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Sturmlichter
Wenn ihre Haare flatterten im Sturm, wusste ich, dass ich bei ihr sicher war. Niemand konnte so mit dem Wind umgehen, der hier über das Land fegte und keine hohen Häuser erlaubte. Karges, erdiges Land mit kargen, erdigen Menschen. Ich wusste von Anfang an, dass ich bei ihr sicher aufgehoben war. Wenn sie auf der Erde lag, sah es aus, als wäre sie auf diesem Stück Land geboren und gestorben. Hier draußen, im Niemandsland, wo sich niemand hintraute wegen der Stürme, gehörte sie hin. Hier würde man sie suchen und finden. Die Jahreszeiten kamen mit dem Wind. Eisstürme, Sandstürme, mein Leben und ihr Leben waren geprägt von Stürmen. Wir wussten, dass es in den pechschwarzen Nächten auf dem Land gefährlich war. Doch als ich meinen Kopf hob und sah, dass es bereits dämmerte und man irgendwo am Horizont einen blassen Sonnenkegel verschwinden sehen konnte, bemerkte ich, dass sie nichts von dieser Gefahr wusste.Sie tanzte draußen, auf dem windverissenen Gras umher, dem Kegel entgegen, töricht singend. Ich stand auf und stob nach draußen, um sie davon abzuhalten – aber ich hätte es gleich wissen müssen. Nichts und niemand konnte sie davon abbringen, mit nichts und niemand war sie aufgewachsen und sie hatte nie auf sie gehört. Seichte Tränen rasten mein Gesicht hinunter. Ich wollte nicht, dass sie in der ewigen Wüste aus Erde und Gras verschwand, sie glaubte es vielleicht nicht, aber ich gab etwas für sie, sie war mir wichtig. Niemanden hatte ich gehabt, ich wäre ohne sie in diesem Land gestorben und mein Geist wäre orientierungslos herumgestoßen worden, ohne Pflicht und Ziel, er hätte sie nie gefunden. Ich rannte ihr hinterher, rief ihren Namen „Marta, Marta“, aber sie schien nicht zu hören, der Sturm füllte ihre Ohren und ließ meine Augen tränen und alles in grünbraunem Matsch verschwimmen. Marta, hauchte ich noch, bevor der Wind auch meinen Mund füllte und ihn unbrauchbar machte. Ich sah sie noch vor mir, in dem braunen Kleid und den sandfarbenen Haaren, die boshaft zu den Böen tanzten. Wie sie lachte und sang, von bösen Geistern erfasst und sie würden sie davontragen, wenn ich sie nicht rettete. Marta, dachte ich, so laut ich konnte, geh nicht, hier draußen, gibt es niemanden, der dich zurückholt. Hier draußen, wird es niemand kümmern, Marta, hier draußen sind es nur du und ich. Aber sie wusste nichts. Sie merkte nichts. Erst wenn der blassgelbe Kegel am Horizont verschwunden sein würde, würde sie sich wiederfinden, auf dem Boden der unheilvollen, undurchdringlichen Schwärze der Nacht. Sie würde niewieder zurückfinden. Ich ärgerte mich und meine Wut fuhr auf wie die dunklen, rasenden Wolken am Himmel, Sturmwolken auf dem Weg, die Sonne zu erdolchen. Sie verschwand immer schneller und die Wolken wurden immer schwärzer und die Sonne verschwand, als sie nur noch ein Punkt in der Ferne war. Doch als es pechschwarz war, die Sonne ertrunken und die Wolken sich niederließen, in grollender, rasender Wut, da konnte ich sie sehen. Sie glimmte und brannte in der Ferne, weit weg von mir, warf Schatten und heulte im Wind, wie ein Sturmlicht.