut platziert ist. Mich hat er dort gestört, ich will ja wissen wie es mit dem Fremden weitergeht. Vielleicht an anderer Stelle platzieren oder kürzen?

Der Abend vergeht langsam, bedächtig, als wolle die Zeit selbst sich beruhigen.
Nicht eher „Sich selbst“?

Die Fahrt ist gleich zu ende.
Zu Ende.

Woher kommt der Fliederduft? Aus den Lüftungsschlitzen der Klimaanlage oder von draußen?
Kommt die Luft aus der Klimaanlage nicht auch von draußen? Ich verstehe nicht was du damit andeuten willst.

Steig aus und stell dich ins Licht!
Ich hab echt gedacht der fährt sie einfach über den Haufen. Ich warte ja noch auf den Horror. ;)

Fangarme bedrängen mich. Die Rauschtraumbilder weichen. Meine Seele rührt sich, ein Kugelstern, der sich sonst versteckt, um nicht erkannt zu werden. Feuerströme durchglühen mich.
Das ist mir etwas viel.

Stattdessen spüre ich sein Baseballding.
Was ist das Baseballding? Sein knüppelhafter Penis? Hört sich eher lustig an.

Noch bevor er reagieren kann, treffen ihn die Stromschläge.
Und er stirbt von dem Teaser? Eigentlich sollen die Dinger nur betäuben oder?

Ich werde Peter fragen, ob ich die Polizei anrufen soll. Schließlich hat der Kerl mich vergewaltigt.
Die Polizei würde sich wahrscheinlich wundern, warum sie einen Finger als Andenken mitnimmt.

Hast du dir geholt, was du brauchst?
Ja. Und ich habe uns was mitgebracht. Noch warm.
Wie letztes Mal?
Ähnlich.
Okay, sie braucht harten Sex und ... ähh. ... Finger? Weil Peter sie nie berührt hat, berührt sie sich jetzt mit den toten Fingern? Ich bin etwas verwirrt. Stört mich aber gar nicht so sehr. Habs gerne gelesen, habe die Frau in der Opferrolle gesehen und fands gut, dass es am Ende andersrum war. Auf ein paar Stellen hätte ich verzichten können, wahrscheinlich immer dann wenn es zu sehr in die Romantik abdriftet. :P

Vielleicht habe ich auch ganz viel nicht erkannt. Ich denke die Beziehung zu Frank spielt für dich eine große Rolle, nicht nur sein Tod treibt Valerie in den Wahnsinn, schon sein Verhalten vorher hat etwas in ihr zerstört und abhängig gemacht. Und jetzt sucht sie sich ähnliche Männer und nimmt, warum auch immer, deren Finger mit.
So wie sie sich verhält, müsste die Polizei sie aber ganz schnell finden. Aber egal.

Habs gern gelesen und hoffe du kannst mit meinem Kommentar etwas anfangen.

Liebe Grüße,
Nichtgeburtstagskind

 
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Hallo Isegrims,

grundsätzlich finde ich es immer gut, wenn Erotiktexte eingestellt werden, vor allem als Genremix (obwohl das hier kein Horror ist, sondern Krimi/Spannung, denn weder gibt es etwas Paranormales, noch extreme Gewaltbeschreibungen).

Vorab: Erotiktexte polarisieren den Stil – entweder sind die total auf schön/gebildet gebürstet, oder auf hart/prollig; im Register also entweder oberste Stufe (Hochsprache) oder unterste (Gossensprache). Die einen scheinen der Körperlichkeit eine Überästhetik entgegensetzen zu wollen („Nein, ich bin gebildet und sensibel, obwohl ich Sex schreibe!“), die anderen meinen, es würde durch krasse, grobe Ausdrücke besonders realistisch. Beides ist übrigens weit mehr ein Problem in Onlinetexten, als im Druck.

Dein Stil fällt in die erste Kategorie, und daraus hilft auch nicht die eingeschobene Gewalttat hinaus. Ich mag mich total irren, weil mir dein Stil ansonsten nicht so vertraut ist, aber die ‚kreativen‘ Ausdrücke hier hören sich für mich leider total gewollt an, und nicht wie in einem natürlichen Schreibfluss entstanden. Und dadurch fällt es mir sehr schwer, den Inhalt und die Prota richtig ernst zu nehmen. Irgendwie klingelt es immer in meinem Hinterkopf „so kann kein Mensch das sagen wollen“, selbst wenn die Prota ein bissl anders tickt.

Zum Text:

Ganz still liege ich auf dem Alptraumlaken, nackt und bloß.
-> Das Alptraumlaken, ist das eines, auf dem sie automatisch Alpträume kriegt, oder zieht sie das auf, wenn sie welche haben möchte? ;-) Die Wortschöpfung klingt in der ersten Sekunde ganz gut, ergibt aber eigentlich überhaupt keinen Sinn.
Nackt und bloß ist dasselbe. Zwei Worte hier sind vom Klang her nötig, aber dann sollte eins etwas anderes aussagen.

finde Bruchstücke von Frühlingstagen und den Schreckenssturm des letzten Jahrs
-> Puh, die Bruchstücke ... und Schreckenssturm? Das ist sogar für High Gothic zu viel. Wenn man das übertreibt, kann es schnell ins Lächerliche kippen, und für mich passiert das, was gleich am Anfang ungünstig ist.
-> des Jahres

Ich müsste die Augen öffnen, die Decke suchen, die zerwühlt und durchtränkt Tränen und Wut aushalten musste, wage es aber nicht.
-> Den Satz außerhalb des Einschubs finde ich richtig gut, die Mitte ist verschwurbelt: die Bettdecke musste Tränen aushalten? Das ist kein stimmiges, schönes Bild (auch nicht, im symbolhaft-übertragenen Sinne), sondern eine ziemlich simple Tatsache in den Alpenkitsch überhöht.

Meine Scham, die Öffnung zwischen den Beinen, kocht, redet mit mir, will mir zurufen, dass ich lebe. Ich vergrabe mich tief in ihr, während ich Gedankensplitter zusammensetze, seufze, recke mich ihr entgegen, arbeite mit den Fingern an und in mir, will mich spüren, sacke auf dem Kissen zurück, als ich es endlich geschafft habe.
-> „Scham“ – die Doppeldeutigkeit mit schamhaft macht es mir nicht leicht, hier emotional mitzugehen. „Öffnung zwischen den Beinen“ – super distanziert. Zumal im wahren Leben die Öffnung ja gar nicht offensteht. Selbstliebe als Arbeit und das Scheitern eines intensiven Körpergefühls ist tragisch genug, um die Probleme der Prota schonmal anzudeuten (das bestätigt sich später in der Art, wie sie Sex spürt, bzw. nicht spürt). Dass dann die Erzählerin da auch noch „Gedankensplitter“ reingrätscht, bringt die Szene wieder vom Szenischen zur Autorenebene, denn da ist eines dieser Worte die sich für mich mühsam ausgedacht und auf ‚hübsch‘ da reingedrückt anhören. Wenn eine 'Gedankensplitter' denkt, während sie sich selbst befriedigt, macht sie was nicht richtig.

'Die Scham kocht' - ich habe Lilins A Siberian Education gelesen, und jetzt wird mir echt übel. Aber dafür kannst du nichts. Man kann beim Schreiben nie wissen, was für Assoziationen die Bilder bei anderen auslösen. Hier ist für mich die einzige wahre Horrorstelle, nur, dass das gar nicht deine Intention war.

Das Urlaubsbild auf der Kommode, Karibikglück, erst zwei Jahre her. Glückstrunken recken wir uns der Kamera entgegen, die wir dem Strahlemädchen am Strand in die Hand gedrückt hatten. Peters Augen lächeln grau und lichtern zur Kamera.
-> Die markierten Begriffe finde ich – sorry – wirklich furchtbar. ‚Lichtern‘ bedeutet laut Duden: leich|tern, lich|tern (größere Schiffe entfrachten). Häh? Du willst das wohl mit Licht assoziiert sehen, aber das ist für mich physikalisch/biologisch viel zu weit hergeholt, als dass man da ein Adverb draus stricken könnte. Noch so ein ‚hübsch-hübsch‘ Kandidat, der auch noch inkorrekt verwendet ist.
Strahlemädchen, Karibikglück (kennst du den Karibiktraum aus der Werbung?), und allen voran glückstrunken – sowas kann man, finde ich, außerhalb der Satire nicht verwenden. Satire wird erreicht durch die Diskrepanz zwischen Geschehen und Stil: Tragisches zu leicht-lustig erzählt, oder eben Alltägliches im hochdramatischen Pathos. Das würde ich entschlacken, lieber schöne Assoziationen suchen, als krampfhaft originelle Wortschöpfungen aneinanderzureihen. Die wecken Null Bilder bei mir, und wär der Text so weitergegangen, wär ich hier ausgestiegen.

