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Stille

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21.04.2015
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Stille

Durch die Dachfenster fallen erste Strahlen des Morgens aufs Parkett. Marla reibt sich die Augen, schwingt die Beine aus dem Bett und steht auf. Ihr schlaftrunkener Blick tastet das Zimmer ab. Das Holz ist warm unter ihren nackten Füßen und sie verweilt einen Moment, die Augen halb geöffnet, Zehen in der Sonne. Während sie durch den Raum tapst, fällt der Schlaf von ihr ab. Sie stellt sich vor, wie er von den Schultern leise auf den Boden rieselt, kurz vor sich hinglitzert und verschwindet.
Das Fenster quietscht, als sie es öffnet. Marla streckt sich, blinzelt in den blauen Himmel, lauscht hinaus auf die Straße. Wo ist das Dröhnen der Lieferwagen, die jeden Morgen vorbeibrettern? Das Klingeln der Fahrradfahrer, wenn ihnen jemand die freie Bahn verstellt? Und weshalb schreit heute keins der Kinder im Hausflur, wieso knallt keine Tür im Treppenhaus? Die Stille fühlt sich an wie eine dicke Schicht Watte, die um ihren Kopf gewickelt ist.
Sie beugt sich vor, die Hände aufs Fensterbrett gestützt, und sieht hinunter. Keiner, der zur U-Bahn eilt oder mit dem Rad um die Ecke biegt. Mit dem Auto Richtung Innenstadt fährt. Nur hin und wieder lösen sich gelbe und rote Blätter von den Herbstbäumen und segeln hinunter aufs Kopfsteinpflaster. Ihr Blick huscht zum Nachbarhaus, sie sucht das Fenster des dicken Manns, der jeden Morgen im braunen Bademantel dasteht, eine Zigarette qualmt und ins Leere starrt. Er ist nicht da.
Langsam weicht sie vom Fenster zurück, dreht sich um und geht ins Bad. Während sie nach der Zahnbürste greift und einen dicken Streifen Zahnpasta auf die Borsten drückt, lauscht sie noch immer. Nach einem Türknallen, Schritten im Hof. Am besten wäre eine Stimme. Eine andere als ihre. Ein Lachen, Schreien, Fluchen, sie wäre da nicht wählerisch – ihr bleibt nur das schaumige Schrubben ihrer Zahnbürste, das Spucken ins Waschbecken, das Wasserplätschern.
Sie zieht sich an, kämmt die Haare, schminkt sich. Ganz genau achtet sie darauf, dass die Wimpern nicht verkleben, lenkt die volle Konzentration auf das Auftragen des Mascaras. Ihre Gedanken lassen sich davon nicht einfangen, sie kreisen immer wieder um diese eigenartige Stille. Es gibt sicher eine Erklärung dafür, dass es im Haus heute so ruhig ist. Reiner Zufall, dass sie gerade in dem Moment aus dem Fenster gesehen hat, als niemand auf der Straße war.
Auf dem Weg Richtung Flur schnappt sie Handtasche und Schlüssel, schlüpft in die Schuhe und zieht die Wohnungstür hinter sich zu. Ein dumpfes Gefühl begleitet sie auf dem Weg nach unten.

Vor dem U-Bahn Aufgang bleibt Marla stehen, dreht sich im Kreis. Eine Plastiktüte weht vorbei. Ansonsten bewegt sich nichts.
Beim Kiosk gegenüber ist die Markise ausgefahren, der Stehtisch für die Stammgäste wie jeden Morgen neben dem Eingang aufgestellt. Ein Lächeln huscht über Marlas Gesicht. Sie sieht Herrn Zupcic vor sich mit seinem grauen Haar und den Fältchen um die Augen, wie er sie hinter dem Tresen begrüßt und sagt: „Wie immer?“ Er wird wissen, was los ist – und Zigaretten braucht sie sowieso. Sie überquert die Straße und betritt den Laden.
Der Stuhl hinter der Kasse ist leer.
„Guten Morgen“, ruft sie und beugt sich über die Theke. Keine Antwort. Sie geht um den Verkaufstresen herum, um in die Abstellkammer zu sehen, die sich dahinter befindet.
„Hallo? Herr Zupcic?“
Ein Schal und eine Strickjacke hängen über der Lehne des Stuhls in der Ecke, auf dem kleinen Tisch steht eine volle Kaffeetasse. Langsam geht Marla wieder zurück in den Verkaufsraum. Ihr Blick huscht über das Regal mit den Zigaretten. Vielleicht ist Herr Zupcic nur kurz weg. Besorgt sich Frühstück oder hat was vergessen. Soweit sie weiß, wohnt er nur ein paar Häuser weiter. Sie greift nach einer Schachtel Gauloises, kramt den Geldbeutel hervor und legt das Geld auf den Tresen.
Zurück auf dem Gehsteig, zündet Marla sich eine Zigarette an. Ihre Hand zittert. Sie inhaliert den Rauch und sieht immer wieder die Straße entlang, hält Ausschau nach Herrn Zupcic. Oder sonst irgendjemandem.
In der Bäckerei nebenan brennt Licht. Durch das Schaufenster erkennt Marla Brot, Brezeln, süße Teilchen, die sorgfältig nebeneinander aufgereiht in der Theke liegen, aber niemand steht dafür an. Wo ist die alte Dame, die dort jeden Morgen ihre Semmeln holt und den Verkehr aufhält, weil sie mindestens fünf Minuten mit der Verkäuferin schwatzt? So oft steht Marla hinter ihr und verdreht die Augen. Jetzt würde sie gerne hören, was die Frau zu erzählen hat.
Leise kriecht Kälte die Beine hinauf, breitet sich in ihr aus, drückt auf den Magen. Marla schmeißt die Kippe weg, will die Übelkeit wegschlucken, aber es hilft nichts. Sie zieht das Handy aus der Tasche, öffnet die Nachrichtenseite. Weißer Bildschirm. Der Ergebnisbalken am oberen Rand des Displays kommt nur mühsam voran. Als er endlich am Ende angelangt ist, bleibt der Bildschirm unverändert.
Das blaue U-Bahn-Schild ein paar Meter weiter springt ihr ins Auge. Sie presst die Lippen zusammen und steigt die Treppen hinunter. Um die Uhrzeit sind die Bahnsteige normalerweise voll. Da unten muss jemand sein!
Der Bahnsteig ist leer.
Auf dem rechten Gleis steht ein Zug mit geöffneten Türen, aber die Beleuchtung ist ausgeschaltet. In jedes Abteil späht sie hinein, bis zum ersten Waggon geht sie, hebt die Hand, um an die Scheibe zu klopfen, den Lokführer zu fragen, was hier los ist. In der Fahrerkabine sitzt niemand. Auf dem Boden steht ein Rucksack, aus dem eine Thermoskanne herausragt.
„Hallo?“
Die Frage hallt von den gewölbten Wänden des Schachts wider.
„Hallo, ist hier jemand?“
Vorsichtig geht sie zum gegenüberliegenden Bahnsteig, beugt sich vor und starrt die Gleise entlang. Nichts. In ihrem Bauch rumort es. Plötzlich ist es viel zu eng hier, der Tunnel scheint zu schrumpfen, das Licht schwächer zu werden. So still, so verdammt still, warum ist hier niemand? Marla dreht sich um und geht mit großen Schritten zum Aufgang, nimmt zwei Stufen auf einmal, bis sie wieder an der Oberfläche ist.

Ihre Finger zittern, als sie das Internet-Symbol auf dem Handy antippt und erneut die Nachrichtenseite aufruft. Weißer Bildschirm.
„Scheiße!“ Marla lässt den Kopf sinken. Am liebsten würde sie mit den Füßen aufstampfen und schreien, so wie sie es als Kind getan hat. Schreien und stampfen, bis jemand kommt und sie fragt, was das soll. Aber sie reißt sich zusammen. Steuert auf eine Bank zu und sackt auf ihr zusammen.
Für einen Moment schließt sie die Augen. Ihr Brustkorb wird eingeklemmt von der Stille, die sich auf sie legt, sobald sie sich nicht mehr bewegt. Der Druck auf den Ohren ist wieder da. Sie wünscht sich eine Baustelle, einen Presslufthammer direkt hier vor der Bank, brüllende Arbeiter, blecherne Schritte auf Stahlgerüsten, Chaos, ohrenbetäubendes Chaos, und sich mittendrin.
Ein braunes Ahornblatt landet vor ihren Füßen. Sie hebt es auf, zerbröselt es in der Hand. Es raschelt und knistert. Sie springt auf, stapft in dem Grünstreifen zwischen Gehweg und Straße durch das getrocknete Laub, wirbelt die Blätter auf, tritt auf Äste, wirbelt, knackst und tritt. Erneut zieht sie ihr Handy hervor, versucht es im Internet. Scheitert.
Kristina! Sie wird sicher wissen, was los ist. Marla öffnet das Adressbuch, wählt die Nummer ihrer besten Freundin. Schrilles Pfeifen ertönt, als hätte sie ein Faxgerät angerufen. Okay, kein Problem, macht nichts. Sie probiert es bei Laura. Pfeifen. Die Buchstaben und Nummern auf dem Display verschwimmen.
„Komm schon“, flüstert sie und wischt sich über die Augen, sucht die Nummer ihrer Mutter heraus und drückt auf den grünen Hörer. Ein paar Sekunden lang geschieht nichts. Sekunden, in denen sie nicht atmet, sich nach dem Freizeichen sehnt, diesem gleichgültigen Tuten, dem Versprechen, dass am anderen Ende der Leitung ein Telefon klingelt, laut klingelt, und gleich jemand abhebt.
„Fuck!“
Das Handy landet im Gras, die Handtasche ebenfalls.
„Scheiße, verdammt, wollt ihr mich verarschen?!“
Ihr Blick springt zwischen den Baumkronen hin und her, flitzt über Hauswände, Straßenlaternen, Hecken. Sie dreht sich im Kreis, sucht nach offenen Fenstern.
„Es reicht jetzt!“
Jemand muss sie doch hören. Muss dafür verantwortlich sein, was hier passiert.
Schweigend blicken ihr die Fassaden entgegen. Ruckartig zieht sie Luft ein, lehnt sich an den Baum, der hinter ihr steht, als wolle er sie beschützen. Sie ballt die Hände zu Fäusten, atmet aus, langsam und kontrolliert, horcht auf den Herzschlag, darauf, dass er sich beruhigt. Sie bückt sich, wühlt in den Blättern herum, bis sie ihr Handy wiederfindet, wählt erneut die Nummer ihrer Mutter, kneift die Augen zusammen, zählt die Sekunden, nichts, kein Freizeichen, nur Stille. Sie lässt die Hand sinken. Lehnt den Kopf an den Stamm, fühlt das trockene Holz auf der Haut und schließt die Augen – nur für einen Moment will sie die toten Straßen aussperren.

