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Sturmlichter

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27.05.2009
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Sturmlichter

Wenn ihre Haare flatterten im Sturm, wusste ich, dass ich bei ihr sicher war. Niemand konnte so mit dem Wind umgehen, der hier über das Land fegte und keine hohen Häuser erlaubte. Karges, erdiges Land mit kargen, erdigen Menschen. Ich wusste von Anfang an, dass ich bei ihr sicher aufgehoben war. Wenn sie auf der Erde lag, sah es aus, als wäre sie auf diesem Stück Land geboren und gestorben. Hier draußen, im Niemandsland, wo sich niemand hintraute wegen der Stürme, gehörte sie hin. Hier würde man sie suchen und finden. Die Jahreszeiten kamen mit dem Wind. Eisstürme, Sandstürme, mein Leben und ihr Leben waren geprägt von Stürmen. Wir wussten, dass es in den pechschwarzen Nächten auf dem Land gefährlich war. Doch als ich meinen Kopf hob und sah, dass es bereits dämmerte und man irgendwo am Horizont einen blassen Sonnenkegel verschwinden sehen konnte, bemerkte ich, dass sie nichts von dieser Gefahr wusste.Sie tanzte draußen, auf dem windverissenen Gras umher, dem Kegel entgegen, töricht singend. Ich stand auf und stob nach draußen, um sie davon abzuhalten – aber ich hätte es gleich wissen müssen. Nichts und niemand konnte sie davon abbringen, mit nichts und niemand war sie aufgewachsen und sie hatte nie auf sie gehört. Seichte Tränen rasten mein Gesicht hinunter. Ich wollte nicht, dass sie in der ewigen Wüste aus Erde und Gras verschwand, sie glaubte es vielleicht nicht, aber ich gab etwas für sie, sie war mir wichtig. Niemanden hatte ich gehabt, ich wäre ohne sie in diesem Land gestorben und mein Geist wäre orientierungslos herumgestoßen worden, ohne Pflicht und Ziel, er hätte sie nie gefunden. Ich rannte ihr hinterher, rief ihren Namen „Marta, Marta“, aber sie schien nicht zu hören, der Sturm füllte ihre Ohren und ließ meine Augen tränen und alles in grünbraunem Matsch verschwimmen. Marta, hauchte ich noch, bevor der Wind auch meinen Mund füllte und ihn unbrauchbar machte. Ich sah sie noch vor mir, in dem braunen Kleid und den sandfarbenen Haaren, die boshaft zu den Böen tanzten. Wie sie lachte und sang, von bösen Geistern erfasst und sie würden sie davontragen, wenn ich sie nicht rettete. Marta, dachte ich, so laut ich konnte, geh nicht, hier draußen, gibt es niemanden, der dich zurückholt. Hier draußen, wird es niemand kümmern, Marta, hier draußen sind es nur du und ich. Aber sie wusste nichts. Sie merkte nichts. Erst wenn der blassgelbe Kegel am Horizont verschwunden sein würde, würde sie sich wiederfinden, auf dem Boden der unheilvollen, undurchdringlichen Schwärze der Nacht. Sie würde niewieder zurückfinden. Ich ärgerte mich und meine Wut fuhr auf wie die dunklen, rasenden Wolken am Himmel, Sturmwolken auf dem Weg, die Sonne zu erdolchen. Sie verschwand immer schneller und die Wolken wurden immer schwärzer und die Sonne verschwand, als sie nur noch ein Punkt in der Ferne war. Doch als es pechschwarz war, die Sonne ertrunken und die Wolken sich niederließen, in grollender, rasender Wut, da konnte ich sie sehen. Sie glimmte und brannte in der Ferne, weit weg von mir, warf Schatten und heulte im Wind, wie ein Sturmlicht.

