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Sternwarte

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29.12.2012
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Sternwarte

Hinter der Höhle liegt eine Bucht. Es ist warm und hell, erst schmerzt es, doch schnell gewöhne ich mich an die direkte Sonne. Die Brise bewegt meine zerzausten Haare, meinen ungewohnten Bart und kitzelt. Ich lasse die Kälte der Höhle hinter mir und blicke auf das Meer. Was hätte anderes hinter der Höhle sein können? Die Wellen verspotten mich für meine Erwartungen. Nichts anderes als dieses uralte, ausgelutschte Symbol für Weite und Freiheit wäre hier recht. Bis auf das endlose Blau vor mir gibt es nur weiß bis braun. Der Strand geht nahtlos in die erdigen Farben der Felsen und unbezwingbar hohen Steilklippen über. Die Höhle scheint der einzige Zugang zu dieser Bucht zu sein.

Es gibt nur ein Gebäude hier. Es ist ein großer Zylinder aus gelblichem, grobem Stein mit einer halboffenen Kuppel als Dach. Das Gemäuer ist brüchig, an vielen Stellen fehlen Steine. Fenster sind nicht zu erkennen, dafür klaffen einige mannsgroße Lücken aus dem Bau. Es scheint sehr alt und verlassen zu sein. Der Meeresspiegel holt es ein, ich wate durch das kniehohe Wasser zum Eingang. Eine kleine Treppe führt zum Rundbogen, hinter dem ich den großen, lichtdurchfluteten Raum erahne. Ich stütze mich gegen einen Pfeiler und mustere den Ort. Es gibt keine Möbel, keine Treppen, keine Raumaufteilung. Die runden Wände und das kaum noch vorhandene Dach erinnern an die Ruine eines Amphitheaters. In der Mitte erhebt sich ein kreisrundes Plateau, darauf befindet sich ein mächtiges, eisernes Konstrukt. Eine Art Liegestuhl, flankiert von gigantischen Zahnrädern, daran ein Apparat aus langen, glänzenden Schienen und Rohren. Was ist es? Wie konnte es in dieser verfallenen Umgebung so unberührt bleiben, frei von Beulen und Rost? Ich will es genauer betrachten und trete näher. Aber nach wenigen Schritten halte ich verwundert inne.

