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Sternstunden

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26.11.2004
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Sternstunden

„Hier ist es! Hier haben wir uns vor drei Monaten kennen gelernt!“, dachte ich verträumt und sah mich in der großen Halle um. Vor mir baumelte ein riesiges Erdmodell aus Styropor von der Decke und hinter der Tür war der Zuschauerraum. Ich befand mich im Planetarium, dem Ort, an dem ich Léon das erste Mal gesehen hatte.
Ich hatte mich sofort in ihn verliebt, als ich ihn vor dem Planetenkonstellationsmodell, das kaputt und zerstreut auf dem Boden lag, weil er es kurz zuvor heruntergeschmissen hatte, knien sah. Mit hochrotem Kopf sammelte er ein paar Einzelteile ein und versuchte seinen angerichteten Schaden irgendwie wieder zu begleichen.
Wie von einer unsichtbaren Hand geführt, bin ich an dem Tag im August zu ihm gegangen und habe dem völlig verwirrten Jungen geholfen das Modell halbwegs wieder zusammenzusetzen.
„Hey Vanessa!“, wurde ich plötzlich aus meiner Erinnerung gerissen. Ich drehte mich um und erblickte eine Reihe großer, schneeweißer Zähne mit samt ihrem grinsenden Besitzer.
Léon kam auf mich zu und drückte mir stürmisch einen Kuss auf den Mund.
„Du kommst gerade noch pünktlich. Die Vorstellung beginnt in 5 Minuten!“, meinte ich lächelnd.
„Wir müssen uns gar nicht mit einer Menge anderer Leute in diesen Besuchersaal quetschen und uns einen Vortrag über Sternbilder anhören. Der Sternenhimmel draußen ist herrlich!“, entgegnete der Blondschopf, der jetzt meine Hand ergriff und mich durch die große Tür hinaus führte.
Der Blick gen Himmel war wirklich atemberaubend. Dass dieser Abend eine so schöne Sicht auf das Weltall darbot, hatte ich gar nicht bemerkt, als ich ziemlich in Eile die zwei Blocks zum Planetarium gejoggt bin.
„Und?“
„Muss ich da noch was sagen?“, entgegnete ich und kuschelte mich an meinen Freund.
Wir setzten uns ins Gras und genossen den traumhaften Abend. Selbst die Kälte, die eine Oktobernacht nun mal mit sich bringt, störte uns nicht. Wir hatten einander und das genügte!
Ich löste mich von Léon, der seinen Arm um mich gelegt hatte, und sprang auf.
„Eine Sternschnuppe! Ich hab eine Sternschnuppe gesehen!“, schrie ich und zeigte meinem Freund die Stelle, aber nichts war mehr zu sehen. Glücklich setzte ich mich wieder hin.
Ich war schon in einen eigenartigen Trance-Zustand verfallen, da tippte Léon mich plötzlich an.
„Hast du dir eben eigentlich was gewünscht?“, fragte er mich.
„Nein, wieso?“, antwortete ich zögernd.
„Na, heißt es nicht: Der, der einer Sternschnuppe keinen Wunsch mit auf den Weg gibt, wird das Pech verfolgen?“
„Du glaubst doch nicht etwa an so einen Unsinn, oder?“
„Na ja, man kann ja nie wissen…“
“Ach, Quatsch!“
Entschlossen lehnte ich mich an die starke Schulter neben mir. Mich fröstelte.
Auch Léon bemerkte das und stand auf.
„Komm, wir gehen noch zu mir!“, schlug er vor und streckte mir seine Hand entgegen, die ich sofort ergriff. Rückwärts lief er vor mir her und grinste.
,Ein gar nicht mal hässlicher Traummann…`, dachte ich verträumt.
„Ich bin so glücklich!“, rief der Traummann aus, den Blick immer noch auf mich gerichtet.
„Ich auch. Nichts kann uns mehr tren…“ Mitten im Satz brach ich ab und wollte noch schreien, aber meine Kehle war wie zugeschnürt.
Ich konnte nur noch abrupt stehen bleiben und mit vor Schreck aufgerissenen Augen mit ansehen, wie ein tonnenschwerer LKW auf meinen Freund, der blind vor Liebe auf die Straße gelaufen war, zuraste.
Ich hätte ihm so gerne geholfen. Doch ich konnte nicht!
Ich hörte ein schreckliches Quietschen, einen ohrenbetäubenden Knall, einen langgezogenen, gellenden Schrei, der mir alle Sinne raubte.
Am Straßenrand fiel ich in Ohnmacht.

