Sturmwarnung
Erschreckt schaute ich aus dem Fenster, die ersten Tropfen des fast tropisch wirkenden Regens begannen an die Fensterscheibe zu fallen. Mit lauten und unregelmäßigen Schlägen ließen sie das Glas erzittern und flossen nach ihrem Aufprall langsam und stet die glatte Scheibe hinunter. Ich beobachtete dieses Naturschauspiel mit viel Interesse und setzte mich an die Fensterscheibe, weg von meinem Buch, das ich grad las. Der Himmel wurde schnell dunkler und man sah die untergehende Sonne kaum, da düstere Wolken plötzlich am Himmel auftauchten und der ganzen Szenerie etwas Mystisches und Unheimliches gaben. Sie zogen von Süden herauf in Richtung meines Zimmers, um die Natur und all ihre Lebewesen einzusaugen und unter sich zu begraben. Wie Sturmwellen im Wasser walzten sie die Helligkeit nieder. Der Regen schwoll an und rann nun in Bächen die Scheibe hinab. Die zartgrünen Grashalme knickten bei der Last der Wassermassen in sich zusammen und die vorher trockene Erde verwandelte sich in reißende Schlammlavinen. Mein Blick glitt wieder zu meinem Buch und ich wollte mich gerade in die neue Szene vertiefen, als ein Schlag mein Wasserglas neben mir erschütterte. Verwundert blickte ich auf und sah, dass die Wolken die Blitze zu ihrem Schauspiel auspackten. Ich wartete auf den nächsten Einschlag und als dieser kam, unerwartet heftig und in meiner Nähe, zählte ich die Sekunden, bis das Grollen des Himmels wahrzunehmen war. Doch auf dieses Gebrüll war ich nicht vorbereitet. Der Donner schwoll von einem sanften grummeln an zu einem tiefen Schrei, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Meine Ohren schmerzten und ich wand den Trick an, den mein Vater mir beigebracht hatte- Mund auf und durch die Nase pusten, zum Druckausgleich. Es gab ein unsanftes Knacken und Zirpen in meinem Ohr und dann war dieses leichte Schmerzgefühl auch schon wieder vorbei. Der Himmel hatte sich inzwischen zu einer Oase der Dunkelheit entwickelt und man sah die sturmgepeitschten Bäume und Büsche im Regen untergehen. Äste flogen umher und ich befürchtete jede Sekunde, dass der Baum vor meinem Haus dem Regen nicht standhalten konnte, so sehr bog er sich unter den Regenfällen und Wassermassen, die ihn umspülten. Blätter und Äste knickten ab und alles bog sich gefährlich gen Boden.
Leise beobachtete ich die Blitze, wie sie gefährlich in einen von ihnen auserwählten Gegenstand oder in die Erde donnerten und sah dabei in den Himmel, der sich bei jedem Blitzschlag erhellte und das Heer von Wolken preis gab.
Gerade, als ich mich wieder meinem Buch zuwenden wollte, flackerte das Licht unregelmäßig auf. Es wurde heller und schnell verfiel es in einen unsteten Rhythmus, der wie ein Leuchtsignal von einem Leuchtturm in weiter Ferne wirkte. Mein Teewasser begann Blasen zu werfen und ich stand auf, um ihn aufzugießen. Doch in diesem Augenblick fiel der Strom gänzlich aus und ich stand mitten in einem pechschwarzen Raum. Langsam tastete ich mich vorwärts zur Couch und meine Augen gewöhnten sich nach ein paar Sekunden in völliger Dunkelheit an diesen Zustand und ich fing die Konturen meines Wohnzimmers ein. Der Tisch aus grobem Kiefernholz, meine Couch mit Wildlederüberzug, die Decke unordentlich auf der Lehne eines Sessels. Wieder durchstieß der unbarmherzige Groll eines Blitzes die eben eingekehrte Stille und ließ mich zusammen zucken. Der Wind peitschte an den Außenwänden meiner Wohnung und ließ die Fensterläden erzittern. Da merkte ich, dass meine Katze sich nicht, wie gewöhnlich, um meine Beine strich und ab und zu ein Schnurren von sich ließ, sie war also noch draußen. Blitzschnell öffnete ich meine Terrassentür und schlitterte barfuss über die Teracottafließen. Sofort ergriff mich der Wind und stieß mir peitschenartige Stöße auf meinen Körper. Innerhalb von fünf Sekunden war ich durchnässt. Mit erhobener Stimme rief ich den Namen meiner Katze und sah sie im Augenwinkel klatschnass durch den Regen in die Wohnung huschen. Erleichtert drehte ich mich um und konnte kaum die Terrassentür sehen, so heftig schlug der Regen auf die Erde nieder. Vorsichtig setze ich einen Fuß vor den anderen und näherte mich meiner Wohnung. An meinem Arm kitzelte mich der Überrest eines Astes und abgelenkt durch diese Tatsache rutschte ich auf den spiegelglatten Fließen aus. Meine Füße wurden in die Höhe gerissen und mein Kopf ruckartig nach hinten geschleudert. Unsanft landete ich mit einem lauten Knall auf dem Boden und vor meinen Augen verdunkelte sich alles…
Schlagartig schreckte ich hoch und merkte, dass all das eben geschehene nur ein Traum war. Mein Herz raste nicht, aber es schlug in einem ungewöhnlichen Tempo. Ein bisschen verwundert versuchte ich mein störrisches Haar zu glätten und mein Blick fiel, wie konnte es anders sein, zum Fenster. Und dort sah ich einen Tropfen an die Fensterscheibe fallen…