Dort liegt ein Mädchen, zierlich und schlank, in einem schlichten, weißen Kleid. Sie scheint zu schlafen. Ist sie tot? Ich komme näher. Ihre langen roten Haare reichen bis zur Hüfte. Es sind verfilzte Strähnen, Dreadlocks. Sie sehen glatt und weich aus, natürlich und erhaben, von Meer und Sonne geformt und gepflegt. Nicht wie die zerzausten, schlecht gefärbten Versuche der verunsicherten Mädchen, mit denen ich einst schlief. Als ich leise an den Maschinenstuhl trete, schlägt sie ihre Augen auf. Sie dreht den Kopf zu mir und begrüßt mich mit einem entspannten, fast ausdruckslosen Gesicht.
„Entschuldige, ich habe geschlafen. Willkommen in der Sternwarte.“
Ihre Stimme ist hell und klar. Ich lasse mich von ihr umhüllen wie von einer warmen Decke. Sie bleibt regungslos und scheint auf ein Wort von mir zu warten. Ich weiß nicht, was ich sagen sollte und merke mit einem Mal, wie erschöpft ich bin. Mein Mund ist schwer und trocken. Der Weg durch die Höhle war anstrengend. Ob sie auch durch die Höhle hierher kam? Oder mit einem Boot? Mit einem Fluggerät?
„Trink etwas.“
Gute Idee. Ich nicke und taste nach der Dose in meiner Jackentasche. Sie hat die Kälte der Höhle noch nicht abgegeben. Ich nehme sie heraus und öffne den Verschluss mit einem Knack und einem Zisch. Ich trinke das süße Zeug, es pappt auf meiner ledrigen Zunge. Klares Wasser wäre mir lieber, aber ich möchte nicht fragen. Das Mädchen erhebt sich aus seiner halb liegenden Position und setzt sich auf. Ihre Beine baumeln kindlich von der Stahlmaschine herab. Ich schlucke und schlucke mein Getränk und schiele an der Dose vorbei. Sie ist barfuß, ihre Zehen scheinen gerade aufzuwachen, sie spielt damit, dehnt sie, über Kreuz, auf und ab. Reflektionen tanzen mit meinem verzerrten Spiegelbild über das Blech.
„Was ist das?“ fragt sie und streckt eine Hand zu mir.
„Kirschkola“ sage ich.
Ein schwieriges, sperriges Wort für einen, der lange Zeit nicht gesprochen hat und ohnehin selten den Mund aufmacht. Ihr Arm bleibt lang auf mich gerichtet, ihre Mimik unverändert. Ich reiche ihr die Dose. Unsere Finger berühren sich für einen kurzen Moment. Sie ist warm von Sonnenlicht und Schlaf. Während sie trinkt, ordne ich meine Gedanken und lege mir Sätze zurecht. Sprechen ist anstrengend. Sie trinkt langsam und sehr bedacht.
Ich frage: „Was tust du hier?“
Sie setzt die Dose neben sich auf dem Stuhl ab.
„Sternwarte.“
Sie formt jedes Wort mit Freundlichkeit und Klarheit, als wolle sie betonen, wie einfach und selbstverständlich es ist.
„Ich warte auf die Sterne.“
„Das heißt es? Ich dachte, Warte kommt von…“
Ich brauche ein paar Sekunden, um mich an die Begriffe zu erinnern.
„…von ‚Wartung‘, ‚Pflege‘ – so wie ‚Hausmeister‘.“
Sie lächelt überrascht, jedoch ohne den Mund zu verändern. Nur an ihren Augen erkenne ich ihre Belustigung.
„Hausmeister des Himmels, das gefällt mir.“
Wir sehen uns stumm an. Kirschkola hin oder her, ich spüre eine weitere Welle der Müdigkeit in mir aufkommen. Sie berührt mich sanft an der Schulter und ich


Er schläft. Sie muss sich nicht vergewissern. Die Reise war lang, sein Gesicht zeigt Gruben der Erschöpfung. Sie ließ ihn sanft auf den Boden gleiten. Auf dem warmen Steinboden der Sternwarte wird er sich erholen können. Sie steigt vom Plateau hinab und streift mit einem schlanken Zeigefinger den Träger des Kleides über ihre Schulter. Während sie durch den Raum schreitet, gleitet das Kleid schwerelos von ihr, wie eine nutzlose, verbrauchte Haut. Sie verlässt das Gebäude. Das kalte Meerwasser belebt ihre Waden. Sie spaziert nackt über den Strand. Es gibt dort keinen Grund für Kleidung, keine Scham, keine Stürme. Sie kennt jedes Tier, jede Gefahr im Gewässer und weiß sich davor zu schützen. Solange er schläft verabschiedet sie sich von der Bucht. Die kommende Nacht wird ihre letzte sein.​

Am Horizont verschmelzen zwei Dunkelheiten. Die Gischt tanzt im Rhythmus eines gleichschlagenden Herzen. Eine weiße Linie, ein EKG zwischen den Elementen. Sie beruhigt sich, flacht ab, schließlich steht sie still.
Das Meer ist tot.
Der Himmel ist tot.

Aus dem Nichts wird ein Wesen geboren. Das Wasser bebt, eine Insel erhebt sich aus den Tiefen. Fluten stürzen hinab, die wiederbelebte Brandung teilt sich. Die Insel steigt weiter auf, Gesichtszüge werden erkennbar. Das Fließen und Prasseln des Wassers erfüllt die Nacht mit mächtigem Schall. Es ist ein Gigant, ein riesiges Wesen mit menschlichen Zügen. Bis zum flachen Oberkörper hat es sich aus dem Meer erhoben. Es scheint männlich zu sein. Das Wasser beruhigt sich. Am Strand wartet eine junge Frau, ohne Kleider. Die Stille ist zurückgekehrt. Das Mädchen und der Riese stehen sich stumm gegenüber. Sie genießen den Anblick, die Stille, die Kühle der Nacht. Der Gigant schließt genussvoll die Augen, ein Buddha-haftes Lächeln ziert sein Gesicht. Seine Nasenflügel weiten sich, er ergötzt sich am salzigen Duft des Strandes. Das Mädchen schreitet auf ihn zu, er hebt seine massiven Unterarme aus dem Wasser und breitet seine Handflächen am Ufer vor ihr aus. Sie ist gerade so groß wie zwei seiner Finger. Sie betritt seine übereinandergelegten Hände wie ein Floß, er hebt sie an sein Gesicht. Sie betastet seine riesigen Lippen, streichelt sie wie den Bauch eines geliebten Tieres. Dann küsst sie ihn.