Vorbei an Autos ohne Fahrer, leeren Bussen am Straßenrand und umgeworfenen Fahrrädern stapft sie in Richtung Innenstadt. Nach einer Weile öffnet sie die Musik-App auf dem Handy und drückt auf Play. Ein alter Soulklassiker ertönt aus dem Lautsprecher des Telefons, Marvin Gayes Stimme begleitet Marla, umgibt sie wie eine weiche Decke. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht.
Sie durchquert den Westpark, der in seinen bunten Herbstfarben in der Sonne leuchtet, und spürt ihn wieder, den Kloß im Hals. Hier sitzt sie oft in dem kleinen Open-Air-Café am Mollsee und beobachtet die durcheinandergewürfelten Menschen. Die Mütter, die ihre quengelnden Kinder mit einem Eis besänftigen wollen, die Hipster, die ihre Hosen noch weiter hochkrempeln, um Sonne an die blassen Waden zu lassen, die Omis, die sich bei einem Kaffee über ihre Nachbarn beschweren. Heute stehen die Stühle und Tische verlassen am Wasser, die Luke des Bauwagens ist geschlossen, aus dem die Studenten sonst Getränke verkaufen.
Je näher sie dem Zentrum kommt, desto schwerer werden die Füße. Nach einer Stunde erreicht sie die Bavaria. Die Statue thront stolz auf ihrer Erhebung und wacht über die Theresienwiese. Als Marla auf die riesige Fläche schaut, die sich vor ihr ausbreitet, auf die letzten Reste der Oktoberfestzelte, die noch nicht abgebaut wurden, fühlt sich ihr Herz plötzlich an, als würde es reißen. Sie holt tief Luft und brüllt. Die Namen ihrer Freunde, ihrer Eltern. Stößt Hilferufe aus. Schreit an gegen die Leere in ihrem Bauch, gegen das Schweigen der Stadt.
Erst als ihre Stimme bricht und sie so heftig hustet, dass sie sich fast übergibt, hört sie auf. Die Augen glasig, der Hals von innen ganz wund, lehnt sie sich an eine Hauswand. Sie will sich auf den Boden schmeißen, um sich treten und weiterkreischen. Sieht ja keiner. Nur dass sie dann vielleicht nicht mehr aufsteht und dort auf dem kalten Asphalt den Verstand verliert.
Sie wendet den Blick von der Bavaria ab und macht sich auf den Weg nach Hause. Blendet sie aus, all die verlassenen Straßen und blinden Fenster. Mitten auf den Straßenbahngleisen läuft sie und bildet sich ein, hinter sich das schrille Klingeln der Tram zu hören, das Fluchen des Lokführers.
An einer Kreuzung bleibt sie stehen, biegt rechts ab und steht vor dem Supermarkt, in dem sie immer einkauft. Die gläsernen Schiebetüren öffnen sich. Marla steht davor, starrt in den Gang, der zur Obstabteilung führt. Unter leichtem Scharren schließen die Türen sich wieder. Erst beim zweiten Öffnen wagt Marla hineinzugehen.

Wie ferngesteuert greift sie nach dem Einkaufskorb, hängt ihn sich über den Arm und geht auf die Äpfel und Bananen zu. Wandelt zwischen den bunten Fächern voller Obst und Gemüse umher und kann nicht begreifen, versteht nicht, was sie in den Korb legt und warum. Hier drinnen surren Kühlschränke, das konstante Brummen kriecht in Marlas Kopf, begleitet sie durch den Markt, vorbei an Regalen voller Essen. Wie lange der Strom wohl noch funktionieren wird?
„Ist jemand hier?“
Sie hofft auf den schlechtgelaunten Kerl, der hier die Regale befüllt, auf sein faltiges Gesicht, das er nur hat, weil er immer so zornig um die Ecke schaut, wenn er gerufen wird.
Keine Antwort.
Im nächsten Gang bleibt sie ruckartig stehen. Vor ihr liegt einer dieser kleinen Einkaufswagen für Kinder auf dem Boden. Eine Tafel Schokolade ist auf den glatten Fliesen halb unter das Regal gerutscht. Mit zitternden Knien geht Marla rückwärts aus dem Gang und eilt zur Kasse.
Sie beginnt, die Sachen aufs Band zu legen, verscheucht das Bild des winzigen Einkaufswagens, das immer wieder vor ihr auftaucht. Erst nach ein paar Sekunden kapiert sie, dass das Band still steht, dass sie den Geldbeutel in der Tasche lassen kann, weil keiner kassiert, dass sie sich nicht beeilen muss, weil hinter ihr niemand ansteht. In dem Fach neben der Kasse liegen stapelweise Papiertüten, Marla zieht eine heraus, wirft die Lebensmittel hinein und hastet nach draußen.
Sie hält die Tüte mit beiden Armen umschlungen, klammert sich an den letzten Rest Alltag. Ihr Blick fällt auf die Bushaltestelle der 151er-Linie. Marla geht hinüber und setzt sich ins Wartehäuschen. Alles wird wieder gut. Halb so wild. Morgen fährt der Bus wieder. Voll mit Menschen, die sich laut unterhalten, in ihre Handys plappern, die sie anrempeln, ihr auf die Füße treten, sich vielleicht entschuldigen, vielleicht auch nicht.

 
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Hallo @Achillus

Wow, puh, daran habe ich jetzt erst einmal zu schlucken. Ich muss zugeben, ich bin gerade sogar ein wenig schockiert.

Also:

1. Ich weiß, dieses Szenario ist nicht neu. Aber ich kannte bis gestern weder "Die Arbeit der Nacht", sondern hörte erst dann von dem Buch, als @ernst offshore so lieb war, es mir zu empfehlen und ich es mir heute besorgt habe, noch habe ich "Die Wand" gelesen. Mir sind die Szenarien, die dort erzählt werden also nicht bekannt gewesen, als ich meine Geschichte schrieb. Das mal vorneweg.
Ich betrachte meine Geschichte deshalb auch weder als Kopie, noch als (was ich ja noch schlimmer finde) Plagiat, denn ich habe nicht mutwillig etwas "nacherzählt" oder zu kopieren versucht und es dann so dargestellt, als sei ich die Erste, die sowas jemals erzählt hat. Das ist einfach so und deshalb finde ich deinen Vorwurf - ja, so empfinde ich es - als nicht wirklich gerechtfertigt.

Aber man kann das dann nicht als eigenständige Arbeit betrachten, denn dazu gehört eben auch die kreative Leistung eine neue Geschichte zu erzählen.
Auch das finde ich hart. Ganz ehrlich, sehr sogar. Ich finde es schon krass, dass du mir da absprichst, etwas Eigenes geschaffen zu haben. Vor allem vor dem Hintergrund, dass ich die Vorlagen gar nicht kannte. Wenn du sagst, ey Rina, das ist als Thema schon ein wenig ausgelutscht, dann verstehe ich, was du meinst. Dazu habe ich mich weiter oben bereits geäußert. Aber ich fühle mich gerade so, als wolltest du mir sagen, ey Rina, abschreiben kannste bitte woanders.
Ja, ich habe I AM LEGEND gesehen, Zombiehintergrund, kaum noch Menschen auf der Erde, Will Smith jagt durch leere Straßen, die sich die Natur zurückerkämpft hat. Und sicher, es gibt auch andere Filme, wo der Kollaps der Erde eine Rolle spielt, nur noch wenige Überlebende, all sowas. Ein Buch über dieses Thema habe ich bisher noch nicht gelesen, Fakt!
Aber darf ich deshalb keine Geschichte über eine Frau schreiben, die im leeren München aufwacht? Soll ich bei jeder Idee, die ich habe, erst einmal das Netz durchforsten, ob irgendwo irgendjemand schon einmal ein Buch über das Thema geschrieben hat und dann das Buch bestellen und es lesen, um auch wirklich sicher zu gehen, dass sich da nichts doppelt, dass ich nicht ähnliche Motive aufgreife? Das ist doch schier unmöglich. Und dieser Vergleich mit "Der alte Mann und das Meer" gleich zu Anfang, der hinkt meiner Meinung nach gewaltig. Das klingt ja so, als hätte ich Goethes Faust nacherzählt und würde nun behaupten, nee nee, dieser Pudel, der sich als Teufel entpuppt, das ist ganz allein mir eingefallen! Es tut mir wirklich leid, vielleicht verstehe ich dich da gerade auch kolossal falsch, aber das begreife ich nicht.

2. Ja, es stimmt, hier ist Marlas Entwicklung auf einen Tag zusammengeschrumpft. Das ließe sich in einer größeren Form sicher besser vollziehen. Ob ihre Handlungen deshalb gleich komplett unglaubwürdig sind, weiß ich nicht. Empfindet vielleicht jeder anders. Ich finde auch nicht, dass Marla zusammenbricht, sondern sie durchlebt verschiedene Phasen, rafft sich ja aber immer wieder auf, schöpft doch wieder Hoffnung, begreift noch immer nicht wirklich.

3. Über die kleine Passage mit der Kamera denke ich noch nach. Nicht aus Gründen, die du anführst, aber da bin ich eben noch am Überlegen, ob sie bleiben darf oder gestrichen wird.

Einen schönen Abend noch
RinaWu

 

Und zu den Sachen, die ich gut fand, schreibste nix, wa? Okay, ernsthaft. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass jemand der viel liest und schreibt Die Wand nicht kennt, aber gut. Ist dann so. Im professionellen Rahmen wäre das nicht passiert. Da würde ein Lektor schauen, ob es etwas ähnliches schon gibt. Nun ist so eine Challenge hier oder das Forum ja ein bisschen was anderes, aber ich finde, wir sollten trotzdem allgemein gültige Maßstäbe anlegen. Und so gesehen, ja, es ist Deine Aufgabe so einigermaßen zu wissen, ob der Text so ähnlich schon geschrieben und verbreitet wurde. Und Du wusstest es auch, sonst hättest Du das Thema ja nicht als durchgenudelt bezeichnet. Es ist sicher kein falscher Rat, sich von durchgenudelten Themen fernzuhalten. Nimm Dir meine Kritik nicht so zu Herzen. Andere Leute hier finden den Text gut, also gibt es keinen Grund, traurig zu sein.

Gruß Achillus

 
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Nein, zu den Dingen, die dir gefallen haben, habe ich nichts geschrieben, denn all das davor hat das irgendwie überschattet.

Ich bin weder traurig, noch im Herzen getroffen, da habe ich schon Abstand. Aber ich fand das einfach unfair. Und nochmal, wenn ich dir sage, dass ich "Die Wand" nicht kenne, dann ist das so. Du hättest mich beispielsweise erst einmal fragen können, ob ich die Bücher kenne, bevor du Behauptungen in den Raum stellst, ich hätte wissentlich abgekupfert.
So, und damit das hier nicht ausartet, höre ich an dieser Stelle auf und schreibe dir eine PM.