„Er ist tot, nicht wahr?“
Wütend und verzweifelt zugleich blickte ich die Krankenschwester an, die mich auf das Bett drückte, sodass ich nicht zu meinem Freund laufen konnte. Durch den Tränenschleier vor meinen Augen konnte ich kaum etwas erkennen.
Da war nur noch das Bild des riesigen LKW in meinem Kopf.
„Tut mir leid. Wir konnten nichts mehr tun…“
„Diese Sternschnuppe… Ich hätte mir etwas wünschen sollen…“, stammelte ich. Ich war nicht in der Lage einen vollständigen Satz zu bilden, ich fühlte mich betäubt und ausgehöhlt.
„Du glaubst doch nicht etwa an so einen Unsinn, oder?“ Die Krankenschwester starrte mich an, wie einen Patient mit Fieberhalluzinationen .
Stumm zog ich mir die Decke über den Kopf.
Ich hatte das Gefühl, ich müsste unter ihrer Last ersticken.
Ich konnte nicht mehr atmen.
Mein geliebter Léon war mit der Luft zum Atmen von mir gegangen.
Letzteres störte mich weniger.

 
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Hallo Agrippina

Ganz schön deftig, deine "Liebesgeschichte". Mir gefallen Überraschungen.

Allerdings finde ich das Ganze zu oberflächlich geschrieben. Ich spüre kaum das Verliebt sein, noch den Schock oder die Trauer. Ich fände es toll, wenn die Geschichte doppelt so lang wäre, und ich mehr Einzelheiten erfahren würde. Aber vielleicht ist dein Schreibstil auch einfach nicht so mein Geschmack...

Lass dich nicht entmutigen von mir

Gruss
Juddl

 

Hallo Agrippina,

der Schluß ist durchaus überraschend und hat mir ganz gut gefallen. Aber auch ich hätte mir die Geschichte gern länger gewünscht, ausführlicher, dann kommt die eigentliche Dramatik viel besser zur Geltung.

Liebe Grüße
stephy

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Agrippina,

herzlich Willkommen hier auf kg.de :).

Ein Schocker am Ende macht alleine noch keine gute Geschichte, sage ich mal, den Handlungsverlauf betrachtend. Wieso muss denn der Arme gleich sterben? Ein schwerer Unfall mit den Worten eines Sanitäters: "Er wird schwer kämpfen müssen" oder so ähnlich hätte doch auch schon gereicht, um Dramatik zu entwickeln und auf den nicht ausgesprochenen Wunsch einer Sternschnuppe hinzuweisen. Damit würdest du dem Leser zudem noch Stoff zum Nachdenken geben: Wird er es schaffen? Und wenn, wird er wieder ganz gesund werden? Die Geschichte so nach hinten zu öffnen, kann auch ihren Reiz haben und du überlässt es dann dem Leser und seiner Phantasie, wie alles weitergeht.

Zum Text selbst:

Hier ist es! Hier haben wir uns vor drei Monaten kennen gelernt!“, dachte ich verträumt und sah mich in der großen Halle um.

Stell dir vor: Du hast deinen momentanen Freund vor einem Vierteljahr in der Disco kennengelernt. Würdest du dann davor stehen und denken: Hier ist es! ? Das ist nicht besonders authentisch für mich als Leserin.