Sturmwolken schieben sich vor Sterne und Mond. Der Gigant hält seine Hände schützend um sie und birgt sie gegen seine Brust. Sie presst sich an ihn, sucht nach seinem Herzschlag. Es beginnt zu regnen, die Wellen gewinnen an Höhe. Über dem Festland schlagen Blitze durch die Wolkendecke. Der Gigant schreitet auf das Ufer zu, sein Körper erhebt sich Stück für Stück aus dem Wasser. Auch seine untere Hälfte ist durch und durch männlich. Er streckt eine Hand zum Himmel, sie verschwindet in den düsteren Wolken. Er verbindet die Sphären. Blitze zucken über seinen erhobenen Arm, sein unverändert entspanntes Gesicht wird von blauem Licht überströmt. Mit der anderen Hand lässt er das Mädchen hinab. Unterhalb der Hüfte setzt er sie ab. Zwischen seinem Leib und seinem Glied ruht sie wie gegen einem breiten Baumstamm gelehnt. Sie umklammert sein Geschlecht und beginnt, das Leben vieler Generationen zu träumen.​


„Ich träume nicht mehr.“
„Das höre ich von vielen meiner Patienten.“
Doktor Leid weitete die Nasenflügel und kratzte sich mit einem billigen, angeknabberten Kugelschreiber nah am Nasenloch. Werbegeschenk, Holiday Inn. Ich spürte das Verlangen, seine haarige Hand mit aller Kraft von unten anzutreiben und ihm den blöden Stift längs durch den Riecher bis in die Hirnrinde zu treiben. Schön pfählen, die graue Masse des Therapeuten. Das wäre wenigstens aufrichtig.
„Es gibt Theorien, denen zufolge jeder Mensch in jeder Nacht träumt. Die Frage sei nur, ob sich der Träumende am nächsten Tage daran erinnern mag. Wie stehen Sie zu diesem Ansatz?“
Mein Erinnerungsvermögen war tatsächlich schlecht. Ich konnte mich zum Beispiel zum Verrecken nicht daran erinnern, warum ich mich freiwillig diesem fettglatzigen Quacksalber anvertraute, der in jedem einzelnen beschissenen Satz zur Schau stellen musste, wie verdammt gebildet er doch ist.​