RinaWu

 

Hi @RinaWu

Die Geschichte hat mich eingesaugt. Dein Sprachstil, der auf mich immer eher ruhig und weich wirkt, hat so einen starken Kontrast dazu gebildet, dass da was furchtbar schief läuft ... Dieser Kontrast hat mich total eingesaugt, das ist klasse, wie machst du das? Mir hat’s nichts ausgemacht, dass es das Thema schon sehr oft gab, denn sprachlich hast du es einfach total drauf, mich hautnah dran zu halten. Oder noch näher. Ich war die ganze Zeit bei deiner Prot und bin mit ihr langsam durchgedreht, nachdem ich wie sie langsam erst das Problem erkannte und mir die Ausmaße bewusst wurden.

Nach ein paar Absätzen habe ich mir folgendes gedacht: „Wehe du schreibst da irgend eine Auflösung ans Ende, Rina!” Hast du zum Glück nicht, das hätte nämlich in meinen Augen alles ruiniert, weil es der Geschichte niemals gerecht werden würde, glaube ich.

Was apokalyptisches würde da nicht rein passen, und irgend eine lasche Erklärung, die die Autorin sich erst dann ausdenken musste, als die Geschichte eigentlich schon erzählt war, kann ja gar nicht gut ausgehen, denn die Geschichte ist dann eben schon erzählt. Es war gut, genauso wie es ist. Lass dich bitte nicht zu einer Auflösung überreden. Oder dazu, da einen Berg Action (/Apkalypse) reinzuhämmern, das gehört da einfach nicht rein, in die Geschichte, die du erzählen willst.

Paar Sachen, die mir aufgefallen sind:

[Marla hat was an den Ohren. Wasser im Gehörgang, vom Duschen gestern Abend. Oder es schleicht sich ne Erkältung an. Jedenfalls drückt da was auf den Ohren. Sie richtet sich im Bett auf und gähnt, reißt den Mund auf bis der Kiefer knackt - der Druck jedoch bleibt. Auch mehrmaliges Schlucken ändert daran nichts.]

Ich weiß, da haue ich bloß noch in die selbe Kerbe wie viele andere schon vor mir, aber den Teil mag ich wirklich nicht. Ich weiß aus den Kommentaren, dass du da dran hängst, will dir aber trotzdem sagen, warum mir der Teil gegen den Strich geht.

Ich dachte nach dem ersten Satz, dass Marla Hörprobleme hat, und erwartete eine Geschichte über ihre Krankheit. Das hat sich ziemlich schnell aufgeklärt, aber es war doch sehr verwirrend, und das macht sich meist nicht gut am Anfang von Geschichten.

Nachdem es sich aufgeklärt hat, weiß ich also, dass es sich komisch anfühlt, weil es so still ist. Das macht für mich nicht wirklich Sinn. Wenn ich aufwachen würde, und es wäre lauter als sonst, dann würde ich das sofort und auf der Stelle mitkriegen, und entsprechend ärgerlich und gestresst in den Tag starten. Wenn es aber ungewöhnlich still wäre, würde ich erst mal lange Zeit gar nichts bemerken. Stille schreit einem nicht so laut entgegen wie Lautstärke. Die ist viel dominanter. Weißt du, was ich meine?

Abgesehen von diesen zwei inhaltlichen Problemen, klingt dieser Teil für mich ein kleines bisschen holpriger als der Rest des Textes.

Kurzum: Der Absatz schraubt einfach meine Erwartungen zehn Meter runter, und danach habe ich nicht so viel Lust auf das, was danach kommt. Auch wenn ich dann sehr schnell merke, dass es sich doch sehr lohnt, weiter zu lesen.

Ein Anfang sollte in die Geschichte reinziehen und – weil ich weiß, dass du den ruhigen, eher alltäglichen Anfang beibehalten willst (ich auch, unbedingt! Das ist, wie Maria gesagt hat, was wirklich in die Geschichte reinzieht.) – das kannst du auch ohne die Ohrenverwirrung.

Ich würde Marla nicht in den allerersten Sätzen schon unbewusst merken lassen, dass es ungewöhnlich still ist. Sondern erst nach ein paar Sätzen. Weiß nicht, andererseits könnten dir dann einige Leute unterstellen, dass der Anfang zu langweilig ist. Hm, schwierig. Machst du aber eigentlich doch schon ziemlich gut.

So, ab hier schreibe ich was ich denke, während ich die Geschichte gerade eben zum zweiten Mal lese. Hast ja inzwischen ein paar Sachen geändert. Ab jetzt meine Gedanken life mitgeschrieben:

[Und Zigaretten braucht sie sowieso]

Och nee, warum hast du sie denn jetzt zur Raucherin gemacht? Das war doch vorher nicht da, oder? Also nicht, dass ich irgenwas gegen Raucher hätte, aber irgendwie stelle ich mir Marla dadurch plötzlich ganz anders vor als beim ersten Lesen, und das will ich nicht, ich möchte sie so sehen, wie sie war. Na ja, kann auch bloß daran liegen, dass ich müde bin. Aber braucht’s das wirklich für die Geschichte? Heul.

[Aus der Bäckerei nebenan strömt der Geruch nach frisch gebackenen Brötchen.]

Das Wort „strömt“ passt irgendwie nicht so ganz. Dafür müsste sich der Geruch schneller bewegen und mehr Masse haben, also meinem Gehör nach. Kannst du da nicht vielleicht ein anderes Wort nehmen? „Schwebt“ vielleicht? Oder du formulierst den Satz um und lässt den Geruch in der Luft hängen? Oder sonst was, aber hoffentlich nicht strömt.

Außerdem würde ich auf das „nach“ verzichten und die frisch gebackenen Brötchen im Genitiv schreiben. Sähe besser aus.

[Aber niemand steht für sie an.]

Klingt holperig. „Anstehen“ ist so ein Wort, das ich überhaupt nicht mag. Erinnert mich an den Kindergarten. Allerdings habe ich auch keine besseren Vorschläge parat.

[sie schluckt, will die Übelkeit wegschlucken]

Zwei mal schlucken.

[Sie wünscht sich eine Baustelle, einen Presslufthammer direkt hier vor der Bank, brüllende Arbeiter, blecherne Schritte auf Stahlgerüsten, Chaos, ohrenbetäubendes Chaos, und sie mittendrin.]

Beim zweiten Lesen jetzt gerade, fällt mir auf, dass ich durch all die zugefügten Details die Stille vergessen habe. Jetzt fällst mir wieder ein. Da die Stille aber tragend für die Geschichte ist, würde ich die während der Sache mit dem Kiosk und den Brötchen und der U-Bahn nochmal erwähnen, damit du nicht den Fokus darauf verlierst. Allerdings bin ich gerade wie gesagt sehr müde.

Übrigens wählt sie zwei mal die Nummer ihrer Mutter, und warten beide Male nicht einmal ab, ob es überhaupt funktioniert, bevor sie ihr Handy auf den Boden schmeißt. Willst du mir damit sagen, dass sie es nicht ertragen könnte zu wissen, dass ihre Mutter auch nicht mehr existiert? Oder hast du da einfach kurz was übersprungen oder vergessen? Ist mir jedenfalls störend aufgefallen, beide Male.

Den Rest des Textes lese und kommentiere ich morgen weiter, ich brauche jetzt definitiv Schlaf.

Gerne gelesen hab ich’s jedenfalls, so viel ist sicher.

Grüße aus Texas,
Anna

 
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Hallo @annami

Die Geschichte hat mich eingesaugt. Dein Sprachstil, der auf mich immer eher ruhig und weich wirkt, hat so einen starken Kontrast dazu gebildet, dass da was furchtbar schief läuft ...
:kuss: Danke, das tut gut. Ja, es stimmt, ich hatte gehofft, dass dieser Kontrast sichtbar wird. Also eben gerade nicht reißerisch zu schreiben, um das zu beschreiben, was da passiert, sondern es sich schleichend entwickeln lassen. Irgendwo habe ich das schon erwähnt: "auf leisen Sohlen" eben :)

Ich war die ganze Zeit bei deiner Prot und bin mit ihr langsam durchgedreht, nachdem ich wie sie langsam erst das Problem erkannte und mir die Ausmaße bewusst wurden.
Toll, das freut mich zu lesen. Dann scheint die Entwicklung, die Marla durchmacht, zu funktionieren bei dir. Schön!

Nach ein paar Absätzen habe ich mir folgendes gedacht: „Wehe du schreibst da irgend eine Auflösung ans Ende, Rina!” Hast du zum Glück nicht, das hätte nämlich in meinen Augen alles ruiniert, weil es der Geschichte niemals gerecht werden würde, glaube ich.
:D Sehe ich wie du. Für mich funktioniert hier die schwebende Situation auch viel besser, als eine Auflösung der Geschehnisse.

Lass dich bitte nicht zu einer Auflösung überreden.
Mach ich nicht.

Ich würde Marla nicht in den allerersten Sätzen schon unbewusst merken lassen, dass es ungewöhnlich still ist. Sondern erst nach ein paar Sätzen. Weiß nicht, andererseits könnten dir dann einige Leute unterstellen, dass der Anfang zu langweilig ist. Hm, schwierig. Machst du aber eigentlich doch schon ziemlich gut.
Ja, der liebe Anfang. Es ist eine Zwickmühle. Für mein Empfinden muss er alltäglich starten, aber da sind wir ja einer Meinung. Klar, das könnte während der ersten Sätze Leser abspringen lassen, eben wegen der Alltäglichkeit, aber ich habe das Vertrauen, dass da genug Geduld da ist, sich von den ersten Sätzen in die nächste Szene, das Aufstehen, ziehen zu lassen, wo dann ja langsam klar wird, dass etwas nicht stimmt. Generell muss ich wohl die ersten paar Sätze nun wirklich ernsthaft überdenken. Es ist mittlerweile klar, dass die einfach nicht funktionieren, so wie ich mir das vorgestellt habe. Aber ist ja nicht schlimm, ich denke mal nach, wie ich das verändern könnte.

Das Wort „strömt“ passt irgendwie nicht so ganz. Dafür müsste sich der Geruch schneller bewegen und mehr Masse haben, also meinem Gehör nach. Kannst du da nicht vielleicht ein anderes Wort nehmen? „Schwebt“ vielleicht? Oder du formulierst den Satz um und lässt den Geruch in der Luft hängen? Oder sonst was, aber hoffentlich nicht strömt.
Ja, das stimmt. Sehe ich mir an.