Die Dialoge schrauben das jetzt zum Glück runter, und da kommt auch gleich mehr Spannung auf, weil es schon klar wird, dass hier was nicht mit rechten Dingen zugeht. Wär es besser, Peter in kursiv reden zu lassen? Ich höre so alles mit einer Stimme, aber ich denke, du willst, dass das nur ihre ist … andererseits, hört sie ihn sicher mit seiner Stimme. Hm, bin mir selbst unsicher, was besser wär.

streckt mir ihre blonde Skelettfigur entgegen. Ihre Locken streicheln mich.
-> Und später Fingern federnd … ist mir zu gewollt, es ist schließlich nur ein Besuch bei der Kosmetikerin. Mir ist klar, dass die Prota ein etwas gestörtes Verhältnis zur Realität hat. Allerdings manifestiert sich das nur durch die Sprache, die die Autorin für sie wählt, nicht in wirklich nachvollziehbarem Verhalten / Gedankengängen. Ich versuche die Störung einzuordnen und mir fällt absolut nix ein. Das fände ich aber für den weiteren Verlauf wichtig. Zumal: Warum kann die Ich-Erzählerin plötzlich ganz normal reden, wenn sie mit Peter spricht?

Vielleicht sollte ich mir eine Arbeit suchen, irgendetwas, das mich beschäftigt
-> Ja, das hab ich auch schon gedacht, ob ihr das helfen könnte, mal wieder runterzukommen.

Er glänzt und spiegelt meinen Schatten.
-> Selbst wenn du das in der Realität schon beobachtet hättest (wär das nicht eher Latex? Leder kriegst du doch gar nicht so doll poliert), finde ich das Spiegeln eines Schattens (den sie ja geworfen hat: Prot -> Boden -> Rock) zu viel um die Ecke gedacht, das haut mich voll raus.

Das ist jetzt auch Geschmacksache, aber es scheint nur drei Farben in der Erotikliteratur zu geben: Rot, Schwarz und Champagnerfarben, verteilt auf vier Materialien: Leder und Seide/Satin/Spitze. Keiner trägt Leinen (was ne tolle Struktur hat), Latex, Wolle, wasweißich. Ich finde Latex auch nicht erotisch, aber bin ziemlich müde, von immer den gleichen Klamotten in immer den gleichen Farben zu lesen. Das hat inzwischen jeglichen Erotik-Trigger verloren. Selbst im Amateur- oder professionellen Porn (Fetisch oder sonstwie) findet man schon wesentlich bessere Alternativen.

Anfangs beschäftigte ich mich, hörte dem Pochen zu, das meinen Bauch durchtobte, den Geigen, die meine Herzblutbahnen füllten, las alle Bücher, (…) Die ersten Nachrichten treffen ein.
-> Vielleicht stehe ich ganz furchtbar auf dem Schlauch (das mag gut sein), aber ich sehe keine Logik in dem Wechsel zwischen Präteritum zu Präsens – außer natürlich bei den Rückblicken zum lebenden Peter. Aber das Sitzen am Notebook findet doch auf derselben Zeitebene direkt vor ihren Antworten an die Interessenten an, oder? Btw: „Geigen“ in den Herzblutbahnen? Das ergibt für mich kein Bild, außer irgendwie albernen Comicsachen.

Mein Gesicht sammelt keine Falten, die kommen da frecherweise ganz ungefragt von allein rein. :D

Ein Nebel aus Traum- und Angstillusionen legte sich über rote Schattennächte, die sich endlos fortsetzten, bis du anfingst, mit mir zu sprechen.
-> Puh, mehr von diesen komischen Ausdrücken. Das ist zu viel, das ergibt kein Bild (dazu: ich lese liebend gern klassischen und postmodernen Surrealismus, also assoziatives Schreiben ist sonst kein Problem). Ich würde raten, eher in relativ normaler Sprache, im Register irgendwo zwischen Hoch- und Alltagssprache, ungewöhnliche Bilder zu beschreiben, anstatt simple Sachen in möglichst verdrehte Beschreibungen und Wortneuschöpfungen zu kleiden.

Die „Dialoge“ finde ich alle gut. Auch, weil sich das wie in einem Karussell in Varianten wiederholt. Dadurch wirken die auf mich viel (positiv) schräger und besonderer, als die schwurbeligen Sätze dazwischen.

Die ersten Nachrichten treffen ein. Ich setze mich an den Schreibtisch, spiele mit Peters Füllfederhalter, frage mich, warum er mit schwarzer Tinte geschrieben hat, lasse ihn durch die Finger gleiten
-> Das finde ich total stark. Diese Überlegungen, die gleichzeitig Kommunikationslosigkeit und Obsession vermitteln. Das kannst du so gut, wenn die ganze Geschichte aus diesem Beobachtungen und Charakterisierungen bestehen würde, wär das ein wirklich guter Text, mit einer außerordentlich interessanten Prota. Das macht aber nur 5% aus, was ich echt schade finde. Traust du deiner Sprache nicht, dass das noch rüberkommt, wenn du einfacher schreibst? Oder war das hier ein Sprachexperiment?

lächelt mich wasserblau an
-> Nrgh! Ich hab automatisch schon „Watteküsschen“ statt „Wangenküsschen“ gelesen, weil ich kaum glauben konnte, dass das Wort so bleiben darf, wie es ist. Der Stil macht keine guten Sachen mit meinem Leseblick.

Gleiches gilt für den Titel. Ist etwas gegen Sternennacht einzuwenden? Der Nebel kommt ja oft genug später.

Als wäre mein Kopf ein Kürbis, der aus der Erde schwillt, als wollten die Augen sich in die Höhlen versenken.
Das Bild ist nicht nur schräg, sondern weckt lächerliche Bilder wie aus Tom & Jerry-Filmen, das tut dem Text nicht gut.

Die Szene in der Wohnung finde ich näher am Geschehen und an den Prots erzählt, da hatte ich zum ersten Mal einen richtigen Film vor Augen, auch wenn zu viele gewollte Formulierungen drin sind und ich die Erwähnung der ganzen Maler da zu manieriert fand (das riecht immer danach, dass der Autor beeindrucken wollte, nicht der Erzähler, und wenn der, klingt der eben auch eitel). Die Erotik hat – auf erzählter, nicht Autorenebene – eine seltsame Kommunikationslosigkeit, die zwei haben zwar Sex, aber richtig zusammen bringt sie das nicht. Spannende Sache, die sicher mit ihrer Störung zu tun hat. Vielleicht aber auch damit, dass er sich ebenfalls nicht gut einlassen kann, und die Sache mehr auf Rollenspiel-Befehle beschränkt.

Die Überreste der Gier kleben an den Bildern.,
-> :sealed: Meinst du das wortwörtlich? Mir wird nicht leicht schlecht, aber ...

Wie viele Ewigkeiten ist das her? Erinnerungslichter tauchen auf, lächelnde Sonnenjahre mit dir, Ferien voller Schweiß, Arbeitstage, die nach Minuten verstrichen, weil du mein Herz am Morgen gesättigt hast, ein weintrunkenes Meer, prall, hautfarben, lüstern, leicht.
-> Da packst du viel zu viel in einen Satz. Weintrunkenes Meer? Was soll das sagen? Dann reihst du am Ende Adjektive und Adverben, das finde ich verwirrend, weil ich nicht mehr erkenne, auf was sich das alles beziehen soll. „Lächelnde Sonnenjahre“ – okay, das soll irgendwas mit Glück und Unbefangenheit vermitteln, aber ich sehe da nix. Da würde ich raten, den Satz auf mindestens fünf oder sechs aufzusplitten, und anstatt dieser Schwurbelbegriffe klare Bilder/Situationen schaffen, mit denen die Personen gezeigt werden, in einer Handlung, einer Kommunikation, einer konkreten, beispielhaften Erinnerung, wie das Kernstück dieser Beziehung. Aber eben nicht da drüber wegsegeln, total losgelöst von den Objekten, die das beschreiben soll. Mir fällt beim besten Willen auch keine psychische Störung ein, die die Taten und diese Wahrnehmung ausdrücken sollen. Hattest du eine im Kopf? (Gern per PN, wenn du das geheimnisvoll halten willst.)

Zu Hause finde ich weitere Mails. Bis auf eine lösche ich alle. Er nennt sich Jakob.
Sehr geehrte Unbekannte. Dominanter Gentleman möchte mit dir der Lust Flügel verleihen. Ich bin attraktiv und gepflegt, habe Zeit in der Nacht und freue mich auf deine Nachricht.
Ich schreibe ihm, bitte ihn um ein Bild, denke nach, weiß nicht, wie weit ich gehen soll. Dennoch gebe ich ihm die Belle-de-Nuit-Nummer der SIM-Karte, die ich besorgt habe
. -> Oha, keine Belle de Jour – Deneuve? ;) Den Teil finde ich auch toll (nur: Flügel verleihen – sagt das noch jemand nach Red Bull?). Das sind zwar klare, einfache Sätze, aber da kommt was rüber, das sieht man vor sich.

Ich kann mir nicht merken, was er sagt, aber ich mag den Sound.
Unmotiviert Englisch so außerhalb von Werbetexten, wörtlicher Rede und Komms sollte vermieden werden, für das Wort da gibt es genügend deutsche Begriffe.

Verdammich, ich wollte das gar nicht so durchkämen, mir läuft die Zeit weg, und ich denke, die Richtung meines Komms ist klar.