Besser würde mir zb in der Art was gefallen und würde schon auf die Situation hinweisen, die dann kommt: "Was hat doch dieser Ort in mein Leben verändert . Schon ein Vierteljahr ist es her, als ich dich mit hochrotem Kopf auf dem Boden knien sah."
Dann würdest du den Leser vielleicht auch neugierig darauf machen, wieso Léon denn auf dem Boden kniete.

Mit deinem Satz Hier haben wir uns vor drei Monaten kennen gelernt! versuchst du uns als Leser Informationen zu vermitteln, die die Protagonistin so aber nie denken würde. Verstehst du, was ich meine?

Ich hatte mich sofort in ihn verliebt, als ich ihn vor dem Planetenkonstellationsmodell, das kaputt und zerstreut auf dem Boden lag, weil er es kurz zuvor heruntergeschmissen hatte, knien sah.
Diese Beschreibung mit der Liebe auf den ersten Blick ist für mich auch immer wieder starker Tobak, nicht nur in deiner Geschichte.
Beschreib doch, dass er süße Locken hatte oder mit seinem peinlich berührten Gesichtsausdruck so hilflos und doch so knuddelig aussah oder irgendsowas, dass einem Léon symphatisch wird, ich als Leser möchte doch was von ihm erfahren - das hat dann mehr Wirkung wie die Aussage, dass sich die Prot sofort verliebt hat und man weiß trotzdem, dass sie ihn anziehend findet. Das reicht doch erstmal.

Mit hochrotem Kopf sammelte er ein paar Einzelteile ein und versuchte seinen angerichteten Schaden irgendwie wieder zu begleichen.
Einen Schaden begleichen bedeutet, etwas dafür zu bezahlen. Du meist wohl eher "gutzumachen", wobei auch das in dieser Situation einfach nicht möglich sein wird, kaputt ist kaputt, das wird Konsequenzen haben, die im Moment nicht zu regeln sind. Wenn er versuchen würde, denn Schaden irgendwie wieder gutzumachen
müsste er quasi mit dem Kleber schon parat stehen. Du merkst, worauf ich hinaus will?

Wie von einer unsichtbaren Hand geführt, bin ich an dem Tag im August zu ihm gegangen und habe dem völlig verwirrten Jungen geholfen das Modell halbwegs wieder zusammenzusetzen.
Mit Jungen assozieere ich ein 6-12 jähriges Kind, aber das sehe vielleicht nur ich so.

„Hey Vanessa!“, wurde ich plötzlich aus meiner Erinnerung gerissen. Ich drehte mich um und erblickte eine Reihe großer, schneeweißer Zähne mit samt ihrem grinsenden Besitzer.
:lol: Sorry, da musste ich lachen. In mir kam ein Bild eines riesengroßen Pferdegebisses auf - man guckt und sieht nur Zähne. Vielleicht kein so positives Bild von dem Prot ;).

Selbst die Kälte, die eine Oktobernacht nun mal mit sich bringt, störte uns nicht.
Einspruch ;) Es gibt sehr wohl auch laue Oktobernächte.

„Eine Sternschnuppe! Ich hab eine Sternschnuppe gesehen!“, schrie ich und zeigte meinem Freund die Stelle, aber nichts war mehr zu sehen. Glücklich setzte ich mich wieder hin.
Im August sind die meisten Sternschnuppen zu sehen, das nur so am Rande.

Ich war schon in einen eigenartigen Trance-Zustand verfallen, da tippte Léon mich plötzlich an.
Weil sie eine Sternschnuppe gesehen hatte?


Entschlossen lehnte ich mich an die starke Schulter neben mir.
Erst war es ein Junge, jetzt hat er starke Schultern. Paßt nicht in mein Bild, aber wie gesagt, andere sehen das vielleicht anders.


,Ein gar nicht mal hässlicher Traummann…`, dachte ich verträumt.
„Ich bin so glücklich!“, rief der Traummann aus, den Blick immer noch auf mich gerichtet.