Zwei mal schlucken.
Das soll so. Soll verstärkend wirken, intensiver

Übrigens wählt sie zwei mal die Nummer ihrer Mutter, und warten beide Male nicht einmal ab, ob es überhaupt funktioniert, bevor sie ihr Handy auf den Boden schmeißt. Willst du mir damit sagen, dass sie es nicht ertragen könnte zu wissen, dass ihre Mutter auch nicht mehr existiert? Oder hast du da einfach kurz was übersprungen oder vergessen? Ist mir jedenfalls störend aufgefallen, beide Male.
Aber Marla wartet doch beim ersten Mal mehrere Sekunden auf das Freizeichen, als sie ihre Mom anruft. Schau: „Komm schon“, flüstert sie und wischt sich über die Augen, sucht die Nummer ihrer Mutter heraus und drückt auf den grünen Hörer. Ein paar Sekunden lang geschieht nichts. Sekunden, in denen sie nicht atmet, sich nach dem Freizeichen sehnt, diesem gleichgültigen Tuten, dem Versprechen, dass am anderen Ende der Leitung ein Telefon klingelt, laut klingelt, und gleich jemand abhebt.
Erst dann ruft sie "Scheiße" und schmeißt das Handy weg. Beim zweiten Mal hast du recht, das ergänze ich noch entsprechend.

Danke dir und schicke viele Grüße nach good old Texas
(wo bist du da? ich war da mal zum Schüleraustausch - Smithson Valley High School, dann San Antonio, dann Big Bend, war abgefahren ...)

RinaWu

EDIT: @annami & @Maedy (ich glaube, das haben auch andere erwähnt, aber ihr zwei seid mir am deutlichsten im Kopf geblieben, weil das ja nicht unbegründet war, euer Einwand): Ich habe den Anfang nun geändert. Ich hing so daran, weil ich dachte, indem ich gleich andeute, dass etwas nicht stimmt, zieht das gleich in den Text. Ich sehe nach ein paar Nächten drüber schlafen aber ein, dass der ursprüngliche Anfang eher in die Irre führt, als dass er das ausdrückt, was ich sagen wollte. Nun beginnt das Ganze weicher, aber schon im zweiten Absatz erschließt sich, dass es sonderbar still ist um Marla herum. Ich habe das Gefühl, das ist so nun runder. Liebe Grüße!

 
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@RinaWu,

Kurze Rückmeldung zum neuen Anfang: :thumbsup:

So mag ich das viel lieber. Ich lese das und denke mir: Jap. So gehört das in die Geschichte. Genau so.

Was die Mutter anbelangt, hast du recht. Weiß nicht, warum ich das nicht bemerkt habe. Allerdings erwähnst du nicht konkret das Pfeifen, dass Marla bei den vorherigen Telefonaten hört ... Vielleicht war ich deshalb verwirrt.

Liebe Grüße aus Texas nochmal.
(genaugenommen aus Katy, einem riesigen aber gemütlichen Vorort von Houston, wo ich im Moment mein Auslandsschuljahr genieße. (Tompkins High School.) Deine Schüleraustauscherfahrung klingt auch
richtig cool. Wie lang warst du denn hier?)
Anna

 

Gude @RinaWu,
ich nochmal kurz, da ich festgestellt habe, dass ich meinen Gedanken nur halb aufgeschrieben hatte :D

Zu den Tieren: Nein, die gibt's nicht. Nur Marla und die leere Stadt. Ich finde das in seiner Hoffnungslosigkeit noch intensiver.
Darauf wollte ich hinaus - und (und das hat in meinem Kommentar gefehlt) den Wunsch äußern, das ebenfalls (stärker) zu betonen.
Ich habe jetzt gerade keinen Überblick über die aktuellste Textversion, vielleicht ist da noch mehr drin, dass Marla plötzlich das Flügelschlagen oder das Schnattern der nervigen Tauben vermisst. Deswegen stelle ich den Nachtrag hier mal unter Vorbehalt ^^

Liebe Grüße
Vulkangestein

 

Hey @annami

Danke für deine Rückmeldung. Ein ähnliches Gefühl habe ich nun auch. Es dauert immer eine Weile, um sich von bestimmten Dingen zu lösen. Bei manchen beharrt man, weil es sich falsch anfühlen würde, es zu ändern oder zu streichen, bei anderen sieht man ein, dass es einfach nicht so funktioniert, wie man sich das vorgestellt hat. Also auch gut, wenn dann die anderen, also ihr, in manchen Dingen beharrlich bleibt :)

Liebe Grüße! (Ich war nur vier Wochen, das war begleitend zum 9. Schuljahr damals. Zwei Wochen High School mit Ausflug nach San Antonio, eine Woche National Park, eine Woche New Orleans. War toll! Abgefahren anders in vielerlei Hinsicht, aber eine spannende Erfahrung!)

Prost - @Vulkangestein

Ich habe jetzt gerade keinen Überblick über die aktuellste Textversion, vielleicht ist da noch mehr drin, dass Marla plötzlich das Flügelschlagen oder das Schnattern der nervigen Tauben vermisst.
Nein, da ist bezüglich der Tiere nach wie vor nichts drin. Weil ich darüber noch nachdenke. Das soll eher so nebenbei einfließen, nicht plakativ. Oder aber ich lasse es wie gehabt raus, weil sich ja irgendwie von selbst erschließt, dass da einfach kein Lebenwesen mehr um sie herum ist. Ich bin noch unschlüssig ... Aber ich habe das nicht vergessen.

Liebe Grüße

 

Sie wünscht sich eine Baustelle, einen Presslufthammer direkt hier vor der Bank, brüllende Arbeiter, blecherne Schritte auf Stahlgerüsten, Chaos, ohrenbetäubendes Chaos, und sie mittendrin.

Aber hallo, Endzeitstimmung, wenn‘s plötzlich still und leer und somit einsam wird um eine/n (eigentlich doch die höchste Form des Single-Daseins), dass man sich schon fast wie Hiob fühlen muss („Kristina“ als Name verführt mich dazu) und jenes höhere Wesen, das wir alle nach Dr. Murke irgendwie verehren (und hieße es Gott Mammon), bräuchte nicht einmal eine Wette mit Satan oder Mephisto abschließen, denn die armen Seelen oder Zombies verliefen sich im allzu irdischen Konsumentenparadies (um eine alttestamentarische Variante zu Peeperkorn und Achillus hineinzubringen).

Insofern alles schon gesagt, aber es gibt noch m. E. einige Trivialitäten, die man beseitigen sollte,

liebe RinaWu,

wie im Eingangszitat, dass eigentlich mit dem Reflexivpronomen enden sollte

Sie wünscht sich eine Baustelle … und s[ich] mittendrin.

Ein zwotes, was muss, findet sich am Ende, wenn es heißt
Jetzt geht sie nach Hause, packt die Sachen in den Kühlschrank und macht sich was zu [e]ssen.

Was so beim ersten Durchgang auffällt

Durch die Dachfenster fallen erste Strahlen des Morgens aufs Parkett.
Aber sind es nicht eher Strahlen der Sonne, die da morgens fallen? Obwohl in der Einleitung schon einige Adjektive stehn – hier wirstu noch eines gebrauchen, „morgendliche Strahlen“.
Wie überhaupt extreme Verben genutzt werden (wie das schrillende Glöckchen über der Tür), die wohl eher wegen der Ausnahmesituarion „schrillt“ - also ein Wahrnehmungsproblem unserer Heldin.

Als nächstes „fällt“ der Schlaf ab – obwohl „fallen“ eher plötzlich denn in Zeitlupe erfolgt - wie der Absatz ja zeigt

Während sie durch den Raum tapst, fällt der Schlaf von ihr ab.
Fällt langsam oder schwindet? Besseres fällt mir gerade nicht ein, oder – den Absatz von den geriebenen Augen an zeigt es ja, dass er eben nicht einfach fällt. Der „gefallene“ Schlaf ist erst das Produkt einer Anstrengung

Ihr Herz pumpt seinen dumpfen Rhythmus.
„pumpen“ und „dumpfen“ gibt zwar einen schönen Stabreim, aber der Rhythmus des Herzes kann gleichmäßig oder auch nicht, schneller oder langsamer sein – aber dumpf?
Nun, das Adjektiv verheimlicht seine Herkunft vom „Dampf“ nicht und kommt aus dem verschollenen „dumpfig“ (= schimmelig, muffig) – und der Schimmel konnte auch Atemnot bedeuten. Über die Sprachgeschichte folgen Bedeutungen wie durch Rauch und Dunst BEENGEND entwickelte sich „engbrüstig“ im Sinne von „heiser“ und „hohl“ (wie eine Trommel halt mit ihrem mehr oder weniger dumpfen Ton.
Die Verbindung mit dem Rhythmus gibt natürlich der Schlag

Erst beim zweiten Öffnen wagt Marla es, hineinzugehen.
Warum die alttestamentarische Allzweckwaffe "es", wenn wir doch anschließend sofort wissen, "was" sie da wagt.
Vielleicht aber fragt sie sich zuvor, ob sie "es" (= hineinzugehen) wagen soll?

So - der Hahn kräht zu Mittag und

bis bald

Friedel

 

Hi @RinaWu

ich habe die Kommentare nur überflogen und steige direkt ein.

Sie stellt sich vor, wie er von den Schultern leise auf den Boden rieselt, kurz vor sich hinglitzert und verschwindet.
Ganz gleich, ob du Horror, Fantasy, Romantik oder Alltag schreibst / schreiben würdest - ich glaube, du hast immer solch (schönen) Sätze in deinen Texten, wie später auch "eine dicke Schicht Watte, die um ihren Kopf gewickelt".
Ist wohl auch dein Erkennungszeichen. Ich mag sie, wünschte, mir fielen sie auch ein. Ich möchte sie dir keinesfalls ausreden, dir lediglich den Denkanstoss geben, ob du, gleich welches Genre, solche sanften, süßen Sätze brauchst. Vielleicht mal ab und an mit schwarzer Farbe anstatt in Rosa malen ;) Ach, du hast ja gar kein "Horror" getagt ...

„Sicher ’ne Straßensperrung oder so was.“
Hier ist sie noch nicht so sehr verunsichert. Ich würde es an ihrer Stelle schon sein.
Straßensperre hat ja außerdem nichts mit Lärm im Treppenhaus, dem Mann gegenüber zu tun ...

Wo ist die alte Dame, die dort jeden Morgen ihre Semmeln holt und den Verkehr aufhält, weil sie mindestens fünf Minuten mit der Verkäuferin schwatzt? So oft steht Marla hinter ihr und verdreht die Augen. Jetzt würde sie gerne hören, was die Frau zu erzählen hat.
Der Part gefällt mir gut. In wenigen Worten beschreibst du hier sehr viel.

Sie geht zur U-Bahn hinunter. Der Bahnsteig ist leer. Auf dem rechten Gleis steht ein Zug mit geöffneten Türen, aber die Beleuchtung ist ausgeschaltet.
Allerspätestnes hier, eigenltich schon am Kiosk zuvor, würde ich mein Handy herausholen und mir die News ansehen. Jemanden anrufen, anschreiben.