Die Autosexszene fand ich auch ziemlich beschreibend, wieder so viele schräge Formulierungen, alles aus sehr großer Distanz erzählt, und nicht sehr innovativ. Man hört halt immer diese Anweisungen, ist schon klar, aber .... hm. Und obwohl du immer schreibst, er will sie riechen etc. kommt für den Leser wenig an echten Sinneseindrücken – dass das soll beschreibt ja noch lange nicht, wie das riecht, sich anfühlt etc.

Das mit dem Finger (den die Prota mit ihrem schrägen Blick ruhig als ‚Nagel‘ sehen darf :D) kommt für mich völlig aus dem Nichts. Ich hätte es wesentlich besser gefunden, wenn für den Leser klar ist, dass der Sex einvernehmlich ist, die Prota das dabei aber schon als Übergriff/Gewalt ansieht, sodass man da Spannung reinbekommt. Oder willst du das als ironische Bemerkung? Das fände ich zu einfach, zu unsympathisch und von der Erzählhaltung auch unpassend. Ich gehe mal davon aus, die Prota sieht es wirklich, wie sie es sagt, dass sie sich da schizophren in einer anderen Situation sieht, als vorher.

Psychopathologisch sehe ich überhaupt keine klare Linie. Ich erkenne kein Problem, das sie haben könnte, das ihre Halluzinationen in Verbindung mit der Tat rechtfertigen könnte, das kommt einfach so aus dem Blauen, und wird nicht vorbeiteitet. Anstatt so viele schräge Beschreibungen zu lesen, wünschte ich mir, du hättest mehr Wert auf ein nachvollziehbares Psychogramm gelegt. Das kommt oft zu kurz, wenn Leute ‚Horror‘ statt ‚Spannung/Krimi‘ wählen, so als ob das Genre sie aller Folgerichtigkeit entheben würde. Dem ist aber nicht so. Letztlich stehe ich am Ende ratlos da. Gewalt an sich ist nicht spannend, die muss passend eingeleitet und psychologisch stimmig eingebettet werden (egal, ob sie als Überraschung kommt oder sich durchzieht). Schade um die gute Idee.

Ich greife mir aus der Tasche den Teaser,
Ein Teaser ist ein Filmtrailer, was du brauchst, ist ein Taser. Der lähmt sofort alle Muskeln, da zappelt nix wie in einer billigen Komödie, dazu kannst du auf YT Testervideos anschauen.

Am Morgen verschwindet der Traumnebel. Ich bin allein.
-> Lese ich das richtig als so ein American Psycho-Ende? Nicht nur der Peter, sondern auch die Gewalttat war halluziniert? Ich denke, ja (=> „Traumnebel“) Hm, das ist nicht so befreidigend, eben wie diese typischen alles-nur-geträumt-Auflösungen.

Ich frage mich, ob die Geschichte stärker wirken würde, wenn du die letzten beiden Sätze weglässt, und im ganz Unsicheren ob real/irreal endest. Der Satz mit „immerhin“ wäre nämlich ein ganz toller, leicht zynischer Schlusssatz. Und so richtig gut finde ich diese wie aus dem Off gesprochenen Erklärungen *jetzt ist es soundso / es war wegen soundso* nicht, weil die die Spannung wieder lösen, die man im „Immerhin“-Satz noch spürte.

P.S. Ganz generell ist mir aufgefallen, dass in diesem wie - auch in sehr vielen anderen Erotik/Romantiktexten von Autorinnen hier - die Protagonistin ihre Sexualität in so extreme Abhängigkeit von einem Gegenüber sieht. Ob das im Begehren oder nach dem Verlassenwerden ist. Da ist immer so eine Passivität, so ein Mit-sich-machen-lassen, das mich echt auf die Palme bringt. Hat nix mit einer Rolle im BDSM zu tun, sondern ist eine allgemeine Haltung, selbst, wenn die allein sind und an Sex denken. Haben die selbst kein Begehren, so aus sich heraus? Ist das immer noch die alte Schiene, dass Frauen nett & sauber zu sein haben, keine eigene Lust und sich nur in den Augen der Partner gespiegelt sehen? Die Beschreibungen sind alle so rückreflektiert, alles so von außen betrachtet: wie sehe ich aus, was habe ich an, meine Füße auf der Automatte, meine Schuhe, mein Kleid ...

Ich hoffe, du kannst mit meinen Anmerkungen etwas anfangen. ;)

Übrigens, was ich mich schon länger frage: Warum steht dein Nick eigentlich im Genitiv? :gelb:

Viele Grüße, Katla

 
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Hallo Isegrims,
Als Liebhaberin von Wortungetümen finde ich deine Geschichte schon packend. Denn jede Wortkreation birgt auch eine Assoziation, praktisch eine Zeile zwischen der Zeile. Doch sind diese nicht jedermanns Geschmack. Und so kann schnell die Message fehl geleitet sein. Dass was du erzählen möchtest, ist nicht das, was beim Leser ankommt. Bei mir ist angekommen, dass da eine Frau ihre Libido auslebt und es nur kann, indem sie diese in die Kreativität ihres toten Freundes sublimentiert. Warum auch immer. Vielleicht weil er lieber kreativ war, anstatt mit ihr zu schlafen. Und vielleicht hat das ihr Selbstbildnis verschwurbelt. Man weiß es nicht genau, ist ja nur eine Kurzgeschichte. Vertrackt das Ganze und irgendwie wahnwitzig. Wer kann schon beim Sex in den Kopf des anderen schauen. Dass sie den Finger als Trophäe abschneidet, macht das Ganze für mich richtig irr. Erotisch finde ich die Geschichte kaum, zu viele neurotische Aspekte sind dem Instinkt abträglich. Und der Kerl mit dem abgeschnittenen Finger wollte doch nur ficken, der Arme.

 

Lieber Friedel,

dankeschön für deinen Besuch, wie immer ein willkommenes Korrektur- und Kommentargeschenk. Haha und erstaunlich wenig Fehlerchen angesichts der Spontanveröffentlichung eines Textes, an dem ich mit vielen Unterbrechungen und Pausen länger gearbeitet habe.

Wusst ich das doch immerschon - Eros trägt eine Waffe ... und irgendwann wird der Kleine sich auch mal rasieren ... Sehnt sich doch jeder Jüngling nach.
da juckt es mich, treibt es mich, schalktriefend einen Reim zu ersinnen: Friedel… Schniedel (genaueres, zum Beispiel zum Thema männliche Intimrasur, verbietet sich jedoch zu beschreiben):D

Was für ein Werk zwischen Naturbeschreibung
Amseln schwatzen miteinander
dem prallen Leben, Liebe und Hass ...!
Meine Scham, die Öffnung zwischen den Beinen, kocht, redet mit mir, will mir zurufen, dass ich lebe
und dem Sterben,
ja, um diesen Gegensatz, dieses Miteinander ging es mir.

wobei die "Scham" auch ihre Doppeldeutigkeit zeigt als Pubes und Gefühl, und alles auch zusammen, wenn Rasur (i. S. von Enthaarung) mit der Beschneidung der Rosenstöcke sich paart.
wie bin ich froh, dass du diese Bezugnahmen entdeckst, geht ja manchmal einfach unter, wenn man Zweideutigkeit platziert.

Wahnsinn, zunächst kam ich mir vor wie ein Voyeur und wollte verschämt abbrechen ... und fasse zusammen, nicht Dürers Ritter, Tod und Teufel, sondern Isegrims etwas andere Version der Schönen, Tod und Rothko ...
gefällt mir, auf welche Weise du das beschreibst.:Pfeif:

Sehr hilfreich, Friedel und bevor du den Rasierer zückst wünsche ich dir einen Freudenfrühsommerabend. Und ein passendes Getränk obendrauf.
Isegrims

 

Hallo, Isegrims

Erotiktexte sind normalerweise gar nicht mein Fall, aber Du hast mich überzeugt. :D Das Drumherum ist wirklich gut gemacht. Ich bekomme einen tollen Zugang zu Deiner Prota, ich kann mit ihr mitfühlen - und zugleich hier ...

Die Handtasche steht neben mir, darin alles, was ich brauche.

… ahne ich, welches Ende sie geplant hat, obgleich dieser Satz doch eigentlich unschuldig klingt. Zu diesem Zeitpunkte dachte ich mir auch, es sei wohl besser, mich von ihr zu distanzieren – die Neugierde ließ mich dranbleiben, und das ist ja auch der Sinn der Sache, nicht wahr? ;)

Lediglich eine Anmerkung hätte ich, wo ich beim besten Willen nicht anders kann, als einen Fehler anzunehmen.

Du siehst wie ein Engel aus, höre ich Peter sagen.
Ich habe die Anzeige aufgegeben. Und?
Frag nicht, Peter! Du darfst mich nicht mehr so oft besuchen.
Ich muss.

Wenn ich annehme, dass jeder Zeilenumbruch ein Sprecherwechsel ist, dann muss es ja so sein:

Peter: Du siehst wie ein Engel aus, höre ich Peter sagen.
Valerie: Ich habe die Anzeige aufgegeben. Und?
Peter: Frag nicht, Peter! Du darfst mich nicht mehr so oft besuchen.
Valerie: Ich muss.