„Ich hatte einen bizarren Traum“
Es ist Nacht geworden. Zwischen uns steht ein niedriger Tisch, darauf eine Kerze, dazu Teetassen und eine Kanne. Ich frage nicht, wo diese Dinge herkommen. Das gehört zu den weniger spektakulären Erscheinungen der letzten Zeit. Stattdessen erzähle ich ihr, woran ich mich erinnere: Den Giganten, das Meer – war es dieses? Die Sternwarte kam nicht vor. Das Mädchen hört zu und trinkt Tee. Mit dem Untergang der Sonne ist es kühl geworden, sie trägt mittlerweile eine schwere grüne Strickjacke über ihrem Kleid. Ich bin fertig mit meiner Erzählung und trinke selbst. Der Tee ist leicht bitter, aber sehr erfrischend. Ihr Gesicht verrät mir, dass sie viel zu meinem Traum sagen könnte. Wahrscheinlich kennt sie die Symbole, vielleicht ist ihr der ganze Traum vertraut. Vielleicht war sie selbst das Mädchen darin. Sie bleibt bei ihrem eleganten Schweigen und schenkt uns beiden eine weitere Tasse ein. Dann schließt sie Augen, atmet tief und spricht.
„Fühlst du dich erholt?“
„Ja, sehr.“
Es wundert mich, aber es ist die Wahrheit. Der Schlaf hat mich von allen Strapazen der Höhle befreit.
„Dann zeige ich dir jetzt, wie man das Teleskop bedient.“
Sie steht auf und nimmt mich an die Hand. Wir gehen zur Maschine. Sie führt meine Hand über das noch lauwarme Metall, gemeinsam liebkosen wir es wie ein treues, altes Tier, dem wir viel Freundschaft verdanken. Bilder aus meinem Traum schießen mir durch den Kopf. Es ist hell, der Mond und die Sterne strahlen vom makellos klaren Himmel zu uns, die kleine Kerze drüben wäre kaum nötig. Es ist die klarste Nacht, die ich je erlebt habe. Die Winde vom Meer scheinen jedes Wölkchen fortzuleiten. Sie lässt meine Hand frei und geht ein paar Schritte um den tiefen Sitz. Ich berühre weiter die Rohre und Bolzen. Der vorhin noch so befremdliche Apparat wird mehr und mehr zu einer Verlängerung meines Körpers, wie das Schwert eines Schwertkämpfers. Das Mädchen bedient eine Kurbel, der Stuhl beginnt sich zu drehen. Ich sehe ihr zu und merke mir ihre Bewegungen. Die Geräusche des sich bewegenden Teleskops gehen im Rauschen der Wellen auf. Als das Gerät zur Ruhe kommt, sagt sie:
„Du wählst die Position. Dann guckst du. Das war‘s.“
Sie lächelt zum ersten Mal mit ihrem Mund. Es ist bezaubernd. Früher hätte ich vor Augen gehabt, wie ich sie am Hals packe und in den Stuhl presse, ihr Kleid nach oben schiebe, ihre jungen Brüste aus dem Ausschnitt drücke, mein Gesicht darin vergrabe, mich an ihrem Widerstand erfreue. Das war früher. Ich erinnere mich an die Scham, die mit solchen Vorstellungen kam. Beides ist Vergangenheit, die Bilder und die Scham. Sie ist schön und ich lächle zurück, weil es ansteckend ist.
Es gibt unzählige Fragen. Es ist wohl egal, mit welcher ich beginne. Ich entscheide mich für:
„Wie lange werde ich hier sein?“
„Solang du willst. Bis jemand anderes kommt. Es darf stets nur ein Mensch in der Sternwarte sein.“
„Bedeutet das, du gehst?“
„Ja, gleich morgen früh. Das ist die Regel.“
Es gefällt mir nicht. Ich möchte so gerne mit ihr sprechen, sie kennenlernen. Es fiel mir immer schon schwer, Regeln zu akzeptieren, deren Sinn ich nicht kenne. Das sage ich ihr. Sie antwortet:
„Es ist eine gute Regel. Andere Menschen geben dir schnell die Idee, du hättest eine Grenze.“
Sie strahlt nach wie vor aus, dass sie wenig reden will. Ich soll nicht hören, sondern fühlen, erfahren, mit meinem ganzen Wesen verstehen statt nur mit dem Verstand. Ich habe die Methode längst verstanden und ich schätze sie. Trotzdem will ich soviel wie möglich mit ihr reden, also frage ich das Offensichtliche:
„Habe ich denn keine Grenze?“
„Natürlich. Du bist hier, um sie zu verschieben.“
„Wie weit?“
„Bis ins Unendliche.“ Sie zeigt mit dem Zeigefinger nach oben.
„Kann ein Mensch das schaffen? Hast du es geschafft?“
„Natürlich nicht, aber man kommt erstaunlich weit, wenn man nicht zu viel darüber nachdenkt.“
Wenn das Universum unendlich ist, bin ich stets im Mittelpunkt des Universums. Egal wo ich bin, es dehnt sich in jede Richtung unendlich weit aus – ich bin der Mittelpunkt. Im Verstand weiß ich das, es ist ein simples und anmutiges Gedankenspiel. Es zu spüren und zu verstehen ist dagegen etwas ganz anderes. Ob der Blick in die Sterne mir dabei hilft? Ich wünsche es mir und bemerke im selben Moment, wie eben diese Hoffnung meinen Verstand belastet, mein Wesen unfrei macht. Sie scheint gemerkt zu haben, dass ich mich in Gedanken verliere und streichelt meine Wange. Ich komme zurück in den Moment. Sie ist so jung und so schön, sie ist mir so weit voraus. Wie weit genau?
„Wie alt bist du?“
„Ich weiß es nicht genau.“ Sie überlegt kurz. „Wirklich nicht. Ich hatte einen sechzehnten Geburtstag, daran kann ich mich erinnern. Aber danach? Ich bin seitdem ziemlich viel Bus gefahren.“