In Horrorfilmen würde jetzt ’ne Horde Zombies durch den Schacht gehumpelt kommen und sich auf sie stürzen.
Ich selbst sehe deine Geschihcte als Anfang einer Apokalype. Habe die Bilder vor Augen aus entsprechenden Filmen.
Als Leser frage ich mich hier, wohin das alles hinführt. Ob es eine Auflösung gibt.

(Wieso streunert da nicht wenigstens ein Köter schnuppernd durch die Gasse?) ;)

Sie schließt den Browser, öffnet ihn wieder und ersetzt Straßensperrung durch Evakuierung.
Keine Ahnung, warum sie das so kompliziert macht. So eine Meldung würde doch ganz oben bei jeder News-Seite stehen.

Kameras. Irgendwo sind hier Kameras. Das kann nur ein Scherz sein. Da sitzt so’n alternder Showmaster in ’nem Van mit ganz vielen Monitoren und lacht sich tot.
Das kann Marla nicht wirklich ernst meinen (ein solcher Aufwand dafür!). Tut sie wohl eher aus einer drohenden Hysterie/Panik. Als letzte Möglichkeit.
Von daher passt es hier gut.

sie durchquert den Westpark, der in seinen bunten Herbstfarben in der Sonne leuchtet, und spürt ihn wieder, den Kloß im Hals. Hier hat sie oft in dem kleinen Open-Air-Café am Mollsee gesessen und die durcheinandergewürfelten Menschen beobachtet. Die Mütter, die ihre quengelnden Kinder mit einem Eis besänftigen wollten, die Hipster, die ihre Hosen noch weiter hochkrempelten, um Sonne an die blassen Waden zu lassen, die Omis, die sich bei einem Kaffee über ihre Nachbarn beschwerten.
So schön das hier und das später auch alles geschrieben ist, dennoch erzählst du nichts wirklich Neues, wiederholst dich ja quasi.
Wäre ggf. ein Kürzungskandidat, damit es direkt an dieser Stelle weitergeht: "Je näher sie dem Zentrum kommt ..." (Kill your darlings.)

Hier drinnen surren Kühlschränke
Wieso funktioniert hier der Strom, das Handynetz aber nicht? Bei einer "Störung" würde normalerweise alles ausfallen.

"Und dann?" ist das Therma der Challenge, und das hast du gut getroffen. Ich möchte tatsächlich wissen, wie es "dann" weitergeht.

Hat mir gut gefallen. :thumbsup:

Wünsche dir einen tollen Tag.

Liebe Grüße,
GoMusic

 

Hallo lieber @Friedrichard

Danke dir für deinen Kommentar.
Die kleinen Flusen habe ich beseitigt, so viel schon mal vorneweg :)

Aber sind es nicht eher Strahlen der Sonne, die da morgens fallen? Obwohl in der Einleitung schon einige Adjektive stehn – hier wirstu noch eines gebrauchen, „morgendliche Strahlen“.
Wie überhaupt extreme Verben genutzt werden (wie das schrillende Glöckchen über der Tür), die wohl eher wegen der Ausnahmesituarion „schrillt“ - also ein Wahrnehmungsproblem unserer Heldin.
Sicher sind es die Strahlen der Sonne. Aber ich nehme mir hier die Freiheit, auch den Morgen strahlen zu lassen. Ich denke, auch ohne die von dir vorgeschlagene Veränderung durch das Adjektiv "morgendlich" wird das klar. Die extremen Verben, wie du sie nennst, ja, die sollen natürlich darstellen, wie übersensibel Marla durch die Stille wird. Das stimmt.

Fällt langsam oder schwindet? Besseres fällt mir gerade nicht ein, oder – den Absatz von den geriebenen Augen an zeigt es ja, dass er eben nicht einfach fällt. Der „gefallene“ Schlaf ist erst das Produkt einer Anstrengung
Das verstehe ich nicht ... Ich finde "der Schlaf fällt von ihr ab" beschreibt ganz passend, was ich sagen will. Wo ist der Unterschied, wenn ich schreibe "der Schlaf fällt langsam von ihr ab" (außer eines weiteren Adjektivs, was ich vermeiden will)?

„pumpen“ und „dumpfen“ gibt zwar einen schönen Stabreim, aber der Rhythmus des Herzes kann gleichmäßig oder auch nicht, schneller oder langsamer sein – aber dumpf?
Ja, ich finde schon.

Warum die alttestamentarische Allzweckwaffe "es", wenn wir doch anschließend sofort wissen, "was" sie da wagt.
Stimmt, das "es" braucht es gar nicht. Habe ich ausgebessert.

Einen schönen Nachmittag dir noch!
Liebe Grüße

Lieber @GoMusic

Schön, von dir zu lesen.

Ich möchte sie dir keinesfalls ausreden, dir lediglich den Denkanstoss geben, ob du, gleich welches Genre, solche sanften, süßen Sätze brauchst. Vielleicht mal ab und an mit schwarzer Farbe anstatt in Rosa malen ;) Ach, du hast ja gar kein "Horror" getagt ...
Richtig, kein Horror ;) Und ich finde schon, dass ich da differenziere, was diese kleinen Sätze betrifft. Diese bildhaften Vergleiche, die ab und zu auftauchen, ja, die sind vielleicht eine Art "Erkennungszeichen". Jedoch variiert da schon der Tonfall, bzw., um bei deinem Vergleich zu bleiben, die Farbe. Es gibt Geschichte, da kommen die in der "süßen"/weicheren Art nicht vor (z.B. "Verlorene Stadt", "Verstehst du es jetzt?" oder "Ist doch nur Spaß"), sondern gehen eher in eine andere Richtung. So zumindest empfinde ich es. Also gerade bei Genres, die eher düster sind, mache ich da beim Schreiben schon Unterschiede. Korrigiere mich, wenn ich da eine möglicherweise falsche Selbstwahrnehmung habe. :Pfeif:

Straßensperre hat ja außerdem nichts mit Lärm im Treppenhaus, dem Mann gegenüber zu tun ...
Stimmt. Aber das sind ja auch erst einmal die ersten Überlegungen, kurz nach dem Aufstehen. Sie hat zu dem Zeitpunkt ja noch gar nicht wirklich überrissen, ob und was komisch ist, sondern eher ein mulmiges Gefühl, dessen Ursprung sie noch nicht klar benennen kann.

Der Part gefällt mir gut. In wenigen Worten beschreibst du hier sehr viel.
Danke, das freut mich.

Allerspätestnes hier, eigenltich schon am Kiosk zuvor, würde ich mein Handy herausholen und mir die News ansehen. Jemanden anrufen, anschreiben.
Ja, ihre Reaktionszeit dauert da länger als bei anderen, das kann gut sein. Ich habe mir das so vorgestellt, dass sie erst einmal diese morgendlichen Rituale abklappert, fast wie ferngesteuert und eben auch irgendwie verwirrt, bevor sie dann wirklich mal aktiv wird.

Keine Ahnung, warum sie das so kompliziert macht. So eine Meldung würde doch ganz oben bei jeder News-Seite stehen.
Da hab ich womöglich wieder zu viel von mir reinfließen lassen. Ich lese keine Nachrichten auf dem Handy, ich habe keinerlei Start-News-Seiten in meinem Browser eingerichtet (nur bei meinem Laptop, aber nicht auf meinem Handy), wenn ich unterwegs irgendwas wissen will, suche ich im Netz nach speziellen Suchbegriffen. Daher bin ich auf deine Variante - gebe ich ehrlich zu - noch gar nicht gekommen. Ich überlege mal, ob ich das ändern sollte.

Das kann Marla nicht wirklich ernst meinen (ein solcher Aufwand dafür!). Tut sie wohl eher aus einer drohenden Hysterie/Panik. Als letzte Möglichkeit.
Von daher passt es hier gut.
:kuss: Danke. Genau so meine ich die Stelle, will ausdrücken, dass sie verzweifelt, ohne mit Adjektiven wie "verzweifelt" oder "hysterisch" um mich zu werfen. Deshalb habe ich mich auch noch nicht dazu durchringen können, diesen Part zu löschen, weil er in meinen Augen eine Aufgabe erfüllt. Mal sehen, wie sich das in meinem Kopf noch entwickelt.

So schön das hier und das später auch alles geschrieben ist, dennoch erzählst du nichts wirklich Neues, wiederholst dich ja quasi.
Wäre ggf. ein Kürzungskandidat, damit es direkt an dieser Stelle weitergeht: "Je näher sie dem Zentrum kommt ..." (Kill your darlings.)
Auch da muss ich drüber nachdenken.

Wieso funktioniert hier der Strom, das Handynetz aber nicht?
Also, hier glänze ich mit Halbwissen. Kann es nicht sein, dass das Kommunikationsnetz ausfällt, aber nicht das Stromnetz? Oder ist das bescheuert gedacht? Ich bin mir hier wirklich unsicher. Mein Gedanke war einfach, als allererstes fällt die Möglichkeit weg, zu kommunizieren. Vielleicht, weil das heute so unfassbar wichtig geworden ist, gerade die digitale Kommunikation. Und danach, so in meinem Kopf, bricht langsam alles andere zusammen. Ich lasse mich hier aber gerne belehren, wenn das so einfach logisch nicht möglich ist.

"Und dann?" ist das Therma der Challenge, und das hast du gut getroffen. Ich möchte tatsächlich wissen, wie es "dann" weitergeht.
Super, das freut mich.

Danke dir und liebe Grüße
RinaWu

 

Hallo @RinaWu,
Du schlägst in Deinem Text die große Einsamkeitsmetapher an auf die krasseste Weise, die geht. Dass jemand in der Kulisse, die von der Belebtheit lebt, alleine herumwandelt wie in einem Stillleben, wie umgeben von toten Dingen, die nur vital werden, wenn sich etwas in ihnen bewegt. Das verbunden mit dem Herbst, dem Oktoberfest, das abgebaut wird, das bacchantische Fest als Gegenpol zum Stillstand oder auch das Bild der Einsamkeit und Verlorenheit im Gemenge. Das gefällt mir von der Szenerie her und ist, wie geschrieben wird, schon als Motiv in prominenten Texten verarbeitet worden. Ob das problematisch ist, weiß ich nicht. Es wurde auch schon viel über Bergsteiger geschrieben und wenn das aufregend ist, lese ich gerne auch noch einen Text über Bergsteiger. In der Postmoderne ist die Frage nach der Originalität ja nicht unproblematisch. Allerdings ist Deine gewählte Szenerie natürlich markant und eigen und da fällt die Parallelität schnell ins Auge. Aber nimm Eichendorffs Gedicht "Im Walde". Zweihundert Jahre alt. Selbe Story. Wo fängt man da an!