Und da stimmt doch offensichtlich etwas nicht. Ich nehme an, Dir fehlt da ein Zeilenumbruch vor dem: „Und?“

Das war’s auch schon. Ich frage mal gar nicht nach dem Wieso, Weshalb, Warum. Wer weiß schon, was ein trauernder Geist so alles auszuhecken vermag, zumal da mit Peter doch auch lebendig anscheinend etwas nicht stimmt. Sehr gerne gelesen.

Morgendliche Grüße,
Maria

 

Hallo Nichtgeburtstagskind,

ich danke dir für den wunderbar präzisen, hilfreichen Kommentar, deine Zeit und Gedanken.

Habs gern gelesen und hoffe du kannst mit meinem Kommentar etwas anfangen.
sehr viel sogar, ich habe viele deiner Anmerkungen übernommen und den Text ein wenig verändert.

Fast hätte ich aufgehört als ich bemerkt habe, dass die Frau ihren Partner verloren hat - so was kann ich ganz schlecht lesen, weil zu traurig. Hab die Zähne zusammengebissen und weiter gelesen und wurde nicht enttäuscht.
kann ich nachvollziehen, da liegt ein Trauer- und Angstschleier über dem Text…

Der Geruch der Fliederbüsche vor dem Haus dringt mir in die Nase. Amseln schwatzen miteinander.
Starker Kontrast zu den negativen Gefühlen, die sie grade umklammern. Würde sie das so wahrnehmen? Würden die gutgelaunten Vögel da draußen nicht eher nerven?
wenn man sich Situationen vorstellt, Augenblicke des Schmerzes, der Furcht, verändern sich die Sinneseindrücke, werden manchmal sogar intensiver.

Meine Scham, die Öffnung zwischen den Beinen, kocht, redet mit mir, will mir zurufen, dass ich lebe.
Vielleicht „meine Öffnung“, fänd ich irgendwie schöner.
hast du recht, die Zweideutigkeit bleibt auch dann erhalten, habe ich geändert.

Hmm, der Dialog. Ich weiß nicht so recht. Peter ist ja schon länger tot. Würden sie dann noch so Gespräche führen? Das müssten sie doch schon tausendmal durchgekaut haben? Da scheinen mir etwas zu doll die Infos für den Leser durch wie zum Beispiel:
die Dialoge spielen sich in ihrem Kopf ab, ein ständig sich wiederholendes Programm.

Monstermaskengesicht
Dieser Wortkreation gefällt mir an der Stelle irgendwie nicht so. Wirkt zu gewollt.
schade eigentlich, dass diese Wortverbindung nicht funktioniert, habe ich rausgenommen.

Hier musste ich im Kopf etwas umsortieren. Im Nachhinein macht ihr Verhalten natürlich Sinn, aber ich habe sie als Frau gesehen, die es kaum aus dem Bett schafft. Da war mir der Sprung zur Kosmetikerin und Lederrock zu groß. Geht vielleicht nur mir so, aber irgendwie passt dieses verhalten nicht ganz zu der Frau, die es noch nicht mal schafft ein Laken aufzuheben.
mm, klar, der Übergang fehlt, von den lähmenden Alpträumen zur Aktivität, aber an sich passt das Verhalten gut zu ihr, sie findet heraus und macht sich Mut.

Gibt sie dann immer eine neue Anzeige auf? Hat sie nicht ein Profil in einem Sexportal und kann sich da einen Kandidaten rauspicken?
stimmt, könnte man auch machen, aber das würde weitaus abgezockter klingen.

den Geigen, die meine Herzblutbahnen füllten,
Mit dem Bild kann ich nichts anfangen.
als tobe Musik durch die Blutbahnen.

Peter sieht den Himmel und Blumen und Kinder? In seinen gedanken?
Und Valerie sagt: „Immerhin reden wir miteinander“? Vom Gefühl her würde das eher Peter sagen.
Oder ist da was verrutscht?
ja, genau so, Peter sieht den Himmel, die Blumen, damit will ich die Verbindung der beiden zeigen.

Auch hier kommen die letzten drei Zeilen von der Frau oder? Er darf sie nicht mehr besuchen? Aber sehnt sie sich nicht danach?
und gleichzeitig sucht sie nach ihrem eigenen Leben, ohne ihn.

Belle-de-Nuit-Nummer der SIM-Karte
Belle-de-Nuit-Nummer verstehe ich hier nicht.
ein Wortspiel: belle de jour, eine Frau, die ein unverbindliches Abenteuer sucht, die Schöne der Nacht.

Ich möchte deine Stimme hören, bevor ich dich treffe. ...
Warum möchte sie das? Spielt die Stimme eine besondere Rolle für sie? Ich kann keinen weiteren Hinweis darauf finden und überlege ob man den Absatz nicht weglassen könnte.
habe ich rausgenommen, den Stimmen-Aspekt braucht der Text nicht, stimmt.

Kommt die Luft aus der Klimaanlage nicht auch von draußen? Ich verstehe nicht was du damit andeuten willst.
manche Klimaanlagen sondern Parfümstoffe ab.

Fangarme bedrängen mich. Die Rauschtraumbilder weichen. Meine Seele rührt sich, ein Kugelstern, der sich sonst versteckt, um nicht erkannt zu werden. Feuerströme durchglühen mich.
Das ist mir etwas viel.
guter Hinweis, habe ich reduziert.

Stattdessen spüre ich sein Baseballding.
Was ist das Baseballding? Sein knüppelhafter Penis? Hört sich eher lustig an.
geändert, aber die alte Frage bleibt, was sagt man zu dem Ding, wenn Schwanz nicht infrage kommt.

[ Noch bevor er reagieren kann, treffen ihn die Stromschläge.
Und er stirbt von dem Teaser? Eigentlich sollen die Dinger nur betäuben oder?

/QUOTE]er ist nur betäubt.

Habs gerne gelesen, habe die Frau in der Opferrolle gesehen und fands gut, dass es am Ende andersrum war. Auf ein paar Stellen hätte ich verzichten können, wahrscheinlich immer dann wenn es zu sehr in die Romantik abdriftet. :P
ohne Traumromantiksequenzen geht’s nicht (für mich)

Dein Besuch hat mich sehr gefreut!
Liebe Grüße
Isegrims

 
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Hallo Katla,

Ich freue mich über deinen ausführlichen Kommentar. Vielen Dank für den Aufwand und deine Zeit. Und die Gelegenheit die von mir verwendeten Stilelemente zu erklären.

Im Grunde kreist deine Kritik um die Frage der ‚verbal correctness‘ (verwende ich bewusst, weil der Begriff ‚political correctness‘ geläufig ist). Darf man sich außerhalb des literarischen mainstreams bewegen, dürfen Texte dem Leser Bedeutungsebenen zumuten, die er nicht erwartet, was ist eine elegante Sprache? Insofern beschäftigst du dich, reibst dich vor allem an dir selbst und deiner Vorstellung von Literatur. Du nennst dies die Autorenebene. Die gibt es auch in Kommentaren.

Was ich aber etwas unfair finde (obwohl ich derartige Statements kenne): du killerargumentierst größtenteils, behauptest, die sprachliche Gestaltung bestehe aus Effekten, der Eitelkeit entsprungen. Wer ernsthaft versucht Literatur zu machen, muss sich mit Effekten, mit Wirkung beschäftigen.

Im Einzelnen:

Die einen scheinen der Körperlichkeit eine Überästhetik entgegensetzen zu wollen („Nein, ich bin gebildet und sensibel, obwohl ich Sex schreibe!“), die anderen meinen, es würde durch krasse, grobe Ausdrücke besonders realistisch. Beides ist übrigens weit mehr ein Problem in Onlinetexten, als im Druck.
Ich habe kein Muster, Sex darf schmutzig sein, allerdings finde ich Porno banal. Im Kern geht es in meinem Text nicht um Sex, sondern um Sehnsucht und Verlust.
Ich mag mich total irren, weil mir dein Stil ansonsten nicht so vertraut ist, aber die ‚kreativen‘ Ausdrücke hier hören sich für mich leider total gewollt an, und nicht wie in einem natürlichen Schreibfluss entstanden.
keine Ahnung, ob das, was ich schreibe kreativ ist, es entspringt meinen Denkstrukturen. Gewollt kann alles Mögliche klingen, Redundanz und Üppigkeit. Was ist ein natürlicher Schreibfluss? Ich suche beim Schreiben nach Ausdrucksmöglichkeiten, Genauigkeit.

-> Das Alptraumlaken, ist das eines, auf dem sie automatisch Alpträume kriegt, oder zieht sie das auf, wenn sie welche haben möchte? ;-) Die Wortschöpfung klingt in der ersten Sekunde ganz gut, ergibt aber eigentlich überhaupt keinen Sinn.
Nackt und bloß ist dasselbe. Zwei Worte hier sind vom Klang her nötig, aber dann sollte eins etwas anderes aussagen.
Was denke ich mir dabei, wenn ich Alptraumlaken schreibe und wozu? Um dasselbe auszudrücken, könnte ich mehrere Nebensätze verwenden, könnte von den Alpträumen erzählen, die sie in der Nacht durchlitten hat, müsste beschreiben, dass sie verschwitzt aufwacht, den Gegenstand (das Laken) mit ihren Träumen verknüpft. Reduziert: Alptraumlaken.
Der zweite Punkt: nackt und bloß. Nackt ist eher ein physischer Begriff, bloß deutet auf ihre Seele. Im Übrigen ist eine Verdopplung, zwei Wörter für eins, ein Stilmittel, das man ruhig benutzen darf, um Bedeutung zu verstärken.
Ich müsste die Augen öffnen, die Decke suchen, die zerwühlt und durchtränkt Tränen und Wut aushalten musste, wage es aber nicht.
-> Den Satz außerhalb des Einschubs finde ich richtig gut, die Mitte ist verschwurbelt: die Bettdecke musste Tränen aushalten? Das ist kein stimmiges, schönes Bild (auch nicht, im symbolhaft-übertragenen Sinne),
die Stelle habe ich geändert, dankeschön.

