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Sternschnuppe
Paul hat einen Tannenzweig auf seinem Balkon gefunden, die Luft wohl wird ihn fallen gelassen haben, es war mächtig kühl und windig die letzten Tage. Noch tragen die Nadeln ein sattes Grün, haben ihm gar in die Hand gepiekt, als er den Zweig vom Boden aufgehoben. „So ein schöner Zweig, wie gewaltig der Wind geblasen haben muss, um dich hier hoch zu tragen.“, Paul fährt mit den Tannennadeln durch den weißen Reif auf dem Geländer, dass schmale Spuren bleiben, die er im Mondlicht kaum sieht. Einen großen Kreis will er ziehen, nur sind die Fliesen des Balkons nicht von Schnee bedeckt, es hat noch gar nicht richtig geschneit diesen Winter, trostlos grau ist die Stadt geblieben.
Durch den Sternenhimmel huscht eine Schnuppe und Paul schließt die Augen, doch bevor er sich etwas wünschen kann, führt ihn das gelbe Funkeln durch die kalte Dezembernacht. „Wo landen wir?“, ruft er, weil er zu fliegen glaubt, obwohl er noch immer den Zweig in der Hand hält und am Geländer steht. Die Lider beschützen seine klaren Kinderaugen vor der Kälte.
Paul verweilt auf der Stelle, und doch tritt er hinaus auf den Bogen, den er so gerne selbst gezogen hätte. Er wendet sich zurück und findet sich auf einer großen weißen Wiese wieder, seine Fußspuren im Schnee und in der Mitte des Kreises steht er, angetan von der lieblichen Musik der Sterne, und tanzt fröhlich Ringelreihe.
„Magnus, nimm meine zarte Hand“, ruft ein Engelsmädchen und streckt Paul seine Flügel entgegen, an die er sich klammert, um von der Luft getragen zu werden ins warme Himmelreich, wo keine Pforte ihm den Durchflug verwehrt. „Wie schön du bist, Magnus“, ihr sanfter Kuss lässt Glockengeläut erklingen und Lichter umkreisen den schwarzen Mantel der Harmonie.
„Schau doch, der Tannenzweig“, flüstert sie und Pauls Lider löschen aus die Musik. Der Wind, der Wind, er muss ihn wieder an sich genommen haben, weil immer noch kein Schnee gefallen, und die lichte Stadt wird trostlos grau bleiben.