Sprachlich finde ich Deinen Text routiniert geschrieben. Eine Palette an Bildern, die das verdeutlichen soll, was los ist. Die kahle Stadt und eine verlorene Person drin. Der moderne Mensch, überall vernetzt und doch fundamental solo. Konsequent alles gezeigt. Und das ist es dann, was mich im Lauf der Lektüre stutzig macht und da muss ich nochmal zur Charakterisierung des Anfangs zurück: Das ist krass und ich frage mich, ob der massive Realitätsbruch in der Hochgeschwindigkeit funktioniert, wie er bei Dir dargestellt wird. Die Folie der Belebtheit, von der die Unbelebheit lebt, die fehlt mir. Und wenn schon die Wand ins Spiel gebracht wird: Da ist es so. Da ist natürlich Zeit, weil es ein Roman ist. Aber die Konfrontation von Kommunikation und Isolation erhält meiner Ansicht nach erst dadurch die Wucht, die sie als Potenzial in sich trägt, wenn auch die Gegenseite mehr zum Zug kommt. Als Gegenseite könnte ich auch annehmen, wenn die Darstellung über das Zeigen hinausginge, wenn sich sprachlich eine Innenwelt auftut, die dann wirklich intensiv ist, die das ersetzt, was das Leben vorher war. Eine Darstellung der Empfindung von Einsamkeit, Verlorenheit, von Verlassensein auf einen besondere Weise. Für mich ist da eine Grenze des Zeigens erreicht, die auf mich dann fast nüchtern und bemüht wirkt und nicht ganz den Boden der existenziellen Erfahrung erreicht. Um nochmal auf Eichendorff zu kommen: Da klingt auch erst das Waldhorn und die Vögel schlagen und dann kommt erst die Nacht.
Rinawu, ich finde den Text wirklich interessant und gut geschrieben. Für mich klappt er nicht ganz im Timing und in der formalen Anlage. So sehe ich das. Aber das wird völlig unterschiedlich rezipiert, wie die Kommentare zeigen.
Beste Grüße
rieger

 

Hej RinaWu,

ich finde nicht rein, in Deine Geschichte. Für mich fühlen sich zeitliche Abläufe und sinnliche Eindrücke irgendwie verschoben an und darunter leidet das Ganze. Ich krieg da keine Fuß in die Tür.

Zu schnell geht es mir z.B. wenn Marla das quietschende Fenster öffnet. Sofort ist sie auf die fehlenden Geräusche fokussiert. Sie zweifelt nicht eine Sekunde an der eigenen Wahrnehmung, stimmt vielleicht was nicht mit meinen Ohren, nix. Gleichzeitig scheint sie ihre Augen in dem Moment vergessen zu haben und fragt erstmal nur nach Geräuschen, obwohl sie doch genauso gut und begründet Menschen und Bewegung vermissen müsste.

Dann nimmst Du der Geschichte in meinen Augen den Wind aus den Segeln, indem Du Marla ins Bad schickst, wo sie sich darüber wundert, dass sie nur das Wasserplätschern, Spucken etc. hört. Daran ist für mich nichts erkennbar anders als jeder beliebige Morgen bei den meisten alleinstehenden Menschen (es sei denn Marla wohnt direkt an einem Rangierbahnhof oder dünnwandig neben einer zehnköpfigen Familie mit Holzschuhen).

Diese Stelle wäre eine gute Gelegenheit, Marla eben nicht nur nach einer Erklärung suchen zu lassen, die ihr Verstand fassen kann, damit banalisierst Du auch, was Du vorher schon versucht hast aufzubauen. Wenn da etwas so wie hier nicht stimmt, dann muss es einen inneren Kampf und etwas geben, was Gewissheit haben will oder sich gegen Gewissheiten wehrt. Der Gedanke "Sicher ne Straßensperrung" wirkt da wie eine Feder in einem (beginnenden) Orkan, den ich eben total vermisse.

Zu langsam und viel zu begriffsstutzig empfinde ich Marla als sie auf die Straße und zum Bäcker geht oder wenn sie in der Bahn jedes Abteil durchsucht, mit dem Fahrer sprechen will. Du beschreibst sie als "verwirrt", das finde ich schwach, als Emotion gegenüber so eine Szenerie.
Auch hier

Was, wenn sie wirklich der einzige Mensch in ganz München ist?
Das ist das Challenge-Thema. ;)
Aber warum sonst sollte sie das denken, nachdem sie stundenlang durch München gelaufen ist. Ohne wem zu begegnen. Ohne Autos, ohne Geräusche. Was hat sie davon abgehalten, das nicht schon viel früher zu vermuten.
Es ist auch ermüdend, wenn ihre Hoffnung über lange Strecken immer dieselbe bleibt, vielleicht finde ich hier einen Menschen, vielleicht hier, vielleicht da. Ihre Hoffnung wirkt leblos und trotzdem hat das wenig Verzweifeltes, weil dazu gehört, dass die Hoffnung verschwindet.

Ein Blatt landet vor ihren Füßen. Sie hebt es auf, zerbröselt es in der Hand. Es raschelt und knistert. Sie springt auf, stapft in dem Grünstreifen zwischen Gehweg und Straße durch das getrocknete Laub, wirbelt die Blätter auf, tritt auf Äste, wirbelt, knackst und tritt. Erneut zieht sie ihr Handy hervor, versucht es im Internet.
Diese Stelle finde ich gut, weil Marla hier aufhört, sinnloses Zeug zu denken. Sie handelt sinnlos, planlos und das wirkt auf mich dann gleich viel stimmiger.

In meinen Augen führen einige Gedanken komplett raus, aus Deinem Szenario, das dadurch immer brüchiger wird. Warum denkt Marla ironisch "nicht mal ein Untoter". Ironie leistet man sich aus einer Überlegenheit hinaus, Marla ist aber ohnmächtig und der Situation komplett ausgeliefert.
Warum denkt sie an Kameras? Du bietest Deinen Lesern wirklich den Gedanken an, jemand könne auch ebensogut an Kurt Felix denken, wenn er plötzlich der einzige Mensch auf dem Planeten ist?

Dadurch, dass Marla die ganze Zeit vollkommen alleine agiert, finde ich es übrigens so gut wie unmöglich zu zeigen, was in ihr vorgeht, ohne dass es immer einen Tick demonstrativ wirkt. Alles in allem also wirklich keine leicht Aufgabe, die Du Dir da vorgenommen hast.

Gruß
Ane

 

Liebe RinaWu,

da hab ich ja Gottseidank mich doch noch entschlossen, die Kommentare wenigstens quer zu lesen. Ich hätte dich nämlich sonst auch auf die Wand angesprochen und dir erzählt, dass deine Geschichte mich sehr daran erinnert. Das tu ich jetzt zwar trotzdem, aber ich hoffe, etwas weniger oberflächlich, als ich das normalerweise gemacht hätte, da hätte ich nämlich einfach geschrieben, ah, du hast die Wand gelesen und dich inspirieren lassen und du hättest dich möglicherweise geärgert. Dabei hätte ich eh nicht an eine Kopie gedacht, dazu gibt es viel zu viele Unterschiede. Aber natürlich wird trotzdem da Motiv deutlich. So habe ich jetzt angefangen, mir Gedanken zu machen, was für ein Kladderadatsch an diesem Motiv hängt. Insofern - auch wenn es dir weh getan hat, bin ich um die sehr deutliche Rückmeldung von @Achillus dankbar.
Mal kurz zwischendurch: Wenn du "Die Wand" nicht kennst, lies sie unbedingt mal, es lohnt sich. Da hättest du aber auch die Unterschiede gesehen. In Haushofers Roman nehmen die Tiere recht bald eine sehr hervorgehobene Stellung ein, ach ich fand das Buch beeindruckend. Ansonsten: Ich sehe es im Allgemeinen gesprochen anders als Achillus. Ich bin nicht der Meinung, dass man alle den Literaturmarkt bestimmenden Bücher kennen muss, wenn man eine Geschichte in einem Forum postet und sich keinem bereits häufig verwendeten Motiv widmen sollte, weil es abgenudelt sei. Wenn ich mir überlege, dann könnte ich vermutlich sehr viele Geschichten auf ein bereits bekanntes und sehr häufig verwendetes Motiv zurückführen.
Trotzdem ist es auch mir hier so gegangen, dass ich mich sehr auf das Motiv gestoßen fühlte. Möglicherweise, so denke ich mir das nun, liegt es daran, dass es ein sehr sehr spezielles Motiv ist, plötzlich allein auf der Welt oder in der Stille und Einsamkeit zu sein, ohne dass es nur Auftakt für ein Endzeitszenarium ist. Da bleibt ja nicht viel an möglichem Konflikt. Es kann ums Überleben gehen, also zu einer Robinsonade werden oder eine Art Zivilisationskritik sein, oder sich mit der Einsamkeit und Isolation beschäftigen. Und viel mehr fällt mir schon nicht mehr ein. Und entsprechend sieht es mit dem Antagonisten aus.
Von daher hast du dir in meinen Augen einen sehr schwierigen Auftrag erteilt, weil dir in der Kürze ja nicht viel Möglichkeit bleibt, den Kampf ums Überleben zu zeigen oder die Kritik an der Zivilisation. Oder die Auseinandersetzung mit der Isolation. Du zeigst mir eher den Prozess des Wahrnehmens der Situation: Junge Frau in der Stille. Das Problem ist: das ist als Motiv nur der Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit diesem Motiv.
Und da muss ich jetzt ein wenig selbstkritisch sagen, vielleicht hängt das ja mit unserem Challenge-Thema zusammen. ich muss das mal mit @Fliege besprechen. Wir hatten das ganz allgemein gemeint. Ein "Was dann" als Ausgangspunkt in der Auseinandersetzung mit irgend einem möglichen Konflikt. Vielleicht ein bisschen zugespitzter als normal, aber eben nicht als Endpunkt. Auch bei @Vulkangestein hab ich schon ein bisschen gedacht, er steuert als Ziel auf ein "Was dann" zu. "Was dann" als Thema so verstanden lenkt einen vielleicht ein bisschen sehr darauf, die Geschichte so zu schreiben, dass durch die Geschichte ein bestimmter Moment angebahnt wird, etwas Unerhörtes, Atemberaubendes. etwas, was einen dann wirklich nur noch ein "Was dann" denken lässt. Also, dass die Frage zum Ziel der Geschichte wird.
Ach Mensch, ich weiß nicht, bitte bitte frag nach, ich weiß nicht, ob ich mich verständlich genug ausgedrückt habe.

Ich finde immer noch, man kann das machen, die Anbahnung/Entwicklung dieses Moments "Wahrnehmung der immerwährenden Stille" zu beschreiben, aber möglicherweise muss man dann einen ganz anderen Fokus setzen. Nicht nur das Äußere beschreiben, sondern eben auch ganz kontrolliert und behutsam viel stärker in die Innerlichkeit der Protagonistin gehen. Und als ich dann vorhin den Kommentar von @rieger las, konnt ich meinen Kopf vom ununterbrochenen Nicken gar nicht mehr abhalten. Und jetzt hab ich ein Schleudertrauma und finde, er hat verdammt Recht.
Von daher spare ich mir weitere Ausführungen dazu. Ich meine halt, der etwas anders gesetzte Schwerpunkt könnte dich aus dem Dilemma herausführen.