Dass dann die Erzählerin da auch noch „Gedankensplitter“ reingrätscht, bringt die Szene wieder vom Szenischen zur Autorenebene, denn da ist eines dieser Worte die sich für mich mühsam ausgedacht und auf ‚hübsch‘ da reingedrückt anhören. Wenn eine 'Gedankensplitter' denkt, während sie sich selbst befriedigt, macht sie was nicht richtig.
kommt drauf an, welches Bild du dir von Gedankensplittern machst. Selbst wenn die Gedanken um ein Thema kreisen, werden sie doch abgelenkt, zersplittert. Probier’s aus, wenn du nächstes Mal, du weißt schon…

Du willst das wohl mit Licht assoziiert sehen, aber das ist für mich physikalisch/biologisch viel zu weit hergeholt, als dass man da ein Adverb draus stricken könnte. Noch so ein ‚hübsch-hübsch‘ Kandidat, der auch noch inkorrekt verwendet ist.
lichtern drückt nach meiner Vorstellung ein unruhiges Licht aus. Okay: irrlichtern hätte ich auch schreiben können, da leitet die Vorsilbe aber in die – Irre..
sondern eine ziemlich simple Tatsache in den Alpenkitsch überhöht.
oha: Alpenkitsch, eine Wortkreation, oder meinst du Alptraumverkitschung?

Strahlemädchen, Karibikglück (kennst du den Karibiktraum aus der Werbung?), und allen voran glückstrunken – sowas kann man, finde ich, außerhalb der Satire nicht verwenden. Satire wird erreicht durch die Diskrepanz zwischen Geschehen und Stil: Tragisches zu leicht-lustig erzählt, oder eben Alltägliches im hochdramatischen Pathos.
bittere Selbstironie, ich würde das nicht als Satire bezeichnen, obwohl man diese Ausdrücke satirisch verwenden kann.

Ich versuche die Störung einzuordnen und mir fällt absolut nix ein. Das fände ich aber für den weiteren Verlauf wichtig. Zumal: Warum kann die Ich-Erzählerin plötzlich ganz normal reden, wenn sie mit Peter spricht?
Natürlich kann sie das. Letztlich redet sie mit sich selbst oder mit dem imaginierten Peter-Geist, so ungewöhnlich, gar unverständlich ist das nicht.

Er glänzt und spiegelt meinen Schatten.
-> Selbst wenn du das in der Realität schon beobachtet hättest (wär das nicht eher Latex? Leder kriegst du doch gar nicht so doll poliert), finde ich das Spiegeln eines Schattens (den sie ja geworfen hat: Prot -> Boden -> Rock) zu viel um die Ecke gedacht, das haut mich voll raus.
ich beschreibe ihre Vorstellung, ihren Schattenglanz.

Das ist jetzt auch Geschmacksache, aber es scheint nur drei Farben in der Erotikliteratur zu geben: Rot, Schwarz und Champagnerfarben, verteilt auf vier Materialien: Leder und Seide/Satin/Spitze. Keiner trägt Leinen (was ne tolle Struktur hat), Latex, Wolle, wasweißich.
pinkfarbenes Plastiktütenmaterial oder hellbrauner Plüsch?

Die „Dialoge“ finde ich alle gut. Auch, weil sich das wie in einem Karussell in Varianten wiederholt. Dadurch wirken die auf mich viel (positiv) schräger und besonderer, als die schwurbeligen Sätze dazwischen.
super, darüber freue ich mich besondereres. Die Gesprächsfetzen kehren wieder, kreisen, ich wusste nicht, ob das funktioniert.

Die ersten Nachrichten treffen ein. Ich setze mich an den Schreibtisch, spiele mit Peters Füllfederhalter, frage mich, warum er mit schwarzer Tinte geschrieben hat, lasse ihn durch die Finger gleiten
-> Das finde ich total stark. Diese Überlegungen, die gleichzeitig Kommunikationslosigkeit und Obsession vermitteln. Das kannst du so gut, wenn die ganze Geschichte aus diesem Beobachtungen und Charakterisierungen bestehen würde, wär das ein wirklich guter Text, mit einer außerordentlich interessanten Prota. Das macht aber nur 5% aus, was ich echt schade finde. Traust du deiner Sprache nicht, dass das noch rüberkommt, wenn du einfacher schreibst? Oder war das hier ein Sprachexperiment?
An der Stelle passt es auch, sie wird ruhiger, überlegter, die Erinnerungen treten in den Hintergrund. Die Geschichte ist in der Ich-Perspektive geschrieben und die Sprache muss sich an den jeweiligen inneren Zustand der Prota anpassen.

Die Überreste der Gier kleben an den Bildern.,
-> Meinst du das wortwörtlich? Mir wird nicht leicht schlecht, aber ...
äh… sorry…

Mir fällt beim besten Willen auch keine psychische Störung ein, die die Taten und diese Wahrnehmung ausdrücken sollen. Hattest du eine im Kopf? (Gern per PN, wenn du das geheimnisvoll halten willst.)
ich kenn mich nicht mit psychologischen Kategorisierungen aus, kenne aber ähnliches Verhalten in der Wirklichkeit, vielleicht aber nicht ganz so übersteigert.

Anstatt so viele schräge Beschreibungen zu lesen, wünschte ich mir, du hättest mehr Wert auf ein nachvollziehbares Psychogramm gelegt. Das kommt oft zu kurz, wenn Leute ‚Horror‘ statt ‚Spannung/Krimi‘ wählen, so als ob das Genre sie aller Folgerichtigkeit entheben würde.
mm, gute Anregung, allerdings handeln Menschen nicht immer komplett nachvollziehbar. Um ein Psychogramm darzustellen müsste die Geschichte konventionell vom Anfang her erzählt werden und hätte deutlich mehr Umfang.

Ich greife mir aus der Tasche den Teaser,
Ein Teaser ist ein Filmtrailer, was du brauchst, ist ein Taser. Der lähmt sofort alle Muskeln, da zappelt nix wie in einer billigen Komödie, dazu kannst du auf YT Testervideos anschauen.
geändert!

Da ist immer so eine Passivität, so ein Mit-sich-machen-lassen, das mich echt auf die Palme bringt. Hat nix mit einer Rolle im BDSM zu tun, sondern ist eine allgemeine Haltung, selbst, wenn die allein sind und an Sex denken. Haben die selbst kein Begehren, so aus sich heraus? Ist das immer noch die alte Schiene, dass Frauen nett & sauber zu sein haben, keine eigene Lust und sich nur in den Augen der Partner gespiegelt sehen?
sie will sich spüren, nimmt sich, was sie braucht, begehrt. Der Kerl ist nichts als Schwanz.

Übrigens, was ich mich schon länger frage: Warum steht dein Nick eigentlich im Genitiv?
tja, Isegrim klingt so hart, so wölfisch.

Liebe Grüße, ich verschwinde jetzt in die Kissennebelnacht
Isegrims

 
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Hallo Isegrims

Im Grunde kreist deine Kritik um die Frage der ‚verbal correctness‘ (verwende ich bewusst, weil der Begriff ‚political correctness‘ geläufig ist). Darf man sich außerhalb des literarischen mainstreams bewegen, dürfen Texte dem Leser Bedeutungsebenen zumuten, die er nicht erwartet, was ist eine elegante Sprache? Insofern beschäftigst du dich, reibst dich vor allem an dir selbst und deiner Vorstellung von Literatur. Du nennst dies die Autorenebene. Die gibt es auch in Kommentaren.
-> Das ist süß, ich soll mainstream und correctness mögen. *gn*
Klar ist das meine Vorstellung, ich kommentiere ja unter meinem Nick. Nicht ohne bissl theoretische Grundlage allerdings. Und daran hab ich nix zu reiben. Oder willst du etwa behaupten, Linguistik / LitWiss und Theorien zum Schreiben fiktionaler Texte seien nichts weiter, als die narzisstischen Störungen der Theoretiker? :lol:
Die Autorenebene gibt es eben nicht in Kommentaren, weil die sich nicht aufsplitten in Autor vs Erzähler. ;)
Ich meinte das Prinzip, dass die Stimme des Autors möglichst nicht durch die Stimme des Prots/Erzählers brechen sollte, weil das eben die Ebenen mixt und ein handwerklicher Fehler ist. Das hat mit Geschmack oder persönlicher Vorliebe nix zu tun. Sagt dir das denn alles nichts? Erzählstimme / Perspektive, Aufbau/Plot, Figurenzeichnung, Prämisse, literarischer Konflikt ...?