Ich lache laut. Sie lacht mit mir. Ich kenne diesen Bus.
Am nächsten Morgen ist sie fort. Ob der Gigant sie über die See getragen hat?

 

Hallo liebes Forum,
das ist mein erster Beitrag, ich bin ganz neu hier. Bitte kein Welpenschutz! Ich freue mich über jede Rückmeldung.

 
Zuletzt bearbeitet:

Servus Anstandsherren,

im Silvestertrubel scheinst du hier vergessen worden zu sein, tja, jetzt bin zumindest einmal ich da, und möglicherweise werden durch meinen Kommentar kompetentere und berufenere Kritiker angelockt, deren gibt es hier im Forum nämlich jede Menge.

Weil, ich sag’s gleich zu Beginn und ganz unumwunden: ich hab deine Geschichte nicht verstanden.
Überhaupt nicht. Ich hab sie zweimal gelesen und absolut keine Ahnung, was du mir hier erzählst, ehrlich.
Eigenartigerweise hat sie mir trotzdem irgendwie gefallen, allerdings mehr als Text, denn als Geschichte, vor allem der erste Abschnitt, wo das Ganze noch einigermaßen Hand und Fuß zu haben scheint. Ich wusste zwar nicht, wer da wo und warum wen trifft, aber sprachlich fand ich’s immerhin so interessant, dass ich dranblieb, und auch weil mir die Szenerie, die du vor mir ausbreitest, gefiel, diese geheimnisvolle verborgene Bucht, die alte Sternwarte, das Mädchen. Da hat das alles noch das gerade richtige Maß an Rätselhaftigkeit und machte mich neugierig.

Als es dann allerdings losging mit diesen reingerückten Textstellen, kam ich schon gehörig ins Schleudern.
Der Typ schläft ein, ok, während das Mädchen irgendwas … äh, Seltsames tut. Ist das Mädchen überhaupt real, aus Fleisch und Blut?
Dann rückt der nächste Textblock noch einmal ein Stückchen nach rechts, und das ist jetzt wohl ein Traum, oder doch nicht? Auf jeden Fall ist es mythologisch überfrachtet bis zum geht nicht mehr. Träumt er das, oder das Mädchen?
Und dann wieder ein bisschen nach links gerückt und es kommt diese beinahe witzige Szene mit dem Therapeuten, eine Rückblende?
Und dann schließlich das Zurückkehren in die "Realität", in eine ausgesprochen fragwürdige allerdings.
Das sind offenbar irgendwelche verschiedenen Bewusstseinsebenen, mag sein, aber mir fehlen einfach die Kenntnisse in Psychologie, Mythologie und so Kram, bzw. ich rauche das falsche Zeug, um mich ernsthaft an einer Interpretation versuchen zu dürfen, und ein großer Freund symbolistischer Dichtung bin ich sowieso nicht.

Und um diese ganze allegorische Rätselhaftigkeit jetzt hinter mir zu lassen, will ich mich noch mit ein paar stilistischen Dingen beschäftigen, darin fühle ich mich um einiges sattelfester.

Es geht nämlich schon mit dem ersten Satz los:

Hinter der Höhle liegt eine Bucht.