Aber gut, wie so oft ist das wahrscheinlich auch wieder Geschmackssache und vielen gefällt die Geschichte gerade so, wie sie ist. Aber ich kann mir vorstellen, dass die Diskussion darüber, so wie wir alle sie hier geführt haben und sie noch führen, auch wenn man sich mal kurzfristig ärgert, eine wahnsinnig lohnende ist. Ganz egal, wie man als Autor mit der aktuellen Geschichte verfährt.

Eine ganz dicke Lanze wollte ich noch brechen für diesen Satz:

Während sie durch den Raum tapst, fällt der Schlaf von ihr ab. Sie stellt sich vor, wie er von den Schultern leise auf den Boden rieselt, kurz vor sich hinglitzert und verschwindet.
Ich finde den nicht nur wunderschön und für ein Markenzeichen, das du hoffentlich nie ablegst, sondern ich halte den auch für notwendig. Der Satz charakterisiert diese junge Frau. Ich muss gar nicht viel über die wissen, mit dem Satz, mit dem, was sie da denkt, sehe ich sie vor mir. Sie hat was Mädchenhaftes, Junges und sehr Sensibles, sie reflektiert ihre Empfindungen und das, was ihr widerfährt.
Bitte streich ihn nicht weg. Vielleicht stört der andere Leser ja nur, weil er so ein bisschen aus dem Rahmen fällt, nicht so zum Rest passend erscheint. Dagegen könnte ich halten, dass es Menschen gibt, die sehr zwiespältig sind und warum soll man das nicht am Stil, an der Art der Sätze ausdrücken. Und vielleicht ist der Satz und das, was er tut, eben auf sehr feinfühlige Weise in ihre Innerlichkeit zu gehen, nur noch nicht verzahnt genug?

So - Details liefere ich vielleicht noch nach.
Jetzt schick ich das erst mal los, damit es nicht verloren geht und ich Kaffee trinken kann.

Viele Grüße an dich von der Novak

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @rieger,

vielen Dank für deine Rückmeldung. Ja, es stimmt, vielleicht habe ich mir selbst ein Ei gelegt, indem ich ein Szenario gewählt habe, dass so markant ist, dass Parallelen zu Büchern/Filmen/was auch immer in der Kunst dazu schnell auffallen. Das sehe ich ein. Wählt man ein alltäglicheres Thema, fällt das nicht so ins Gewicht. Der Ausgangspunkt für mich persönlich war aber tatsächlich, wie interessant ich den Gedanken fand, mal aufzuschreiben, wie das sein könnte, wenn München auf einmal leer ist. Das hat dieses "Was dann" in der Challenge bei mir ausgelöst und dann wollte ich das mal versuchen. Dass da einige Stolpersteine im Weg liegen, merke ich nun selbst, war mir beim Schreiben aber tatsächlich nicht bewusst.

Aber die Konfrontation von Kommunikation und Isolation erhält meiner Ansicht nach erst dadurch die Wucht, die sie als Potenzial in sich trägt, wenn auch die Gegenseite mehr zum Zug kommt. Als Gegenseite könnte ich auch annehmen, wenn die Darstellung über das Zeigen hinausginge, wenn sich sprachlich eine Innenwelt auftut, die dann wirklich intensiv ist, die das ersetzt, was das Leben vorher war. Eine Darstellung der Empfindung von Einsamkeit, Verlorenheit, von Verlassensein auf einen besondere Weise.
Ja, das kann ich komplett nachvollziehen. Und ich denke schon seit Tagen darüber nach, wie das gehen könnte. Also, wie ich das umsetzen könnte. Das Problem, was ich dann immer habe, wenn ich zum Beispiel an ihre Innenwelt denke als Gegenpol, ist, dass ich dann das Gefühl bekomme, ich würde das nicht hinkriegen, ohne dass es dann so verschwurbelt emotional wird. Viel denken, fühlen, spüren, überlegen, all sowas. Weißt du, was ich meine? Denn genau auf - ich nenne es jetzt mal so - Monologe dieser Art wollte ich verzichten. Ich wollte es schaffen, ihre inneren Vorgänge durch ihre Handlungen zu beschreiben. Das ist wohl zum Teil gelungen, zum Teil bleibt es sehr an der Oberfläche.

Rinawu, ich finde den Text wirklich interessant und gut geschrieben. Für mich klappt er nicht ganz im Timing und in der formalen Anlage.
Das verstehe ich. Wie gesagt, das sind Punkte, die mir erst jetzt klar werden und über die ich viel nachdenke. Natürlich ist es super schwer, ihre Entwicklung in einer Kurzgeschichte darzustellen, aber ich dachte mir, wenn ich nur den ersten Tag nehme, um diese Situation zu beschreiben, dann gelingt mir das. Hmm, da haben wir wieder das Ei ... Es freut mich aber, dass du den Text dennoch interessant fandest.

Danke für deine Denkanstöße
Liebe Grüße

Hallo @Ane

auch dir vielen Dank für deinen Kommentar.

Zu schnell geht es mir z.B. wenn Marla das quietschende Fenster öffnet. Sofort ist sie auf die fehlenden Geräusche fokussiert. Sie zweifelt nicht eine Sekunde an der eigenen Wahrnehmung, stimmt vielleicht was nicht mit meinen Ohren, nix. Gleichzeitig scheint sie ihre Augen in dem Moment vergessen zu haben und fragt erstmal nur nach Geräuschen, obwohl sie doch genauso gut und begründet Menschen und Bewegung vermissen müsste.
Ich verstehe, dass ich da ein Wagnis eingegangen bin, dass diese Entwicklung von Marla nicht für alle funktioniert. Aber speziell bei der hier zitierten Szene verstehe ich es nicht. Marla wohnt mitten in München. Ich selbst ja auch - ist kein Geheimnis ;) Wenn man da morgens aufwacht und das Fenster öffnet, hört man sofort Straßenlärm. Daher wäre auch das erste, was auffallen würde, wenn dieser wegfällt und das Quietschen des Fensters plötzlich lauter, deutlicher klingt als sonst. Und weshalb hat sie ihre Augen vergessen? Das erste was sie macht, als sie die Stille wahrnimmt, ist doch, auch dem Fenster zu sehen, nach Autos zu suchen, Fußgängern, Fahrrädern, ihrem Nachbarn ... Und ja, die Szene im Bad muss ich überdenken, aber an sich ist das kein ungewöhnliches Ding, morgens im Bad mehr Geräusche zu hören, als das eigene Zähneputzen. Bei mir ist das z.B. Gespräche im Innenhof, weil mein Badfenster immer gekippt ist, Schritte im Treppenhaus, Türenknallen. Gerade in der Früh ist da ordentlich was los im Haus.

Es ist auch ermüdend, wenn ihre Hoffnung über lange Strecken immer dieselbe bleibt, vielleicht finde ich hier einen Menschen, vielleicht hier, vielleicht da. Ihre Hoffnung wirkt leblos und trotzdem hat das wenig Verzweifeltes, weil dazu gehört, dass die Hoffnung verschwindet.
Ich war der Meinung, dass ihre Verzweiflung schon durchklingt, nicht in Selbstgesprächen oder Gedanken, sondern durch ihr Verhalten. Ich war da beim Schreiben sehr zurückgenommen, weil ich den Text eben nicht zu emotional erzählen wollte im Sinne von Darstellung ihres Inneren. Ich hatte da die Befürchtung, das wird dann irgendwie too much. Keine Ahnung, hier bin ich gerade sehr verwirrt. Weil ich einerseits denke, es ist viel besser, anhand von Handlungen zu zeigen, was in einer Person vorgeht, andererseits merke ich, dass das hier wohl doch nicht so funktioniert. Oder sagen wir so, bei manchen ja, bei manchen nein. Auch wieder Stoff zum Nachdenken ...

Warum denkt Marla ironisch "nicht mal ein Untoter". Ironie leistet man sich aus einer Überlegenheit hinaus, Marla ist aber ohnmächtig und der Situation komplett ausgeliefert.
Diese Ironie hatte @Peeperkorn auch schon angesprochen. Da habt ihr schon recht. Ich dachte, das ist gut, um Marla zu beschreiben, ihre vielleicht eher trockene Art in Momenten der Unsicherheit, aber auch das scheint eher aufzustoßen, als zu passen.

Warum denkt sie an Kameras?
Das sollte ihre Verzweiflung darstellen. Dass ihre Gedanken völlig absurde Wege gehen, um die Situation zu erklären.

Dadurch, dass Marla die ganze Zeit vollkommen alleine agiert, finde ich es übrigens so gut wie unmöglich zu zeigen, was in ihr vorgeht, ohne dass es immer einen Tick demonstrativ wirkt. Alles in allem also wirklich keine leicht Aufgabe, die Du Dir da vorgenommen hast.
Da hast du wohl recht!

Viele Grüße
RinaWu

Liebe @Novak

Schön, von dir zu lesen!!

Ich hätte dich nämlich sonst auch auf die Wand angesprochen und dir erzählt, dass deine Geschichte mich sehr daran erinnert.
Das ist ja auch gar kein Problem, darum ging es mir nicht, als ich mich geärgert habe. Das ist glaube ich aus meinem Kommentar auch klar geworden. Es ist gar kein Thema, wenn du sagst, meine Geschichte erinnert dich daran. Sowas passiert. Wie hier schon mehrmals gesagt wurde, ich habe mir da ein sehr spezielles Thema ausgesucht, da fallen etwaige Parallelen schneller auf, als bei anderen Themen. Wie habe ich es oben geschrieben: Da habe ich mir wohl selbst unwissentlich ein Ei gelegt. Aber was soll's, sowas passiert, ist ja auch ein Lernprozess für mich. Gerne geschrieben habe ich die Geschichte dennoch ;)

Dabei hätte ich eh nicht an eine Kopie gedacht, dazu gibt es viel zu viele Unterschiede.
Danke. Ich habe mir jetzt mal durchgelesen, um was es bei "Die Wand" geht und mein erster Gedanke war auch, okay, das Motiv, klar, aber ist das wirklich die gleiche Geschichte, die ich da erzähle? Ich werde mir das Buch auf jeden Fall holen, nachdem ich "Die Arbeit der Nacht" gelesen habe.

Ich bin nicht der Meinung, dass man alle den Literaturmarkt bestimmenden Bücher kennen muss, wenn man eine Geschichte in einem Forum postet und sich keinem bereits häufig verwendeten Motiv widmen sollte, weil es abgenudelt sei. Wenn ich mir überlege, dann könnte ich vermutlich sehr viele Geschichten auf ein bereits bekanntes und sehr häufig verwendetes Motiv zurückführen.
Ich teile deine Meinung.