„Ich auch. Nichts kann uns mehr tren…“ Mitten im Satz brach ich ab und wollte noch schreien, aber meine Kehle war wie zugeschnürt.
Ich konnte nur noch abrupt stehen bleiben und mit vor Schreck aufgerissenen Augen mit ansehen, wie ein tonnenschwerer LKW auf meinen Freund, der blind vor Liebe auf die Straße gelaufen war, zuraste.
Das ist mir zu einfach gestrickt. Zudem lief er doch gerade noch rückwärts, damit wolltest du vielleicht seine Unaufmerksamkeit zeigen. Dann läuft er aber blind vor Liebe auf die Straße - rückwärts oder vorwärts? Ich möchte in so einer Situation etwas genauer wissen, wie das möglich ist, dass er auf die Straße geht, ohne sich umzuschauen .
Ich hörte ein schreckliches Quietschen, einen ohrenbetäubenden Knall, einen langgezogenen, gellenden Schrei, der mir alle Sinne raubte.
Quietschen okay, das sind die Reifen, - der Knall, durch was kommt der zustande? - einen langgezogenen Schrei - vom Fahrer? Ich frage mal so naiv, denn es ist ja nicht unbedingt gesagt, dass jemand, der überfahren wird, noch so lange schreien kann.

„Er ist tot, nicht wahr?“
Hat man als Freundin nicht eher Hoffnung und fragt: Lebt er? Wie gehts ihm? Was ist mit ihm passiert?


Wütend und verzweifelt zugleich blickte ich die Krankenschwester an, die mich auf das Bett drückte, sodass ich nicht zu meinem Freund laufen konnte.
Lag der einfach ein Bett neben ihr? Nein, natürlich nicht. Sie weiß ja nicht einmal, WO er liegt, aufbewahrt wird, so kann man auch obiges fettes nicht so formulieren. Eher: ... so dass ich ihn nicht suchen konnte.

„Du glaubst doch nicht etwa an so einen Unsinn, oder?“ Die Krankenschwester starrte mich an, wie einen Patient mit Fieberhalluzinationen .
Ich denke nicht, dass eine Krankenschwester so reagieren wird, wenn sie weiß, dass der Freund der Prot gerade gestorben ist.

Mein geliebter Léon war mit der Luft zum Atmen von mir gegangen.
Letzteres störte mich weniger.
Aber spätestens in einer halben Minute, wenn man das versinnbildlichen würde. Deshalb finde ich den letzten Satz nicht so gelungen als Abschluß.

Ich habe nun deine Geschichte sehr verhackstückelt. Das ist aber eher ein positives Zeichen, denn bei - meiner Ansicht nach - hoffnungslosen Geschichten würde ich mir die Mühe nicht machen :). Mithin ist auch dein Alter ein Grund, wieso ich dir das teilweise so deutlich gemacht und auch Alternativen aufgezeigt habe. Das soll nun nicht bedeuten, dass meine Vorschläge besser sind, lediglich dienen sie dazu, dir meine Gedanken exemplarisch näherzubringen.

Ich finde die Idee mit der Sternschnuppe, dem verpeilten Wunsch, dem Unglück danach gut, das hat ja einen typischen Kurzgeschichtenhandlungsstrang, den du von der Struktur her auch schon gut aufgestellt hast. Wichtig wären eben, damit es eine in meinen Augen gute Geschichte wird, dass du noch ein wenig an den Protagonisten feilst, wirf noch ein paar Sätze ein, die erklären, wieso sie so miteinander verbunden sind, beschreibe es nicht nur, zeige es an Handlung oder im Dialog.

Und bitte, schreib nicht: Danke für die Hinweise, ich versuche das in der nächsten Geschichte zu beherzigen. Arbeite an dieser Geschichte hier weiter, dann wird sie garantiert noch um einiges besser und dir bringt es viel mehr, als nur neue zu produzieren.

Lieber Gruß
bernadette

Edit: Und ganz wichtig: Andere Geschichten lesen, dir Gedanken darüber machen, was da unstimmig ist, was nicht gefällt und das dem Autor dann auch durch Kritik mitteilen. Das bringt dich viel mehr weiter als du denkst.

 

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