 

Hallo Johanna!
Das ist eine atmosphärische Geschichte, die mich sofort an einen stürmischen Strand versetzt. Vielleicht ein ganz rauer Abend an der Nordsee. Deine Prots sind ein bisschen elfengleich, ich wüsste gerne mehr von ihnen, doch in das Stimmungsbild passen sie sehr gut. Fast kann ich das Meer riechen und die Verlassenheitsängste des Erzählers spüren, doch auch die Unerreichbarkeit von Marta. Einige Anmerkungen zum Stil:
Mir gefallen die Wiederholungen nicht besonders, der Text braucht sie auch nicht: 'Niemand... nichts und niemand', 'Eisstürme, Sandstürme...ihr Leben war geprägt von Stürmen'.
Unfreiwillig komisch finde ich: 'seichte Tränen rasten...' und den Begriff vom 'unbrauchbaren Mund'.
Gerne gelesen.
LG,
Jutta

 

Hallo JohannasVisions,
atmosphärisch sehr dicht...aber eher ein Gedicht als eine Geschichte, Handlung ist ja nicht wirklich vorhanden. Der Text wirkt mystisch, zauberhaft, von Verlassensängsten und der Gegenwart des Todes geprägt. Würde mich interessieren, was Dich zu ihm inspiriert hat.
Ich stimme Jutta zu und würde ihn sprachlich noch ein wenig entschlacken. Die „seichten Tränen“ sind mir auch negativ aufgefallen, ebenso „Marta, dachte ich, so laut ich konnte“ oder „Marta, hauchte ich noch, bevor der Wind auch meinen Mund füllte“...zum unbrauchbaren Mund hat sich Jutta ja schon geäußert.
Na ja, wird wahrscheinlich eh aus der Rubrik „Alltag“ entfernt werden, wenn ich mich nicht irre...
Gruß
TeBeEm

 

hi ihr zwei,
jaa, der unbrauchbare mund...=) ich kann mir darunter etwas vorstellen... ein Mund, der nicht spricht, versteht ihr?
Also, was mich dazu inspiriert hat...huh...ein sturm vor meiner haustür und...irgendein ausbruchsdrang schätze ich =))
Vielen Dank für eure tollen, detailierten Kommentare, weiß ich sehr zu schätzen.
Ist ja immerhin meine erste Story hier.
Gruß,
Johanna
PS: Ach, ich verstehe das nicht mit diesen Rubriken. Ich wollte eine sehr gute Geschichte reinstellen und sie wurde wieder rausgeworfen, weil ein Fragment drin stand. Also etwas, das keinen Sinn ergibt. Das ist doch Beraubung meiner künstlerischen Freiheit, oder?!

 

Hallo JohannasVisions,

da Deinem Text der Alltagsbezug fehlt, habe ich ihn in die Rubrik Sonstige verschoben. Informationen, welche Texte wohin gehören, findest Du in jeder Rubrik unter "Was passt in diese Rubrik?" o.ä. - für Alltag hier.

 

Hallo Johanna,

Ein schönes Bild malst Du da. Es versetzt einen durch Deine Wortwahl und Ausdrucksweise sehr gut in die Szene.

Weil mir die Geschichte so gut gefällt, ein paar Verbesserungsvorschläge (teils wiederhole ich, was andere schon gesagt haben, aber ich finde es manchmal nützlich zu wissen, dass dies oder das mehr als nur einen gestört hat, denn oft gehen ja die Meinungen auseinander)

Wenn ihre Haare flatterten im Sturm, .
Klingt mir zu gestellt poetisch, würd ich umstellen: Wenn ihre Haare im Sturm flatterten.
im Niemandsland, wo sich niemand hintraute
Wie wärs mit keiner oder kein Mensch
Hier draußen, wegen der Stürme, gehörte sie hin.
würd ich rauslassen
Nichts und niemand konnte sie davon abbringen, mit nichts und niemand war
sie aufgewachsen und sie hatte nie auf sie gehört
too much
Seichte Tränen rasten mein Gesicht hinunter.
Ich stand auf und stob nach draußen
könnte auf eine Bildungslücke meinerseits zurückzuführen sein, aber: Was ist denn das für ein Verb?
Sie würde niewieder zurückfinden
nie wieder, oder?
Sie verschwand immer schneller und die Wolken wurden immer schwärzer
Eins von beiden raus

Und jetzt noch eine blöde Frage: Ist Marta jetzt ein Hund/Wolf/Wolfshund oder nicht?

Wenn ja, (so hab ich's gelesen) find ich sehr schön die Zweideutigkeit mit einer Frauengestalt ("braunes Kleid" und so). Könntest Du für meinen Geschmack noch etwas mehr ausschlachten.

Kurz: Gefiel mir!

Liebe Grüsse

Elisabeth

 

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