Verquaste Wortschöpfungen schaffen keine neue Bedeutungsebene, sie verschleiern höchstens, dass eine Idee/Bild/Szene unsauber kommuniziert wird. Sie sind wie eine erzähltechnische Nullstelle im Text. Das kann man ein- zweimal als Gag machen, aber diese Wörter können keine Handlung / Charakterisierung ersetzen.

Was ich aber etwas unfair finde (obwohl ich derartige Statements kenne): du killerargumentierst größtenteils, behauptest, die sprachliche Gestaltung bestehe aus Effekten, der Eitelkeit entsprungen. Wer ernsthaft versucht Literatur zu machen, muss sich mit Effekten, mit Wirkung beschäftigen.
–> Es ist unfair, Texte auf Gestaltungsebene zu analysieren? Okay … warum kommentieren wir hier gleich?


Ich habe kein Muster, Sex darf schmutzig sein, allerdings finde ich Porno banal. Im Kern geht es in meinem Text nicht um Sex, sondern um Sehnsucht und Verlust.
-> Dafür hast du ziemlich viel Sex ohne show, don’t tell, das war mein Punkt. Ich kenne Pornos, die wesentlich komplexer sind, eine Geschichte erzählen, einen erkennbaren Konflikt im Plot haben und nachvollziehbare, runde Figuren. Und der Sex hier ist sehr sauber und geordnet, keine Sorge (edit: Ich meine generell, mit Ausnahme der armen Kandinskys in der Schußlinie, natürlich).

keine Ahnung, ob das, was ich schreibe kreativ ist, es entspringt meinen Denkstrukturen. Gewollt kann alles Mögliche klingen, Redundanz und Üppigkeit. Was ist ein natürlicher Schreibfluss? Ich suche beim Schreiben nach Ausdrucksmöglichkeiten, Genauigkeit.
-> Es klingt nach genau dem Gegenteil von Genauigkeit, aber wenn du das so siehst, ist unsere Leseweise deines Textes einfach ganz anders. Und das ist ja völlig legitim. (Meinst du Redundanz oder Reduktion?)

oha: Alpenkitsch, eine Wortkreation, oder meinst du Alptraumverkitschung?
-> Also bitte, werd doch nicht kindisch. Wenn du keinen kritischen Kommentar willst, schreib das doch gleich dazu, dann kann man sich die Zeit sparen.

ich beschreibe ihre Vorstellung, ihren Schattenglanz.
-> Genau das ist mein Problem: die Wörter sind nicht innovativ, sondern einfach absurd weit hergeholt und verschwurbelt. Sie ergeben teils keinen Sinn - ich meine: bezogen auf Bezeichnendes und Bezeichnetes, wie weit kann man die Konvention (-> im linguistischen, nicht gesellschaftlichen Sinne) in Sprache brechen, bis sie nicht mehr sinnvoll kommuniziert werden kann etc. Aber wenn das dein ganz alltäglicher Sprachduktus ist (warum ist dann der Tonfall in den inneren Dialogen anders?), klingt die Geschichte natürlich auch so, und dann ist sie eben über alle Kritik erhaben. Auch gut.

pinkfarbenes Plastiktütenmaterial oder hellbrauner Plüsch?
-> Findest du das sexy? Dann schreib das doch.

An der Stelle passt es auch, sie wird ruhiger, überlegter,
-> Wenn alles passt, ist ja gut … :)

Sonnige Grüße, Katla

 

Hallo Goldene Dame,

vielen Dank für deine Bemerkungen und die interessante Kurzinterpretation. Für jeden Leser wirkt ein Text anders. Ich finde das ermutigend.

Und so kann schnell die Message fehl geleitet sein. Dass was du erzählen möchtest, ist nicht das, was beim Leser ankommt.
Es geht gar nicht darum was ich erzählen möchte, es geht darum, was der Leser daraus macht.

Als Liebhaberin von Wortungetümen finde ich deine Geschichte schon packend. Denn jede Wortkreation birgt auch eine Assoziation, praktisch eine Zeile zwischen der Zeile.
im Grunde fasst du zusammen, was ich erreichen möchte, Informationen, Gefühle zwischen den Zeilen unterbringen, Assoziationen schaffen. Klar, mag sein, dass der Lesefluss gebremst, umgelenkt wird, der Leser die Folgewörter nicht schon vor dem Lesen antizipieren kann. Guter Effekt, wie ich glaube.

Vielleicht weil er lieber kreativ war, anstatt mit ihr zu schlafen. Und vielleicht hat das ihr Selbstbildnis verschwurbelt.
könnte sein.

Und der Kerl mit dem abgeschnittenen Finger wollte doch nur ficken, der Arme.
Ja, ziemlich arme Sau, obwohl es sich ja insgesamt auch nur um einen Traum handeln könnte.

Liebe Grüße und Sternennächte für dich
Isegrims

 

Wow Isegrims, super Geschichte, dessen größte Stärke ich in der Balance zwischen den drei Stichworten/Genres (Erotik - Horror - Romantik) sehe. Außerdem ist deine Protagonistin so gefühlsbetont in ihrer Trauer über den Verlust und gleichzeitig eiskalt gegenüber dem Rest ihrer Umwelt. Beides kommt absolut glaubhaft bei mir an.
Manche Beschreibungen könnten für mich reduzierter und subtiler sein, passt aber auch so gut zu dir und deinen Texten.
Die Wiederholung und Mischung der Dialogzeilen fand echt gut und als Stilmittel interessant.

Gedanken zu einzelnen Textstellen:

Ich wärme mich an dem Wodka, den ich mir in den Kaffee schütte…
Vllt. könnte es lauwarmer/kalter Kaffee sein, als Kontrast zum wärmenden Wodka. Sonst fragt man sich, warum der Kaffee nicht wärm.

Du siehst wie ein Engel aus, höre ich Peter sagen.
Ich habe die Anzeige aufgegeben. Und?
Frag nicht, Peter! Du darfst mich nicht mehr so oft besuchen.
Ich muss.
Müsste das Und? Nicht in die nächste Zeile, weil Peter das fragt?

Knie dich auf den Sitz und zeig mir den Hintern!
Ich folge der Stimme, schiebe den Rock hoch, recke mich ihm entgegen, drücke die Beine zusammen, damit er die Schamlippen erkennt. Anstatt etwas zu sagen, streichelt er mein Fleisch, über die Wölbungen, zwischen die Ritze. Die Hitze nimmt zu.
Setz dich, die Beine auseinander!
Er enttäuscht mich zum ersten Mal, aber ich sage nichts, stelle mich wieder auf die Heels, sodass die Knie nach oben ragen, öffne mich. Die Fahrt ist gleich zu ende.
Das passiert, während sie fahren? Oder stehen sie noch bei laufendem Motor? Ich stelle mir den Fahrgastraum vorn nicht geräumig genug dafür vor, dass sie sich elegant und sexy auf ihren Heels auf dem Sitz umdreht und hinkniet, um ihm den Hintern zu zeigen, ohne sich den Kopf zu stoßen. Und die Beschreibung nach den Aufforderung ergibt für mich auch ein anderes Bild: Sie sitzt auf dem Beifahrersitz, hebt ihr Becken an, schiebt den Rock hoch und zeigt ihm ihre Vorderseite mit zusammen gepressten Beinen. Ich würde denken, er wartet eher die kurze Fahrt ab, bevor er ihr das vorschlägt.

Gerade als ich die die Maske abgenommen habe, geht er zu Boden und bleibt still liegen.
die zu viel.

Sehr gern gelesen.
Morgensonnengrüße
wegen

 

Hallo TeddyMaria,

ich danke dir für deinen Kommentar, hat mich sehr gefreut, besonders weil du ja erwähnst, dass Erotiktexte nicht ganz dein Ding sind.

Das Drumherum ist wirklich gut gemacht. Ich bekomme einen tollen Zugang zu Deiner Prota, ich kann mit ihr mitfühlen -
:Pfeif:

Peter: Du siehst wie ein Engel aus, höre ich Peter sagen.
Valerie: Ich habe die Anzeige aufgegeben. Und?
Peter: Frag nicht, Peter! Du darfst mich nicht mehr so oft besuchen.
Valerie: Ich muss.
Und da stimmt doch offensichtlich etwas nicht. Ich nehme an, Dir fehlt da ein Zeilenumbruch vor dem: „Und?“
o je, gut, dass du das anmerkst, habe ich völlig übersehen, ist geändert.

Wer weiß schon, was ein trauernder Geist so alles auszuhecken vermag, zumal da mit Peter doch auch lebendig anscheinend etwas nicht stimmt. Sehr gerne gelesen.
ihren schwebenden verdrehten Seelenzustand wollte ich zeigen, super, dass der Text bei dir funktioniert.

Liebe Grüße und einen wunderbaren Sonnensonntagsausklang
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

... grinste ihr debiles Bahnhofsmariannengrinsen.
Das sagt gar nichts. Kann mir darunter alles und nichts vorstellen – und bin gleich bei Isegrims ‚Quittenzitrusriesling’.

Ich greife mal auf, was Jose in seinem Kommentar zu Raindog angemerkt hat.