Dass ich mit dem Beginn jeder Geschichte sozusagen unbekanntes Terrain betrete, ist klar. Aber gerade deswegen sollte mich der Autor nicht noch zusätzlich verwirren, und das tust du mit diesem Satz. Weil, was heißt hinter der Höhle? Offenbar verlässt dein Erzähler eine Höhle in Richtung einer Bucht, also liegt die Bucht ja eigentlich vor der Höhle. Das mag für dich jetzt vielleicht spitzfindig klingen, aber ich tat mir mit dem Einstieg wirklich ein bisschen schwer, ist irgendwie blöd, wenn man gleich zu Beginn nach zwei, drei Sätzen nochmal von vorn zu lesen anfangen muss, bis das Bild endlich stimmt.

Als ich aus der Höhle trete, liegt vor mir eine Bucht.
Ich trete aus der Höhle, vor mir liegt eine Bucht.

Irgendwie so in der Art fände ich es besser, zumal auch gleich der Erzähler in Erscheinung tritt, und um den geht’s ja in erster Linie.

ausgelutschtes Symbol

Das passt nicht zu deinem Stil, da gäbe es weit schönere Begriffe.

dafür klaffen einige mannsgroße Lücken aus [in] dem Bau.

usw.

Solch kleine Patzer finden sich einige im Text, aber an sich gefällt mir dein Stil. Kleinigkeiten suchen könnte man bis zum Sanktnimmerleinstag und trotzdem immer wieder noch was finden. Ich will’s mal gut sein lassen für heute.

Tja, ich hab’s nicht ungern gelesen, auch wenn’s mich ein wenig ratlos zurücklässt.

offshore

 

Hallo Anstandsherren,
ich bin auch neu hier und daher kann ich mir vorstellen, dass du dir sicher viel Feedback wünschst, da möchte ich mich doch gerne beteiligen. Mir ging es am Anfang genauso wie offshore, wobei ich ich mich direkt noch tiefer reingewurschtelt hatte, weil

Die Höhle scheint der einzige Zugang zu dieser Bucht zu sein.
mir wirklich unüberlegt erschien. Wie käme man denn in diese Höhle hinein? Vielleicht verstehe ich das aber auch falsch, weil zumindest für mich eine Höhle nur einen einzigen Zugang hat, der Ein- und Ausgang zugleich ist. Ich denke das ist auch so (dass ich es falsch verstanden habe), weil du später ja etwas von "durch die Höhle gekommen" schreibst. Ich möchte dir nur verdeutlichen, dass es schon direkt beim Einstieg in deine Geschichte zuviele Stolpersteine gibt, die mich dann auch direkt skeptischer durch den Rest der Geschichte führten.

Das nächste was mich stutzen ließ war bei

„Trink etwas."
dass der Protagonist etwas zu Trinken dabei hatte. Ich fragte mich aber eher, warum sie diese Aufforderung machte.

Bis "Sie berührt mich sanft an der Schulter und ich" habe ich mich aber trotzdem wohl in der Geschichte gefühlt und ich konnte das Geschilderte Szenario vor mir sehen. Aber ab da, war ich dann raus und habe zunächst auch nicht mehr zurückgefunden, ich war fast ein bisschen genervt von dem Verdrehten, obwohl ich genau sowas eigentlich gerne mag. Ich habe den Text dann später noch einmal gelesen, da ging es mit dem zweiten Teil auch besser. Viel besser sogar, ich hatte den Eindruck zu verstehen, worauf du hinauswolltest. Der Schlüssel lag für mich hier:

„Habe ich denn keine Grenze?“
„Natürlich. Du bist hier, um sie zu verschieben.“
Im Rückblick finde ich dann, dass der Part mit dem Thearapeuten, den ich teilweise ganz witzig fand, der Geschichte etwas das Märchenhafte genommen hat und ich würde überlegen, ob dieser wirklich notwendig ist.

Im Großen und Ganzen ist es für mich eine Geschichte, auf die man sich wirklich einlassen muss. Je mehr ich mich mit ihr beschäftige, desto mehr entdecke ich darin. Tendenz positiv ;-) Vielleicht schreibe ich dir später noch etwas mehr dazu, wenn sie noch etwas mehr "eingewirkt" hat.

Liebe Grüße

 

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