Von daher hast du dir in meinen Augen einen sehr schwierigen Auftrag erteilt, weil dir in der Kürze ja nicht viel Möglichkeit bleibt, den Kampf ums Überleben zu zeigen oder die Kritik an der Zivilisation. Oder die Auseinandersetzung mit der Isolation. Du zeigst mir eher den Prozess des Wahrnehmens der Situation: Junge Frau in der Stille. Das Problem ist: das ist als Motiv nur der Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit diesem Motiv.
Was habe ich da bloß getan? ;) Nein, ernsthaft, ich weiß. Aber ich wollte es probieren. Und viele Probleme, die meine Themenwahl mit sich bringt, bemerke ich erst jetzt, Stück für Stück. Ich überlege viel, wie ich das in dieser Geschichte hier noch verbessern könnte, bis Ende November habe ich ja noch Zeit. Aber sollte ich noch einmal eine Apokalypsengeschichte schreiben, dann werde ich da sicher anders rangehen - von daher ist das ja auch wieder ein wichtiger Lernprozess.

Ach Mensch, ich weiß nicht, bitte bitte frag nach, ich weiß nicht, ob ich mich verständlich genug ausgedrückt habe.
Ich verstehe dich. :) Ich finde, das Thema der Challenge steuert gar nicht so sehr auf das Ende zu. Ich finde das ein sehr offen gehaltenes Thema und ich glaube, da wird eine bunte Mischung an interessanten Texten dabei rauskommen. Das ich das "Was dann?" ein wenig als Eingang und eben hauptsächlich als am Ende stehende Frage verwendet habe, ist ja allein mein Ding, genauso wie das Thema, das ich gewählt habe. Aber an sich empfinde ich die Challenge als sehr weit gefasst und offen.

Ich finde den nicht nur wunderschön und für ein Markenzeichen, das du hoffentlich nie ablegst, sondern ich halte den auch für notwendig. Der Satz charakterisiert diese junge Frau. Ich muss gar nicht viel über die wissen, mit dem Satz, mit dem, was sie da denkt, sehe ich sie vor mir. Sie hat was Mädchenhaftes, Junges und sehr Sensibles, sie reflektiert ihre Empfindungen und das, was ihr widerfährt.
:kuss: Nein, ich werde den nicht streichen! Hatte ich auch nicht vor. Das ist wieder so ein Satz, der polarisiert, manche brauchen ihn gar nicht, andere sehen ihn in seiner Bedeutung anders, so wie du. Und ich finde ihn auch wichtig, deshalb bleibt er.

Ich trinke jetzt auch mal einen Kaffee, mein Kopf schwirrt wie verrückt.
Liebe Grüße
RinaWu

 

Hallo @Bea Milana

Danke dir für deinen Kommentar.

Über deine Streichungsvorschläge denke ich nach, versprochen. Ich bin für sowas immer sehr dankbar, da eine andere Person doch immer einen viel distanzierteren Blick hat und ein wachsames Auge für mögliche Streichungen. Ich versuche das schon immer selbst ganz streng zu tun, schaffe es aber dennoch nicht so ganz. Ob ich die Streichungsvorschläge komplett übernehme, weiß ich nicht, aber ich sehe sie mir in den kommenden Tagen genauer an, habe dieses Wochenende nicht viel Zeit dafür.

Ich kann verstehen, wo deine Probleme mit meinem Text liegen. Ich kann aber zu meiner Verteidigung jetzt auch gar nicht mehr so viel sagen ;) Ja, das Szenario an einem Tag anzulegen, war riskant. Bei manchen funktioniert das, bei anderen gar nicht. Das kann ich nachvollziehen. Und ja, das Ganze auszudehnen, wäre sicher eine Möglichkeit, das besser zu entwickeln. Ich habe mich aber dagegen entschieden, als ich den Text schrieb, weil ich einfach beschreiben wollte, wie fühlt sich genau dieser erste Tag einer solchen Umwälzung an. Wie geht man damit um? Dass ich mir damit eine schwierige, vielleicht sogar nicht lösbare Aufgabe gestellt habe (zumindest für mein Schreibvermögen), das ahne ich gerade so langsam auch. Aber ich wollte es so, also muss ich mich dem jetzt auch stellen.

Tut mir leid, dass dich das nicht erreicht hat. Vielleicht beim nächsten Mal :)

Viele Grüße
RinaWu

 

Hallo @RinaWu,
ja, ich verstehe genau, was Du meinst und die Gefahr, die Du beschreibst, besteht tatsächlich. Wieder mal ne schöne Zwickmühle!
Herzlich
rieger

 

Hej RinaWu,

kurz ein Nachtrag zum besseren gegenseitigen Verständnis:

Aber speziell bei der hier zitierten Szene verstehe ich es nicht. Marla wohnt mitten in München. Ich selbst ja auch - ist kein Geheimnis ;)
So unterschiedlich ist das. Ich wohne mitten in Berlin, aber das Bad geht nach hinten raus und das Haus ist ohnehin sehr ruhig. Ich würd im Bad erstmal nicht unbedingt was bemerken. Dabei ist mein Badezimmerfenster auch immer offen. ;)

Ich versuche nochmal auf den Punkt zu bringen, was mir unstimmig vorkommt.
Ich stelle mir vor, dass ein Mensch in so einer Situation einerseits auf einer körperlichen und unbewussten Ebene sofort mitbekommt, dass etwas nicht stimmt.
Gleichzeitig hast Du Dich aber für einen langsamen Prozess des Erkennens entschieden, Marla hofft noch lange auf andere Menschen. Diesen Zwiespalt finde ich gut und vollkommen ausreichend, als Konflikt. Ich seh ihn nur nicht.

Ich sehe auch nicht, was ihre Hoffnung speist. Welche Eindrücke von außen sagen ihr, dass sie hoffen und vielleicht irgendwo doch noch jemanden finden kann? Sie wirkt auf mich wie jemand, der sich selbst an den Haaren hoch zieht. Sie hofft nach meinem Empfinden eher, um die Geschichte am Laufen zu halten, aber aus der Figur scheint mir das nicht zu kommen.

So ähnlich geht es mir mit den Handlungen, die ja Ausdruck ihrer Hoffnung sind. Sie geht zum Kiosk, in den Bäckerladen, aber ich sehe keine Anlässe, die einer der Situation entsprechenden Überlegung folgen. Sie sagt, sie braucht sowieso Zigaretten und im Laden oder Kiosk ist keiner. Wenn sie aber festhält, an ihrer Hoffnung, warum hält sie sich dann nicht auch an ihrem Zigarettenkauf fest. Warum klaut sie nicht mal provokativ was, wenn die Hoffnung noch besteht, dass da jemand sein könnte, den das stört, warum raucht sie keine, um irgendetwas zu tun, um sich selbst Halt zu geben?

Bla. Weiß nicht, ob das für Dich jetzt besser zu verstehen ist.
Ich stelle fest, ich finde die Thematik toller, je länger ich über Deine Geschichte nachdenke.
Für mich steht übrigens auch fest, dass es überhaupt keine Rolle spielt, ob Marlen Haushofer vorher mal Die Wand geschrieben hat (ein tolles Buch). Sie zeigt eine Frau in einer ähnlichen Situation über einen viel längeren Zeitraum und der Moment, den Du hier zeigst, wird in Die Wand kurz gehalten. Ich finde beides spannend. Deine Fragestellung könnte lauten: Wie geht ein Mensch mit einer so abrupten, hoffnungslosen Einsamkeit um. Was spielt sich da innerlich ab, welche Mechanismen benutzt der, um sich das vom Leib zu halten. Wann gibt er auf, weil die sich als nutzlos erweisen. Und was ist er dann noch, was bleibt dann von diesem Menschen.

Gruß
Ane

 

Liebe @RinaWu ,

kurze Schnellrückmeldung: Mir gefällt dieser Anfang wirklich besser. Für mich ist das nun stimmig :thumbsup:. Zwar hat mir der andere sprachgestalterisch auch sehr gut gefallen, aber irgendwie gehörte er zu einer anderen Geschichte. Vielleicht kannst Du ihn ja einmal recyceln.

Liebe Grüße
Mädy

 

Hallo @rieger,
ja, und was für eine Zwickmühle. Bevor ich verschlimmbessere, lasse ich das jetzt auch erst mal so. Feinschliff hier und da, gerade was Marlas Reaktionen betrifft, aber das mit dem Innenleben als Kontrapunkt muss ich noch genau abwägen und durchdenken.
Liebe Grüße!

Hallo @Ane,
ja, so unterschiedlich kann das sein mit den Wohnhäusern in der Stadt ;) Nein, im Ernst, in meinem Haus ist immer Action, deshalb kenne ich es nur so. Mit Sicherheit ist auch möglich, mitten in der Stadt zu wohnen und auch mal keinen Lärm zu hören.

Ich sehe auch nicht, was ihre Hoffnung speist. Welche Eindrücke von außen sagen ihr, dass sie hoffen und vielleicht irgendwo doch noch jemanden finden kann?
Auch das wollte ich nicht explizit aussprechen, sondern eher durch ihre Handlungen erfahrbar machen. Sie geht rüber in den Kiosk, in der Hoffnung, dass der Besitzer sie aufklären kann (diesen Gedanken äußert sie ja sogar), danach geht sie rüber in die Bäckerei, weil da Licht brennt und des nach Frischgebackenem riecht - natürlich nährt das automatisch die Hoffnung, dann auch zumindest jemanden in der Backstube anzutreffen. Ich finde schon, dass diese Eindrücke die Hoffnung speisen, dass da noch jemand sein könnte.
Warum klaut sie nicht mal provokativ was, wenn die Hoffnung noch besteht, dass da jemand sein könnte, den das stört, warum raucht sie keine, um irgendetwas zu tun, um sich selbst Halt zu geben?
Hmm, das mit dem Klauen gleich am Anfang zu bringen, finde ich jetzt irgendwie unlogisch. Hat man da - zumindest am Anfang so einer Szenarios - nicht doch noch Hemmungen, weil man denkt, man könnte erwischt werden? Das würde mir jetzt zu schnell gehen. Aber klar, sie könnte beispielsweise Kippen aus dem Regal nehmen, das Geld hinlegen, weil sie noch denkt (hofft), der Besitzer kommt gleich wieder, eine rauchen, um sich zu beruhigen ...
Danke dir auf jeden Fall für deine erneute Rückmeldung. Ich gehe den Text noch einmal Stück für Stück durch und versuche an ihren Reaktionen zu feilen, noch mehr herauszuarbeiten, wie sie sich fühlt.
Liebe Grüße!

Liebe @Maedy,
danke auch die für's Zurückmelden. Ja, es ist gut, dass ich nicht stur auf meinem Anfang beharrt habe (zumindest nur ein bisschen ...), das macht so, wie es jetzt ist, schon mehr Sinn, wenn man den gesamten Text betrachtet.
Einen schönen Tag dir!
LG, RinaWu

 

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