Das Konzept, die Idee einer solchen Verbindung mehrerer Substantive zu einem Wort, besteht hier in diesem Fall nicht so sehr darin neue Bedeutungsebenen zu erschaffen (das versuche ich gelegentlich, indem ich Wörter verbinde, die eher nicht zusammen passen), nein, Quittenzitrusriesling als Verbindung, ermöglicht einen Sinneseindruck kompakt darzustellen. Klar könnte man auch schreiben: Der Riesling roch nach einer Melange aus Zitrusfrüchten und Quitte (und schmeckte nach Liebe, Sommer und Sehnsucht :D). Es handelt um ein Stilmittel, das mir ermöglicht, einen Sinneseindruck eben nicht mit einem Nebensatz darzustellen, ggf. das was ein Protagonist hört, sieht oder fühlt gleich noch dazu zu reihen - Sätze, die zwar etwas bewirken, eine Stimmung zeigen, aber eben auch gern überlesen werden.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Isegrims,

das wird nun kein Kommentar, der sich inhaltlich mit deinem Text auseinandersetzt. Dazu ist mir sein Thema zu fern und weder berührt mich die dargestellte Erotik noch schockiert mich der angekündigte Horror. Aber das hat vermutlich mehr mit mir als mit dem von dir geschriebenen Text zu tun.
Mir geht es um die sprachliche Gestaltung und dem, was du – wenn ich deine Entwicklung verfolge - allmählich zu einem Alleinstellungsmerkmal auszubauen versuchst. Du gehst sehr kreativ mit Worten um, gibst Verben und Adjektiven neue Bedeutungen, suchst nach verblüffenden Vergleichen und generierst überraschende und ungewohnte Komposita. Allerdings haben mich deine ‚Kreationen’ nicht immer überzeugen können.

Hier ein paar Beispiele:

... sacke auf dem Kissen
Stellt sich hier nicht eher die Frage nach dem ‚Wohin’?

Peters Augen lächeln grau und lichtern zur Kamera.
‚lichtern’ ist als Adverb eine Neuschöpfung. Nur was soll ich mir darunter vorstellen, wenn jemandes Augen gleichzeitig grau und lichtern lächeln. Du meinst vermutlich etwas wie ‚sehr hell’. Aber reichte da nicht auch das etwas angestaubte Wörtchen ‚licht’? So kommt mir das zu gewollt und aufgesetzt vor.

Als wäre mein Kopf ein Kürbis, der aus der Erde schwillt, als wollten die Augen sich in die Höhlen versenken. Im Spiegel sehe ich ein Monster, eine Maske.
Ein stark verkürztes Vergleichs-Chaos: mein Kopf (vermutlich meinst du: ‚aussehend wie’) ein Kürbis , der aus der Erde schwillt.
Mal abgesehen davon, dass kein Kürbis aus der Erde herausschwillt, vertiefst du das erste Bild noch mit einem weiteren Vergleich (..., der aus der Erde schwillt, (so,) als wollten die Augen sich in die Höhlen versenken’). Da stimmt für mein Empfinden weder die Syntax noch die Aussage. Und die anschließende Verstärkung durch ‚Monster’ und ‚Maske’ vermitteln mir leider auch keine Vorstellung davon, wie sie ihr Spiegelbild wahrnimmt: Erscheint ihr ihr Gesicht so geschwollen wie ein Kürbis, so furchterregend wie ein Monster oder so undurchdringbar wie eine Maske? Alles zusammen lässt mich an Halloween denken. Aber war das deine Absicht?

Kollegen, deren Sorgen und Glück sich jeden einzelnen Tag in die Gesichter gräbt (graben), wie eine unsichtbare Maschine, die sich an uns zu schaffen macht, ohne dass wir es wahrnehmen.
Sicher, Sorgen graben sich ein, bilden auf die Dauer tiefe Falten, aber tut das auch das Glück? Lachfältchen, ja - vielleicht. Aber braucht dieser Gedanke wirklich noch den zusätzlichen Maschinen-Vergleich? Ich halte ihn für nicht gelungen und überflüssig. Denn Glück, das sich wie eine unsichtbare Maschine zu schaffen macht? Ich weiß nicht.

Meine Öffnung, die Scham zwischen den Beinen, kocht
...
Kann eine Öffnung (nicht das, was sich in ihr befindet) wirklich kochen???

... hörte dem Pochen zu, das meinen Bauch durchtobte, den Geigen, die meine Herzblutbahnen füllten,
‚Geigen, die meine Herzblutbahnen füllen’ lassen mich an Dali-Bilder denken. Wenn du die von Geigen erzeugte Musik meinst, warum schreibst du das nicht oder suchst dir einen treffenderen Vergleich?

Die Überreste der Gier kleben an den Bildern
Wie ist das denn passiert?

Wie viele Ewigkeiten ist das her? Erinnerungslichter tauchen auf, lächelnde Sonnenjahre mit dir, Ferien voller Schweiß, Arbeitstage, die nach Minuten verstrichen, weil du mein Herz am Morgen gesättigt hast, ein weintrunkenes Meer, prall, hautfarben, lüstern, leicht. Erst jetzt verstehe ich, dass du dich auf ewig in meine Seele einbrennen wolltest. Von Anfang an.
Hier wechselst du von den beinahe lyrischen ‚vielen Ewigkeiten’ zu profaneren Begriffen wie ‚Schweiß’ und ‚Arbeitstage’, um im nächsten Moment wieder pseudo-poetisch von einem gesättigten Herzen zu sprechen, das entweder ein weintrunkenes (pralles, hautfarbenes, lüsternes und leichtes) Meer ist oder durch dieses gesättigt wurde. Auch hier stimmt für mein Gefühl etwas mit der Syntax nicht. Was willst du sagen: dass das gesättigte Herz ein weintrunkenes Meer ist oder dass es durch dieses weintrunkene Meer gesättigt wurde? Worauf bezieht sich der Vergleich?

(Nebenbei und sehr persönlich: Es fällt mir schwer, diese Überladenheit deiner Sprache positiv als ‚romantisch’, ‚barock’ oder ‚opulent’ zu bezeichnen. Ich empfinde diese Ballung schwärmerischer Begriffe (Ewigkeiten, gesättigtes Herz, weintrunkenes, pralles, lüsternes Meer, auf ewig eingebrannt) leider eher als ‚schwülstig’.)

Ich esse Lamm und Gemüse, trinke Quittenzitrusriesling.
Die Arme.
‚Quittenzitrusriesling’ klingt nach einem völlig ungenießbaren Wein. Ich glaube, ein Sommelier würde hier allenfalls von einem Anklang (feinen Aromen, einer Note, einem Hauch) sprechen. So hört es sich an, als tränke sie einen Riesling, der mit Zitronen- und Quittensaft versetzt wurde. Den Trinkgenuss kann ich nicht nachvollziehen und dass der Riesling nur leicht daran erinnert, steht hier ja nicht.

Die Nacht weckt Schatten, brennt sich in mich, rot wie meine Lippen, pochend wie die Seidenhaut, die unter dem vorne durchgeknöpften Kleidchen pulsiert.
Über die Pedanterie des ‚vorne durchgeknöpften Kleidchens’ im Zusammenhang mit der schatten-weckenden Nacht musste ich schmunzeln. Ich nehme es als Fingerzeig auf die spätere erotische Situation, finde aber den Diminutiv (Kleidchen) unfreiwillig komisch.
Übrigens hebt sie später den Rock.

Ich folge der Stimme, schiebe den Rock hoch,
Hat sie sich zwischenzeitlich umgezogen?

Sein Gesicht wirkt durchsichtig, wächsern, die Augen rötlichschwarz, wenn er mich millisekundenlang anschaut.
Durchsichtig und wächsern, dazu noch rötlichschwarze Augen. Wären nicht die rötlichschwarzen Augen, müsste ich an eine Wasserleiche denken.
Und ‚millisekundenlang’ ist mir in dem doch ernsten Zusammenhang eine beinahe lächerlich klingende Verniedlichung.

Die Fahrt ist gleich zu ende (Ende).

Diesen Beispielen ließen sich noch weitere hinzufügen, Katla hat ja auch schon einige benannt.
In dem Zusammenhang möchte ich auch auf deine Replik auf Katlas (ersten) Kommentar kurz eingehen:

Isegrims schrieb:
Darf man sich außerhalb des literarischen mainstreams bewegen, dürfen Texte dem Leser Bedeutungsebenen zumuten, die er nicht erwartet, ...

Leider muss ich mich in gewisser Weise ihrer/seiner Antwort auf diese Frage anschließen. Neue und überraschende Bedeutungsebenen finde ich als Leser gut, wenn sie sich mir erschließen und ich sie nachvollziehen kann oder wenn sie mir eine neue Sicht auf einen Zusammenhang bescheren bzw., wenn gemeinte Zusammenhänge auf neue Art und Weise (z.B. durch neue Komposita) treffsicher auf den Punkt gebracht werden. Das funktioniert u.a. an den oben angeführten Stellen aus dem einen oder anderen Grund mMn leider nicht. Mal scheint mir der Vergleich nicht zu taugen oder das Geschriebene nicht das Gemeinte zu treffen, mal stimmt einfach die Syntax nicht mit der (beabsichtigten) Aussage überein. Daneben empfinde ich die Sprache insgesamt als zu überladen und in ihren Verstärkungen häufig auch als redundant. Aber das ist ein persönliches Geschmacksurteil und mag anderen anders gehen.

Isegrims, mich fasziniert, mich welcher Verve und emotionaler Kraft du deine Texte verfasst, da spürt man beinahe durchgängig dein schreiberisches Engagement. Allerdings würde ich dir nach dem ersten eruptiven;) Schreiben eine zweite Phase wünschen, in der du noch einmal distanzierter und kritischer an deine Wort- und Satzkreationen herangingest, um so die ‚Spreu vom Weizen’ zu trennen. Das bräuchte es nach meinem Empfinden, um dein Vorhaben, neue, ‚vom literarischen mainstream abweichende’ Wege zu gehen, akzeptabel umzusetzen.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo Katla,

wir verteidigen beide unsere Auffassungen. Ich lerne eine Menge daraus. Allein dafür bin ich dankbar. Ich experimentiere an einigen Stellen, sicher, arbeite an meinem Schreiben. Manchmal kommt er mir vor, als müsse ich Möglichkeiten testen, ausweiten, zusammenschmelzen, je nachdem. Mit dem Ziel Texte zu schreiben, die ausdrücken können, was ich wahrnehme, die berühren und über handwerklich, sprachliche Eleganz verfügen. Ein Prozess, ein Freuden- und Dornenweg. Ich habe eine Vorstellung von dem, was ich schreiben, wie ich schreiben möchte und ich lerne dazu.

Oder willst du etwa behaupten, Linguistik / LitWiss und Theorien zum Schreiben fiktionaler Texte seien nichts weiter, als die narzisstischen Störungen der Theoretiker?
ein gewisses Maß an Narzissmus steckt schon in geisteswissenschaftlichen Bemühungen, obwohl theoretische Betrachtungen sicher hilfreich sind.

Die Autorenebene gibt es eben nicht in Kommentaren, weil die sich nicht aufsplitten in Autor vs Erzähler.
klar, war eine Provokation, dass ich das behauptet habe. Wenngleich hier bei den Wortkriegern einige Leute eher ihren eignen Weg in den Kommentaren zu anderen Texten bespiegeln, um sich sozusagen ihres eigenen Schreibens zu versichern.

Ich meinte das Prinzip, dass die Stimme des Autors möglichst nicht durch die Stimme des Prots/Erzählers brechen sollte, weil das eben die Ebenen mixt und ein handwerklicher Fehler ist.
der Text ist aus der Ich-Perspektive heraus geschrieben, die Erzählerin belügt sich gelegentlich selbst, aber die Stimme bleibt stringent, in sich geschlossen, hoffe ich.

Verquaste Wortschöpfungen schaffen keine neue Bedeutungsebene, sie verschleiern höchstens, dass eine Idee/Bild/Szene unsauber kommuniziert wird. Sie sind wie eine erzähltechnische Nullstelle im Text.
allein das Wort „verquast“ enthält eine unzulässige Wertung. Wenn eine Wortschöpfung inhaltslos ist, keine neue Bedeutungsebene erschließt, mag sie sinnlos sein. Mir mag das nicht durchgehend bei allen gelingen, so what?

-> Dafür hast du ziemlich viel Sex ohne show, don’t tell, das war mein Punkt. Ich kenne Pornos, die wesentlich komplexer sind, eine Geschichte erzählen, einen erkennbaren Konflikt im Plot haben und nachvollziehbare, runde Figuren. Und der Sex hier ist sehr sauber und geordnet, keine Sorge (edit: Ich meine generell, mit Ausnahme der armen Kandinskys in der Schußlinie, natürlich).
sorry, aber die Behauptung, es gäbe keinen erkennbaren Konflikt der Protagonistin, die kann ich nicht - nachvollziehen. Runde Figuren? Gibt es das in der modernen Literatur? Damit stelle ich mich jetzt nicht auf den Standpunkt, dass eine Figur komplett unverständlich sein darf, aber gebrochen durchaus.
Ja, der arme Kandinsky, obwohl ich glaube, dass der Rothko das meiste abbekomme hat…

(Meinst du Redundanz oder Reduktion?)
reduziert, stimmt.

Wenn du keinen kritischen Kommentar willst, schreib das doch gleich dazu, dann kann man sich die Zeit sparen.
quatsch, natürlich brauche ich kritische Kommentare, trotzdem bleibe ich in viele Punkten bei meinem Standpunkt, das ist doch okay, oder?

Sie ergeben teils keinen Sinn - ich meine: bezogen auf Bezeichnendes und Bezeichnetes, wie weit kann man die Konvention (-> im linguistischen, nicht gesellschaftlichen Sinne) in Sprache brechen, bis sie nicht mehr sinnvoll kommuniziert werden kann etc.
für dich ergeben sie keinen Sinn. Im übrigen nutzen auch andere Autoren ähnliche Stilmittel, spielen, experimentieren damit. Lies z.B. mal Arno Schmidt, Raymond Queneau (lese ich gerade), Zsusza Banks.

pinkfarbenes Plastiktütenmaterial oder hellbrauner Plüsch?
-> Findest du das sexy? Dann schreib das doch.
oh nein, sehr unsexy!

Um ein Gefühl für die kritisierte Überladenheit (liebe Grüße an barnhelm) zu bekommen, werde ich in den nächsten Tagen eine Textversion einstellen, aus der ich (fast) alle grenzüberschreitenden sprachlichen Mittel entferne.

Liebe Guten-Morgen-Grüße
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Isegrims,

nach längerer Pause melde ich mich zurück bei den Wortkriegern und werde direkt von deiner Geschichte umgehauen.

Es gibt Kurzgeschichten, die man liest und Stunden später wieder vergessen hat, aber deine mit diesen extrem starken Bildern hat sich bei mir eingebrannt.
Das liegt sicher auch an deiner Wortgewalt, an den tollen Wortkreationen und den auch teilweise offenen Fragen. Eine Geschichte, die zum Weiterdenken einlädt.
Fiktion und Realität sind nicht klar zu trennen und fließen ineinander. Spielt die Prota Szenen ihrer Erotik mit dem Verstorbenen nach, um sich ihm nahe zu fühlen? Ist der abgetrennte Finger eine Trophäe oder eine späte Rache an Peter, der sie nicht wirklich berühren wollte? Ist alles nur ein Traum oder doch Realität?
Stark auch die Verknüpfung der schönen, friedlichen Natur mit dem Leid der Prota. Es ist nicht so, dass man in leidvollen Situationen, diese Schönheiten nicht wahrnimmt. Im Gegenteil, sie schmerzen besonders, weil die innere und die äußere Welt so differieren.


Zwei Textstellen haben mich jedoch etwas aus dem Konzept gebracht.

Er enttäuscht mich zum ersten Mal, aber ich sage nichts, stelle mich wieder auf die Heels, sodass die Knie nach oben ragen, öffne mich.
wieso stellt sie sich wieder auf die Heels? Hatte sie nicht vorher gekniet, wie ihr aufgetragen war?

drücke auf den Schalter und reiße mir die Maske vom Gesicht. Noch bevor er ....................................... Gerade als ich die die Maske abgenommen habe, geht er zu Boden und bleibt still liegen

Dieses Bild ist mir nicht ganz schlüssig. Das Abreißen der Maske impliziert eine schnelles Demaskieren, gleichzeitig drückt sie den Knopf und betäubt ihn. Warum geschieht dies gleichzeitig, warum riskiert sie erkannt zu werden, falls die Betäubung nicht direkt funktioniert? Das spätere "Maske abgenommen" widerspricht auch etwas dem Herunterreißen.

Vielen Dank für diese beeindruckende Kurzgeschichte, die ich mit Spannung gelesen habe.

Mata

 
Zuletzt bearbeitet:

Um ein Gefühl für die kritisierte Überladenheit (liebe Grüße an barnhelm) zu bekommen, werde ich in den nächsten Tagen eine Textversion einstellen, aus der ich (fast) alle grenzüberschreitenden sprachlichen Mittel entferne.

Auf die Version bin ich sehr gespannt,

liebe Isegrims,

und daher jetzt nur ganz kurz. Ich finde deine Texte mutig und verfolge mit Spannung und Respekt deine Schreiberei und die Ernsthaftigkeit und Vehemenz, mit der du dich hier mit der Kritik auseinandersetzt. Für mich wird hier deutlich, dass Schreiben Moden unterworfen ist. Ich werde jetzt keine weitere Liste von Formulierungen erstellen, die mich beim Lesen gestoppt haben. Von denen hast du, glaube ich, schon genug bekommen.

Der oben zitierten Überladenheit möchte ich - linguistisch betrachtet, sorry, mein aktuelles Hobby und dein Text ein willkommenes Untersuchungsobjekt... - entgegenhalten, dass es bei deinen Nominalkomposita um eine semantische Unterspezifiziertheit geht. Was heißt das? Das Schweineschnitzel besteht aus Schwein. Und das Kinderschnitzel, woraus besteht das? :D
EDIT: Übertragen auf deinen Text: Das Alptraumlaken ...

So viel oder so wenig für heute und noch einen schönen Abend!
Anne

 

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